Читать книгу Codename E.L.I.A.S. - Spur aus dem Nichts - Mila Roth - Страница 8

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2. Kapitel

Michael stand auf und ging zur Tür, während Luke und Brianna sich ein Stück hinter ihm postierten, beide mit gezückter Waffe. Es klopfte erneut. Vorsichtig drückte Michael die Klinke herunter, öffnete langsam die Tür. Als er sah, wer davorstand, schob er die Pistole rasch und unauffällig wieder unter sein Jackett. »Tylor!«, begrüßte er den Inhaber der Autowerkstatt auf der gegenüberliegenden Straßenseite, der sein Vermieter war.

»Hallo Michael.« Tylor McKenzies kurzes blondes Haar war unter einer Baseballkappe der L.A. Dodgers verborgen. An seiner Seite stand ein drahtiger dunkelhäutiger Mann im blauen Overall der Werkstatt. »Entschuldigen Sie, wenn wir Sie so einfach stören, aber es ist wichtig. Das hier«, er klopfte seinem Begleiter auf die Schulter, »ist Axel Bloomberg, einer meiner Mechaniker. Seine Schwester braucht dringend Hilfe, und weil Sie mir und den Nachbarn im Viertel so gut geholfen haben, dachte ich ...«

»Tylor, es ist gerade ganz schlecht«, setzte Michael an, wurde jedoch von Brianna unterbrochen, die neben ihm aufgetaucht war. »Kommen Sie doch erst mal herein. Hi, Axel, ich bin Brianna, das dort drüben ist Luke. Möchten Sie etwas trinken? Nein? Dann setzen Sie sich und erzählen uns, worum es geht.«

»Bri!« Michael warf ihr einen wütenden Blick zu, den sie jedoch gekonnt ignorierte. »Ich dachte, wir hätten anderes zu tun.«

»Nun warte doch erst mal ab, was Tylor und Axel uns zu erzählen haben.« Sie grinste ihn an und zog zwei weitere Stühle unter der Abdeckplane hervor.

Nachdem sich alle gesetzt hatten, räusperte Axel sich umständlich. »Es geht, wie gesagt, um meine Schwester Tricia. Sie versteckt sich momentan in einem billigen, unauffälligen Motel unter falschem Namen, weil sie Probleme mit ihrem Arbeitgeber hat.«

»Wäre da nicht ein Gang zur Gewerkschaft angebrachter?«, warf Michael sarkastisch ein.

Axel schüttelte heftig den Kopf. »Nein, Sie verstehen nicht, ihr Boss ist ein Gangster.«

»Natürlich.«

»Sie wusste das doch nicht, als sie bei ihm angefangen hat.« Axel schluckte hart. »Also, vor etwa einem halben Jahr hat sie bei so einer Hausservice-Firma angefangen. Sie wissen schon, Reinigungsarbeiten, Garten- und Poolpflege, sogar Partyservice und so. Vorher war sie Sachbearbeiterin in einer Versicherung, aber die hat Pleite gemacht und danach hat Tricia nicht gleich eine neue Stelle gefunden. Da kamen die Geldprobleme, also hat sie den Job angenommen, um über die Runden zu kommen.«

»Da ist sie bestimmt nicht die Einzige, der es momentan so geht.« Brianna schlug lässig die Beine übereinander.

Axel nickte. »Ja, die Zeiten sind schlecht. Am Anfang ging alles ganz gut, aber dann hatte Tricias Waschmaschine einen Defekt, wissen Sie? Sie brauchte eine neue, konnte sich aber keine leisten. Ihr Boss, Milan Hovkowicz, hat ihr einen kleinen Kredit gegeben.«

»Oh, oh.« Brianna kräuselte die Lippen.

»Nein, nein, das war noch nicht schlimm. Sie konnte ihm das Geld nach ein paar Wochen zurückzahlen. Aber dann ging ihr Auto kaputt. Ich habe alles versucht, aber eine Reparatur wäre teurer gewesen als ein neuer Gebrauchter. Geld dafür war natürlich nicht da. Und ich konnte ihr auch nicht viel leihen, weil mein Ältester gerade mit einer Gastritis im Krankenhaus war und die Kleine neue Zahnspangen brauchte. Es war wie verhext! Milan hat ihr dann noch mal Geld geliehen, aber sie kann es ihm nicht zurückzahlen, denn jetzt wurde sie auch noch aus ihrer Wohnung geworfen und musste sich eine neue suchen. Die ist teurer und der Umzug hat auch gekostet, weil sie eine komplett neue Küche und Möbel brauchte. Die alten Sachen gehörten fast alle zur Wohnung, die konnte sie nicht mitnehmen.«

»Und jetzt verlangt dieser Milan sein Geld zurück?« Michael verschränkte die Arme vor der Brust. »Können Sie keine Ratenzahlung vereinbaren?«

»Das haben sie schon, aber Milan ist ... wie gesagt, wir wussten es anfangs nicht.« Axel fuhr sich mit beiden Händen über den Kopf. »Er hat Tricia unter Druck gesetzt. Er hat gesagt, dass sie ihre Schulden schneller abstottern kann, wenn sie für ihn Sachen aus den Häusern stiehlt, in denen sie arbeitet, und sie dann am nächsten Tag wieder zurücklegt, damit niemand was merkt.«

Nun hob Michael doch interessiert den Kopf. »Was für Sachen?«

Axel zuckte die Achseln. »Dokumente. Alles, was wichtig aussieht oder mit Geld zu tun hat. Manchmal hat er ihr ganz genaue Anweisungen gegeben, ein andermal nur gesagt, sie soll mitnehmen, was sie findet.«

»Warum ist sie nicht zur Polizei gegangen?«, fragte Luke.

»Weil sie Angst hatte! Milan hat sie massiv bedroht und gesagt, er tut ihr was an oder unseren Eltern oder meiner Familie. Anfangs hat sie sich geweigert, bei der Sache mitzumachen, aber er hat ihr ein Paar ganz wertvolle Ohrringe von einer Kundin untergeschoben und behauptet, er wird sie als Diebin anzeigen, wenn sie nicht mitmacht. Und danach ist es immer schlimmer geworden. Sie traut sich nun gar nicht mehr, zur Polizei zu gehen, denn das ist nicht nur für uns gefährlich, sondern sie steht auch selbst als Mittäterin da. Sie hat jetzt schon so viele Dokumente gestohlen. Ganz bestimmt kommt sie dafür ins Gefängnis. Wir wissen ja nicht genau, was Milan mit den Informationen macht.«

»Erpressung vermutlich oder er verkauft die Daten weiter, wenn es sich lohnt.« Michael ließ die Arme sinken und richtete sich auf. »Ich vermute, dass zu Milans Kunden hauptsächlich reiche Leute gehören.«

»Banker, Anwälte, Richter«, bestätigte Axel.

Brianna warf Michael einen auffordernden Seitenblick zu.

Er schwieg jedoch zunächst und ließ sich die Sache durch den Kopf gehen. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, schon wieder einen Job anzunehmen. Wichtiger war es, seine Situation aufzuklären.

»Michael!« Briannas Stimme klang ungeduldig.

»Bitte, Mr. Cavenaugh, können Sie meiner Schwester helfen? Es ist bald Weihnachten und sie traut sich nicht einmal zu uns, weil sie fürchtet, dass Milan sie erwischt.«

Michael seufzte innerlich. »Sie sagten, sie versteckt sich. Ich gehe also davon aus, dass sie das Arbeitsverhältnis einseitig für beendet erklärt hat.«

»Beim letzten Mal wurde sie fast erwischt. Das hat ihr den Rest gegeben. Sie kam zu mir, sagte, sie muss untertauchen, und bat mich, ihr irgendwie zu helfen. Ich weiß aber nicht, wie. Als Tylor dann meinte, er wüsste jemanden, der vielleicht eine Lösung weiß ... Wir können Sie zwar nicht bezahlen, aber Tylor hat einen Vorschlag.« Hoffnungsvoll blickte Axel seinen Chef an.

Michael sah von ihm zu Tylor. »Was für ein Vorschlag?«

»Nun ja, Michael, ich habe bemerkt, dass Sie kein Auto besitzen. Wie es der Zufall will, hätte ich eines für Sie, das Ihnen bestimmt gefallen wird. Der Besitzer war ein alter Mann, der den Wagen regelmäßig bei uns zur Inspektion vorbeibrachte. Inzwischen ist er verstorben, und er hat mir den Wagen vererbt. Eine silberne Corvette C5 Coupé mit abnehmbarem Dachmittelteil, Erstzulassung Mai 1997. Topgepflegt und wunderschön. Sie gehört Ihnen, wenn Sie Axel helfen.«

»Eine Corvette, ja?« Brianna stieß Michael unsanft mit der Schuhspitze gegen das Schienbein. »Das klingt ja wunderbar. Michael braucht wirklich einen fahrbaren Untersatz.«

Michael war nicht ganz so begeistert. Ein eigener Wagen bedeutete Besitz. Besitz würde ihm Fesseln anlegen. Wobei ein Auto noch das geringste Problem war, denn es ließ sich relativ leicht wieder abstoßen. Dennoch verursachte ihm der Gedanke leichtes Bauchgrimmen. Andererseits konnte er Typen wie Milan Hovkowicz nicht ausstehen, die unschuldige Menschen in ihre illegalen Geschäfte hineinzogen und auch noch mit dem Tod bedrohten. Diese Tricia hätte vielleicht gleich zur Polizei gehen und Schutz verlangen müssen. Dass sie es aus Angst nicht getan hatte, bedeutete nicht, dass man sie nun mit ihren Schwierigkeiten alleinlassen durfte.

Er nickte Axel zu. »Also gut, wir helfen Ihnen.«

Axel stieß erleichtert die Luft aus und sackte regelrecht in sich zusammen. »Danke, vielen, vielen Dank!«

»Warten Sie mit Ihrem Dank, bis wir Erfolg hatten«, bremste Michael ihn. »Erst mal müssen wir mehr über diesen Milan und seine Geschäfte erfahren. Außerdem wäre es gut, wenn wir mit Tricia reden könnten.«

»Klar, das lässt sich einrichten.«

»Arrangieren Sie ein Treffen in ihrem Motel, aber halten Sie selbst sich von dort fern. Wenn Milan Ihre Schwester sucht und klug ist, wird er früher oder später ihre Familie beschatten. So gesehen ist es bereits gefährlich, dass Sie hierhergekommen sind.«

»O Gott, glauben Sie?« Axels Augen weiteten sich vor Schreck.

»Seit wann versteckt Tricia sich?«

»Seit vergangenem Sonntag.«

»Wann hätte sie zur Arbeit erscheinen müssen?«

»Heute. Sie arbeitet oft am Wochenende und hat dafür zwei Tage in der Woche frei.«

»Gut, dann hatte Milan noch nicht viel Zeit zu reagieren.« Michael erhob sich. »Gehen Sie wieder an Ihre Arbeit, Axel, und hinterher ganz normal nach Hause. Lassen Sie Tylor wissen, wann wir uns mit Ihrer Schwester treffen können, und tun Sie ansonsten so, als sei alles ganz normal.«

»Ja, selbstverständlich, das mache ich.« Eifrig nickte Axel. »Danke noch mal!«

»Gehen Sie jetzt und kommen Sie nicht in die Nähe dieses Lofts, wenn wir Sie nicht ausdrücklich dazu auffordern.«

Ж Ж Ж

Michael, Brianna und Luke sahen einander einen langen Moment schweigend an. Brianna sprach als Erste: »Und, hast du schon einen Plan, Michael?«

»Sollte ich?« Spöttisch hob er die Augenbrauen. »Du wolltest doch diesen Job unbedingt annehmen. Ich dachte, du beglückst uns mit einem Geistesblitz.«

»Ich könnte ein paar nicht registrierte Maschinenpistolen besorgen. Mit denen räumen wir dann den Laden dieses Milan Hovkowicz erst mal auf.«

»Sehr witzig, Brianna.« Luke schnaubte abfällig.

»Warum? Meine Devise lautet: Erst schießen, dann die Fragen stellen. Ist sicherer und macht die wenigste Arbeit.« Sie hob die Schultern.

»Wir können nicht einfach hingehen und Milan erschießen.« Michael ging zum Tisch zurück und sammelte die leeren Styroporschalen ein, um sie in den Abfalleimer neben der Tür zu werfen.

»Verdient hätte er es aber.«

»Mag sein, Bri, aber ich bin dafür, das mit dem Fragen doch an den Anfang zu stellen. Zum Beispiel sollten wir herausfinden, für wen Milan arbeitet.«

»Richtig, Mike.« Luke warf Brianna einen triumphierenden Seitenblick zu. »Axel hat gesagt, Milan gab Tricia immer mal wieder ganz konkrete Anweisungen, welche Papiere sie an sich nehmen sollte. Also wusste er um deren Wert und wo sie sich genau befanden.«

»Was vermuten lässt, dass er diese Informationen von jemandem erhalten hat«, übernahm Michael das Wort. »Wir sollten herausfinden, wer sein Auftraggeber ist, und außerdem, ob er noch weitere seiner Angestellten unter Druck setzt und wen er bevorzugt bestehlen lässt.«

»Das wird uns Tricia sagen können.« Brianna ließ sich wieder auf ihrem Stuhl nieder. »Was denkst du, Michael, war das kaputte Auto ein Zufall? Und der plötzliche Wohnungswechsel?«

Michael trat an die Balkontür und blickte hinaus. »Die Waschmaschine vielleicht noch, aber die anderen Vorfälle – das klingt eher so, als habe Milan darauf hingearbeitet, Tricia zu rekrutieren. «

»Aber jemand wie Milan, der Amateure einsetzt, scheint mir nicht unbedingt die Mittel zu haben, Einfluss auf Wohnungseigentümer zu nehmen«, warf Brianna ein. »Ein Auto kann man manipulieren, aber dafür zu sorgen, dass ein Mieter so mir nichts, dir nichts vor die Tür gesetzt wird, ist schon ein anderes Kaliber.«

»Was ebenfalls dafür spricht, dass Milan mächtige Freunde oder Auftraggeber hat«, schloss Luke. »Ich werde mich mal umhören und ein bisschen nachforschen, was es mit Milan und seiner Firma auf sich hat. Sollte er Verbindungen zum organisierten Verbrechen haben, finde ich es heraus.« Er erhob sich und ging zum Ausgang.

»Danke, Luke«, rief Michael ihm nach.

An der Tür drehte Luke sich noch einmal um. »Und dann besorge ich ein bisschen weiße Wandfarbe. Diese Graffitis beleidigen meine Augen.«

»Tu dir keinen Zwang an.«

Nachdem sein Freund gegangen war, drehte Michael sich zu Brianna um, die lässig zurückgelehnt auf ihrem Stuhl saß, die Beine übereinandergeschlagen. Mit der rechten Hand spielte sie an ihren hellbraunen, fast glatten Haaren herum, die ihr nur knapp bis zu den Schultern reichten. Eine Strähne drehte sie wieder und wieder um ihren Zeigefinger.

Er räusperte sich. »Wäre es möglich, dass du dich auch mal ein bisschen umhörst? Jemand wie Milan wird sich vermutlich gerne Hilfe und Gesellschaft aus Gangsterkreisen suchen. Vielleicht weiß ja jemand von deinen, ähm, Geschäftspartnern etwas über ihn.«

»Sicher kann ich das tun.« Sie lächelte fein und klimperte mit den Wimpern.

»Möglicherweise brauchen wir auch ein bisschen Equipment. Abhörgeräte und so ... Kommst du an so was heran?«

»Hm, im Augenblick ist das nicht ganz einfach. Der Markt ist schwierig.«

»Bri!« Er legte den Kopf schräg.

»Was ich auf die Schnelle besorgen kann, sind Einweghandys. Die tun‘s auch, wenn wir sie ein bisschen umfrisieren.« Ihr Lächeln vertiefte sich. »So wie damals in Berlin. Ein komplettes Hotel verwanzt ...«

»…nur mit Mobiltelefonen«, vervollständigte Michael grinsend den Satz.

»Na ja, genau genommen waren auch ein paar TV-Fernbedienungen dabei. Aber es hat funktioniert.« Brianna erhob sich und ging mit schwingenden Hüften auf ihn zu.

»Ja, es hat funktioniert.« Michaels erster Impuls war, vor ihr zurückzuweichen. Sie bewegte sich mit einer katzenhaften Geschmeidigkeit, die seinen Blutdruck unversehens ansteigen ließ. Solche Komplikationen wollte er lieber vermeiden. Dennoch blieb er, wo er war. »Was sagt dein Dad dazu, dass du wieder mit mir ... mit uns zusammenarbeitest?«

Sie blieb dicht vor ihm stehen und musste den Kopf trotz ihrer schwindelerregend hohen Schuhe noch leicht in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht blicken zu können. »Er weiß nichts davon.«

Seine Brauen wölbten sich leicht. »Du hast es ihm nicht gesagt?«

»Es hat sich noch keine Gelegenheit ergeben.« Ihre Miene verdunkelte sich eine Spur. »Er ist mindestens so wütend auf dich wie Matt. Ich halte es für sinnvoll, die Sache diplomatisch anzugehen.«

»Eine deiner stärksten Eigenschaften.«

»Ich kann auch mit der Tür ins Haus fallen und ihm sagen: Hey, Dad, stell dir vor, der Mann, der mir das Herz gebrochen und Matt ans Messer geliefert hat, ist wieder in der Stadt. Rein zufällig helfe ich ihm gerade, seine nicht mehr vorhandene Identität zurückzubekommen, und nebenbei machen wir noch einen Job zusammen. Weißt du, was er dann tut? Er schnappt sich einen Baseballschläger und eine geladene 38er und sorgt dafür, dass von dir nur noch Kleinholz und ein paar Fett- und Blutflecken übrigbleiben.«

»Fett?«

»Na ja, vielleicht nur Blut. Aber davon eine Menge.«

»Er wird es früher oder später herausfinden.«

»Ja, und mir wäre später lieber. Was willst du, Michael? Soll ich dich zum gemütlichen Familienessen am Weihnachtsabend einladen? Mein Grandpa wird auch da sein, dann können sie dich wenigstens zu zweit fertigmachen.« In ihre Augen trat ein gefährliches Funkeln. »Jetzt, wo du mich darauf bringst, könnte ich mir vorstellen, dass das vielleicht ganz spaßig wäre.«

»Hör zu, Bri.« Obwohl er wusste, dass es gefährlich war, umfasste er sanft, aber bestimmt ihre Schultern. »Ich will mich nicht in deine Familie drängen. Du weißt, dass ich mit meiner genug am Hals habe. Dein Dad und dein Grandpa sind dir wichtig. Ich will nur sichergehen, dass du dich nicht mit ihnen überwirfst, nur um mir zu helfen.«

»Lass das meine Sorge sein.« Sie wand sich ein wenig unter seinem Griff, jedoch nicht so energisch, wie sie gekonnt hätte. Er wusste genau – wenn sie gewollt hätte, dass er sie losließ, dann wäre er jetzt schon mindestens zwei Meter weit von ihr entfernt. »Ich warte auf den richtigen Moment, etwas, das du doch normalerweise bis zur Perfektion beherrschst.«

»Nicht immer.« Vorsichtshalber ließ er sie nun doch los.

Sie nickte leicht. »Nein, nicht immer. Wenn es um Beziehungen geht, besitzt du ein absolut beschissenes Timing.«

»Daraus habe ich nie einen Hehl gemacht.«

Er schwieg einen Moment. »Habe ich das – dein Herz gebrochen?« Ihm war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, überhaupt das Wort Herz ins Spiel zu bringen, doch die Worte waren ihm herausgerutscht, noch bevor er sie zurückhalten konnte.

Sie blickte ihm eine Weile in die Augen, dann zuckte sie die Achseln. »Eine Redewendung, du weißt schon, um zu illustrieren, dass dein Verhalten das eines Scheißkerls war.«

Beinahe hätte er aufgeatmet. Ob sie es nun ernst meinte oder ihn nur einfach zu gut kannte – oder beides –, er spürte, wie der schwankende Grund unter seinen Füßen sich allmählich wieder beruhigte. »Bri, du weißt, dass Beziehungen nicht mein Ding sind. Das waren sie noch nie. Ich versiebe das grundsätzlich.«

»Ach so?« Sie trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie viele Beziehungen hattest du denn schon?«

Er runzelte irritiert die Stirn. »Abgesehen von der mit dir ... keine. Zumindest keine, die zählt.«

Sie atmete hörbar aus und lächelte kühl. »Zumindest gibst du zu, dass das mit uns gezählt hat.«

Er fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die Haare. »Bri, ich will dir nicht wehtun.«

»Zu spät, das haben wir schon hinter uns. Aber lassen wir das. Wie kommst du darauf, dass du das mit uns versiebt hast? Es lief doch ganz gut, mal abgesehen davon, dass du mich so sang- und klanglos ohne Vorwarnung verlassen hast. Ja, stimmt, das hast du versiebt.«

Michael seufzte. »Es lief gut? Brianna, wir haben uns die Hälfte der Zeit gestritten und die andere Hälfte damit zugebracht, verschiedener Meinung zu sein.«

»Das ist doch noch lange kein Grund, sich einfach klammheimlich aus dem Staub zu machen.«

»Wir hätten uns nur weiter gegenseitig verletzt.«

»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Das werden wir ja wohl nie herausfinden.« Sie wandte sich zum Gehen. »Wie gut, dass ich mittlerweile darüber hinweg bin und mich anderweitig orientieren kann.«

»Anderweitig?« Ein unangenehm flaues Gefühl machte sich in seiner Magengrube breit, doch er ignorierte es standhaft.

Brianna war auf dem Weg zum Ausgang, wandte sich nun aber auf halber Strecke noch einmal zu ihm um. »Andere Mütter haben auch schöne Söhne, Michael. Einige davon sind sogar fähig, eine Bindung einzugehen, stell dir vor.«

»Und du hast vor, dir so ein Exemplar zu suchen?«

»Hast du etwas dagegen?«

Er spürte das Glatteis bereits unter seinen Füßen. »Ich hoffe, du findest, wonach du suchst, Bri. Ich möchte, dass du glücklich bist.«

Sie antwortete nicht darauf, sondern sah ihm nur einen langen Moment in die Augen. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ das Loft. Das Klappen der Tür ließ ihn innerlich zusammenzucken. Er war sich nicht sicher, ob sie sich wirklich einen anderen Mann suchen oder ihn nur ärgern wollte. Wahrscheinlich beides. Er würde sie nicht aufhalten, dazu bedeutete sie ihm zu viel.

Auch wenn er es sich nur ungern eingestand und vor einer Beziehung, wie Brianna sie wünschte, eine Heidenangst hatte, war Michael sich bewusst, dass er sowohl Brianna als auch Luke im Augenblick dringend brauchte. Sie waren neben seiner Familie die Einzigen, die überhaupt noch zugaben, ihn zu kennen, und ihm helfen wollten. Doch er musste sie auf Abstand halten, um sie nicht mehr als nötig in Gefahr zu bringen. Vor allem aber musste er verhindern, dass er selbst durch die beiden angreifbar wurde.

Vorsichtig zog er die Visitenkarte mit dem Aufdruck E.L.I.A.S. aus seiner Hosentasche und betrachtete sie sinnierend. Früher oder später würde jemand Kontakt zu ihm aufnehmen. Bis dahin galt es, sich in Geduld zu üben und innerlich auf alles vorzubereiten. Ansonsten blieb ihm nicht viel zu tun. Bei der CIA blockierte man seine Anrufe, seine früheren Kontaktleute kannten ihn nicht mehr oder waren von der Bildfläche verschwunden. Es schien, als wolle man ihn eine Weile schmoren lassen. Das war die nächste Sache, die er angehen musste. Auch wenn sich zwischen ihm und Langley mindestens zwanzig Bundesstaaten befanden, würde er jemanden finden, der Antworten auf seine Fragen geben konnte. Das brauchte jedoch ein gewisses Maß an Planung und Geduld.

Da er Untätigkeit nicht gut vertrug, schob er die Karte zurück in seine Tasche und holte den neuen Werkzeugkoffer. Dann machte er sich daran, die Stromleitungen zu untersuchen, die in den Sicherungskasten neben der Tür zur Vorratskammer führten. Während er defekte Sicherungen gegen neue austauschte, legte er sich einen ersten groben Plan zurecht, wie sie Tricia möglicherweise helfen konnten.

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