Читать книгу Perry Rhodan 3105: Galerie der Gharsen - Michelle Stern - Страница 7

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»Willst du gar nicht wissen, wann du

das erste Mal in den Einsatz gehst?«

»Nein. Ich weiß, dass es

passieren wird. Das genügt mir.«

»Vertraust du den Ausbildern?«

»In jeder Beziehung.

Sie können meine Entwicklung

besser einschätzen als ich.

Ich bin froh, dass ich sie habe.«

TIPI. Ausbildung Feyerlant.

1.

Parajagd

Die drei Sonnen tauchten Glutbällen gleich ins Meer. Dunkelrote Schatten lagen über den Felsen und den Pflanzenteppichen, die in bunten Mustern über den Stein krochen. Ein gelbes, kaum fingerhohes Kraut schien in Flammen zu stehen.

Am Himmel kreisten zwei vogelartige Tiere, die dick und klobig wirkten. Ihre Körper erinnerten an frisch zur Welt gekommene Elefanten. Aus den Köpfen erwuchs eine Art Trichter, in dem sie etwas transportierten, das an riesige, blaue Nüsse erinnerte. Sie hatten die »Nüsse« aus dem seichten Meer geholt und warfen sie aus den Kopfnetzen auf die Steine, wo die Schalen aufplatzten und eine wabbelige Masse auslief. Unermüdlich knackten sie ihr Abendessen, schlürften es mit langen, dünnen Schnäbeln, ehe ihre Artgenossen es ihnen streitig machen konnten.

Damar Feyerlant spürte die Erhabenheit des Augenblicks. Er saß auf einem fremden Mond, unendlich weit von Terra und der Stätte ihrer Ausbildung entfernt. Das TIPI hatte ihm viel beigebracht, doch wirklich an diesem Ort zu sein, die salzige Luft mit der fremden, würzigen Duftnote zu riechen und die um ein Weniges geringere Schwerkraft zu fühlen – jeder Moment davon war kostbar und einzigartig.

Dies war der Beginn. Eines Tages wollte Damar so bekannt sein wie Donn Yaradua und die früheren Mutanten, nach denen die Liga viele ihrer Raumschiffe benannt hatte. Ob es je eine FEYERLANT geben würde? Ein stolzes, fernraumtaugliches Schiff wie die RAS TSCHUBAI? Er wusste, dass es bis dahin ein langer und gefährlicher Weg war, doch er freute sich auf jeden einzelnen Schritt.

Neben ihm ging Shema Ghessow, eingehüllt in ihren Deflektorschirm, auf und ab. Dank der Anti-Deflektoreinstellung erkannte Damar jedes Detail ihres ausdrucksstarken, immer ein wenig herausfordernd wirkenden Gesichts mit den grünen Augen und dem leicht hervorstehenden Kinn. Unter dem geschlossenen Helm war lediglich der Ansatz der kurz geschorenen, weißblonden Haare zu erahnen. Sie hatte die dunklen Augenbrauen zusammengezogen.

»Wo steckt dieser Kerl?«, fragte sie.

»Donn kommt klar. Er hat Phylax.«

»Ein Okrill ist keine Sicherheitsgarantie.«

»Aber er kommt dem ziemlich nah.«

Shemas Stimme klang angespannt. »Die vereinbarte Zeit für diese kleine Ein-Mann-plus-Okrill-Erkundungsmission ist um. Warum kann sich Yaradua nicht einfach melden, wie er es versprochen hat?«

»Das wird er. Du willst seit einer Ewigkeit in deinen ersten Einsatz. Jetzt bist du mittendrin und meckerst rum.«

»Das ist kein Einsatz. Wir verstecken uns.«

Damar lehnte sich zurück. »Für mich ist das ein Einsatz. Wir sind die Missionsreserve.«

»Bei dir ist selbst ein Konverter voll, oder?«

»Falls du damit meinst, dass ich mein Leben lieber positiv betrachte: Ja. Mein Konverter ist voll. Warum setzt du dich nicht und genießt den Sonnenuntergang? Das Schauspiel ist phänomenal.«

»Lass mich überlegen ... Weil ich auf einer fremden Welt bin, die von blaufelligen Verrückten besetzt worden ist, die wahllos Einheimische im Namen ihres Diktators verschleppen? Weil wir auf der Flucht vor diesen Verrückten sind und ihre elenden Standarten unsere Parakräfte anmessen können? Weil Donn Yaradua nun seit über einer Stunde fort ist und verletzt oder tot sein könnte? Reicht dir das?«

»Das klingt, als würdest du im Konverter sitzen und auf die Auflösung warten. Vielleicht ...« Damar hielt inne. Etwas irritierte ihn.


Illustration: Swen Papenbrock

Da war noch einer dieser sonderbaren Vögel. Nun waren es sechs. Nirgendwo sonst im näheren Umkreis konzentrierten sie sich derart. Auffällig war auch die Größe. Die zuletzt hinzugestoßenen drei waren deutlich kleiner.

»Positronik!«, sagte Shema, die ebenso wie er die Bewegungen der Vogelartigen verfolgte. Sie wies auf die Tiere. »Genauere Analyse dieser Babyelefanten-Dinger!«

Schlagartig sprangen mehrere Warnmeldungen an. Der SERUN richtete sich selbsttätig auf und brachte Damar von der Wand fort. Zeitgleich sprang der Prallschirm an. Etwas krachte gegen den Fels, explodierte und tauchte die Welt in grelles Licht. Splitter spritzten wie Granaten.

Vor ihnen gingen die Sonnen auf: Von dort, wo eben noch die drei Gestirne ins Meer gesunken waren, rasten drei Einmanngleiter mit hellen Scheinwerfern auf sie zu. Strahlenschüsse fauchten, brachten das Küstengestein zum Zerbersten. Brocken flogen und regneten um sie, als stünden sie im Zentrum eines todbringenden Feuerwerks.

Entsetzt begriff Damar, dass es Fehlermeldungen gab. Der höherdimensionale Schirm wollte sich trotz der extrem bedrohlichen Lage nicht aufbauen. Etwas griff von außen darauf zu, interagierte.

»Weg hier!« Damar beschleunigte den SERUN. Gleichzeitig nutzte er seine Paragabe, um zu prüfen, ob er die Gleiter beeinflussen konnte. Als Konnektor war es ihm möglich, in die Schnittstelle zwischen biogenen und positronischen Intelligenzen einzugreifen und sie zu manipulieren.

Er spürte einen schwachen Widerhall, der sich wie eine flache Echoschockwelle anfühlte. Es gab positronisch-biologische Maschinen in der Nähe. Mindestens drei, doch sie waren nicht in seinem Zugriffsbereich und zu fremd, um sie näher heranzulocken.

Auch Shema hatte reagiert, startete neben ihm durch, doch es geschah nicht das, was beide erwartet hatten. Statt sich rasend schnell mit Höchstwerten zu entfernen, kamen sie kaum vom Fleck.

»Traktorfelder!«, schrie Shema.

Die drei Gleiter fächerten auf, schossen weiter. Inzwischen blinkten unzählige Warnmeldungen im vorgespiegelten Holodisplay. Damar gelang es nicht, herauszufinden, auf was er sich zuerst konzentrieren sollte.

Zwei Schüsse trafen ihn, fraßen sich in das Verbundmaterial des SERUNS, konnten es allerdings nicht durchdringen. Warum waren sie derart schwach eingestellt? Alles geschah gleichzeitig. Noch immer bewegten sie sich kaum vom Fleck, hatten gerade einmal 40 Stundenkilometer erreicht, während die Gleiter ihnen folgten und sie gefesselt hielten.

Shema fluchte. »Warum schalten sich die Schutzschirme nicht automatisch ein?«

»Schutzschirm ...!«, wollte Damar befehlen, doch eine barsche Stimme unterbrach ihn.

»Nicht! Achte auf die Feindkontakt-Anzeige! Die Positronik weiß, was sie tut. Die Gharsen setzen unbekannte Waffensysteme ein. Sobald du den Schutzschirm aktivierst, wirst du durch Neuroschocker gelähmt! Die Schüsse sollen dafür sorgen, dass ihr genau das tut!«

Allein diese Stimme zu hören, brachte neue Hoffnung: Donn Yaradua war zurück! Rechtzeitig zum Angriff. Bei ihm war sein Okrill.

Phylax hetzte einem der drei Gleiter auf den vier Beinpaaren entgegen, sprang die Steinformation in gewaltigen Sätzen hoch und krachte mit allen acht Füßen voran auf dessen Dach. Die Maschine schwankte. Es knirschte hässlich, als der Okrill die Krallen der tellergroßen Vordertatzen hineinschlug, um das Metall aufzureißen wie Seidenpapier.

Einen irrwitzigen Moment dachte Damar, sie hätten eine Chance. Der Gleiter schlingerte, das Fesselfeld löste sich auf – doch dann blitze es rings um das sieben Meter lange, bronzefarbene Fluggerät, und Phylax flog mit einem empörten Quaklaut wie ein Geschoss davon.

Er krachte gegen die Felswand, prallte ab, stürzte über zehn Meter zu Boden und schüttelte sich. Elmsfeuer tanzten über seine ledrige Haut. Die lange, rote Zunge hing schlaff aus dem Maul. Sie schien gelähmt zu sein. Damit hatte der Okrill seine gefährlichste Waffe eingebüßt, wenigstens vorübergehend.

Damar konzentrierte sich: Das Paraecho wurde lauter.

Drei Roboter schwebten aus den Gleitern. Vom Himmel stürzten die drei kleineren Tiere auf sie zu, als wollten sie die Roboter angreifen. Als sie diese allerdings berührten, lösten sie sich auf, sanken hinein und bildeten nun drei größere Roboter. Damar spürte den biogenen Anteil der Maschinen, als wäre er mit den Fingern einer Flamme zu nahe gekommen.

Mit etwas Glück konnte er dadurch aber zumindest auf eine der Maschinen zugreifen.

»Nimm meine Hand!«, rief er Shema zu. »Die Roboter haben einen biogenen Kern. Wenn wir einen Parablock bilden, kann ich vielleicht einen gegen die Gleiter einsetzen!«

Shema streckte die Hand nach ihm aus – aber sie war zu langsam! Ihre Fingerspitzen waren zu weit fort. Er schaffte es nicht, sie zu berühren, um den Block mit ihr zu bilden.

Die drei Roboter waren heran, trennten sie. Es waren zottelige Maschinen, die aus unzähligen Einzelteilen bestanden; wie Skulpturen, die aus einzelnen Mosaiken geformt waren. Die meisten dieser Mosaike erinnerten an Haarbüschel. Ein Flimmermuster lief über die blaue Oberfläche.

Einer der Roboter wollte Damar berühren, doch die zweite Maschine drängte ihn ab und jagte Damar eines der Metallbüschel in den SERUN. Es blitzte und flimmerte hell.

Aus einem der Gleiter kam ein unheimlicher Schrei. Er hallte über die Küste, akustisch verstärkt wie Donnergrollen. Zwei weitere Stimmen fielen in ihn ein. Eine davon klang anders, schriller.

Damar wollte sich die Hände gegen die Ohren pressen. Er meinte, den Puls aussetzen zu fühlen. Das Herz in seiner Brust schien in einem ganz eigenen Fesselfeld zu liegen. Kreatürliche Angst stieg in ihm auf.

Der SERUN reagierte, schaltete das Außenmikrofon stumm. Auf der Datums- und Uhrzeitanzeige erkannte Damar, dass gerade einmal eine Sekunde vergangen war, in der er dem furchtbaren Geheul ausgesetzt gewesen war – doch es reichte ihm für ein ganzes Leben. Dieses Geräusch wollte er nie wieder hören.

Der Roboter drängte ihn weiter von Shema fort, als wüsste er, dass sie Damar wegbringen konnte, falls es ihr gelang, ihn zu berühren.

Gleichzeitig geschah etwas, das Damar zum ersten Mal seit Beginn des Angriffs aus der Fassung brachte: Die Schüsse aus einem der Gleiter veränderten sich, gewannen an Intensität. Vorher war ihm klar gewesen, dass der SERUN sie schützte. Nun aber änderte sich die Lage: Wer immer sie beschoss, wollte Shema und ihn töten!

»Shema!«, brüllte er. »Verschwinde!«

Donn Yaradua warf sich mit aktiviertem Schutzschirm vor sie. Auch Damars Schutzschirm reagierte – der SERUN wählte nun, in der tödlichen Bedrohungssituation, das kleinere Übel. Neuroschocker aktivierten sich, brachten Damars Körper zum Zittern. Die Welt wurde dunkler.

Er erkannte noch, dass der Beschuss endete, weil ein anderer Gleiter den ersten beschoss. In grauen Tönen war da Phylax, der wie im Schattenriss in das Fesselfeld sprang, das nun auch den neurogeschockten Donn Yaradua gefangen hielt. Der Okrill riss seinen Herrn mit purer Gewalt mit sich, zerrte ihn davon.

Shema war fort. Dort wo sie im Feld geschwebt war, herrschte Leere. Und er? Seine Gabe erlaubte ihm keine Flucht. Es würde auch kein Okrill kommen, um ihn zu retten. Er war in der Gewalt seiner Feinde. Trotzdem ...

Was für ein Einsatz!, dachte Damar. Der Gedanke war wie ein Funke, der sich gegen ein Meer aus Dunkelheit erhob, ehe er erlosch.

*

Es wurde still. Die Welt war schlagartig fort, schrumpfte zusammen zu einem bunten, weit entfernten Ball.

Shema Ghessow schloss die Augen, atmete ein. Sie konnte den eigenen Atem nicht hören. Es war, als wäre dieser Atem, der eigentlich gar keiner war, noch in der anderen Welt, dem Einsteinraum. Als hätte man ihn dort gefangen gesetzt. Sie jedoch war weitergegangen, in den Hyperraum getreten, der still, endlos und leer war.

Ein helles, ewiges Nichts. Ein Segen. Ein Fluchtort, den sie irgendwie selbst erschuf, ihre eigene Enklave. So hatte sie diesen Ort jenseits aller Orte erlebt, seit sie als Kind das erste Mal hineingetreten war, um sich zu verstecken. Estak Mellos hatte sie gejagt – ein Nachbarmädchen, das böse auf sie gewesen war, weil ihre Katze sie vermeintlich lieber hatte. Als Mellos nach ihr gegriffen hatte, war Shema das erste Mal in die andere Welt getreten und dadurch dem aufgebrachten Mädchen entkommen.

Sie hatte im Licht gestanden und das Draußen nur wie blasse, verwaschene Schatten wahrgenommen. Und sie hatte sich fortbewegen können, wenngleich nur langsam und nur um einen knappen Meter. Aber es hatte genügt.

Seitdem hatte sie viel mit ihrer Gabe gearbeitet und hart im TIPI trainiert und vieles von dem begriffen, was ihr Talent ihr ermöglichte. Doch noch immer gab es Rätsel, die geblieben waren. Sie konnte inzwischen bis zu zwei Personen – oder größere Gegenstände – mit in ihre Enklave nehmen. Eigentlich hätte sie Yaradua und Damar dadurch retten sollen – aber sie hatte die beiden nicht berühren können, und das war eine Grundbedingung für das Mitnehmen geblieben.

Damit war diese Option verfallen, und sie hatte allein fliehen müssen. Nun stand sie allein in ihrer eigenen Sicherheit, die den Wissenschaftlern zufolge am ehesten eine künstliche Senke im Hyperraum sei. Verlassen von allen, aber dafür außer Gefahr.

Die Beschränkung der Fesselfelder war gewichen. Shema wusste, dass sie sich von dem Ort entfernen konnte, an dem sie in die Enklave geglitten war. Deutlich mehr als den einen Meter ihrer Kindheit, aber dennoch höchstens 120 Meter, und das auch nur, wenn sie allein war. Zudem konnte sie in ihrem Fluchtort nur langsam gehen, höchstens mit halber Schrittgeschwindigkeit. Warum? Ja, das hatte sie sich selbst oft gefragt und irgendwann begriffen, dass diese Frage ihr den Weg zu ihrer Gabe verstellte. Seitdem ließ sie sich darauf ein – und beherrschte sie immer besser.

Die Kontaktstelle zum Einsteinraum verschwamm vor ihren Augen. Der bunte Ball blähte sich wie ein Ballon auf, fiel wieder in sich zusammen. Die niedrigdimensionale Realität lag entrückt jenseits des hellen, farbigen Schleiers ihres Fluchtortes. Kaum erkennbare Schattenrisse gaben eine Ahnung von dem, was sich draußen abspielte. Aber viel blieb Interpretation und Erfahrung, selten einmal gab es klare und korrekte Eindrücke.

Zam hatte es ihr erklärt, jener Ausbilder, der ihr von allen der liebste gewesen war. Der Ara hatte gesagt: »Mit großer Wahrscheinlichkeit ist das, was du vorgeblich optisch wahrnimmst, nicht die Realität. Dein Gehirn setzt das Bild aus Erinnerungen und unbewusst empfangenen und verwerteten ÜBSEF-Impulsen anderer Lebewesen zusammen.«

Ja. So musste es wohl sein.

Shema empfand sich körperlich, obwohl sie nicht atmete. Sie konnte sogar beschränkt die Funktionen ihres SERUNS nutzen, als wäre sie im Normalraum. Warum sollte da nicht auch ihre Optik etwas zeigen, das eigentlich gar nicht vorhanden war? Dort, wo sie nun stand, gab es eigentlich keinen Sauerstoff. War das der Grund für das Gefühl einer großen, stetig anwachsenden Last, die sie zu Boden drückte? Je größer die Last wurde, desto näher rückte der Zeitpunkt, an dem Shema aussteigen musste. Einmal war sie aus Trotz geblieben, hatte die Last ertragen, bis die Farben erloschen und ihr Atem still wurde. Zurück im Einsteinraum hatte ihre Nase geblutet und erst nach einem kleineren Eingriff wieder damit aufgehört.

»Du hast Glück gehabt«, hatte Zam damals gesagt. »Das war sehr dumm von dir. Stell dir vor, deine Gabe wäre eine Art Luftvorrat, der dir einen Aufenthalt im Hyperraum ermöglicht. Kein Taucher steigt einfach auf. Je länger du da drin bist, desto gefährlicher wird es. Menschen sind nicht für den Hyperraum gemacht.«

Shema ging voran. Sie musste von der Stelle wegkommen, an der im anderen Raum das Fesselfeld lag. Sie versuchte, weiter an Zam zu denken, an ihre Zeit im TIPI, sogar an den Herflug mit der RAS TSCHUBAI. Sie wollte an alles denken, bloß nicht daran, dass sie versagt hatte. Sie hätte es schaffen müssen, Damar zu erreichen. Als er ihr gesagt hatte, dass sie seine Hand nehmen sollte, hatte sie gezögert. Es war ein Moment gewesen. Genau jener Moment, der gefehlt hatte, um mit ihm einen Parablock zu bilden.

»Konzentrier dich!«, sagte sie laut.

Ihre Stimme klang fremd im weißen Wabern, das alles Bunte verloren hatte und in das es nun wieder zurückkehrte, als reagierte es auf ihre Stimme. Aber wie sollte es? Es gab schließlich nirgendwo Schall. Die Worte verloren sich. Nichts davon kehrte je zurück. Unheimlich.

»Konzentrier dich!«, sagte sie erneut.

Sie musste sich an Donn Yaraduas Anweisungen erinnern. Daran, was zu tun war, und was sie nicht tun durfte, obwohl sie es wollte. Sie durfte nicht sofort zurückkehren. Yaradua hatte das vorab ausdrücklich untersagt. Er hatte sie gemahnt, dass sie im Fall eines Angriffs durch mehrere Gegner mindestens eine Stunde versteckt bleiben sollte, ehe sie wiederkam.

Sie wollte aber sofort zurück. Wollte eingreifen. Helfen.

Halt dich an Pläne und Vereinbarungen!, rief sie sich die Lehrer ihrer Ausbildung ins Bewusstsein. Selbst, wenn sich alles in dir dagegen sträubt!

Als die Last das Gewicht erreichte, das Shema nach 60 Minuten spürte, ging sie auf den Ausgang zu. Inzwischen musste sie an die 120 Meter vom Eintrittspunkt entfernt sein. Sie erreichte den farbigen Schleier, teilte ihn – und stand auf einem kargen Felsen, irgendwo in der Dunkelheit.

Ihre Position war ein Stück erhöht; zuverlässig hatte ihre Gabe dafür gesorgt, dass sie nicht im Felsen herausgekommen war. Nicht ausgeschlossen dagegen blieb ein Sturz in die Tiefe, hätte sie sich aus Versehen über das Meer bewegt. Die unbewusste Korrektur ihres Paratalents hatte ihre Grenzen und Tücken.

Der SERUN gab Entwarnung. Erschöpft sank Shema zu Boden. Von Angreifern war weit und breit nichts zu entdecken, trotzdem war sie nicht sicher. Sie hatten sie einmal gefunden – sie konnten wiederkommen.

»Perry Rhodan an Shema Ghessow!« Die Stimme war eindringlich, gönnte ihr keine Ausruhzeit.

Shema nahm die Verbindung an. »Ja! Ich höre dich! Wo sind Donn und Damar?«

»Donn ist bei mir und in Sicherheit. Wir haben ihn gerade geborgen. Phylax hat ihn bewacht. Von Damar und den Gharsen, die ihn verschleppt haben, haben wir Funkimpulse und andere Emissionen aufnehmen können. Der Richtungsvektor ist eindeutig. Wie es aussieht, bringen sie ihn zum Raumhafen.«

»In den Ornamentraumer?«

»Das ist unsere Vermutung. Ich habe die BJO angefunkt. Sie schickt Sonden raus. Wenn Damar in den Ornamentraumer gebracht wird, werden wir es wissen.«

»Wo seid ihr gerade?«

»Hundertdreißig Kilometer südlich von dir.«

»Du kannst mich orten? Ich dachte, ich hätte sämtliche Systeme heruntergefahren.«

»Was denkst du denn? Ich bin Perry Rhodan.« Shema meinte sein Lächeln zu hören. »Entschuldige. Falscher Zeitpunkt für Scherze. Nein, ich kann dich nicht orten, aber du bist wohl kaum weiter als hundertzwanzig Meter entfernt von dem Punkt, an dem sie euch angegriffen haben.«

In Shemas Gesicht kribbelte es. Wie dumm von ihr! »Richtig. Wo treffen wir uns?«

»Auf halber Strecke. Ich schicke dir die Koordinaten, sobald du die Systeme wieder hochgefahren hast. Ich glaube nicht, dass eure Entdeckung über Anmessungen eurer SERUNS stattfand. Die Gharsen können Paragaben aufspüren. Sollte ein weiterer Angriff kommen, zieh dich in den Hyperraum zurück!«

»Verstanden.« Shemas Hals war trocken.

Sie dachte an Damar, der nun in der Hand des Herrlichen Diktators Khosen und seiner Untergebenen war. Sie musste ihn so schnell wie möglich befreien, ehe der Ornamentraumer abhob und die Gefangenen mitnahm.

»Warum?«, flüsterte sie und schaltete die Systeme wieder ein. »Was wollt ihr mit Damar und den anderen?«

Sie musste es herausfinden. Und sie musste Damar folgen, selbst wenn das heißen sollte, allein unter zwei- oder dreitausend Feinde zu gehen. Ihre Gabe konnte eine wertvolle Hilfe sein. Das Problem war: Diese Gabe war zugleich der Fluch, der sie den Gharsen ausliefern konnte.

Wie ließ sich dieses Dilemma lösen?

Perry Rhodan 3105:  Galerie der Gharsen

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