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Kapitel 3 Rendezvous mit einem Schatten

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D.S. Nanjing, APS-Kreuzer, Beuteschiff der Negaruyen

Asteroidenfelder boten immer wieder einen guten Schutz vor der Ortung durch einen Feind. Auch Desara-dal-Kellon nutzte die günstige Gelegenheit und hatte zusätzlich Schleichmodus angeordnet, was bedeutete, dass es keine außen erkennbaren Lichtquellen gab und die aktiven Scanner abgeschaltet waren. Man verließ sich auf die passiven Sensoren, welche die Ankunft fremder Objekte anzeigen würden.

Desara hatte die Brücke der Nanjing aufgesucht, denn die Ankunft des angekündigten Tarnschiffes stand unmittelbar bevor. Eigentlich war es sogar schon überfällig, doch im Feindgebiet war ein Rendezvous immer mit dem Risiko der Entdeckung verbunden und vielleicht hatte die Kommandantin feindlichen Schiffen ausweichen müssen. So gut die sogenannten „Schattenschiffe“ auch waren, ihre Tarnung war dennoch nicht perfekt. Wenn sie ihre Waffen oder Triebwerke einsetzen mussten konnte der Feind sie anmessen. Desara hoffte, dass dies nicht geschehen war, denn das Tarnschiff spielte eine wesentliche Rolle bei der weiteren Ausführung ihres Plans, Menschen und Norsun gegeneinander in den Krieg zu treiben.

Nargon saß an der Konsole für Raumüberwachung und Navigation. Sie war hoch konzentriert. Ihr Ehrgeiz verlangte das erwartete Schiff schon zu entdecken, noch bevor es seine Tarnung aufgab. Bislang zeigten ihre Sensoren nichts an.

„Käpp-Tenn.“ Die leise Stimme von Nandar, der an der Konsole des Piloten saß, zog Desara´s Aufmerksamkeit auf ihn.

„Rudergänger?“

Nandar klang ein wenig unsicher, als er durch eines der Direktsichtfenster in den Weltraum hinaus deutete. „Ich glaube, ich habe so etwas wie eine Verzerrung gesehen. Dort, vor dem großen Asteroiden, bei dem wir den hohen Erzanteil gemessen haben.“

Desara´s Interesse war geweckt. Nargon starrte noch motivierter auf ihre Kontrollen und fluchte leise, während sie versuchte, das Schattenschiff zu finden.

Die Primär-Kommandantin erhob sich aus dem Kommandosessel des Captains und trat neben Nandar, der mit ausgestrecktem Arm in den Weltraum wies. „Dort, Herrin. Da ist es, glaube ich, wieder.“

Desara starrte angestrengt hinaus. Die optische Tarnung eines Schattenschiffes basierte auf dem Prinzip, dass Kameras auf der abgewandten Seite Bilder aufnahmen, die auf die photosensitive Hülle der jeweils gegenüberliegenden Seite übertragen wurden. So erschienen jene Sterne und Objekte auf dem Rumpf, die eigentlich von ihm verdeckt wurden. Dieses optische Tarnsystem war nahezu perfekt. Nur bei schnellen Bewegungen entstanden Verzerrungen, die an Schlieren erinnerten. Versuche hatten gezeigt, dass die Ortungsmöglichkeiten der Norsun ein getarntes Schiff erst anzeigten, wenn dieses nur noch wenige tausend Kilometer entfernt war.

Die Überlegung eine Schlachtflotte aus diesen Schiffen zu bauen, war bislang jedoch nicht praktikabel. Die Tarnung verschlang immense Mengen an Energie und der Bedarf stieg proportional zur Größe des getarnten Objektes an. Man konnte also nicht einfach größere Schiffe mit stärkeren Energieerzeugern bauen. Ein Schattenschiff war daher ein Kompromiss zwischen starker Tarnung und relativ schwacher Bewaffnung.

Die Nanjing stand zwischen den äußeren Asteroiden und hatte sich der Flugbahn des größten angepasst, da dessen hoher Erzgehalt einen zusätzlichen Ortungsschutz bot. Er stand vor dem Hintergrund eines leuchtenden Sternennebels. Einem zufälligen Beobachter wäre es wohl nicht aufgefallen, aber Desara wusste, worauf man achten musste. Sie konzentrierte sich auf die Konturen der Gesteinsformationen des Asteroiden und auf die schroffe Kante seiner Umrisse. Dann sah sie die leichte Verschiebung in den Strukturen. Sie war minimal, aber sie war vorhanden.

„Sie sind da“, meinte sie lächelnd. „Du hast gute Augen, Nandar.“

Nargon stieß eine Verwünschung aus. Desara wandte sich ihr zu und lächelte. „Die Kommandantin des Schattenschiffes hat zu recht auf ihre Tarnung vertraut. Deine Sensoren konnten das Schiff nicht entdecken. Das ist sehr erfreulich, Nargon, denn deine Fähigkeiten stehen außer Frage. Wenn es dir schon nicht gelang das Tarnschiff zu entdecken, so wird es den Eierlingen erst recht nicht gelingen.“ Sie wandte sich halb zur Seite. „Lutänent Malhad, ich hebe die Funkstille auf. Rufe das Schiff und teile der Kommandantin mit, dass sie ihr Versteckspiel aufgeben kann.“

„Ai, Käpp-Tenn“, bestätigte Malhad. Sie benutzte den lichtschnellen Kurzstreckenfunk, um das getarnte Schiff zu erreichen.

Augenblicke später wurde es sichtbar.

Der Kreuzer war nur 173 Meter lang und besaß einen maximalen Durchmesser von 25 Metern. Die Bauweise entsprach dem Standard der neuen Flottenschiffe, mit einem konischen und leicht vorgeneigtem verdicktem Bug, der ein starkes Triebwerk und zwei Raketenrohre beinhaltete. Das Heck war eher stumpf und mit dem Kranz des Hauptantriebs versehen. Die knollenartige Verdickung in der Mitte war der Brücke und dem Hauptwaffensystem vorbehalten. Es gab sechs Decks mit den üblichen Betriebs-, Versorgungs- und Aufenthaltsbereichen. Neben siebzehn, fast ausschließlich weiblichen Offizieren, dienten rund zweihundert Negaruyen auf dem Schiff. Seine Hauptbewaffnung bestand aus zwei schweren Energieprojektoren und einer der neuartigen Raketen-Kanonen. Das Schattenschiff gehörte somit zu den kleinen Einheiten der verborgenen Welt und war dennoch eine seiner gefährlichsten Waffen.

Der Holoschirm vor Desara´s Kommandosessel zeigte das Bild einer älteren Frau in der türkisfarbenen einteiligen Uniform der Flotte. „Liu-dal-Mandar, Kommandantin des Schattenschiffes Sirandaar, grüßt die verehrte Primär-Kommandantin Desara-dal-Kellon.“ Die Frau legte die Fingerspitzen der linken Hand im typischen Ehrensalut an die linke Schulter. „Ich entbiete die Grüße der großen Matriarchin und habe den Befehl, mich dir zu unterstellen. Ich bringe die gewünschten Waffen und zusätzliche Gardisten.“

„Du bist mir willkommen, Liu-dal-Mandar.“ Desara lächelte freundlich. Also eine ältere Kommandantin, die der jüngeren Frau wahrscheinlich deren hohe Position neidete. Es empfahl sich keine Zweifel an Desaras unangefochtener Führungsrolle aufkommen zu lassen. „Ich bitte dich an Bord, wo du mir berichten kannst.“

Man hätte sich auch über den Bildfunk austauschen können, doch indem Desara die untergeordnete Kommandantin zu sich an Bord bat, testete sie deren Bereitschaft, sich zu fügen. Es war kein ausdrücklicher Befehl gewesen, sondern eine Bitte und ließ dal-Mandar die Möglichkeit, sie abzuschlagen und den bequemeren Weg der Übertragung zu wählen.

„Es erfüllt mich mit Freude, unserer Primär-Kommandantin persönlich begegnen zu dürfen“, kam die Antwort.

Desara´s Lächeln vertiefte sich. Gut, sie ordnete sich unter. „Es ist meinerseits eine Ehre, einer so bewährten Kreuzerkommandantin zu begegnen. Bringe die Sirandaar längsseits. Die Andocksysteme unserer Schiffe sind bedauerlicherweise nicht kompatibel. Du wirst im Raumanzug übersetzen müssen.“

„Deinem Wunsch entsprechend, Herrin“, bestätigte Liu-dal-Mandar.

Die Sirandaar trieb langsam näher, drehte bei und passte Kurs und Geschwindigkeit der Nanjing an. Die Pilotin des Schattenschiffes war gut. Als es zum Stillstand kam, waren die Rümpfe kaum zehn Meter voneinander entfernt.

Desara entschloss sich zu einer versöhnlichen Geste und aktivierte die Bordkommunikation. „Ehrenwache zur Personenschleuse. Oberfrau Kara, eskortiere meinen Gast zum Offiziersbesprechungsraum.“ Sie erhob sich. „Ontra, du hast in meinem Namen die Brücke.“

Gefolgt von ihren beiden persönlichen Leibgardisten, die wie alle an Bord die Druckoveralls der Sky-Navy trugen, verließ Desara die Brücke, stieg die wenigen Stufen auf das Deck hinunter und war mit ein paar Schritten an der kleinen Offiziersmesse, die ihrer Kabine direkt gegenüber lag. Der Raum diente den Offizieren des APS-Kreuzers zugleich als Konferenzraum. Desara würde diese Besprechung allerdings ausschließlich mit der Kommandantin des anderen Schiffes und der Befehlshaberin ihrer bordeigenen Gardisten durchführen. Es ging um grundsätzliche Dinge und die anderen Offiziere würde sie erst in der Detailplanung einbinden.

Während sich ihre Wachen rechts und links des Schotts aufbauten, trat Desara an den kleinen Getränkeautomaten. Sie wählte für sich einen Kaffee. Es war für sie kein sonderlich schmackhaftes Gebräu, doch sein Konsum gehörte für sie zu einer perfekten Tarnung als Mensch. Da sie wusste dass ihre weiblichen Offiziere einen bestimmten Fruchtsaft der Menschen schätzten, stellte sie ein Glas für ihren Gast bereit.

Sie hatte gerade Platz genommen, als sich das Schott öffnete und Liu-dal-Mandar in Begleitung von Oberfrau Kara eintrat. Erneut entbot die Kommandantin den Ehrengruß der Negaruyen, bevor sie sich Desara gegenüber setzte.

„Du und dein Schiff sind mir eine hoch willkommene Verstärkung“, eröffnete Desara. „Mein Angriff auf Kell´Nar war ein großer Erfolg und hat den Eierlingen einen schmerzhaften Stich zugefügt. Doch es war nur ein Stich und kein schmerzhafter Schlag. Daher bin ich entschlossen, eine der Stammwelten des Feindes anzugreifen.“

„Die große Matriarchin erwähnte dies mir gegenüber und wünscht dir das Glück der Kriegerin“, antwortete die Kommandantin höflich. „Es wird ein schwieriges Unterfangen, denn die Stammwelten der kleinen Mütter sind gut geschützt. Dennoch akzeptiert die große Matriarchin, dass du auf die Verstärkung durch ein Kampfgeschwader verzichtest.“

„Die große Matriarchin hat meinen Plan gut geheißen und weiß, dass ich kein Geschwader einsetzen kann. Die Eierlinge müssen glauben, dass die Menschen für den Angriff verantwortlich sind und wir haben bedauerlicherweise nur dieses eine Menschenschiff.“

„Wenn die Norsun erkennen dass wir Negaruyen beteiligt sind, würde das dem Plan doch schwerlich schaden“, meinte dal-Mandar. „Im Gegenteil, sie müssen dann doch annehmen, dass wir und die Menschen Verbündete sind und somit die Menschen als Feinde sehen.“

„Es geht nicht darum, dass die Abkömmlinge aus dem Ei die Menschen als unsere Verbündeten sehen.“ Desara schüttelte in einer absolut menschlichen Geste den Kopf. „Es wäre sogar gut, wenn sie glauben, dass die Menschen nichts mit uns zu tun haben. Ein zweites und von uns unabhängiges Volk als Feind, das würde die Norsun zutiefst beunruhigen und ihre Aufmerksamkeit von uns ablenken. Zudem wird der Angriff auf die Stammwelt einer kleinen Mutter ihren Zorn erregen. Wir alle wissen dass die Eierlingen die große Mutter und die kleinen Mütter zutiefst verehren. Den Angriff auf eine kleine Mutter werden sie als Schändung sehen. Er wird sie zu einem sofortigen und umfassenden Vergeltungsschlag veranlassen.“

„Dem stimme ich natürlich zu“, räumte die Kommandantin der Sirandaar ein. „Ich vermute, die von mir mitgebrachten zusätzlichen Waffen sollen das fehlende Angriffsgeschwader ersetzen?“

„Wurden die Torpedos nach meinen Vorstellungen modifiziert?“

„Das wurden sie, Herrin. Ihre eTroniken sind so programmiert, dass sie nun innerhalb einer Lufthülle und sehr tief fliegen. Versuche haben ergeben, dass sie sich rund fünfzig Meter über dem Boden bewegen und damit für jeden Scanner nahezu unsichtbar sind. Die Eierlinge werden die Bodenflugkörper erst entdecken, wenn es zu spät für ihre Abwehr ist.“ Liu-dal-Mandar lächelte. „Es ist das erste Mal in der Geschichte des langen Krieges, dass Schiff-zu-Schiff-Torpedos gegen Bodenziele eingesetzt werden. Es wird sicher eine tödliche Überraschung für die Eierlinge.“

„Dir fällt dabei die Ehre zu, den ersten Schlag zu führen, denn dein Schattenschiff wird die Bodenflugkörper in getarntem Zustand an das Ziel heran bringen. Danach wirst du dich zurückziehen, denn die Norsun dürfen keine Hinweise auf uns Negaruyen finden. Sobald du die Waffen ausgelöst hast, werde ich mit dem Menschenschiff angreifen.“

„Es wird ein großer Sieg werden.“

Desara lachte leise. „Bevor wir den Sieg feiern müssen wir unser Ziel erst noch im Detail erkunden. Dieser Schlag darf nicht fehlgehen, denn er soll die Eierlinge endgültig in den Krieg gegen die Menschen treiben.“

Sky-Navy 12 - Die Maske fällt

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