Читать книгу Perry Rhodan 2435: Die Nega-Cypron - Michael Marcus Thurner - Страница 7

3.

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27. Dezember

Perry Rhodan

Perry Rhodan atmete erleichtert auf, nachdem sie das Schlachtfeld der Ratskammer verlassen hatten. An einen Anblick wie diesen würde er sich wohl niemals gewöhnen können, und er war froh darüber.

»Wer oder was sind Nega-Cypron?«, fragte Ekatus neugierig. Der Dual hielt den Schmiegstuhl auf Körperhöhe Randa Eiss’, sodass er dem Exponenten in die Augen blicken konnte.

»Später!«, wich der Exponent aus. Er gab einige Befehle. Winzige Cypron-Figürchen, die in Holobildern oberhalb seiner Armband-Manschetten gefangen waren, bestätigten nacheinander seine Anweisungen. Die Energiebilder zerstoben, das Stimmengewirr der cypronschen Virtualwesen endete.

»Zuallererst muss ich dafür sorgen«, sagte er, »dass der Rat wieder handlungsfähig wird. Ehe dies nicht der Fall ist, herrscht auf Tarquina in gewissem Sinne Rechtlosigkeit.«

»Ist es deine Aufgabe, dich um diese Dinge zu kümmern?«, fragte Perry Rhodan.

»Ich sehe niemand anderen, der es machen könnte.«

Der Exponent nahm Pflichten und Verantwortungen auf sich, als wäre es selbstverständlich, und handelte.

»Was für Konsequenzen hat das Attentat auf die Wahl zum Ultimaten Rat? Muss sie verschoben werden?«

»Keinesfalls.« Randa Eiss verschränkte die Arme vor der Brust. »Alles läuft planmäßig weiter. Getötete Räte werden durch nachrückende Mitglieder der jeweiligen Parteien ersetzt. Diese Dinge werden bei uns möglichst unkompliziert gehalten.«

Perry Rhodan beneidete den Exponenten ein wenig. Die LFT-Demokratie war weitaus komplizierter.

»Was geschieht mit den Isolationisten? Werden die Positionen der drei verschwundenen Cypron neu besetzt? Wir müssen schließlich davon ausgehen, dass sie für die Gräueltaten in der Ratskammer verantwortlich sind.«

»Das hat keinerlei Bedeutung für die Zusammenstellung des Rats von Cyprona. Die Isolationisten sind Bestandteil unseres höchsten politischen Gremiums.«

Mehr war Randa Eiss nicht zu entlocken. Er hielt sich strikt an die Gepflogenheiten seiner Welt und seines Volkes. Nichts war zu spüren von der Kompromisslosigkeit und der Bereitschaft, die Konventionen nach seinen Vorstellungen zu biegen, wie sie der Exponent bereits öfters gezeigt hatte. Die politische Nomenklatur war seinen Vorstellungen nach unantastbar, war tabuisiert.

»Deco Forlane ist also nach wie vor der Kandidat zur Wahl des Ultimaten Rats? Er ist nach wie vor Vorsitzender der Isolationisten?«

Randa Eiss atmete flach. Kleinste Wassertröpfchen spritzten aus den Halskiemen. »So überzeugend die Beweise auch sein mögen: Deco Forlane besitzt politische Immunität. Er ist Rat.«

Perry Rhodan verstand und verstand nicht. Einerseits waren die Cypron überaus leger bei vielen politischen Vorgehensweisen. Andererseits hielten sie einige Bereiche in einer für den Terraner sehr verqueren, tabuisierten Art »unantastbar«. Ob dies der mythologisch verbrämten Erinnerung an ihre Urheimat Cyprona geschuldet war?

Die Erfahrung sagte dem Unsterblichen, dass über diese Dinge nicht zu diskutieren war. Auch innerhalb der LFT-Mitgliedswelten und -systeme gab es Spezifika, die sich vom terranischen Ideal unterschieden und in denen er keinerlei Mitspracherecht besaß oder auch nur wollte. Viele Völker der North- und Westside der heimatlichen Milchstraße erinnerten sich noch gut an jenen Tag vor vielen Jahrhunderten, an dem das Arkonidenreich und das Imperium der Terraner fusioniert hatten und Perry Rhodan als Großadministrator des »Vereinten Imperiums« die weitgehende Selbstbestimmung jedes einzelnen Planeten zu seiner ersten Amtshandlung gemacht hatte. Freiheit, Selbstbestimmung, Föderalismus – ein starkes Imperium nach außen und ein vielschichtiger Staat im Innern. Viele sprachen noch immer von dieser »frühen Hochphase« der Terraner und verknüpften dies mit dem Solaren Imperium. Doch diese Zeiten waren lange vorbei, und die Terraner waren über tausend Jahre weiter gewachsen und gereift seit dieser wilden Zeit. Oder würden sich entwickelt haben, denn die Vergangenheit Perry Rhodans lag, von seinem gegenwärtigen Aufenthaltsort aus betrachtet, in einer über 20 Millionen Jahre entfernten Zukunft.

Während er an diese Dinge dachte, gingen sie weiter, weg vom Ort der Katastrophe. Auch seine Begleiter waren wenig gesprächig, schienen eigenen Gedanken nachzuhängen.

Sie erreichten schließlich eine gläserne »Kathedrale«, die in einem Seitenflügel des Ratsgebäudes untergebracht war. Wasservorhänge hoben sich vor ihren Augen und ließen sie ins Innere des seltsamen Gebäudes im Gebäude vordringen. Mehrere Cypron saßen ringsum auf steinernen Bänken. Still, stumm, in sich gekehrt, blicklos vor sich hin starrend. Raffiniert angeordnete Reflexionsscheiben brachen das Tageslicht aus einer weit oberhalb befindlichen Öffnung in Prismenfarben und lenkten es ins Zentrum des Raums. Dorthin wandte sich Randa Eiss. Er kümmerte sich nicht weiter um seine Begleiter und platzierte sich inmitten eines schillernden Farbenvorhangs. Rot, Gelb, Blau und Violett umspielten ihn, packten ihn ein. Alle anderen Farben wurden vom Silber seiner Haut geschluckt. Der Exponent murmelte ein paar Worte und drehte sich im Kreis, um diesen Platz nach der zweiten vollständigen Umdrehung wieder zu verlassen. Unweit eines Wasserspiels hockte er sich nieder. Er trank von der Flüssigkeit und leckte Salz von einem Kristallstein. Dann verharrte er. Selbstverloren, selbstvergessen.

»Ein idiotisches Ritual«, sagte Ekatus respektlos, doch immerhin so leise, dass ihn Randa Eiss nicht hören konnte.

»Ein jedes Ritual, das der Stärkung des Glaubens an sich selbst, an das Positive im Leben, an den Wert unserer Existenz dient, hat durchaus seinen Sinn«, erwiderte Perry Rhodan ebenso leise. »Du wirst lernen müssen, die Verhaltensweisen anderer Wesen zu akzeptieren. Vielleicht benötigst auch du irgendwann einen Halt, um nicht von Selbstzweifeln oder Unsicherheiten aufgefressen zu werden …«

»Lächerlich!«, sagten die Dualhälften zugleich, ohne besondere Überzeugung.

Randa Eiss erhob sich. Die Facettenaugen glänzten nach wie vor in den Prismenfarben, und der Raum füllte sich mit sakral klingender Musik, die an den Gesang irdischer Wale erinnerte.

»Verzeiht mir den kurzen Aufenthalt hier«, sagte der Exponent, nachdem der letzte Ton verklungen war. »Eine Wasserträufe hilft mir, mich neu auf mein Ziel zu fokussieren.«

Eine dreiköpfige Gruppe älterer Cypron begegnete ihnen, als sie die Kathedrale verließen. Sie brachten Änderungen mit sich. Das Prismenlicht verschwand und gab wenig anheimelnder Dunkelheit Raum. Formenergetische Bögen, leise klirrend und knacksend, wuchsen hoch in die Lüfte, bildeten gewaltige Schleifen, marmoriert wirkend, um sich um massive Säulen zu winden, die sich zugleich aus dem alabasterfarbenen Boden hoben.

»Lasst uns gehen.« Randa Eiss schritt nun schneller aus. »Ich bin kein besonders guter Interpret der Wasserträufen-Architektur. Aber ich denke, dass sie sich auf den Tod vorbereiteten.«

*

Sie verließen das Ratsgebäude. Misstrauisch wurden sie von Sicherheitsbeamten beäugt und nur dank der Intervention des Exponenten an allen Kontrollpunkten vorbeigeschleust. Die Unruhe nach dem Attentat schlug immer größere Wellen und würde über kurz oder lang alle Teile des Ratskontinents erreichen, wohl mit Ausnahme der sakralen Wasserträufen.

Sie blieben vor einem unscheinbaren Bau stehen. Randa Eiss starrte an der Fassade nach oben. Sinnend, unsicher wirkend.

»Die Zentrale der Isolationisten«, sagte er. »Hier ist Deco Forlane zu Hause.«

»Ist? Du glaubst, dass du ihn im Gebäude findest?«

»Nein. Aber seinen Geist. Seine schädlichen Gedanken, die meine Mitbürger vergiften.« Er atmete tief durch und trat auf das Tor zu. Es öffnete sich. Ein tiefer, eindringlicher Ton erklang und begleitete sie hinein in den Bau.

»Welch eine Ehre!«, begrüßte sie ein herbeifliegender Avatar. Er zeigte das vernarbte und dennoch konturlos wirkende Gesicht eines älteren Cypron. »Der berühmte Exponent Randa Eiss gibt sich die Ehre! Welch Schaum auf den Kronen dieses Gewässers.«

»Danke, Khason Erg.« Randa Eiss verbeugte sich knapp. »Du kannst dir vorstellen, dass ich dir und den Deinen nicht nur einen Höflichkeitsbesuch abstatte?«

»Eine schreckliche Geschichte, dieses Attentat.« Der Avatar gab ein Geräusch von sich, das einem Seufzen ähnelte. »All die Toten, all die Verletzten … schrecklich!«

»Es wird dich freuen zu hören, dass Deco Forlane allem Anschein nach nicht zu den Opfern in der Ratskammer zählte.«

»Oh ja. Zu unserer großen Erleichterung gelang es ihm, trotz des Chaos zu fliehen. Um es zu präzisieren: Alle drei Räte der Isolationisten sind gegenwärtig in Sicherheit.«

»Wo?«

»Du hast sicherlich Verständnis dafür, dass ich derzeit nichts darüber verraten kann. Vielleicht galt der Anschlag gar unserem Anführer. Nicht jedermann ist uns und unserer Politik wohlgesinnt.«

Randa Eiss deutete auf Perry Rhodan. »Einer meiner Begleiter hegt die Ansicht, dass Deco Forlane an dem Attentat beteiligt gewesen ist.«

»Ein Fremder erhebt Vorwürfe gegen einen Rat der Cypron?« Khason Erg schnaufte tief durch. »Ich verstehe, dass deine Erregung nach all dem Erlebten groß ist. Ich fordere dich dennoch auf, deine Worte zu überdenken. Am besten, noch ehe du sie aussprichst.«

Der Exponent verzog sein Gesicht zu einer von feinsten Fältchen durchzogenen Leere, die unterdrückten Ärger andeutete. »Das tue ich stets«, sagte er leise. »Ich sprach von einem Verdacht und bat um Aufklärung. Also, sag mir bitte, was ich vom Verschwinden Deco Forlanes halten soll!«

Der Avatar zog sich ein wenig in die Höhe. »Er ist in Sicherheit«, schnappte er. »Als Anführer der Isolationisten wird er sich der Wahl zum Ultimaten Rat selbstverständlich stellen. Das ist alles, was ich dir sagen kann, Exponent.«

»Ich verstehe. Ich nehme an, ihr seid auf die … routinemäßigen Untersuchungen des Sicherheitsdienstes vorbereitet?«

»Selbstverständlich. Wir haben nichts zu verbergen. Wir Isolationisten sind wie du und alle anderen Cypron an der Aufklärung der Vorgänge in der Ratskammer interessiert.« Der Avatar blickte beiseite. »Wenn du mich nun entschuldigst; es gibt wichtigere Dinge, die meiner Aufmerksamkeit bedürfen.«

»Selbstverständlich.« Randa Eiss bedeutete Ekatus Atimoss und Perry Rhodan, dass sie sich zurückziehen würden. »Ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen, Khason Erg«, sagte er.

»Ich auch, ich auch …«

Der Avatar erlosch. Die Vorhalle des Gebäudes wirkte nackt. Leer. Feindlich.

*

»Meine Aussage wird nicht anerkannt?«, hakte Perry Rhodan nach. »Es zählt nicht, dass Deco Forlane seine Waffe auf mich richtete? All die Beobachtungen, die Ekatus Atimoss und ich machten und die auf eine Beteiligung der Isolationisten am Attentat hindeuten, besitzen keinerlei Bedeutung?«

»So ist es. Ihr seid keine Cypron. Im Regierungsbezirk besitzt euer Wort kein Gewicht.«

»Deco Forlane kann also weiterhin schalten und walten, wie er will.«

»Er wird stillhalten und die Tage bis zur Wahl zum Ultimaten Rat in seinem Versteck abwarten. Khason Erg teilt ihm sicherlich mit, dass ich ihm auf der Spur bin. Nur aus diesem Grund habe ich die Zentrale der Isolationisten aufgesucht. Vielleicht begeht er einen Fehler …«

»Noch einen Fehler?« Perry Rhodan schüttelte ungläubig den Kopf. »In meiner Heimat reichten die Beweise längst aus, um diesen Kerl zu überführen.«

»Auf Tarquina verhält es sich anders. Deco Forlane mag sich nicht an die Spielregeln halten. Er tötet, er betrügt, er verhöhnt unsere Gesetze – aber er ist ein Rat.«

»Als es um mich ging, konntest du deine hochmoralischen Ansichten ohne besondere Gewissensbisse beiseiteschieben«, warf ihm Atimoss lautstark vor. Er schob seinen Schildkrötenkopf so weit nach vorne, wie es ihm möglich war. Seine Zunge zischelte unruhig über die schmalen und spröden Lippen.

»Du bist kein Cypron. Für dich gelten andere … Grundsätze.«

Randa Eiss bewegte sich auf dünnem Eis, und er bemerkte es wohl selbst. Unangenehm berührt wandte er sich ab und blickte auf die Uhr auf seiner rechten Unterarmmanschette.

»Rechnet sich Deco Forlane denn ernsthafte Chancen aus, wenn er zur Wahl zum Ultimaten Rat antritt?«, bohrte Perry Rhodan weiter. »Sobald Gerüchte über seine Beteiligung am Attentat in Umlauf geraten – und das werden sie –, hat er verloren. Er verkriecht sich irgendwo und spielt stilles Mäuschen; also kann er sich nicht einmal verteidigen.«

»Es gibt vierhundertdreiunddreißig Stadtkontinente, die über Tarquina treiben. Jeder schreibt seine eigene Geschichte. Autarkie wird großgeschrieben, die Geschehnisse hier, auf dem Regierungskontinent, werden mit unterschiedlichen Augen gesehen. An manchen Orten schert man sich nicht um das, was woanders vorgeht. Dort sieht man nur die Verluste, die wir im Kampf um Tare-Scharm verzeichnen, und hofft darauf, dass die Isolationisten endlich an die Macht kommen. Viele Cypron sehnen sich nach einer Diktatur, nach einer starken Hand. Nach einem Einzelnen, der ihnen sagt, wo es langgehen soll. Sie sind der Demokratie müde. Das träufelnde Gift der Isolationisten wirkt langsam, aber stetig.«

Wiederum atmete Randa Eiss tief durch. »Ich war viel zu lange weg von Tarquina. Ich sehe die sprunghaften Entwicklungen, die mein Volk durchmacht, mit ganz anderen Augen. Diese Welt ist erschreckend schnelllebig geworden. Manchmal scheint es mir, als fänden die Cypron für nichts mehr Zeit, als beteten sie ihren Untergang regelrecht herbei und wollten alles nur noch beschleunigen, indem sie die falschen Entscheidungen treffen.«

»Mag sein. Dann wird es deine Aufgabe als Ultimater Rat sein, ihnen die Augen zu öffnen und ihnen die grausame Wirklichkeit zu zeigen.«

»Sie werden mich hassen, wenn ich ihnen die Wahrheit unter die Nase reibe.«

»Und sie werden sterben, wenn du sie ihnen nicht sagst.« Perry Rhodan lächelte. »Willst du Tarquina einem machtgierigen Blender wie Deco Forlane überlassen?«

»Keinesfalls!« Leise fügte Randa Eiss hinzu: »Aber ich habe schreckliche Angst vor der Verantwortung. Furcht und Selbstzweifel.«

»Wenn dem nicht so wäre, wärst du ein lausiger Kandidat für das Amt des Ultimaten Rats.«

Randa Eiss’ Armmanschetten leuchteten auf. Der Exponent strich über eines der vielen streifenförmigen Sensorfelder.

»Ich sagte, dass ich nicht gestört werden will!«, fuhr er einen Cypron an, dessen miniaturisiertes Holobild knapp über dem rechten Arm erschien.

Perry Rhodan erkannte anhand der Uniformgestaltung, dass es sich um einen Agenten der Sicherheitswache im Ratsgebäude handelte.

»Es gibt dringende Neuigkeiten«, hörte Perry Rhodan eine leise Stimme, vom Translator ebenso leise übersetzt.

»Sag schon!«

»Der Prior möchte dich sehen«, sagte der Sicherheitsbeamte. »Davin Abangy bittet dich, ihn morgen zu besuchen.«

»Morgen! Das ist noch Zeit genug!«, schnappte Randa Eiss. »Danke.«

Er schaltete das Holobild weg und murmelte: »Davin Abangy … ich verstehe …«

Damit wechselte er die Marschrichtung und wählte einen verschlungenen Weg, der an mannshohen, künstlichen Korallengewächsen vorbei in Richtung eines kleinen Teichs führte. Dort setzte er sich zu Boden, zog die Schuhe aus und ließ die Füße mit den breiten, flachen Zehen ins Wasser gleiten.

»Wer ist dieser Davin Abangy?«, fragte Perry Rhodan, der dem Exponenten im Gegensatz zu Ekatus Atimoss gefolgt war. »Flößt er dir Angst ein?«

»Nein, keine Angst. Eher Unbehagen.« Randa Eiss tauchte einen Finger ins Wasser. All seine Aufmerksamkeit schien sich auf die winzigen, konzentrischen Wellen zu konzentrieren, die von ihm wegführten. »Er ist ein bedeutender Mann. Vielleicht derjenige, der die Wahl zum Ultimaten Rat entscheidet.«

»Ist er etwa ein religiöser Führer?«

»Nein. Der Prior sitzt auf Baybark, dem Verhüllten Kontinent. Er steht den Nega-Cypron vor.«

*

»Ich denke, es ist an der Zeit, mir mehr über die Nega-Cypron zu verraten«, forderte Perry Rhodan. »Der Begriff Nega erzeugt in mir recht unangenehme Assoziationen.«

»Es ist nicht so, wie du es dir vielleicht denkst. Jedenfalls nicht ganz so. Die Nega-Cypron sind Kinder eines Unglücks. Eines, das mit dem Untergang meiner Heimatwelt Cyprona eng verbunden ist.«

Randa Eiss richtete sich auf und stieg aus dem Wasser. Die Tropfen perlten von seinen Füßen ab. Mit einem Laut des Bedauerns schlüpfte er zurück in sein Schuhwerk. »Ich möchte, dass ihr mich zum Verhüllten Kontinent begleitet. Du, der Dual, aber auch Hobogey.«

»Verfolgst du ein bestimmtes Ziel?«

»Vielleicht. Ich folge einer Ahnung. Und ich will meine Chancen erhöhen, in diesem Gespräch zu bestehen. Immerhin wissen wir von Ekatus Atimoss, dass zwei Nega-Cypron am Attentat auf die Räte beteiligt waren. Es besteht die Möglichkeit, dass alle Bewohner Baybarks mittlerweile die Position Deco Forlanes eingenommen haben. Die Nega-Cypron gelten als … schwierig, und ich benötige alle Hilfe, die ich bekommen kann. Würdest du mit mir kommen? Könntest du deine Begleiter ebenfalls dazu bewegen?«

»Deine Ziele sind unsere Ziele. Du weißt, dass wir auf einen Ultimaten Rat namens Randa Eiss hoffen.«

»Es könnte gefährlich werden.«

»Etwa gefährlicher, als in der Proto-Negasphäre namens Tare-Scharm nach TRAITORS Plänen zu forschen?« Perry Rhodan grinste. »Je mehr ich über die Cypron weiß, desto besser für mich.«

»Gut. Ich … danke dir. Und ich möchte deinen Freund Hobogey um einen besonderen Gefallen bitten …«

*

Das Treffen mit den Nega-Cypron war für die Mittagsstunden des nächsten Tages geplant. Randa Eiss dachte allerdings gar nicht daran, sich an die Vorgaben des Priors zu halten.

Die Abreise erfolgte heimlich. Eine formenergetische Ersatzfigur, die den Exponenten imitierte und eine begrenzte Reihe von Anweisungen zu geben imstande war, blieb in einem einsamen Büro im Sockel des Ratsgebäudes zurück. Für mindestens 48 Stunden würde die Illusion zu halten sein, versprach Randa Eiss. Zwar richtete sich zurzeit aller Aufmerksamkeit auf ihn; dennoch würde man eher auf sein Auftreten als auf seine Worte achten. Und dafür war der Doppelgänger gut genug.

Hobogey glitt ins Wasser des großen Bassins im »Prunklaich«. Perry Rhodan tastete nach einem eigens herausgebildeten Greifloch im Kunstkörper des Wurmes und hielt sich daran fest. Mit einem kräftigen Atemzug vertrieb er die Aufregung. Ein breites Atemgebiss lieferte ihm hochkomprimierten Sauerstoff, der sich explosionsartig in seinem Mundraum entlud. Mühsam unterdrückte er den Drang, gleich wieder auszuatmen. Spezielle Ohrenstöpsel sorgten für beständigen Druckausgleich, dank einer fest sitzenden Brille hatte er ausgezeichnete Sicht, eine winzige Miniatursonde in seiner Luftröhre würde das Funktionieren seines Metabolismus bis in eine Tiefe von 100 Metern gewährleisten.

Hobogey beschleunigte. In irrwitzigem Tempo schlängelte er sich hinab, ins Dunkel, in den unteren Bereich des Ratskontinents, von dem ihm Ekatus Atimoss mit viel Begeisterung erzählt hatte. Der Dual fehlte. Noch. Er würde später zu ihnen stoßen.

Dunkelheit.

Luftblasen, blubbernd, an ihm vorbeiströmend.

Fische.

Seltsam gefühlte Berührungen.

Kälte, die ihn wie ein Schock traf, ihn einfror, ihn vernichtete.

Warum hatte er sich auf dieses Risiko eingelassen? Litt er denn an derart grenzenloser Selbstüberschätzung, dass er meinte, nichts und niemand könnte ihn vernichten?

Die Schwärze wurde noch schwärzer, trotz der aufhellenden Brille, die Kälte noch kälter. Der dünne Schutzanzug, den ihm Randa Eiss überreicht hatte, funktionierte nicht annähernd so, wie es sein Metabolismus benötigte.

Panik umfing ihn, durchmischte sich mit Zuversicht, es bis jetzt ja immer noch geschafft zu haben. Sein Griff um Hobogeys Körper lockerte sich ohne sein Dazutun. Er fühlte die Schwäche, die Dunkelheit, den Untergang …

Es wurde grau, blau, grün, weiß um ihn, und sie durchstießen das Wasser, und da war Luft um ihn – und Wellen und Schaum und Salz und glitschige Algen.

Perry Rhodan schob das Atemgebiss aus dem Mund und die Brille hoch. Sie trieben über die Oberfläche des unruhigen Ozeans. Wellenkämme, so hoch wie einstöckige Gebäude, krachten gegen sie. Die Uferlinie des Ratskontinents war hinter ihnen kaum noch zu sehen. Nicht mehr als drei Minuten hatte die Reise durch die Meeres-Unterwelt gedauert, und dennoch hatten sie mehr als einen Kilometer Luftlinie Entfernung zum Festland hinter sich gebracht.

Hobogey beschleunigte weiter. Er arbeitete mit einem energetischen Prallfeld, das die Wassermassen vor ihnen teilte und beiseiteschob.

»Wo treffen wir …«, begann der Terraner, um sich gleich wieder zu unterbrechen. Randa Eiss hockte seitlich vor ihm auf dem Wurm. Er hatte seine Beine wie ein Rodeoreiter um den Leib ihres semiorganischen Transportmittels geschlungen. Aus den Kiemenöffnungen am Hals des Exponenten spritzte Wasser nach beiden Seiten.

»Ekatus Atimoss hat seinen Part perfekt erfüllt«, lobte der Cypron ungewöhnlich deutlich und wies auf den Dual, der sich knapp hinter ihm auf Hobogey platziert hatte. »Er hat den Zeitplan perfekt eingehalten und mich im Schutz eines Parapolarisators abgeholt. In einer der Schelfhöhlen unterhalb des Prachtlaichs konnten wir unbemerkt zusteigen. Ich danke euch!«

»Gern geschehen«, drang es dumpf aus einem Akustikfeld. Hobogeys Stimme klang gelöst und locker. Ekatus brummte Unbestimmtes, Atimoss sagte kein Wort.

Sie pflügten weiter durchs Wasser. Der Sarti fühlte sich in diesem wütend schäumenden Element hörbar wohl. Er lenkte seinen Hilfskörper wie eine verrückt gewordene Schlange. Er schlüpfte zwischen Wellenbergen hindurch, glitt wie ein Geist, den nichts hindern konnte, durch die wenigen ruhigen Flecken der endlos scheinenden Wasserwüste, er nutzte Oberflächenströmungen, von deren Existenz Perry Rhodan nichts ahnte.

Sechzig bis achtzig Stundenkilometer, schätzte der Unsterbliche. Wenn die Prall- und Haftfelder nicht wären, würde mich der Wurm mit jeder Schlängelbewegung abwerfen und Dutzende Meter beiseiteschleudern.

Das Wasser schmeckte überaus salzig, seine Konsistenz war zäh. Unmengen von Schwebekörperchen wirkten wie glitschiger Sand, der über die ungeschützten Hautstellen an den Händen und an den Fußgelenken scheuerte.

»Wie weit ist es bis zum Verhüllten Kontinent?«, schrie er gegen Windböen an, die sich irgendwie am energetischen Prellbock vorbeischummelten, den Hobogey vor ihnen errichtet hatte.

»Vier bis fünf Stunden, wenn unser Freund sein Tempo beibehalten kann«, antwortete Randa Eiss ebenso lautstark. »Wir werden Baybark bei Einbruch der Dämmerung erreichen.«

»Und dann?«

»Dann improvisieren wir.«

»Warum dieser überstürzte Aufbruch? Warum wolltest du unbedingt vor der Zeit bei den Nega-Cypron eintreffen?«

»Wir wissen nicht allzu viel über Davin Abangy. Seine Ziele und die seiner Gefolgsleute sind weitgehend unbekannt. Die Nega-Cypron halten sich bedeckt über ihre Ziele. Zumindest über das, was derzeit auf Baybark vor sich geht. Ihre Vergangenheit hingegen … Nun, es ist an der Zeit, dass ich dich über sie aufkläre.«

»Hier?! Jetzt?!«

Ein Wasserberg, gute zehn Meter hoch, bauschte sich auf, fiel nach einem Augenblick seltsamer Ruhe in sich zusammen und begrub sie in rauschender Dunkelheit. Der Energieschirm Hobogeys hielt die Wassermassen von seinen Passagieren fern, doch er konnte weder die urtümliche Furcht in Perry Rhodan mildern noch die leisen Ansätze von Seekrankheit fernhalten, die sich in seinem Magen breitmachten. Als sie zurück ins Freie gelangten, für ein oder zwei Sekunden durch die Luft schwebten und schließlich schwer auf der Wasseroberfläche landeten, gewahrte er ein mächtiges Gewitter, das sich am Horizont entlud. Mehrere Blitze schossen weit verästelt aus grauen Wolken herab.

Sie steuerten direkt darauf zu.

Nein, Tarquina war nicht nur eine freundliche Welt, wie er sie sich für einen Erholungsurlaub ausgewählt hätte.

Perry Rhodan konzentrierte sich auf Randa Eiss. Erstaunt bemerkte er, dass der Exponent längst zu erzählen begonnen hatte. Ekatus Atimoss war näher herangerückt. Mithilfe seines Schmiegstuhls klammerte sich das kleine, mächtige Wesen seitlich an Hobogey fest und lauschte gespannt.

»… schon vor achthundert Jahren«, rief Randa Eiss soeben. »Es war eine schreckliche Zeit für die Cypron …«

Perry Rhodan 2435: Die Nega-Cypron

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