Читать книгу Perry Rhodan 3067: Die Ägidenwelt - Michael Marcus Thurner - Страница 6
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Der Redner
Etwas stimmte nicht mit ihm – und er wusste es. Er hatte die Wahrheit gesehen. Hatte die Fassade erkannt und einen Blick dahinter geworfen.
Was er gesehen hatte, machte ihn schrecklich wütend. Immer noch. Nach all den Jahren auf der Flucht.
Für einige Sekunden wünschte er sich, dumm zu sein und nicht all das zu begreifen, was der Erzfeind mit ihnen anstellte.
Er weinte blutige Tränen. Ein langer Greifarm kam aus der Modularlehne seines Faltstuhls hervorgekrochen und machte sich daran, die Blutspuren zu beseitigen und die Narbe in seinem Auge zu verschließen, wie schon Hunderte Male zuvor.
Seine Begleiterin kam ins Wohnzelt, stockend und mit zittrigen Gliedern. »Die Leute wollen dich reden hören«, sagte sie kurzatmig.
»Sie wollen mich immer reden hören.«
»Erspar mir dein Selbstmitleid, Corey. Tu, was du kannst, um sie zu besänftigen. Andernfalls ist die Revolution verloren.«
»Das ist sie ohnehin längst. Niemand außer uns beiden begreift, worum es in diesem Kampf wirklich geht. Wir können unsere Leute im Zaum halten und sie immer wieder von Neuem begeistern – aber wir können sie nicht überzeugen.«
»Die Menschen da draußen halten dich für ein Genie. Du giltst als einer der klügsten Köpfe der Ägidenwelt, Corey. Aber wenn du mich fragst, bist du einfach nur ein Trottel.« Sie stampfte mit einem Bein auf. »Hast du schon wieder vergessen, dass es nicht um uns, sondern um die nächste Generation geht? Was wir tun, zählt für weitere Generationen. Sie sollen aus ihren Zwängen befreit werden.«
»Das weiß ich.«
»Dann lamentier nicht länger, sondern tu, was du zu tun hast.«
Sie hatte recht. Selbstverständlich.
Sie war sein Leitstern. Ohne sie hätte er es niemals geschafft, diese Revolution zu starten. Er wäre still und duldend in seinem Faltstuhl hocken geblieben und hätte das böse Spiel des Niemands-Konsuls mitgemacht, bis ans Ende seiner Tage.
»Danke«, sagte er leise, räusperte sich mehrmals und wartete geduldig, bis der Greifarm die Reparaturarbeiten an seinem Auge abgeschlossen hatte. Dann hob er den Faltstuhl an und flog ins Freie. Heißer Wind blies ihm entgegen, das Salz der nahen See war ebenfalls zu spüren.
Unter ihm standen Frauen und Männer, Jung und Alt, etwa 300. Sie hatten provisorische Lehmhütten errichtet und bezogen. So etwas wie Normalität hatte sich breitgemacht, nachdem sie seit mehr als drei Wochen ihren Standort nicht mehr hatten wechseln müssen.
Er sammelte seine Gedanken, erhob die Stimme und redete. So, wie niemand außer ihm zu reden vermochte. Mit Engelszungen, sagten seine Anhänger. Wer ihm zuhörte, für den stand die Zeit still. Es waren Stimme und persönliche Überzeugungskraft, die auf seine Anhänger wirkten.
Sie hörten aufmerksam zu. Misstrauen verwandelte sich in Vertrauen, Abneigung in Zuwendung, Apathie in Begeisterung. Corey machte, dass sie ihre Fäuste reckten, seinen Namen schrien, ihn feierten, ihm ewige Treue schworen.
Am nächsten Tag würden sie es aber längst wieder vergessen haben, und er würde ein weiteres Mal sprechen müssen. So, wie er es jeden Tag tat, seit mehr als fünf Jahren.