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ОглавлениеII Einleitung
Anfang des Jahrtausends waren wir, die Fischer Academy, eine Fahrschule wie Dutzende andere bei uns in und um Gera. Und wie alle steuerten wir – der demografische Wandel und die Abwanderung aus Ostdeutschland ließen grüßen – auf eine existenzbedrohende Krise zu. Doch es ist uns gelungen, das Steuer herumzureißen. Nach und nach haben wir die Fischer Academy von einer 08/15-Fahrschule zu einem in Deutschland einzigartigen Fahrschulzentrum gemacht – dem „FischerDorf“. Das heißt, die Fischer Academy hat aus ihrer einfachen Fahrschule einen dorfähnlichen, gemeinschaftlichen Ort geschaffen, mit Herberge, Pizzeria, Lern- und Begegnungsstätte, mit Videotrainings, Fahrsimulatoren, einem zukunftsorientieren Kompetenzzentrum für Autonomes Fahren und vielem mehr. Wir stehen glänzend da, weil wir den Motor angeworfen haben und bereit waren, uns weiterzuentwickeln. Und auf dieser Innovationsreise sind wir bis heute nicht wieder runter vom Gas gegangen.
Das bestätigen uns auch andere. Die Fischer Academy GmbH ist in den vergangenen Jahren zweimal als eines der innovativsten mittelständischen Unternehmen Deutschlands mit dem TOP 100-Qualitätssiegel ausgezeichnet worden. In der Fortschrittsbilanz 2018 heißt es: „Der Innovationsquotient der Fischer Academy GmbH ist außerordentlich hoch und weist auf einen weit überdurchschnittlich hohen Professionalisierungsgrad des Innovationsmanagements hin. Die Fischer Academy GmbH verfügt über Strukturen, die weit innovationsorientierter sind als es von einem normalen Unternehmen vergleichbarer Größe und Branche erwartbar wäre.“
Nun könnte ich mich hinstellen und behaupten, dass all das mein Werk ist. Der Punkt ist aber: Der Erfolg von dem, was wir heute sind und wie wir es sind, kommt nicht daher, dass ich als Chef auf alle Fragen die richtigen Antworten und unendlich viele tolle Ideen hatte. Man könnte sogar fast umgekehrt sagen: Im Grunde habe ich nur eine wegweisende Entscheidung getroffen, die dann alles andere nach sich gezogen hat. Diese Entscheidung lautete: Ich vertraue meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und beziehe sie ohne Ausnahme aktiv in die Weiterentwicklung des Unternehmens ein.
Möglich wurde das, weil ich mein Selbstverständnis als Unternehmer vollständig umgekrempelt habe. In den beiden Büchern „Erfolg hat, wer Regeln bricht“ (2014) und „Erfolg hat, wer mit Liebe führt“ (2019) schildere ich ausführlich, wie es dazu gekommen ist und was wir alles verändert haben. Als leidenschaftlicher Unternehmer setze ich konsequent auf eine moderne Wir-Kultur. Ich bin bereit, Hierarchien zu reduzieren. Anders als früher, lasse ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viele Entscheidungen selbst treffen, während ich mich vor allem darum kümmere, dass jeder seine Potenziale entfalten kann. So fordere und fördere ich sie, von ausführenden Arbeiterinnen und Arbeitern zu kreativen Mitgestaltern zu werden. Was ich dafür bekomme sind Loyalität, Einsatz und einen unendlich wertvollen Schatz an Anregungen und Verbesserungsvorschlägen.
Ohne Zweifel ist es uns gelungen, eine von allen getragene Ideenkultur zu entwickeln, die einen kontinuierlichen Strom an Ideen anregt. Manche sind klein und schnell umsetzbar, andere brauchen mehr Zeit. Manche haben nur ein Einrichtungsdetail in unserem Internat verändert, andere haben Arbeitsprozesse vereinfacht, Kosten gesenkt oder für positive Stimmung im Team gesorgt. Und dann sind da die Ideen, die anfangs ganz unscheinbar dahergekommen sind, letztlich aber wie Türöffner für grundlegende Veränderungen gewirkt haben. Wenn heute zum Beispiel YouTube-Stars mit Millionen Followern anfragen, ob Sie bei uns den Führerschein machen dürfen, dann ist das nichts, was sich einer von uns einmal so ausgedacht und geplant hat. Vielmehr ist es Folge einer Kaskade von Einfällen und Ereignissen. Nach und nach ist hat eine Idee die nächste ausgelöst – mit dem Ergebnis, dass diese YouTube-Stars heute im Netz von sich aus ganz nahe an der Zielgruppe auf die Fischer Academy in Gera aufmerksam machen. Uns kostet dieses perfekte Marketing keinen Cent.
Im Jahr 2019 lag die Ideenproduktion bei uns mit zehn Ideen pro Mitarbeitenden meilenweit über dem Durchschnitt deutscher Dienstleistungsunternehmen. Auch die Umsetzungsquote von 84 Prozent ist sensationell. Und Sie können mir glauben: Von den meisten Ideen erfahre ich erst dann, wenn sie bereits umgesetzt sind. Ideen sind bei uns keine Vorschläge, sondern konkrete Vorhaben. Vor allem bin ich als Chef nicht das Nadelöhr, durch das jede Veränderung hindurch muss. Und damit zurück zu den Fragen, die ich oben gestellt habe – ob Sie vertrauen und loslassen können. Denn sich auf eine Innovationsreise zu begeben, wie wir es gemacht haben, verlangt der Führungsspitze genau das ab: Kontrolle auf- und abzugeben. Gerade zu Anfang ist das gar nicht immer leicht. Aber meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass es funktioniert und sich auszahlt. Und die Alternative besteht darin, weiterhin auf alles immer selbst Antworten finden zu müssen. Überlegen Sie sich also gut, welchen Weg Sie einschlagen wollen.
Die Bereitschaft, sowohl Neuland zu betreten als auch ein vertrauensvolles Miteinander wagen zu wollen, sind notwendige Voraussetzungen für eine aktive und lebendige Ideenkultur. Jedoch lässt sich ein beständiger Strom an mutigen Vorschlägen nicht allein damit entfachen. Es hängt eben leider nicht nur vom guten Willen ab. Ein entscheidendes Element fehlt: Für ein dauerhaft sprudelndes Ideenmanagement braucht es eine unterstützende Struktur, die das ganze Vorhaben wie eine Brücke trägt. Diese Struktur muss vieles gleichzeitig leisten: Sie muss inspirieren und strukturieren, motivieren und sanften Druck ausüben, Transparenz schaffen und Überblick vermitteln, erinnern und dokumentieren. Und dabei muss sie vor allem eines sein: einfach. Das klingt banal, ist es aber nicht. Denn Bürokratie ist der Tod jeder Kreativität. Wenn Sie keinen Weg finden, das Ideenmanagement so unbürokratisch wie möglich zu gestalten, wird es scheitern. Wo aber findet man ein solch einfaches, zu uns passendes System? Wir haben auf dem Markt nichts entdeckt, was uns überzeugt hat. Deshalb haben wir – auch das war anfangs nur eine Idee – selbst eine IT-Anwendung entwickelt, mit der wir bestens fahren. Wir haben ihr den vielsagenden Namen „Umdenkfabrik“ gegeben.
Die Umdenkfabrik ist eine überschaubare und gerade deshalb ungemein wirksame IT-Lösung, die speziell für den Bedarf in kleinen und mittleren Unternehmen gemacht ist. Ziel der interaktiven Plattform ist es, der Innovationsentwicklung dauerhaft Schubkraft zu verleihen. Deswegen ist ihr Herzstück auch der Ideentisch, ein Tool, das eine lebendige Ideenkultur im Unternehmen völlig unbürokratisch organisiert, fördert und inspiriert. Mehr dazu werden Sie in diesem Buch erfahren, aber seien Sie gewiss: Die Umdenkfabrik ist in der Lage, wie eine Pumpe den in der Tiefe Ihres Unternehmens schlummernden Ideenreichtum hervorzuholen. Gleichzeitig sorgt sie dafür, dass alle in ihrem Arbeitsbereich mit offenen Augen und wachem Blick nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten suchen. Man kann es so sagen: Indem die Umdenkfabrik dazu motiviert, Gewohnheiten zu hinterfragen, wirkt sie wie Augentropfen gegen Betriebsblindheit.
Gute Ideen machen ein Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht besser. Doch das ist noch nicht alles. Mir geht es mit meinem Plädoyer für Kreativität keineswegs nur um Kostensenkung, Effizienzsteigerung, Prozessoptimierung, bessere Produkte und neue Marktsegmente. Letztendlich möchte ich zu einer sinnhafteren und glücklicheren Arbeitswelt beitragen. Der Punkt ist ganz einfach: Fühlen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich wertgeschätzt und dürfen sie das Unternehmen kreativ mitgestalten – ein Grundprinzip unserer Ideenkultur –, macht sie das nicht nur produktiver, sondern auch zufriedener und glücklicher. Kaum einer kommt doch abends nach Hause und erzählt stolz, dass heute alles wie immer gewesen ist. Wenn man allerdings erzählen kann, dass man heute eine eigene Idee umgesetzt hat, sieht das schon anders aus. Es klopft sich auch niemand selbst dafür auf die Schulter, eine Aufgabe zum 300. Mal auf exakt die gleiche Weise erledigt zu haben. Aber wenn man beim 301. Mal etwas verändert hat und merkt, dass es so noch besser funktioniert, dann ist das eine erfüllende Erfahrung. Und wenn die Chefin oder der Chef sowie die Kolleginnen und Kollegen diese Innovation auch noch wahrnehmen und als positiven Beitrag anerkennen, dann sind wir auf einem wirklich guten Weg zu einer auch menschlich besseren Arbeitswelt. Genau in diesem Spirit ist dieses Buch entstanden. Getragen wird es von der Hoffnung, andere Unternehmen ermutigen zu können, Neues zu wagen und umzudenken. Die Umdenkfabrik kann Ihnen dabei helfen. Entscheidend aber ist die Einstellung. Denn Innovation beginnt im Kopf. Und jeder Technik geht eine gute Idee voraus.
Sind Sie angeschnallt und bereit? Dann kann die Reise beginnen.