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3: ZISTERNE

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Notgedrungen verzichtete ich auf die Knarren. Jiminys in weiser Voraussicht gefällter Ratschlag, nur altes Zeug mitzunehmen, war goldrichtig gewesen. Das konnten sie sich ansehen, klauen, was auch immer ihnen in den Sinn kam. Neue Erkenntnisse konnten sie daraus keine ziehen. Schießeisen waren meine Passion. Ich besaß ein komplettes Arsenal davon. Mir blieb noch genügend Auswahl für die Zukunft übrig. Das Messer hatte ich behalten. Niemand wagte es, mich zu durchsuchen. Jeder, selbst der größte Wächter von ihnen, war von meiner Andersartigkeit abgeschreckt.

Wie mitten den Beinen eines teuflischen Gottes waren wir zwischen den Drachenzähnen in die Tiefe geklettert. Betongänge, solide Treppen, Beleuchtung mittels Leuchtröhren, allein das war mehr, als ich erwartet hatte. Auf vereinzelten Etagen führten Verbindungsröhren zu weiteren finster daliegenden Räumen, über deren Zweck mich keiner aufklärte. Nach mehreren Minuten stillen Gehens sagte ich: »Das mit dem Wasser war eine dumme Frage von mir. Die Wüste – da gibt es bestimmt nichts zu teilen. Wenn Sie mir mit Ersatzteilen aushelfen, dann ...«

In der nächsten Sekunde umrundeten wir eine mächtige Säule, und ich wurde geblendet von tausendfach gespiegelten Lichtern. Ein Portal gab den Weg zu einer glitzernden Wasserfläche frei, genau unter uns, vier, fünf Meter entfernt, so breit und so lang, dass ich unseren Leichten Frachter darin hätte versenken können. Ein bogenförmiges Dach schirmte das Bassin nach oben hin ab. Seltsam mythisch anmutende Architektur begrenzte die Wassermassen. Überall strahlten die Leuchtröhren. Die Tiefe des Beckens abzuschätzen, ließen sie aber nicht zu. Nach maximal einem Meter gähnte eine beängstigende Schwärze. Die flößte selbst mir Angst ein, obwohl ich das All durchflog. Aber so viel Wasser auf einem Haufen hatte ich noch nie gesehen. Meine Schwimmlektionen hatte ich in Tümpeln und Schwimmhallen absolviert.

»Beeindruckend«, flüsterte ich unbewusst.

»Nicht wahr?«, entgegnete Babbellies. »Etwas Wasser können wir entbehren.« Stolz glitt ihr Blick über das Reservoir. »Vielleicht können Sie uns auch helfen.«

Die Frau erzählte davon, dass die Drachenzähne seit mehr als zehn Generationen im Besitz der Kolonne 50 war. Man hatte sie nach einer Völkerwanderung durch Zufall entdeckt, einen guten Schutz gegen Sandstürme dort vermutet und sich vorübergehend niederlassen wollen. Bis ein Paar für ein Stelldichein ein Versteck suchte und durch eine dünne Schicht Sand brach. Man fand sie mit gebrochenem Genick auf einer aus einem groben Block herausgeschlagenen Treppe. Die Gemeinschaft hängte für die Toten an eben jenem Flecken eine Gedenktafel auf. – Wenn ich es bedenke, ist der Mars voll von solchen Tafeln. – Das Wasser verbesserte ihr Leben sondergleichen. Sie produzierten Strom über Wasserkraft, legten unterirdische Farmen an. Vom UV-Licht bestrahlt, sprossen von alten Kulturpflanzen gerettete Samen aus extra angemischten Böden und Nährlösungen. Man erweiterte die unterirdischen Kavernen, schuf Platz für einen wachsenden Verbund. Die Kolonne 50 wurde zu einem Ort des Handels und der Begegnung. Das weckte irgendwann Neid. Es gab Überfälle. Beim Gedanken daran stieß Babbellies ein freudloses Lachen aus. Sie wehrten sich erfolgreich. Bis heute. Doch Menschen waren nicht der einzige Feind. Die Zeit fiel langsam ins Gewicht. Die Anlage war alt. Was ich als Zisterne zu Gesicht bekam, war nie als solche gedacht gewesen.

»Ein Fluss fließt unter uns. Wir wissen nicht, wie tief unter uns. Er steigt hoch, füllt das Reservoir. An einigen Durchbrüchen oben, nur wenig unter dem Wasserspiegel, haben wir Wasserräder eingebaut. Für die Stromgewinnung. Seit ein paar Wochen sinkt das Wasser. Es muss weitere Durchbrüche geben. Das Wasser versickert.« Ihr Blick war durchdringend, einen Lidschlag lang war Hilflosigkeit darin zu sehen. »Oder der Fluß versiegt. Das wäre das Ende.« Sie klopfte mit den Fingern auf ein Geländer. »Falls es Durchbrüche sind, können sie repariert werden. Unsere Mittel für Tauchgänge sind beschränkt. Wenn Sie ...«

»Ich kann«, sagte ich schnell, denn ihr Gesuch kam mir sehr entgegen. Ich tippte an meine Maske. »Das eignet sich zum Tauchen. Mit ein, zwei kleinen Erweiterungen. Wenn Ihr Reservoir undicht ist, finde ich den Schaden.«

»Danke.« Das Wort knackte aus dem Übersetzungsgerät.

»Danken Sie mir nicht zu früh«, erwiderte ich. »Ich habe ebenfalls eine Bitte.« Mein Bericht über unseren Wüstenfund geriet militärisch knapp.

Alsbald gab sie mir zu verstehen, wie sehr sie bereits über all diese Ereignisse informiert war. »Wir lassen niemanden unbemerkt in unsere Nähe. Wir haben Späher, Verstecke im Wüstensand. Bunkeranlagen aus alter Zeit, mit denen wir in Verbindung stehen. Sie wurden lange vor Ihrer Ankunft gesehen.«

Ich erzählte ihr von dem Mädchen, von dem ich hoffte, es werde bei ihr, den freundlichen Leuten, ein Zuhause und Schutz vor den Karawanenreitern finden.

Babbellies bekräftigte, dass sie sich auf das Kind freue, dass sie bei ihnen besser aufgehoben sei als in der Glut der Wüste. Kinder seien selten in der Kolonne 50 und dringend gewünscht, sicherten sie doch auf Dauer den Bestand der Drachenzähne.

Ihre mit aufrichtig erfreuter Miene vorgebrachten Sätze aus der Übersetzungsbox erfüllten mich mit Zuversicht und einer gewissen Befriedigung, das Richtige getan zu haben.

BÄR: CHIMÄRA

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