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Kapitel 3

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Hell stand im Sektionskeller vor dem spiegelblanken Obduktionstisch. Mit sauberen Stichen hatte Beisiegel den ‚Y‘-Schnitt auf dem Brustkorb des Toten wieder vernäht.

Lohses Organe lagen in polierten Aluminiumschalen auf dem Tisch nebenan.

Kurze Zeit zuvor hatte Hell einen Anruf von Wendt erhalten. Der berichtete ihm mit wenigen, aber dafür aussagekräftigen Worten, was sie in Lohses Wohnung gefunden hatten.

»Es ist so schlimm, das Christina eine Runde gekotzt hat!«, sagte er salopp.

Hell kniff die Lippen zusammen, als er die Beschreibungen Wendts hörte. »Gut, wir sehen uns später«, antwortete er und teilte Dr. Beisiegel die neuesten Erkenntnisse mit.

»Interessant, einen Sodomisten hatte ich auch noch nicht hier liegen«, sagte sie knapp.

Es hatte immer etwas Frankensteinhaftes, dachte Hell, als er die Organe des Mannes betrachtete. Die Beleuchtung der OP-Strahler ließ den Leib grell erscheinen. Die Arme des Mannes lagen dicht an seinem Körper. Die Hände waren jetzt sauber, die Fingernägel gereinigt. Hell blickte auf den glatt rasierten Genitalbereich des Mannes. Beisiegel fing seinen Blick auf.

„Er hat Verletzungen an seiner Eichel. Abschürfungen. Das muss höllisch wehgetan haben. Er hatte eine Creme aufgetragen zur Linderung. Tja, je nachdem, was man so alles vor die Kanone bekommt.“

Sie trug ein gespielt mitleidiges Grinsen.

„Ich versuche diesen Menschen erst mal als Opfer zu sehen, nicht als den Perversen, den schon alle in ihm sehen.“

„Das ehrt sie, Herr Kommissar.“

Sie strich mit einem feinen Kamm durch das Haar des Mannes. Hell hob die Brauen, ließ seinen Blick von dem Toten zu ihr herüberwandern. Er schätzte Frau Beisiegel sehr, manchmal war sie ihm allerdings zu flapsig, so wie in diesem Moment jetzt.

„Soll ich Ihnen meine Ergebnisse verraten“, sagte sie und kämmte weiter das dichte Haar des Mannes.

„Ich bitte darum, Frau Doktor.“

„Der Tod ist zwischen ein und zwei Uhr nachts eingetreten. Er starb durch den Blutverlust, war allerdings nicht sofort tot. Der Pfeil hat die Herzkammer nur angeritzt, er ist innerlich verblutet. Außerdem hat er Abschürfungen an den Knien und an den Händen. Und er stand, als der Pfeil ihn traf. Da bin ich mir sicher.“

Sie legte den Kamm und die kleine Schale auf den silbernen Tisch neben sich und hob den linken Arm des Opfers hoch, um Hell ihre Ergebnisse zu zeigen.

»Er hat ihn leiden lassen, unser Mörder«, mutmaßte Hell und betrachtete die Abschürfungen an Lohses Hand.

»Wundert Sie das?«, fragte sie und Hell las zwischen den Zeilen, dass auch die Doktorin keine Sympathien für Zoophile hegte.

Hell antwortete nicht, also fuhr die Gerichtsmedizinerin fort: „Ich habe an der Hose allerhand Erde verschiedenster Art gefunden. Sie ist in der KTU. Er muss gekrochen sein. Die Tatsache, dass ich Erde über den Blutflecken gefunden habe, sagt mir, er war schon getroffen, als er weiter gekrochen ist. Das kann die KTU aber sicher besser belegen.“

Hell sah vor seinem inneren Auge den Mann durch den Wald kriechen, irgendwo hinter ihm der Mann mit der Armbrust.

Hat er gejammert? Hat er den Kerl verflucht?

War er überrascht worden? Wenn ja, wobei? Das würden die Kollegen mit den weißen Overalls beantworten. Dieses Szenario hatte er nicht erlebt. Die Tatortermittler hatten einträchtig neben dem Toten auf dem Boden gekniet. Alles, was nach einer Spur aussah, wurde fotografiert. Alles, was nach Beweis aussah, in die großen Asservatentüten verpackt. Sie hatten den Tatort oder besser, den Fundort der Leiche weiträumig mit Flatterband abgesperrt und waren dann den Spuren Lohses gefolgt.

Dabei hatten sie die Kreise um den Fundort der Leiche erweitert. Der Bus, der Spurensicherer stand auf einem Waldweg. Dort waren sie mittlerweile angekommen. Die Spuren führten weiter in Richtung der angrenzenden Weide. Die Kollegen hielten ihre Digitalkameras im Anschlag und platzierten die kleinen Dreiecke mit den Nummern neben den weiteren Spuren. Die Blitzlichter zuckten auf. Sie hatten heute einen langen Tag vor sich. Wenn sie hier fertig waren, wartete auch noch die Wohnung des Opfers auf sie. Schließlich wurde Lohses Leichnam abtransportiert.

„Das sieht alles nach einer Jagd aus.“

„Jawohl.“

„Aber wer hält still, wenn einer mit einer Armbrust vor ihm steht? Da geht einer ein großes Risiko ein. Er darf nicht danebenschießen. Bis er das Teil wieder geladen hat, ist der andere an ihm dran und haut ihn um. Wie lange hat das Warten vor dem Schuss gedauert? Sekunden, Minuten, länger? Für den, der weiß, dass er gleich sterben soll, für den ist es eine Ewigkeit. Haben die beiden gesprochen oder war schon alles gesagt?“


Sie schaute ihn an und fast durch ihn hindurch, ein typischer Beisiegel-Blick.

„Wir brauchen diesen Jäger hier. Vielleicht hat er etwas bemerkt.“

*


Warten. Die Schattenseite der Ermittlungsarbeit. Warten auf die Ermittlungsergebnisse, warten auf eine Zeugenaussage. Der Jäger war nicht zu erreichen. Hell steckte den Zettel mit der Telefonnummer wieder ein. Missmutig ging er zurück in sein Büro und setzte sich an seinen Schreibtisch. Dort fand er eine Notiz von Klauk vor. Er hatte vor, sich die Nachbarn von Lohse vorzunehmen. Alle Kollegen waren unterwegs.

Er erlaubte sich, seinen Gedanken ihren Lauf zu lassen. Die Verantwortung für die Lösung des Falles lag in seinen Händen. Wie immer. Das war er gewöhnt. Doch diesmal machte es ihm Angst. Was es auch immer war, er hatte eine Vorahnung. Er hätte seine Rente verwettet, wenn es sich bei dem Fall um einen normalen Fall handelte. Wer macht einen solchen Aufwand? Tötet mit einer Jagdwaffe, treibt sein Opfer nachts durch einen dunklen Wald. So jemand hatte für sich eine Grenze überschritten und befand sich in einem Vakuum.

Mitten in seine Gedanken klingelte das Telefon. Hell schreckte auf. Nachdem er das Telefon fünfmal hatte klingeln lassen, hob er den Hörer ab.

Hell stöhnte innerlich auf. Es war jemand von der Presse. Der Mann am anderen Ende kam sofort zum Thema. Er hätte Informationen über einen Toten im Wald. Der Pressefritze war dreist. Er wisse, dass es so sei, also solle Hell gar nicht versuchen, ihn abzuwimmeln. Hell fragte ihn, woher er seine Informationen habe. Es gäbe nur Informationen gegen Informationen heraus. Er fragte nach einem Treffen. Hell war sich sicher, dass keiner von der KTU die Presse informiert hatte. Aus seinem Team kam auch keiner auf solch eine Idee. Der Jäger. Nein, da war er sich sicher, der würde auch nicht die Presse informieren. Woher hatte er die Infos? Hell stimmte einem Treffen zu. Aus Neugier. Ein Teil seines Bewusstseins sträubte sich gegen seine eigene Entscheidung.

Hell fiel ein, dass er den Bereitschaftspolizisten anrufen wollte. Er musste unbedingt den Tonbandmitschnitt des zweiten Anrufes anhören.


*


Daniel Hesse lag daheim auf dem Bett. Er trug noch die Schuhe, die er getragen hatte, als er der Polizistin im Treppenhaus begegnet war. Er schlief. Traumlos. Die letzte Nacht hatte er ohne Schlaf in seinem Versteck verbracht. Mit einer Tarnplane hatte er seinen provisorischen Unterschlupf, den er gebaut hatte, abgedeckt. Seine Spuren hatte er mit einem frisch gebrochenen Ast verwischt.

Von seinem Versteck aus hatte er den Mann auf der Weide aufgespürt. Atemlos hatte er ihn mit dem Fernglas beobachtet, um sicher zu sein. Ihn dort zu finden, war ein totaler Glückstreffer gewesen. Die Grünfläche lag in der Nähe der Weide, auf der vor drei Monaten die ersten toten Tiere gefunden wurden.

Drei Monate war das jetzt her. Die Zeit hatte er genutzt und sich akribisch vorbereitet. Vorbereitet auf seine Jagd. Und er hatte sich viele Nächte um die Ohren geschlagen. Erfolglos. Mehr als einmal wollte er schon aufgegeben. Keiner käme erneut an denselben Ort zurück, um abermals solch eine Tat auszuführen. Doch es passierte. Er hatte sich tagelang die Weiden in der Gegend angesehen. Hatte sich gemerkt, wo die Bauern ihre Tiere hintrieben und sich auf die Lauer gelegt.

Hesse erwachte. Er sah den Perversen vor sich. Er sah ihn sterben. Er hatte ihn getötet.

Es war ganz einfach gewesen.

Hesse stand auf und machte sich einen Kaffee.

War es reine Intuition, die ihn dorthin geführt hatte, alles Weitere war minutiös geplant. Die Waffe hatte er im Internet besorgt. Es gab viele Internetanbieter. Also konnte er relativ sicher sein vor einer frühzeitigen Entdeckung. Die Pfeile stammten aus einem anderen Online-Shop. Die ganze weitere Ausrüstung hatte er bar bezahlt. In diversen Geschäften.

So konnten seine Aktivitäten nicht zurückverfolgt werden.

Nächtelang hatte er im Wald Schießübungen gemacht. Zuerst blieb er völlig erfolglos. Er traf nicht einmal einen Baum aus fünf Metern.

Völlig frustriert war er sogar versucht, es einfach sein zu lassen. Du willst zu schnell zu viel. Er zwang sich, mit mehr Ruhe zu trainieren. Mit mehr Abgeklärtheit klappte es immer besser. Er lernte die Waffe kennen, fand heraus, dass er nicht atmen durfte, wenn er den Abzug betätigte. Er traf seine Ziele und vergrößerte die Abstände zu ihnen. Im Zuge dieses Erfolgs kehrte seine Sicherheit zurück. Selbst aus über zwanzig Metern traf er zuletzt ein Blatt, was er an einen Baum geheftet hatte.

Der ganze Plan war ihm zuerst wie ein wirres Spiel vorgekommen. So wie früher. Cowboy und Indianer. Doch mit der Gewissheit, die Waffe zu beherrschen, fiel auch eine Entscheidung. Er würde den Plan durchziehen. Daher rechnete er alles sorgfältig durch.

Aus der Skizze in seinem Kopf entwickelte sich eine Strategie. Und er stellte sich die Frage, ob er wahrhaftig zum Äußersten bereit sei.

Doch jetzt besaß alles eine völlig andere Qualität. Er hatte eine Entscheidung gefällt und ein Mensch war gestorben.

Eiskalt. Grausamkeit erzeugt normalerweise Verwirrung. Nicht bei ihm. Er fühlte sich frei. Hesse stellte die Tasse in die Spüle neben all das andere schmutzige Geschirr. Innerlich losgelöst brütete er über sein Problem. Die Polizei war zu schnell in der Wohnung von Lohse aufgetaucht. Die Bücher, die er aus der Wohnung gestohlen hatte, lagen auf dort dem Speicher. Dorthin war er aus der Wohnung geflohen, Sekunden, bevor die Polizisten die Türe aufschoben.

Kristallscharf war ihm sofort klargeworden, dass damit noch mehr Leben in seine Hände gefallen waren. Keine Namen, aber die brauchte er auch noch nicht. Die Bilder reichten ihm. Nur musste er wieder dorthin gelangen und die Bücher an sich bringen. Wenn die junge Polizistin noch da war, würde sie ihn nicht ein zweites Mal für einen Nachbarn halten. Sie hatte auf die Treppe gekotzt. Warum nur? Hatten sie noch mehr Bücher gefunden? Sein Glück war ihre Lüge. Hätte sie ihn angesprochen, dann wäre er schon aufgeflogen. Du musst noch vorsichtiger sein, dachte er.

Das Licht in der Küche war dämmrig. Hesse erschrak, als er sein Spiegelbild im Glaseinsatz des Küchenschrankes sah. „Er hat‘s nicht geschafft“, murmelte er vor sich hin.


*


Hell wartete. Er stieß den Rauch seiner Zigarette aus und schaute auf seine Armbanduhr. Der Pressetyp war schon fünfzehn Minuten zu spät. Im ersten Moment war er sogar versucht, nicht zu dem Treffen zu gehen. Doch dann störte ihn die Erwägung, dass ein Mord in einem Wald hier in der Gegend viel Wirbel machen würde. So würde er erfahren, was die Schlagzeile der morgigen Zeitung sein könnte und hatte die Möglichkeit daran vielleicht auch noch etwas zu drehen.

Als er sich gerade abwenden wollte um zu gehen, stellte sich ihm ein großer, dünner Mann in den Weg.

„Kommissar Hell?“ Er hielt ihm die Hand hin.

„Ja. Mit wem habe ich die Ehre?“ Hell schlug ein.

„Mein Name ist Maier, Christian Maier vom Morgenmagazin. Danke, dass Sie gekommen sind. Trinken wir einen Kaffee?“

Hell fand den Mann auf den ersten Blick sympathisch. Das passierte bei Vertretern der Presse selten. Die meisten waren ihm zu schleimig. Das Morgenmagazin war kein Intellektuellenblatt, aber es gab Schlimmere. Hier stand ein Mann vor ihm mit einem wachen Blick und einem offenen Gesicht.

„Trinken wir einen Kaffee, schließlich bietet sich das an, wenn man vor einem Café steht.“

Hell bestellte einen Kaffee wie sein Gegenüber.

„Was haben sie?“

„Eine Stimme.“ Maier lächelte. Für ihn war der Anruf in der Nacht ein Glücksfall. Schon wollte er die Redaktion verlassen, als das Telefon klingelte. Er hielt inne, blickte das Telefon an, ging zurück und hob den Hörer ab.

„Die was gesagt hat?“ Hell nahm einen Schluck aus der Tasse.

„Es war nur eine kurze Bemerkung gewesen. Kein Akzent, nichts Auffälliges.“

„Die was gesagt hat?“, wiederholte Hell seine Frage und stellte seine Tasse wieder ab.

Maier blickte Hell ins Gesicht. Verbrechen und Polizeiarbeit hatten ihn schon immer fasziniert. Jetzt sah er eine Chance, Anteil zu haben. Er holte sein Diktiergerät aus der Jackentasche, stellte es auf den Tisch vor sich und schaute Hell wieder an.

„Was tun sie für mich?“ Mit diesem Satz schwand ein Teil der Sympathie, die Hell für ihn empfand.

„Ich kann sie auch sofort hier festnehmen wegen der Unterschlagung von Beweisen in einem Mordfall.“ Hell grinste ihn gespielt freundlich an.

Maier drückte den Play-Knopf. Der Apparat startete sofort. „Ich möchte einen Toten melden. Er liegt im Wald nahe Winterscheid. Fahren sie die Straße, die von der Bundesstraße rechts abgeht, bis zum Ende.“

Hell starrte den Apparat an. War das die Stimme des Mörders? Für Maier war es wirklich heißes Material, für Hell war es eine erste Spur. Es hatte schon Fahndungen mit einer Stimmprobe gegeben, die in den Nachrichten und von den Regionalsendern abgespielt wurde. Damals wurde der Täter gefasst.

„Ich kann Ihnen eine Kopie zukommen lassen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir auch entgegenkämen.“

Hells Augen wurden schmaler. „Wie ich eben schon sagte, ich kann sie festnehmen und das Gerät konfiszieren.“

„Er hat sich einmal bei unserer Zeitung gemeldet. Wer sagt uns, dass er es nicht erneut tun wird? Selbstverständlich erfahren Sie das dann aus erster Hand.“

Maier pokerte. Er nahm das Diktiergerät vom Tisch und lies es wieder in seiner Tasche verschwinden. Hell schwenkte den letzten Rest seines Kaffees in der Tasse und stellte sie ab.

„Gut.“

Der Journalist hatte es plötzlich eilig. „Ich fühle mich eingeladen“, sagte er. Schon war er neben Hell, blieb abrupt stehen, kam einen Schritt zurück. Mit einem Grinsen legte er eine SD-Karte auf den Tisch.

„Für Sie“, sagte er und ging schnell zur Türe.

*


Das Neonlicht im Konferenzraum schmerzte in Hells Augen. Er drehte seinen Stuhl so, dass das Licht nicht direkt in seine Augen fiel. Er hatte vergeblich versucht, auf der Liege im Büro etwas zu schlafen. Wendt hatte das gesamte Team zur Besprechung zusammengerufen. Sie hatten viele Ansätze, die zusammengeführt werden mussten. Die Befragung des Jägers hatte nichts ergeben. Hell hatte es nicht anders erwartet. Die SD-Karte, die er von Maier bekommen hatte, war bei der KTU und wurde mit dem Anruf verglichen, der bei der Polizei eingegangen war.

„Ich habe die Nachbarn Lohses befragt“, berichtete Klauk, „Er war völlig unauffällig, keine Frauenbesuche. Manchmal kamen ein paar Freunde vorbei. Das passt, schließlich stand er ja nicht auf Frauen.“

Wendt heftete ein paar Bilder und eine eilig gezeichnete Karte vom Tatort auf die Pinnwand. Bunte Striche, stilisierte Bäume, der Fundort als Kreuz. „Bist du fertig“, fragte er Klauk. Der nickte.

„Die Kollegen haben das ganze Gelände bis zur angrenzenden Weide untersucht. So wie Sie es wollten, Chef. Dabei fanden sie dort die gleichen Fußabdrücke, wie sie auch von den Schuhen des Toten abgenommen wurden. Er ist von dort gekommen. Man fand auch noch Abdrücke einer weiteren Person. Die sind aber nicht brauchbar. Derjenige hatte seine Schuhe mit einem Sack oder Leinen umwickelt. Clever, so kann man nur die Schuhgröße ahnen, aber nichts wirklich zuordnen. Sie haben die Stelle gefunden, wo er das Opfer mit dem Pfeil getroffen hat. Die ist hier.“ Er zeigte mit dem Finger auf die Karte. „Hier ist der Fundort der Leiche. Dazwischen liegen circa 20 Meter.“

Zwanzig Meter um sich damit abzufinden zu sterben, dachte Meinhold.

„Hat man auch verletzte Tiere gefunden“, fragte sie ihren Kollegen. Sie musste die Frage stellen, dachte Wendt. Sonst keiner.

„Nein, davon hat niemand etwas gesagt.“

„Hat man Spuren eines Kampfes gefunden?“ Wer lässt sich einfach mit einer Armbrust einen Pfeil in die Brust schießen, ohne sich zu wehren, grübelte Hell.

„Nein, auch davon steht nichts im Bericht.“

„Was sagt die KTU zum Schusskanal?“

„Sie gehen davon aus, der Täter ist gleich groß wie das Opfer. Die genauen Ergebnisse haben wir morgen vorliegen.“

Wendt lutschte auf einem Fisherman’s herum und schaute in die Runde. Der Täter band sich Leinen um die Schuhe um keine Spuren zu hinterlassen und war so groß wie sein Opfer. Bisher waren das nur dürftige Splitter und Schlaglichter auf einen Gegner, die nichts Gutes für die Ermittlung ahnen ließen.

Die Zeiger der Armbanduhr standen auf halb sieben. Hell beendete die Besprechung, nachdem er Klauk ermunterte, weiter im Leben Lohses zu schnüffeln und Wendt damit beauftragt hatte, sich am nächsten Tag um den Pfeil zu kümmern und schickte die Kollegen nach Hause.

Sie verabschiedeten sich auf dem Flur. Meinhold blieb noch einen Moment stehen.

„Sie sind o.k.?“, fragte Hell.

„Ja, ich bin o.k.“, sagte sie, „Es war nur dieser Moment, indem ich verstand, dass dieser Mann ein Perverser ist und dann diese abscheulichen Bilder. Ich kümmere mich um die Analyse des Buches, wenn ich darf.“

„Ja. Gut. Aber nur so lange, wie es für Sie geht.“

Meinhold nickte dankbar und ging den Flur entlang. Hell resümierte. Sie hatten es mit einem intelligenten, gut orientierten und vorsichtigen Killer zu tun. Und er wollte, dass sein Tun bekannt wurde, daher suchte er den Kontakt zur Presse. Er setzte sich in seinen Wagen, fuhr nach Hause, legte sich in seinen Kleidern auf das Bett und schlief bis zum nächsten Morgen.


*


Sebastian Klauk stand vor seinem Kühlschrank und holte eine Milchflasche heraus. Er schraubte den Verschluss auf und trank einen Schluck. Danach goss er etwas in die Schüssel mit dem Müesli. Er stellte die Flasche zurück in den Kühlschrank und gab der Türe mit dem Fuß einen Schubs. Er stellte sich an die Anrichte in seiner Singleküche. Er mochte nicht sitzen. Der vergangene Abend hatte ihn wieder aufgewühlt. Ein Besuch bei seinen Eltern. Wider besseres Wissen hatte er sich von seiner Mutter breitschlagen lassen. Mit einem mulmigen Gefühl war er schon die Auffahrt zum Haus seiner Eltern hinaufgefahren und hatte sein Auto vor dem hell erleuchteten Eingang abgestellt.

Seine Mutter hatte ihn mit weit geöffneten Armen und strahlendem Gesicht empfangen. Er mied auch nicht den Kontakt zu seiner Mutter, sondern den zu seinem Vater. Der hatte sich für seinen Sohn eine andere Karriere gewünscht. Polizist. Kriminalpolizist. Das war nicht standesgemäß. Für Klauk war seine Berufswahl eine Entscheidung gewesen, die er gegen seinen Vater getroffen hatte.

Sticheleien, Streit, böse Worte. Klauk hatte nach kurzer Zeit das Haus wieder verlassen. Es war wie immer. Sein Vater konnte auch nach Jahren nicht verkraften, dass sich sein Sohn gegen seine Pläne entschieden hatte und auf die Polizeiakademie gegangen war.

„Was ist das für ein Lebensentwurf? Erfüllt es dich, in der Gosse nach Mördern, Dieben und anderem Gelump zu suchen? Wer hat dir das vorgelebt?“

Wie immer hatte er mit einem Glas Cognac vor ihm gestanden. Nein, sein Vater war kein Alkoholiker. Der Cognac und der locker um seinen Hals geschlungene Seidenschal gaben ihm etwas Aristokratisches. So sah er sich. So hätte er seinen Sohn auch gerne gesehen. Als selbstgefälligen Snob.

Seine Mutter hatte Tränen in den Augen, als er sich von ihr mit einem flüchtigen Kuss auf die Stirn verabschiedete. Ihre Hände streiften sich kurz, dann verließ er ohne ein weiteres Wort an seinen Vater zu richten, das Haus.


Diese Begegnungen mit seinen Eltern kosteten Klauk immer wieder Nerven. Er aß sein Müesli und stellte die Schüssel mit einem Rumms in die Spüle.

Auf dem Weg zum Bad schlug er ein paarmal wild auf den Punchingball ein, der im Wohnzimmer stand. Der letzte Schlag wurde von einem lauten Schrei begleitet. Der Punchingball federte zurück. Klauk wich ihm geschickt aus.


*


Die Neuigkeiten der Nacht brachten die bisher eher zähen Ergebnisse der Ermittlungsroutine in Gang. Hell fühlte sich frisch. Er hatte eine Dusche genommen und wurde nach seinem Eintreffen im Präsidium von Wendt informiert.

Wieder saßen sie im Besprechungsraum, eine Fliege surrte am Fenster. Gemurmel, Papiergeraschel. Wendt nestelte am Beamer herum. Dann endlich fiel das Bild des Opfers auf die Projektionsfläche. Lohse noch lebend als Porträt, lächelnd. Dann Lohse neben zwei weiteren Männern, die alle Hunde an der Leine hielten.

Wendt räusperte sich. „Robert Lohse. Geboren am 12. März 1969 in Köln.“ Er klickt wieder auf das erste Bild mit dem Portrait zurück. „Ich habe gestern Abend bei Facebook nach dem Namen gegoogelt. Dabei ist herausgekommen, dass Lohse sehr aktiv in der Zoophilenszene vertreten ist. Für alle, die das nicht kennen, damit ist Sex mit Tieren gemeint. Es gibt eine Gruppe dort, die sich öffentlich dazu bekennt. Dort ist ... war Lohse sehr aktiv.“

„Wo ist Lohses Hund? Ist das sein Hund, auf dem anderen Bild“, fragte Hell.

„Eher nein. In seiner Wohnung sah es nicht danach aus, als wäre er Hundehalter.“

Meinhold strich sich eine Locke aus dem Gesicht und versuchte die Zornesfalten auf ihrer Stirn im Zaume zu halten. Schwein mieses, dachte sie und ermahnte sich direkt sachlich zu bleiben.

„Es gibt aber sehr viele User, die diese Zoophilen angreifen“, fuhr Wendt weiter, „Einige sparen auch mit Drohungen nicht. Vielleicht haben wir hier eine mögliche Spur, ich bleibe dran.“

„Wer sind die anderen beiden auf dem Foto?“

„Der linke heißt auf Facebook nur ‚Huli Kö‘. Zu dem anderen haben wir noch keinen Namen, nur dieses Bild.“

„Ich nehme mir nachher das Buch vor, vielleicht sind sie dort auch zu finden“, sagte Meinhold. Sie zupfte sich ihr T-Shirt zu Recht, weil sie das Gefühl hatte, ihr Dekolleté wäre doch zu freizügig.

„Ja, machen Sie das. Wendt kümmert sich um den Pfeil, dann weiter um die Facebook-Geschichte. Es kann ja sein, dass Lohses Tod mit den Drohungen dort zu tun hat.“

„Ich fahre gleich zu Lohses Arbeitsstätte“, sagte Klauk, „Er arbeitete in einer Metallfirma.“

„Gut, ich gehe in die KTU und schaue denen mal auf die Finger. Die haben Decken, Laken, Matratzen und Kissen aus Lohses Wohnung eingetütet. Vielleicht gibt es dort Spuren. Treffpunkt hier wieder zur Mittagszeit.“

Er klopfte mit der flachen Hand auf den Tisch und stand auf.

Das waren reale Sachen, mit denen er sich auskannte. Das Internet und seine Labyrinthe war nicht Hells Sache. Daher war er froh, dass er Wendt hatte. Der würde sich da schon durchbeißen. Hell ging ruhig hinüber in sein Büro. Auf seinem Tisch lag eine Mappe mit den Tatortfotos. Er blätterte sie durch und legte die Mappe weg. Das pralle Sonnenlicht schien durch die nachlässig geschlossene Jalousie hindurch. Auf Hells Tisch zauberte es ein hübsches Streifenmuster. Er betrachtete das Muster und wünschte sich einen schnellen Fahndungserfolg.

*

Es gab Dinge, die mochte Meinhold nicht. Die ihr bevorstehende Aufgabe gehört dazu. Dabei hatte sie Hell darum gebeten, dieses Buch zu untersuchen.

Sie erinnerte sich an die heftige Reaktion, die ihr beim Betrachten des Buches widerfahren war. In ihrer Hand hielt sie den Asservatenbeutel mit dem Buch, was sie jetzt von der KTU in ihr Büro trug. Der Beutel stellte noch einen Schutz dar gegen die Bilder.

Langsam schlenderte sie über den Hell erleuchteten Flur der KTU, fuhr mit dem Aufzug in die zweite Etage. Sie warf das Buch auf ihren Tisch, holte sich eine Tasse, öffnete linkisch ein Milchdöschen mit Kaffeesahne, schüttete sich Kaffee ein und rührte um.

Ihr Blick war die ganze Zeit auf das Buch gerichtet. Sie zog den Stuhl heran, setzte sich, nahm den Beutel und riss ihn mit einem Ruck auf. Der Inhalt plumpste auf die Tischunterlage.

Ein Schluck Kaffee. Sie schlug es auf. Mit heraufgezogenen Brauen versuchte sie zu verstehen, was sie dort sah. Männer mit Hunden, Männer mit Schafen, Männer, die auf Schemelchen standen und ein Pferd begatteten. Andere Männer hielten die Tiere und deren Schwänze fest. Hunde auf Tischen festgeschnallt. Ihre Schwänze hatte man den Tieren abgeschnitten.

Es ging um Sex. Es ging um Perversion. Es ging um Selbstdarstellung. Ein makabres Spiel. Meinhold blätterte weiter. Sie suchte nach den Männern, die Wendt bei Facebook entdeckt hatte. Tatsächlich fand sie bald den, der sich ‚Huli Kö‘ nannte.

Die Seiten, auf denen die Männer abgetrennte Körperteile von Tieren bei sich führten, blätterte sie schnell weiter. Das war ihr zu heftig. Und dann fühlte sie, wie ihr fast die Sinne schwanden: Auf mehreren Bildern waren auch Frauen zu sehen. Die hatten Sex mit Hunden. Ließen sich von ihnen mit der Zunge befriedigen. Meinhold kannte ja das Schlagwort, dass man älteren Damen mit ihren Schoßhündchen nachsagte: Fotzenlecker. Aber real im Bild hatte sie so etwas noch nie gesehen. Auch nicht vorgestellt. Sie legte das Buch beiseite und öffnete das Fenster. Als könnte sie damit den Ekel, der sie befiel, wegbrennen lassen, hielt sie ihr Gesicht in die Sonne.

*

Die Dame an der Rezeption nickte.

»Ja, ich habe vom Tod Lohses gehört«, sagte sie leise.

Klauk hatte ihr den Polizeiausweis hingehalten und nach Lohses Arbeitsplatz gefragt. Die Dame drückte einen Knopf auf ihrer Sprechanlage. Sie sprach mit einem Mann vom Werksschutz und sagte ihm, er solle rasch herkommen. Kurz drauf rumpelte hinter Klauk ein Aufzug herunter und eine Türe öffnete sich scheppernd. Heraus trat ein großer, vierschrötiger Mann, der sich als der angeforderte Werksschützer vorstellte.

„Klein, angenehm“, sagte er mit einer Stimme, die gar nicht zu seiner Größe passte. Sie war eher zu piepsig. Klauk stellte sich vor.

„Ich würde gern den Arbeitsplatz von Lohse sehen. Können Sie mich hinführen?“ Klein machte eine einladende Handbewegung.

„Lohse ist tot?“

„Ja“, antwortete Klauk knapp.

„Ermordet?“

„Warum fragen sie?“

„Uns war klar, dass sie ihn sich irgendwann holen.“ Klauk stutzte, wollte Klein direkt fragen, wie er das meinte, doch der schritt mit schnellen Schritten voran. Sie traten durch eine graue Feuerschutztüre in die Werkshalle. Es war laut dort, sehr laut. Und noch wärmer als draußen. Es roch nach Maschinenöl und heißem Plastik.

Kurz hinter der Türe befand sich ein Spender mit Gehörschutzstöpseln. Klauk bediente sich. Der Werksschützer bestand dann darauf, dass er über seine Straßenschuhe metallene Kappenschützer zog.

„Arbeitssicherheit“, erklärte er kurz.

Die Schützer behinderten Klauk zuerst beim Laufen. Doch nach ein paar Metern hatte er sich an das Scheppern gewöhnt.

„Das ist mein Job“, sagte er, „Verletzen Sie sich, bin ich dran.“ Klein brüllte ihn fast an.

„Wie haben sie das eben gemeint“, schrie Klauk.

„Was?“

„Sie sagten, dass Ihnen klar war, dass sie ihn sich holen würden. Wer ist damit gemeint?“

Klauk wurde von Klein auf die gelbe Markierung auf dem Boden aufmerksam gemacht. Die teilte den Fußweg vom Fahrweg der Gabelstapler ab.

„Bleiben Sie rechts“, mahnte er.

„Sagen Sie schon!“, schrie Klauk.

„Ich meine, sie wissen ja Bescheid über seine sexuelle Ausrichtung. Er hat‘s mit Tieren gemacht. Das hat einigen nicht gepasst. Das meine ich damit.“

„Er hat es erzählt?“

„Ja, das hat er. Er hatte sogar Fotos auf dem Handy, die er einen vor die Nase gehalten hat. Und er hat deswegen schon mal eins vor die Fresse bekommen.“

„Hier? Von seinen Kollegen? Wer war das?“

„Ja“, war die knappe Antwort, „Der Kollege ist nicht mehr hier beschäftigt.“ Sie hielten an.

„Hier hat er gearbeitet. Und daneben sein Kumpel Flottmann, Thorsten Flottmann. Auch so ein Perverser.“

Klein zeigte nach rechts auf eine Maschine, die momentan nicht besetzt war.

„Kann ich ihn sprechen? Wenn sie sagen ‚Perverser‘, dann meinen Sie, er ist auch ein Zoophiler?“

„Nein, er hat sich heute Morgen krankgemeldet. Und ja: Er ist so einer.“

„Wo hat Lohse seinen Spind?“

„Kommen Sie.“ Er machte wieder seine einladende Handbewegung.

Sie gingen durch eine weitere Feuerschutztüre wieder hinaus. Er zog seine Kapseln aus den Ohren. Klauk bemerkte jetzt erst, wie sehr die metallischen Schutzkappen auf dem Beton schepperten. Er zog sie aus.

Durch eine weitere Türe kamen sie in einen Raum, der auf beiden Seiten schmale, graue Spinde beherbergte. Klauk schlug ein Gemisch aus Hitze und Schweißgeruch entgegen, gemischt mit penetranten billigen Aftershaves.

„Hier ist sein Spind.“ Klein schlug mit der flachen Hand gegen den Schrank, dass er schepperte.

„Sie haben keinen Schlüssel“, pokerte Klauk.

„Sie haben keinen Wisch, der ihnen das erlaubt?“ Klein grinste.

„Moment“, sagte Klauk, drehte sich um, zückte sein Handy und orderte einen Durchsuchungsbeschluss für den Spind von Lohse und gleich noch einen für den von Flottmann.

„Ja, Flottmann, Thorsten Flottman. Ein Kollege von Lohse. Vielleicht ist er einer der Männer auf den Bildern. Tatverdacht, bla bla. Am besten direkt für seine Wohnung gleich mit. Aber flott“, scherzte er.

Er drehte sich um. „Ich brauche ein Bild von diesem Flottmann.“

*

Nicht ganz eine Stunde später stand Klauk mit drei Beamten vor der Türe Flottmanns. Es hatte sich herausgestellt, dass er einer der Drei auf den Bildern war, die Wendt auf Facebook gesehen hatte. Er war ‚Huli Kö‘.

Klauk klingelte und lauschte. Nichts.

„Herr Flottmann, Polizei. Bitte öffnen Sie.“ Er klopfte, lauschte erneut. Nichts. Dann hörte er ein Knarzen aus der Wohnung. Hölzerne Dielen schienen unter etwas Schwerem zu stöhnen. Die Türe wurde einen Spalt geöffnet. Ein vollmondiges, ungekämmtes Gesicht erschien.

„Ja? Ich bin krank. Was wollen Sie?“

„Mit Ihnen über ihren Kollegen Lohse sprechen, Herr Flottmann. Lassen Sie uns bitte rein.“

Der Spalt veränderte sich nicht. „Ich muss Sie nicht hereinlassen.“

„Doch, das müssen Sie“, sagte Klauk und zog den Durchsuchungsbefehl aus der Tasche. Er wedelte damit vor dem fetten Gesicht von Flottmann herum.

„Aber nur unter Protest. Ich bin krank.“

Die Türe öffnete sich und vor ihnen stand ein fetter Mensch. Unter einem viel zu knappen, braunen T-Shirt zwängte sich ein mächtiger Bauch ins Freie. Klauk drängte sich an ihm vorbei, drückte den Durchsuchungsbefehl im Vorbeigehen gegen Flottmanns Brust. Er spürte nur Fett. Die Wohnung ähnelte der von Lohse. Sie war auch dunkel, es gab ebenfalls dicke Vorhänge. Einzig die Küche war hell. Klauk stellte sich neben den Kühlschrank, öffnete ihn und sah hinein. Dort lagen geöffnete Fastfood Verpackungen, darunter stapelten sich mehrere Pizza Verpackungen. Nichts Frisches war zu sehen, außer einer Flasche Milch. Klauk schloss den Kühlschrank wieder.

„Herr Flottmann, Sie wissen vom Tode ihres Arbeitskollegen Lohse?“

Der Angesprochene hatte seinen Leib auf einen bedauernswerten Küchenstuhl gewuchtet. Er nickte.

„Woher wissen sie es?“ Für einen kurzen Moment glaubte Klauk, Angst zu spüren.

„Er kam gestern nicht zur Arbeit und da haben sie es erzählt auf der Arbeit.“ Flottmanns Blick irrte in der Küche umher.

„Was haben sie erzählt? Wer ist ‚sie‘?«

„Dass er tot ist, haben sie erzählt. Die Kollegen meine ich.“

„Mehr wissen Sie nicht? Sie wissen nicht, was mit ihm passiert ist?“

„Nein“, antwortete Flottmann mit erstickter Stimme.

„Man hat ihn im Wald gefunden mit einem Jagdpfeil in der Brust. Haben sie eine Ahnung, was er dort im Wald getan hat?“

Flottmann blickte ihn scheu an. „Nein.“

„Herr Flottmann, wir kennen ihre sexuelle Ausrichtung und wir wissen, dass Lohse ihr Freund war. Und sie wollen uns erzählen, dass sie nicht wissen, was er nachts im Wald tut? Hinter was war er her? Hinter einem Reh?“ Klauk wurde laut und Flottmann zuckte zusammen. Er hatte Angst, das spürte der Polizist.

„Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Er hat es mir nicht erzählt“, jammerte er.

Ein Streifenpolizist trat in die Küche und hielt einen Asservatenbeutel hoch. Klauk erkannte sofort ein Buch darin. „Es gibt noch mehr Bücher. Ich informiere die Spusi.“

„O.k., Herr Flottmann, ich nehme sie mit ins Präsidium zur weiteren Vernehmung. Hier werden gleich die Kollegen ihre Bude auseinandernehmen.“

„Das dürfen Sie gar nicht“, maulte der.

„Sie glauben gar nicht, was ich alles darf. Ziehen sie sich was Ordentliches an.“ Flottmann stand auf und schleppte sich aus der Küche.




Oliver Hell Abschuss

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