Читать книгу Man trifft sich stets zweimal (Teil 1) - Mila Roth - Страница 6
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Außenbezirk von Rheinbach
Gut Tomberg
Montag, 30. April, 8:25 Uhr
»Jaaannaaa!« Ungeduldig hüpfte die neunjährige Susanna in der Tür zu Jannas Schlafzimmer auf und ab, sodass ihr Pferdeschwanz wild hin und her schwang. »Beeil dich doch mal bitte. Ich habe Hunger und Tante Linda hat sooo leckere Waffeln gemacht.«
Unbeeindruckt setzte Janna sich auf die Bettkante und schlüpfte in ihre bequemen grauen Sneakers. »Woher willst du denn wissen, dass sie lecker sind? Vielleicht sind sie Tante Linda ja heute missglückt.«
»Neeeiiin!« Nun tauchte auch Susannas Zwillingsbruder Till in der Tür auf. »Tante Lindas Waffeln sind immer lecker! Immer, immer, immer. Komm jetzt endlich, sonst kriegen wir keine mehr ab.«
Schmunzelnd erhob Janna sich und strich das hellgraue Shirt mit dem hübschen, mit Stickereien verzierten V-Ausschnitt glatt, das sie zu der engen Bluejeans trug. »Also die Gefahr besteht wohl kaum, wenn man bedenkt, dass Tante Linda die Waffeln extra für euch gebacken hat.«
»Aber vielleicht isst Onkel Bernhard sie uns alle weg. Oder Bella, die frisst auch gerne Waffeln. Dabei hat Tante Linda sie extra für uns gemacht, weil heute Brücken-Ferientag ist.« Susanna fasste Janna energisch an der Hand und zog sie einfach mit sich aus dem Zimmer und die Treppe hinab. Till folgte ihnen.
Janna ließ es lachend zu, schnappte sich auf dem Weg nach draußen jedoch rasch noch die hellgelbe Strickjacke, die sie neulich mit ihrer jüngeren Schwester Feli gekauft hatte, und ihr Handy. Zum Frühstück an Sonn- und Feiertagen und auch an diesem zusätzlichen Ferientag der Kinder traf sich die Familie immer abwechselnd bei ihnen oder bei Jannas Eltern, die gleich nebenan in dem ehemaligen Gesindehaus wohnten, das zu dem alten Gutshof gehörte. Das Anwesen war schon seit vielen Generationen im Besitz der Familie, und bis vor wenigen Monaten hatten sich Janna und ihre beiden Pflegekinder das kleine Häuschen geteilt. Da hatten ihre Eltern beschlossen, dass es an der Zeit war, die Wohnungen zu tauschen. Sie hatten das alte Gutshaus von Grund auf renoviert, neue Bäder und eine neue Küche einbauen lassen und auch die übrigen Zimmer verschönert, sodass Janna sich mit den Zwillingen nun geradezu wie im Paradies fühlte.
Die Luft war kühl und ein wenig diesig, dennoch atmete Janna tief ein und lächelte, als ihr die frühlingshaften Aromen auffielen, die so unverwechselbar mit ihrem Zuhause verbunden waren. Till und Susanna waren vorausgerannt und bereits durch die Hintertür im Haus verschwunden. Janna winkte ihrer Mutter lächelnd durch das Fenster zu, bevor sie ebenfalls eintrat und sofort von köstlichen Gerüchen empfangen wurde. Frische Waffeln stapelten sich zu einem regelrechten Turm auf einem Teller mitten auf dem Esstisch in der gemütlichen Wohnküche mit den hellen Möbeln und geblümten Vorhängen. Die Kaffeemaschine brodelte vor sich hin, im Hintergrund dudelte leise das Radio, und ihre Mutter war gerade dabei, in zwei Pfannen Rührei und knusprige Speckstreifen zu wenden.
»Ich bin im Himmel.« Janna schnüffelte genießerisch und gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange. »Du verwöhnst uns, Mama.«
Linda Berg lachte. »Guten Morgen, Janna. Irgendwie muss ich doch die wunderbaren Pfannkuchen toppen, die du gestern gemacht hast.«
»Das waren keine Pfannkuchen, sondern Pancakes«, mischte Susanna sich mit strenger Miene ein.
»Ist doch dasselbe.« Till stieß sie an, während beide sich den besten Platz auf der Eckbank zu sichern versuchten.
»Ist es gar nicht.«
»Doch, wohl, weil nämlich Pancake Englisch für Pfannkuchen ist.«
»Aber wenn Janna Pfannkuchen macht, sind die immer ganz anders als die Pancakes von gestern.«
»Schluss jetzt, ihr beiden.« Janna drehte sich zu den Geschwistern um und blickte sie milde strafend an. »Könnt ihr nicht mal fünf Minuten in einem Raum verbringen, ohne zu zanken?«
»Erinnert dich das nicht an jemanden?« Linda ließ das Rührei aus der Pfanne in eine ovale Porzellanschüssel gleiten. »Du und Frank, ihr wart genauso in dem Alter. Auch wenn Frank drei Jahre älter ist als du, konntet ihr euch doch ständig über die nichtigsten Kleinigkeiten in die Wolle bekommen.«
»Wir zanken doch gar nicht.« Till grinste. »Das nennt man Diskussion.«
»Ach so.« Janna schmunzelte. »Dann beendet mal eure Diskussion und helft Tante Linda beim Tischdecken, anstatt da so frech herumzulümmeln.«
»Aber du musst uns erst sagen, ob ich recht habe oder Till.« Susanna stand wieder auf. »Pancakes oder Pfannkuchen?«
Janna zupfte am Pferdeschwanz des Mädchens. »Till hat insofern recht, als Pancake das englische Wort für Pfannkuchen ist. Aber das weißt du doch auch.«
»Ja, aber trotzdem ...«
»Aber du hast ebenfalls recht, und zwar, weil das Rezept für die Pancakes, die ich gestern gemacht habe, ganz anders ist als das normale Pfannkuchenrezept, das ich sonst benutze. Es stammt von einer amerikanischen Koch- und Backseite, die ich vor einiger Zeit entdeckt habe.«
»Ätsch!« Die Zwillinge hatten gleichzeitig gesprochen und kicherten. Dann erhob sich auch Till, ging zur Kaffeemaschine und holte die Kanne, während seine Schwester die Schüssel mit dem Rührei vorsichtig zum Tisch trug.
»Heiß, heiß, heiß«, murmelte sie dabei und stellte die Schüssel rasch ab.
»Was ist heiß? Oha, hier riecht es ja wie im Schlaraffenland!« Bernhard Berg hatte die Küche zusammen mit der braun-schwarzen Hündin Bella betreten, die sogleich zu den Kindern rannte und sie freudig begrüßte. Er war ein mittelgroßer, schlanker Mann von sechzig Jahren mit kurzem, lockigem Haar, das früher einmal blond gewesen, nun aber vollständig ergraut war. Seine graublauen Augen funkelten vergnügt, als er auf die beiden Frauen zutrat und jeder einen Arm um die Schultern legte. Erst erhielt seine Frau, danach seine Tochter einen Kuss auf die Wange. »Kann ein Mann eigentlich mehr Glück haben als ich? An einem arbeitsfreien Montag zwei wunderschöne Rotschöpfe in der Küche zu haben, die noch dazu ein unglaublich leckeres Frühstück für mich zaubern ...«
Janna kicherte und stieß ihn spielerisch an. »Das ist ja nicht nur für dich, Papa. Und red bloß nicht so machohaft daher, sonst haut Mama dich mit dem Kochlöffel.«
»Und wie ich das tun werde.« Lachend drohte Linda ihm mit dem Pfannenwender.
»Ihr gönnt einem Mann aber auch gar nichts.« Grinsend öffnete Bernhard den Geschirrschrank über der Anrichte und nahm Teller und Tassen heraus. »Till, hol mal das Besteck aus der Schublade, sonst behaupten die Frauen wieder, wir würden uns nur bedienen lassen.«
»Hab schon.« Till trug zwei Hände voll Messer und Gabeln zum Tisch. »Tante Linda ist total streng in so was. Deshalb muss ich dauernd die Spülmaschine einräumen und Töpfe waschen und so.«
»Spülen, nicht waschen.« Susanna nahm von Linda die Schale mit den gebratenen Speckstreifen entgegen und stellte sie ebenfalls auf den Tisch. »Und warum auch nicht? Ich hab genauso keine Lust auf Küchenarbeit wie du. Bloß, weil ich ein Mädchen bin, muss ich die nicht alle alleine machen. Das ist nämlich total altmodisch und«, sie überlegte kurz, »oldschool sagt unsere Lehrerin Frau Andrees dazu.«
»Schon gut. Dafür musst du aber dann auch helfen, die Garage und den Schuppen aufzuräumen.« Till streckte seiner Schwester die Zunge heraus, fing sich dafür aber einen sanften Klaps von Janna ein und grinste wieder. »Ist doch so, oder?«
»Ja, stimmt.« Janna nickte.
»Da haben wir sie, die Kinder des einundzwanzigsten Jahrhunderts.« Bernhard lachte. »So muss das sein.«
»Jetzt setzt euch mal alle.« Linda deutete auf den Tisch und zog rasch die gestreifte Schürze aus, die sie über ihrer weißen Bluse und der lindgrünen Stoffhose trug. Sie hängte sie sorgsam an einen Haken hinter der Tür. »Und lasst uns über etwas Spannenderes als moderne Rollenverteilung sprechen.«
»Über was sollen wir denn reden?« Susanna goss sich Orangensaft in ihr Glas und reichte den Beutel an Janna weiter, die zwar den Duft von frisch gebrühtem Kaffee mochte, jedoch nur selten von dem Gebräu trank, weil es ihr nicht besonders schmeckte.
»Zum Beispiel über unseren Ausflug zum Nürburgring heute Nachmittag«, schlug Bernhard vor und hatte damit sofort die volle Aufmerksamkeit beider Kinder.
»Willst du wirklich nicht mitfahren?«, fragte Linda, während Bernhard und die Zwillinge bereits in ein Gespräch über Rennautos und das Ringtaxi verwickelt waren. »Ein bisschen Abwechslung würde dir bestimmt guttun.«
Janna, die gerade von einem aufregenden und nicht wenig gefährlichen Einsatz für das Institut zurückgekehrt war, lächelte leicht. »Ich muss hier ein bisschen nach dem Rechten sehen, Mama. Aufräumen und so. Die Arbeit bleibt ja doch immer liegen, wenn ich unterwegs bin.«
»Aber zumindest kommst du mal aus dem Haus, wenn du für das Meinungsforschungsinstitut arbeitest.«
Janna nickte vage. Dass es sich beim Institut für Europäische Meinungsforschung um die Tarnung eines Geheimdienstes handelte und worin ihre Tätigkeit bestand, durfte sie ihrer Familie nicht verraten. Ihre Eltern wären wohl auch entsetzt und außer sich vor Sorge gewesen, wenn sie davon wüssten. »Es ist ja nicht so, dass ich nicht mitfahren möchte, Mama, aber ich habe wirklich noch einiges zu tun und muss mich auch noch um meine Kunden kümmern. Wenn ich bis Juli meinen Büroservice schließen will, damit ich die Festanstellung im Institut antreten kann, ist noch vieles zu organisieren.«
»Aber das musst du doch nicht alles schon dieses Wochenende erledigen. Gönn dir auch ein bisschen Zeit für dich.«
»Das mach ich schon, keine Sorge.« Janna nahm sich eine Waffel und reichte ihrem Vater die Schüssel mit dem Rührei. Für eine kurze Weile konzentrierten sich alle mehr auf das Frühstück als auf das Tischgespräch, bis Bernhard auf die Uhr blickte und dann hinter sich griff, um die Lautstärke an dem kleinen Küchenradio aufzudrehen, das im Regal stand.
»Bernhard!« Tadelnd sah Linda ihn an.
Er hob die Schultern. »Nur kurz die Neun-Uhr-Nachrichten und den Wetterbericht.«
»Du kennst ihn doch, Mama. Papa muss immer ganz genau wissen, was in der Welt vor sich geht.« Janna lächelte ihrem Vater zu und verdrehte die Augen, als der Nachrichtensprecher von einem neuen Patentstreit zwischen Samsung und Apple sprach, den beide Firmen offenbar schnell beizulegen versuchten. »Scheint nicht viel los zu sein auf dem Planeten Erde, wenn das die wichtigste Meldung des Morgens ist.« Schmunzelnd biss sie in ihre Waffel und seufzte genießerisch. »Hm, lecker!«
»Wie bereits gestern Abend bekannt wurde, ist am Sonntagnachmittag gegen vierzehn Uhr eine Gefangene aus der Justizvollzugsanstalt Aachen geflohen. Über die genauen Umstände ihrer Flucht wollten die Behörden bisher aus ermittlungstaktischen Gründen keine Angaben machen. Nach Informationen des WDR liegt jedoch der Verdacht nahe, dass die Flüchtige Hilfe von außen erhalten haben muss. Die Polizei warnt die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen und im angrenzenden Rheinland-Pfalz sowie im Saarland, keine weiblichen Personen in ihren Fahrzeugen mitzunehmen. Die flüchtige Straftäterin heißt Susanne Krause, ist etwa eins siebzig groß, schlank und hat dunkelbraunes, glattes, schulterlanges Haar ...«
Janna verschluckte sich und hustete. Ein ungutes Gefühl in ihrer Magengrube paarte sich mit heftigem Herzklopfen. Ihr wurde kalt, sodass sie sich unbewusst über die Arme rieb.
»Über ihre Bekleidung zum Zeitpunkt der Flucht ist nichts Genaues bekannt. Auf der Internetseite des WDR finden Sie ein Foto der Straftäterin. Susanne Krause ist vermutlich bewaffnet und gilt als sehr gefährlich. Sollten Sie eine Person sehen, auf die ihre Beschreibung passt, lassen Sie äußerste Vorsicht walten und informieren Sie umgehend die nächste Polizeidienststelle. Inhaftiert wurde die vor Gewalttätigkeiten nicht zurückschreckende Krause im vergangenen November für diverse Morde und Mordversuche, nachdem die Sicherheitsbehörden in Zusammenarbeit mit der Landespolizei ...«
»Janna, stimmt etwas nicht? Du bist so blass geworden.« Besorgt legte Linda ihrer Tochter eine Hand auf den Arm. »Geht es dir nicht gut?«
»Ja, Janna, du siehst aus wie ein Käse.« Neugierig musterte auch Till sie. »Wie ein Käse, der ein Gespenst gesehen hat.«
»Halt die Klappe.« Susanna stieß ihrem Bruder unsanft den Ellenbogen in die Seite. »Ist dir schlecht geworden, Janna? Du hast aber doch nur eine Waffel gegessen. Ich schon drei und mir ist nicht schlecht.«
Gewaltsam riss Janna sich zusammen und bemühte sich um eine normale Miene. »Nein, schon gut. Mir ist nur gerade etwas eingefallen. Eine ... Ich habe etwas Wichtiges vergessen. Eine Abrechnung, die eine meiner Kundinnen ganz dringend braucht ...« Sie erhob sich hastig. »Für die ... äh, für die Steuer. Ich laufe rasch rüber und schicke sie ihr per E-Mail. Bin gleich wieder da.«
»Ach herrje, hat das nicht Zeit bis nach dem Frühstück?«, rief Linda ihr hinterher, doch Janna achtete nicht darauf. Kaum war sie aus dem Haus, als sie auch schon ihr Handy aus der Hosentasche zog und mit fliegenden Fingern eine Nummer wählte. Es dauerte nur Sekunden, bis sich Markus Neumann am anderen Ende meldete. »Hallo Janna.«
Im Laufschritt überquerte sie das unebene Kopfsteinpflaster im Hof und betrat ihre eigene geräumige Küche durch die Seitentür. »Hallo Markus. Hast du schon gehört? Susanne Krause ...«
»… ist aus dem Gefängnis ausgebrochen. Ja, ich weiß. Ich hatte mich schon gefragt, wann du anrufen würdest.«
Janna schnappte empört nach Luft. »Du wusstest es schon länger und hast mir kein Wort davon gesagt? Warum hast du mir nicht gleich Bescheid gegeben?«
»Ich weiß es seit gestern Abend. Hab es selbst aus den Nachrichten erfahren. Seitdem hänge ich in Dauersitzungen fest. Ich hätte mich schon noch bei dir gemeldet. Walter will, dass du herkommst. Hast du heute Mittag um zwölf Zeit?«
Janna fuhr sich durch ihre schulterlangen kupferroten Locken und sah sich nervös in der Küche um. Ihr Herz pochte noch immer unnatürlich schnell, und fast erwartete sie, Susanne Krause plötzlich vor sich stehen zu sehen. »Klar komme ich ins Institut. Ich ... Mir fällt schon etwas ein. Meine Eltern fahren heute mit den Kindern zum Nürburgring und ich wollte eigentlich ...« Sie schluckte. »Was machen wir denn jetzt? Ich meine, sie wollte mich umbringen, Markus! Und jetzt läuft sie irgendwo da draußen herum ...« Wieder sah sie sich fahrig in ihrer Küche um und ging dann durch den breiten Durchgang mit der offenen Schiebetür hinüber ins Wohn- und Esszimmer. »Bin ich jetzt in Gefahr? Oder meine Familie?«
»Das ist nicht auszuschließen. Aber mach dir keine Sorgen, Dirk und Alfred überwachen euer Grundstück schon seit gestern Abend und werden sich mit einem zweiten Team rund um die Uhr abwechseln, bis wir Susanne Krause wieder einkassiert haben.«
Janna stieß erleichtert und besorgt zugleich die Luft aus. »Dirk Kellermann und Alfred Hasselbaum?« Sie kannte die beiden Agenten von früheren Fällen, in die sie mit Markus verwickelt worden war. Wider besseres Wissen trat sie an eines der großen Wohnzimmerfenster und suchte die Umgebung mit den Augen ab. Selbstverständlich war von einem Überwachungsfahrzeug keine Spur zu erkennen. »Danke.«
»Du sagst, deine Eltern wollen heute mit den Zwillingen wegfahren?«
»Ja, zum Nürburgring. Ringtaxi fahren und alles besichtigen. Sie haben das schon länger geplant.«
Janna hörte, wie Markus leise etwas zum jemandem sagte, dann antwortete er: »Wir kümmern uns darum, dass sie auch dort überwacht werden. Tut mir leid, aber ich muss wieder in die Sitzung. Zwölf Uhr im Institut? Und check deine Passwörter. Der Zugangscode wurde heute früh wieder geändert.«
»Okay ...« Janna blickte irritiert auf ihr Smartphone, denn Markus hatte schon wieder aufgelegt. Etwas zittrig atmete sie tief durch. »Okay.« Sie steckte das Handy zurück in die Hosentasche.
Dass die beiden Agenten für ihre Sicherheit sorgten, beruhigte sie ein wenig. Dennoch stiegen unangenehme Erinnerungen in ihr hoch. Susanne Krause war nicht bloß eine gewaltbereite Mörderin, sie war eine waschechte Psychopathin. Sie hatte Janna im vergangenen November gezwungen, sich auf ein Ergorad zu setzen, das mit einer Bombe verbunden gewesen war. Janna hatte nicht mit dem Treten aufhören dürfen, andernfalls hätte sie die Bombe ausgelöst. Nur mit sehr viel Glück und Mut hatte sie es geschafft, Markus zu informieren, der sie mit der Hilfe eines Bombenräumkommandos aus der tödlichen Falle befreit hatte. Bestimmt hatte Susanne Krause erfahren, dass ihr Mordversuch misslungen war. Was, wenn sie es jetzt erneut versuchte?
Und alles nur, weil sie – Janna und Markus – ihr bei ihren Plänen in die Quere gekommen waren. Janna mochte sich gar nicht vorstellen, was diese Frau anstellte, wenn sie herausfand, dass Markus jetzt wieder hinter ihr her war. Und offenbar wollte das Institut nun auch erneut die Hilfe ihrer zivilen Hilfskraft.
Janna hatte damals beinahe diesen Nebenjob hingeschmissen, weil ihr bewusst geworden war, wie gefährlich – lebensgefährlich! – die Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst sein konnte. Aber dann hatte sie doch weitergemacht und nun sogar eine Festanstellung angeboten bekommen, als Markus’ offizielle Partnerin. Zivile Mitarbeiterin würde sie natürlich weiterhin bleiben, denn ihr fehlte die Ausbildung zur richtigen Agentin, und sie war sich auch nicht sicher, ob sie für solch einen Posten überhaupt geeignet gewesen wäre. Doch Walter Bernstein, der Leiter von Markus’ Abteilung, hielt sie für fähig genug, gemeinsam mit Markus eine neue Unterabteilung aufzubauen, die in Kürze geschaffen werden würde. Besonders komplizierte und verzwickte Fälle oder solche, die in die übrigen Abteilungen nicht recht hineinpassten, sollten sie bearbeiten, zunächst wohl nur zu zweit, später dann mit einem richtigen Team.
Janna empfand die Aussicht auf die neue Stellung als aufregend und beunruhigend zugleich. Noch vor einem Jahr wäre sie im Traum nicht auf den Gedanken gekommen, einmal für einen Geheimdienst in der Bekämpfung von Terrorismus und organisiertem Verbrechen zu arbeiten. Doch dann war ihr eines Tages mitten auf dem Flughafen Köln-Bonn dieser verboten attraktive Geheimagent über den Weg gelaufen und hatte sie gedrängt, einen Umschlag an sich zu nehmen und einem seiner Kollegen auszuhändigen. Von diesem Tag an hatte sich ihr Leben grundlegend verändert. Gemeinsam hatten sie so einige gefährliche Verbrecher dingfest machen können. Susanne Krause gehörte eindeutig zu der Sorte, die sie niemals vergessen würde, und nun lief diese Frau wieder frei irgendwo da draußen herum.
Janna schauderte bei dem bloßen Gedanken, war sich jedoch im Klaren, dass sie sich gegenüber ihrer Familie nichts anmerken lassen durfte. Also atmete sie noch einmal tief durch, straffte die Schultern und setzte sogar ein glaubhaftes Lächeln auf, als sie ins Haus ihrer Eltern zurückkehrte.