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Teil 1 Eine neue Gefühlswelt Die kränkenden Gefühlsmuster der Gegenwart

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Die gesunden Gefühle, mit denen wir geboren werden

In den ersten Lebensmonaten ist der Mensch körperlich und motorisch noch sehr eingeschränkt. Menschenkinder funktionieren in dieser Zeit vor allem als Emotionskörper. Säuglinge und Babys verbringen ihre Zeit mit Schlafen und der Aufnahme von Nahrung, mit dem Verarbeiten von Sinneseindrücken und Gefühlserlebnissen, mit spielerischen Momenten und dem Dasein im Augenblick.

Sie entdecken das Leben fühlend. Sie erfühlen und erspüren die Welt und ihre Nächsten durch körperliche Nähe, durch den Klang fürsorglicher Stimmen, die Lautmalerei einer Sprache und eine natürlich angelegte Form der Empathie, des Mitfühlens.

Kleinkinder fühlen automatisch intensiv mit. Wenn die Freude der Eltern groß ist, freut sich auch das Kind. Wenn Angst herrscht, überträgt sich diese ebenso unmittelbar. Das Nachdenken über die Welt ist noch fern und auch die eigene Sprache kommt erst mit den Jahren.

Vor allem anderen also fühlen wir zu Beginn unseres Lebens und wir verfügen von Geburt an über die völlig gesunde und richtige Art, mit Gefühlen umzugehen: Wir zeigen sie sofort. Kein Gedanke, keine gesellschaftlichen Regeln und keine körperliche Hemmung blockieren den natürlichen Ausdruck der Gefühle.

Ganz zu Anfang, in den ersten Monaten nach der Geburt, gibt es nur zwei wesentliche emotionale Zustände, nämlich „Ich bin zufrieden“ oder „Ich bin unzufrieden“. Entweder ist die Welt in Ordnung (ich bin satt, habe es behaglich und bin beschützt …) – oder nicht (etwas tut weh, ist kalt, bedrohlich und macht mir Angst …). Die Angst ist die erste Emotion, die wir als eigenständige, von der Mutter entbundene Wesen empfinden.

Elementare körperliche Emotionen sind ebenso schon aktiv: Hunger, Durst, Schmerz oder Ekel. Schon nach wenigen Monaten nehmen die Gefühle dann weitere Formen an: Freude bis Euphorie oder Schmerz und Zorn. So wie sich unsere Bewegungsfähigkeit steigert, wachsen auch die Gefühle – bis hin zu einem fein verästelten Gefühlsbaum mit einer Vielzahl von Regungen.

Gefühle und Bewegung sind stark miteinander verknüpft. Eine Freude ist für ein kleines Kind nur dann wirklich groß und mitreißend, wenn es laut lacht, jubelnd seine Stimme erhebt, die Arme wild hochreißt und ausgelassen herumtollt. Gibt es hingegen Leid, kullern augenblicklich Tränen, weint das Kind bitterlich und schreit laut aus sich heraus, der ganze Körper krümmt sich im Schmerz. Das Bedürfnis nach Nähe, nach Gehalten- und Getragen-Werden setzt sofort ein und das Kind sucht den Schutz seiner Eltern.

Zorn ist bei Kleinkindern ebenso heftig, geht durch den ganzen Körper, wird mit tobenden Gesten ausgedrückt – aber nur, solange er erlaubt ist und nicht vom allzu oft mächtigeren Zorn der Eltern übertönt oder bestraft und dadurch vielleicht viel zu früh ausgetrieben wird.

Der Gefühlsbaum wächst mit den Monaten. Die Äste der Trauer, des Neids, der Eifersucht, der Scham entstehen. Gefühle von Liebe, Zugehörigkeit und Lust werden wach, Glück nimmt seine Form an und auch das Machtgefühl keimt. Doch die Entwicklung dieses Baumes und seiner späteren Früchte ist abhängig davon, was dem Kind während seiner ersten Lebensjahre zu welchem Zeitpunkt und in welcher Situation widerfährt.

Welches Verhalten ist wann erlaubt oder verpönt? Wann darf ein Gefühl frei ausgedrückt, wann muss es bereits sehr früh unterdrückt werden?

Auch genetische Faktoren sind bestimmend. Statur und Aussehen haben ihre Rückwirkung auf das Selbstgefühl, motorische Fähigkeiten spielen eine Rolle und ebenso kognitive Anlagen.

Ganz entscheidend ist dabei: Welche Gefühle werden in einer Familie gepflegt? Welche stehen wie oft „auf der Tagesordnung“? Welche dürfen wie intensiv und wann ausgedrückt und dadurch täglich eingeübt und biochemisch programmiert werden? Haben Gefühle überhaupt einen positiven Stellenwert oder werden sie meist nur als negativ, störend, aufdringlich oder fordernd empfunden?

Fest steht: Wer erwachsen ist, lacht, jubelt und singt nicht mehr laut aus sich heraus, wenn ihm danach ist. Die meisten Erwachsenen erheben auch nicht ihre Stimme, wenn sie zornig sind, schämen sich aber zumeist für ihre Tränen. Sie verbergen ihr Zittern, wenn sie sich fürchten. Sie sprechen nicht über ihre Ängste oder ihre Trauer. Ihre Körper bewegen sich zwar lange Zeit tadellos – aber zumeist monoton und „leblos“. Nahezu jeder Gefühlsausdruck geschieht kontrolliert oder wird verborgen.

Warum ist das so? Wer hat uns den Ausdruck der Gefühle verboten? Wer hat es den Generationen vor uns verwehrt? Vielleicht ist es geschehen, weil Menschen mit starken Gefühlen auch starke Persönlichkeiten entwickeln und selbstbestimmter handeln – und sich dadurch schwerer kontrollieren lassen? Oder weil Eltern häufig zu große Ängste um ihre Kinder haben bzw. fürchten, die Kinder könnten ihrem Einfluss entgleiten? Weil viele Führungskräfte Angst vor den wahren Gefühlen ihrer Mitarbeiter haben? Weil wir in einer Gesellschaft leben, die der individuellen Wahrheit wenig Raum lässt? Weil wir nie gelernt haben, unsere Gefühle zu verstehen, mit ihnen angemessen umzugehen und sie zu kontrollieren oder für unser Wohlergehen zu nutzen?

Es geht in diesem Buch nicht darum, die Kulturgeschichte der Emotionen zu beschreiben. Es drängt sich aber auf, die Hintergründe ein wenig zu beleuchten. Denn: Die Früchte des mächtigen Gefühlsbaumes, der sich in und mit uns entfalten wollte, verdorren in der Leistungs- und Konsumgesellschaft der sogenannten ersten Welt mehr und mehr.

Gefühle sind im Allgemeinen verpönt, werden unterdrückt, zurückgehalten und dürfen nicht nach außen dringen. Das jedoch widerspricht ganz und gar ihrer natürlichen Anlage und führt schrittweise zu Depression, Burnout und Demenz einer ganzen Gesellschaft.

Das Gefühlstabu in Schule und Beruf

Spätestens mit dem Beginn des Schulalltags, wenn wir etwa sechs Jahre alt sind, werden Gefühle von einem Tag auf den anderen für mindestens vier Stunden täglich gebremst. Es darf seltener gelacht und so gut wie nicht mehr geweint werden, Schmerzen oder Nervosität werden kaum beachtet, das Erlernen und die Wiedergabe von faktischem Wissen stehen im Vordergrund.

Mit dem Benotungssystem der gängigen Schulformen beginnen wir auch, uns selbst zu beurteilen und zu bewerten: Durch das Beurteilt-Werden treten wir in die Zeit des Beurteilens und Wertens ein. Schritt für Schritt agieren wir nicht mehr aus Freude oder Eigenantrieb, sondern aus Angst vor schlechter Leistung und aus vermindertem Selbstwertgefühl.

Welche Lebensinhalte aber haben tatsächlich Bedeutung? Welche schulischen Leistungen werden als besonders wichtig eingestuft? Welche Benotung erregt Aufsehen, wird vorgezeigt und mit Nähe und Liebe belohnt? Welches Versagen wird bestraft? Wird ein intaktes Gefühlsleben belohnt oder die intakte Anpassung an die Verhaltensweisen der Schul- und Leistungsgesellschaft?

Wir kennen die Antworten alle: Wir lernen, brav zu sein, uns anzupassen, durch Leistung aufzufallen, keine unnötigen oder störenden Äußerungen von uns zu geben und unsere Gefühle mehr und mehr zu verbergen – vor allem unsere Schwächen, Ängste und Nöte.

Können Sie sich daran erinnern, dass Ihr Lehrer vor einer Schularbeit die emotionale Befindlichkeit der einzelnen Schüler erhoben hat, um diese dann in die Benotung einfließen zu lassen? Hat man Sie darin geschult, mit Nervosität und Versagensängsten umzugehen?

Haben wir gelernt, unsere Gefühle wenigstens nachmittags lebendig ausdrücken zu dürfen – wenn sie schon vormittags im Unterricht störend waren? Haben wir gelernt, mit Gedanken, Worten und Bewegungen unsere Gefühle zu beeinflussen, um den Lebensalltag auch tatsächlich genießen zu können? Haben wir das Lernen je gelernt?

Wir haben uns im Turnunterricht eine Reihe von sportlichen Bewegungsabläufen angeeignet, aber nicht eine einzige sprechende, lebendige Geste unserer Hände! Wir haben gelernt, unsere Gefühle zurückzuhalten, bevor wir erfahren durften, wie sie sich ausdrücken lassen.

Gefühle werden mit Beginn der Schulzeit zum Tabu. Die Bildung des Geistes steht im Vordergrund – die Bildung des Herzens tritt zurück. Zugleich bestimmen Stress, Druck, Furcht und Konkurrenzkampf mehr und mehr den Alltag.

Im Berufsleben wird dieses Tabu dann fortgesetzt: Gefühle sind verpönt, sie haben fast oder gar keine Bedeutung. Wer seine Gefühle zeigt, gilt als sonderbar, hysterisch oder übersensibel.

Zwar leiden knapp 70 Prozent aller berufstätigen Menschen in Mitteleuropa unter Konflikten mit Kollegen oder unter einem schlechten Arbeitsklima, doch den Gefühlen, die sich dahinter verbergen, wird keine Beachtung geschenkt. Man nimmt eher in Kauf, krank zu werden oder dem Burnout zu erliegen, als die eigene gefühlsmäßige Wahrheit zu äußern oder therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Manche Menschen lässt dieser unausgeglichene Gefühlshaushalt zu tickenden Zeitbomben werden: Sie explodieren schließlich irgendwann. Andere wiederum schlucken ihre bedrohlichen Gefühle so lange hinunter, bis ihnen eine Depression jede Kraft und jeden Antrieb raubt.

Der Umgang mit Gefühlen ist für viele Menschen Neuland. Gefühle zu zeigen und auszusprechen fällt schwer, besonders wenn es um Schwächen oder Ängste geht.

Wir haben für viele alltägliche Lebensbereiche unser Handwerk gut erlernt: Wir können Auto fahren, Einkäufe erledigen, Smartphones bedienen, durch TV-Kanäle zappen, im Internet surfen, Bankgeschäfte erledigen, den Haushalt bewältigen etc. Doch mit unserem Innenleben können wir nicht umgehen. Für unserer Gefühle haben wir kein Handwerkszeug, obwohl jede Art zu scheitern, falls wir scheitern, von ihnen abhängt, denn: Gefühle sind das Leben selbst.

Auf neutrale Gefühle reduziert

Es gibt einen einfachen Grund, warum uns ein offener Umgang mit Gefühlen, eine Änderung unseres Verhaltens, so schwerfällt: Wir sind durch hundert- bis tausendmalige Wiederholung neurologisch und biochemisch darauf programmiert worden, unsere Gefühle zu zügeln oder zu verbergen.

Wie oft haben Sie folgende Sätze gehört: „Setz dich hin! Nicht so laut! Hör auf zu schreien! Gib endlich Ruhe! Warum weinst du schon wieder? Keine Schwäche zeigen! Du musst jetzt stark sein! Wovor hast du denn Angst? Lass das! Nicht so nah! Finger weg! Reiß dich zusammen!“

Jedes gewohnte Verhalten in unserem Leben ist auf Wiederholung gegründet. Wir putzen uns täglich mehrmals die Zähne, weil unsere Eltern uns unermüdlich und hunderte Male dazu angehalten haben. Wir verbergen aus demselben Grund aber auch unsere Gefühle.

Wie bereits erwähnt, die Regeln für unser Gefühlsleben sind über viele Generationen entstanden. Niemand trägt die Schuld und gewiss wollten unsere Eltern und deren Eltern nur das Beste für ihre Kinder. Sie haben uns mit viel Mühe und Liebe in Richtung kleine und neutrale Gefühle programmiert. Die Leistungsgesellschaft besteht mittlerweile auf eine solche gefühlsneutrale Professionalität – und krankt daran.

Auf „Ver-Halten“ programmiert

Gefühle wollen durch den Körper hinaus ins Leben. Der Begriff Emotion kommt vom lateinischen Wort „emovere“, was so viel bedeutet wie „hinausbewegen“ oder „ausagieren“. Aber genau diesen Ausdruck, dieses Ausleben haben wir nie geübt, im Gegenteil: In die Gehschulen der Kindheit verbannt und auf die Stühle der Jugendzeit gesetzt, haben wir viele Stunden täglich trainiert, unseren Bewegungs- und Ausdrucksdrang zurückzuhalten.

Freie, lebendige Bewegung ist uns fremd geworden. Wir gehen mit eingesunkenen Schultern im immer gleichen Takt. Wir jubeln nicht mit dem ganzen Körper und der ganzen Stimme, wenn wir einen Erfolg verbuchen. Wir schämen uns davor, zu zittern, wenn wir vor anderen eine kleine Rede halten, oder dafür, am Ende eines Kinofilms zu weinen. Wir sind nicht mehr ungestüm und schon gar nicht mehr ausgelassen.

Ängste, Scham und das Gefühl, peinlich zu sein, prägen allzu oft unser Innenleben, doch nach außen hin wird nichts davon sichtbar. Unser öffentliches Verhalten läuft wie auf Schiene und hinter Masken ab – und das Wort „Verhalten“ drückt tatsächlich aus, wie wir mit uns selbst umgehen.

Das Paradoxe daran ist: Dieses Verhalten kommt uns normal vor und lebendiger Ausdruck erscheint uns abnormal. Eine lebendige Form der Bewegung ist jedoch die Voraussetzung für einen intakten, gesunden und heilsamen Gefühlshaushalt.

Gefühle wachsen mit dem ihnen entsprechenden körperlichen Ausdruck. Nur wenn Gefühle sich frei durch Körper, Stimme und Sprache nach außen bewegen dürfen, bleibt man gesund und in seelischer Balance. Denn nur das entspricht dem natürlichen Fluss.

Auf Folgen gedrillt

Warum erregen so viele Kleinigkeiten des Alltags unser Gemüt? Warum lassen wir uns wieder und wieder von negativen Gefühlen unserer Umwelt anstecken? Warum reagieren wir überhaupt, wenn jemand uns beleidigt oder im Zorn überfällt?

Die Antwort ist ebenso einfach wie betrüblich: Wir sind darauf eingestellt, zu folgen, die Vorgaben anderer, Größerer, Älterer zu erfüllen, alten Regelwerken nachzueifern, aber keine neuen, eigenen zu kreieren. Wir haben sehr wenig bis gar keine Übung darin, unser Verhalten selbst zu bestimmen. Wir sind gedrillt darauf, zu folgen, nicht aber zu führen. Vor allem nicht uns selbst.

In den ersten Jahren unseres Lebens wurden Forderungen und Regeln schließlich immer von Erwachsenen geäußert, also von uns weit überlegenen Personen. Je negativer diese Äußerungen waren, desto bedrohlicher war die Situation und desto stärker hat unser Unterbewusstsein dies abgespeichert. Denn es folgt stets der ersten, innersten Direktive des Selbsterhaltungstriebes: Schütze dich und dein Überleben.

Ebenso schwer wiegt, dass wir mit Gefühlen zum Folgen erzogen wurden: Liebe, Zuwendung und Nähe gab es als Belohnung für das Entsprechen und Gehorchen. Je schneller ein Kind sich anpasst, desto eher gilt es fälschlicherweise als liebenswert, also der Liebe wert. Je stiller es ist, desto braver ist es. Eigensinn wurde häufig durch Ablehnung oder Strafe geahndet, Frechheit durch Zorn, freier, lebendiger Gefühlsausdruck durch harsche Zurechtweisungen.

Betrachten wir noch einmal die Schulzeit: Der tägliche Stundenplan ist vorgegeben. Was in den Stunden zu lernen ist, ist vorgeschrieben, ebenso die Dauer einer Unterrichtseinheit, die Art und Weise, wie eine Aufgabe zu lösen ist usw. Denken wir an den Beruf: Im Allgemeinen sind die Abläufe vorgegeben und auch das Wann, Wo und Wie. Wir haben uns perfekt daran gewöhnt, den Vorgaben anderer oder den Strukturen des Leistungssystems zu folgen.

Wir haben uns hingegen nie an Selbstbestimmung, an kreatives, eigenes Schöpfen oder an individuelles, freies Entscheiden gewöhnt. Es fällt uns viel leichter, einer Vorgabe, die von außen auf uns zukommt, zu folgen, als einen ersten oder nächsten Schritt aus eigenem Antrieb zu gehen. So reagieren wir oft viel zu schnell auf Einflüsse von außen. Wir nehmen die Außenwelt täglich völlig automatisch in uns auf und folgen ihren Vorgaben.

Es beginnt mit der allmorgendlichen Zeitung oder den Nachrichten: Wir saugen wie blind die Negativberichte der Medien auf, käuen sie wieder, empören uns unbewusst und wie selbstverständlich über den Schrecken der Welt und beginnen unsere Tage mit Angst, Zorn und Zweifel. Es steht ja geschrieben. Und was geschrieben steht, kommt von den großen, älteren Wissenden. Wie in unserer Schulzeit. Wie im Kindergarten. Wie in den ersten Jahren unseres Lebens.

Wir sind an ein hohes Maß negativer Gefühle und Missstimmungen so gewöhnt, dass uns das normal vorkommt – wie wir es als normal empfinden, unselbstständig, unkreativ und fremdbestimmt unsere wahren Kräfte schwinden zu lassen und unsere Herzensanliegen zu verschweigen.

Neuronale Muster unterdrücken Gefühle und Körperausdruck

Worauf wir als Kinder und junge Menschen von unserem Umfeld programmiert wurden, ist schließlich zum festen Bestandteil unseres eigenen Denkens und Glaubens geworden. Wir denken selbst, dass es besser ist, Gefühle zu verbergen, misstrauisch gegenüber jedem und allem zu sein, Vorsicht walten zu lassen, statt etwas zu riskieren. Wir sind fest davon überzeugt, dass Entscheidungen vor allem aus dem Denken und Überlegen heraus gefällt werden sollten und nicht aus dem Bauch.

Wir unterdrücken unsere spontanen Gefühlseingebungen und körperlichen Ausdrucksformen. Wir sagen oft noch Ja, wo wir längst schon Nein schreien sollten. Wir bewegen uns ohne Esprit und unsere Hände hängen lasch an unseren Seiten herab oder verkriechen sich in die Hosentaschen.

Es ist nicht nur unsere Gesundheit, die unter dem falschen Umgang mit Gefühlen leidet, unser gesamtes Leben ist davon betroffen: Erfolg, Konzentration, Lernen, Ausstrahlung, Leistungskapazität, Lebensenergie – all diese Faktoren sind unmittelbar mit unserem Fühlen verbunden.

Ob Sie erfolgreich sind oder gerade von einer Krankheit genesen, den ganzen Erfolg und die ganze Gesundheit werden Sie erst erlangen, wenn Ihr Gehirn gelernt hat, auch Ihren Gefühlen zu folgen.

Vom Gefühlstabu zur Gefühlskrankheit

Gefühle sind das Stiefkind der Leistungsgesellschaft. Mancherorts beginnt langsam ein Umdenken, doch zumeist werden Emotionen nach wie vor zur Tabuzone erklärt, in die sich keiner zu weit hineinwagen darf.

Im Schulsystem beginnt das Umdenken langsam Früchte zu tragen. Doch es mangelt nach wie vor an der entsprechenden Ausbildung der Lehrkräfte – wie in der Berufswelt an der emotionalen Schulung vieler Führungskräfte.

Die Erkenntnisse der Molekularbiologie belegen jedoch eindeutig: Gefühle sind auf physiologischer Ebene die zentralen Botenstoffe und Hormone. Sie beeinflussen somit sämtliche Körper-, Geistes- und Mentalfunktionen.

Erkrankungen können unterschiedlichste, häufig auch genetische Ursachen haben. Viele sind jedoch Spätfolgen früh erworbener Verhaltensweisen und die meisten stehen in Zusammenhang mit den erlernten Abläufen unserer biochemischen Gefühlswelt.

Die renommierte amerikanische Neurowissenschaftlerin und Pharmakologin Candace B. Pert verweist in ihrem Buch „Moleküle der Gefühle“ darauf, dass Körper, Gefühl und Geist zusammen ein großes ganzheitliches Gehirn bilden – ein psychosomatisches Netzwerk. Drücken wir unsere Gefühle nicht aus, wird der biochemische Fluss im Körper unterbrochen. Und weil das die Informationsweitergabe blockiert, werden wir krank: 80 Prozent aller Krankheiten scheinen, so Candace Pert, durch unterdrückte Gefühle zu entstehen und auch die restlichen 20 Prozent scheinen etwas damit zu tun zu haben.

Die Heilkraft der Gefühle

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