Читать книгу Lass uns über Style reden - Michael Michalsky - Страница 5

PROLOG

Оглавление

Mal ehrlich, wann haben Sie zuletzt über Ihren Style nachgedacht? Die einen sagen jetzt vielleicht: »Heute Morgen vorm Kleiderschrank!« Die anderen antworten: »Noch nie, Mode ist mir völlig egal!« Mich beschäftigt Style jeden Tag, ich beschäftige mich den Großteil meines Lebens mit Style in all seinen Facetten. Und damit wir Missverständnisse gleich zu Beginn ausräumen: Mir geht es beim Thema Style um so viel mehr als »nur« um Fashion. Für mich geht es um Persönlichkeit, um die Einstellung, die wir gegenüber uns selbst, unserem direkten Umfeld und dem Weltgeschehen vertreten. Um Haltung, Habitus und Kommunikation. Style zeigt sich darin, wie wir aktuell leben und wie wir zu­künftig leben wollen.

Zugegeben, Style ist für die meisten Menschen ein schwer greifbares Phänomen. Ein großes Wort, schnell verwendet, aber selten klar formuliert oder verstanden. Erschwerend kommt hinzu, dass viele den von mir bevorzugten Anglizismus nur für das äußere Erscheinungsbild verwenden, also die Kombination aus Kleidung, Frisur und Accessoires. Sie reduzieren ihn damit auf etwas, das man theoretisch für Geld kaufen kann. Dem möchte ich direkt und vehement widersprechen. Für mich bedeutet der englische Begriff Style das gleiche wie das deutsche Wort Stil, und wir sollten ihn meiner Meinung nach auch in genau diesem Sinne benutzen. Jeder kennt das – es begegnet einem jemand, den man spontan als »stylish« empfindet oder denkt »Der ist cool«.* Dieses Bauchgefühl, das blitzschnelle Einordnen einer Handlung, Lebensweise oder auch nur der Äußerung eines anderen, bezieht sich ja auch nie ausschließlich auf dessen Look.

Was aber ist Stil dann überhaupt? Ursprünglich stammt der Begriff aus der bildenden Kunst. Wir kennen Malstile, Schreibstile oder auch Musikstile. Heute steht Stil oder Style im Alltag aber vor allem für unsere Ausdrucksform. Dafür, wie wir uns geben, kleiden und von anderen wahrgenommen werden. Häufig wird er mit gutem Geschmack verwechselt, doch der ist eine sehr subjektive Angelegenheit. Geprägt von Kultur und Gesellschaft wird er überall auf der Welt und in den Epochen unterschiedlich interpretiert. Einen allgemein verbindlichen Schönheits- oder Geschmacksbegriff gibt es nicht. Wir wissen heute aber, dass äußere Einflüsse und die Entwicklung unserer Persönlichkeit unseren Sinn für Ästhetik verschieben und neu fokussieren können. Überlegen Sie sich einmal, wie Sie vor zwanzig Jahren ausgesehen haben, wie Sie sich gekleidet und gegeben haben – mit etwas Abstand blicken wir Jahre später kopfschüttelnd auf unseren eigenen Style zurück. Erinnern wir uns gemeinsam daran, wie wir vor zehn Jahren die Mode der Neunziger gesehen haben: bauchfreie Tops, High-Waist-Jeans, Plateauschuhe, Ballonmützen. Noch mal zehn Jahre später kommen genau diese Klamotten wieder in Mode. Und plötzlich finden wir die neuen Kollektionen gar nicht so übel, wenn auch nicht mehr jeder von uns bauchfreie Tops tragen sollte – ich eingeschlossen. Unser Geschmack hängt von unserer persönlichen Entwicklung, der Gesellschaft und der Modeindustrie ab, und er befindet sich ständig im Wandel. Am Ende folgt aus gutem Geschmack aber ohnehin noch lange kein Stil, er bildet nur einen seiner Bestandteile.

Style hängt also nur bedingt mit Äußerlichkeiten zusammen. Er ist vielmehr die Summe vieler Einzelteile und zeigt sich unter anderem daran, wie wir zu uns selbst stehen, wie wir mit anderen Menschen kommunizieren und interagieren und welchen Blick wir auf die Welt haben. Üben wir beispielsweise ­einen Beruf aus, der zu uns passt und der uns glücklich macht? Ich für meinen Teil kann diese Frage mit einem lauten und deutlichen »Ja« beantworten. Schon als Teenager wollte ich Modede­signer werden, und bis heute ist mein Job meine Berufung. Er macht mich aus, und es gibt nichts, was ich lieber täte. Hinsichtlich meiner Wohnsituation dagegen befinde ich mich ständig in der Erneuerung, mein Geschmack verändert sich. Ein Möbelstück, das mir heute noch gefällt, langweilt mich womöglich schon morgen. Stelle ich das fest, tausche ich es aus oder ziehe gleich um. Es ist nun mal eine Grundvoraussetzung für Stil, dass wir uns selbst, unser Leben und die Dinge, mit denen wir uns ­umgeben, immer wieder hinterfragen und bereit sind, zu ändern, was uns nicht gefällt. Wie selbstbestimmt leben Sie in diesem ­Moment? Verbiegen Sie sich im Beruf oder im Privaten, um es anderen recht zu machen? Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Können Sie nach einem Misserfolg auch schon mal über sich selbst lachen? All diese Fragen sollen zeigen, dass Stil vor allem aus Ihnen selbst heraus entsteht. Allerdings wird er – wie wir selbst – ein Stück weit auch immer vom Zeitgeist beeinflusst, und so wandelt er sich mit den Generationen. Die Gesellschaft befindet sich ständig im Umbruch. Das verändert uns und damit auch unsere Werte.

Ich möchte in diesem Buch den Bogen von unserer ­Haltung und Meinung bis zur Mode spannen und Style gemeinsam mit Ihnen so betrachten, wie er in meinem Leben stattfindet. Ich bin sicher, dass diese Auffassung für die allermeisten Menschen auch ein Leitfaden sein kann, der den eigenen Style stärkt. Wir sehen uns an, wie wir füreinander einstehen, miteinander kommunizieren und wie wir lieben. Diese ganz persönlichen und teils auch intimen Aspekte unserer Lebenswelten machen schon den Großteil unseres Styles aus. Weiter geht es dann mit Musik, Medien, Kunst und Kultur, bis wir in unseren Wohnungen, Häusern und Kleiderschränken landen.

Meinen eigenen Style entwickle ich immer weiter, in allen der genannten Bereiche. Ich beobachte meine Mitmenschen geduldig und aufmerksam und ziehe daraus Inspiration für meine Arbeit und mein Leben. Meist laufe ich schlicht mit offenen Augen durch die Straßen und schaue mir meine Umgebung genau an, damit mir kein Detail entgeht. Auf Veranstaltungen richte ich meinen Blick immer auch auf das, was um mich herum passiert. Ich nehme die Menschen, die Einrichtung, die Räumlichkeiten mit all meinen Sinnen wahr. Eine offene und neugierige Haltung gegenüber meiner Umwelt ist für mich unverzichtbar, denn sie bildet eine der wichtigsten Voraussetzungen für mein Leben als Designer. Wenn nicht sogar die wichtigste. Mein Ziel ist es, soziokulturelle Strömungen zu erkennen und sie in meinen Kollektionen aufzugreifen. Die Fashion Shows meines Labels beziehen sich auf aktuelle gesellschaftliche Themen und Entwicklungen. Als Designer, der nicht nur Mode, sondern noch viele andere Dinge gestaltet, betrachte ich mich als Seismograph unserer Gesellschaft und unserer Art zu leben.

Mir fällt immer wieder auf, welch eine Auswahl uns stets geboten wird, als Konsument, als Arbeitnehmer, beim Ausgehen, sogar in Liebesbeziehungen. Oft führt das dazu, dass wir Angst haben, uns womöglich falsch zu entscheiden. Wenn wir jedoch genau wissen, wer wir sind und was wir wollen, also eine echte Haltung und einen eigenen Style haben, lässt sich dieser irrationale Perfektionismus leichter ausschalten. Beinahe jährlich besuche ich das legendäre Kunst- und Musikfestival Burning Man in der Wüste Nevadas. Abgesehen davon, dass es ein Hort des Styles und der Inspiration ist, habe ich dort mal einen guten Spruch dazu gelesen. Eine Frau, gekleidet in einen wilden Mix aus Steampunk, Techno und einem Hauch von Nichts, trug ein Schild mit der Aufschrift: »Don’t fear perfectionism. You’ll never reach it!« Das trifft es doch sehr gut, denn es unterstreicht einen weiteren wichtigen Aspekt von Style: Gelassenheit. Wer seinen eigenen Style gefunden hat, lebt von Grund auf gelassener – zufrieden mit sich selbst, entspannt mit seinem Umfeld. Und das hat unglaublich viel Stil.

Das Ding ist: Stilvoll zu leben, sich stilvoll auszudrücken, zu handeln und zu kommunizieren, das alles sollten Sie nicht für andere tun. Tun Sie es für sich selbst! Stil kann dabei helfen, ­besser, leichter, schöner und mit mehr Spaß und Freude durchs Leben zu kommen. Und ist es nicht das, was wir alle wollen?

Also, lasst uns über Style reden!

* Ich werde in diesem Buch immer mal wieder auf eine exemplarische Person verweisen und diese – der Einfachheit halber – männlich darstellen. Gemeint sind damit jedoch Menschen jeden Geschlechts, wie fließend das auch immer sein mag.

Lass uns über Style reden

Подняться наверх