Читать книгу So meine ich das nicht ! - Miriam Wagner - Страница 4
Vorwort: Vernetzt in den Wörtern
ОглавлениеWenn wir mit jemandem reden teilen wir unsere Gedanken, Meinungen und Gefühle mit - keine Wörter - ohne sie könnten wir das jedoch nicht tun. Wir brauchen sie. Aber jeder hat schon die Erfahrung gemacht, dass Wörter nicht ausreichen um das zu sagen was wir sagen wollen, dass es da eine Grenze gibt. Gefühle und Wörter decken sich nicht, etwas bleibt immer offen bei dem was wir meinen und sagen wollen.
Bei unseren Gefühlen und Gedanken bleibt etwas offen, aber auch für die Person zu der wir sprechen. „Wie meinst du das jetzt?“. Wir verstehen oft nicht was der andere meint und doch erwarten wir genau das, - dass der andere doch wissen müsse, was er meint.
Unsere Gefühle und Meinungen teilen wir auch mit durch unseren Blick, unsere Körpersprache und unsere Stimme. Wir teilen über Kleidung und Lebensgewohnheiten etwas mit – wir „sagen“ auch damit etwas. Es sind Zeichen, die wir deuten können. Früher hatte der Blick magische Kraft - der „böse“ Blick – aber auch heute noch gibt es „Blicke“ die „töten“.
Hier aber soll es um die Wörter gehen, um unsere Sprache als Zeichen der Mitteilung. Das wirft andere Fragen auf als bei den anderen Zeichen und es führt zu Beobachtungen, die nur mit den Wörtern und der Sprache zu tun haben, unverwechselbar.
Wörter sind die Bausteine unserer Sprache. Wie entsteht ihr Sinn?
Im Duden finden wir ihre Erklärung, das ist so etwas wie ein allgemeines Verständnis, eine Definition. Hier erscheinen sie ohne Kontext und ohne jemanden, der sie beim Sprechen benutzt. Im Duden sind sie irgendwie neutral, sie machen niemanden glücklich und verletzen niemanden. „Hass“ steht da gleich hinter „Haspeln“, ohne dass das etwas bedeutet.
Was passiert mit ihnen auf dem Weg aus dem Duden in unseren Gebrauch? Was machen wir mit ihnen und sie mit uns, wenn wir sie zusammensetzen zu einer Mitteilung im Gespräch?
Manchmal lassen wir ein Wort aus, wiederholen ein anderes oder betonen es besonders. Zuweilen suchen wir eins und finden es nicht, es liegt uns auf der Zunge aber wir können es nicht aussprechen – dann wieder scheint sich ein Wort uns aufzudrängen und wir sagen es ohne Absicht, scheinbar gegen unseren Willen, es rutscht uns raus.
„Du Idiot“ – „das ist mir halt so rausgerutscht, das habe ich nicht so gemeint. Es tut mir leid „ - Keiner glaubt es.
Wir sind überzeugt, dass zwischen dem was jemand sagt und seinen Absichten eine Beziehung besteht, dass keinem etwas nur so rausrutscht, er es ausspuckt wie einen Kirschkern. Das prägt unsere Einstellung zu der Person und unsere Erwartung in einer Kommunikation.
Menschen im Gespräch entwickeln eine Erwartungshaltung. Sprechen ist immer begleitet von einer Erwartung und einem Bedürfnis – jeder will beim anderen etwas bewirken und jeder will als Person verstanden werden. Der andere soll erkennen wie wir wirklich sind und was wir meinen.
Erwartung und Bedürfnis treiben uns an.
Was alltäglich so einfach scheint – Sprechen und Angesprochen werden – ist tatsächlich ein komplexer Vorgang. Auf dem Weg aus dem Inneren unseres Kopfes zu den Wörtern die wir zu jemandem sagen, auf diesem Weg passieren eine Menge Dinge über die wir keine Kontrolle haben, die wir aber abwickeln als hätten wir sie. Wir Sprechen ohne darüber nachzudenken.
Wir sagen unsere Sätze und erwarten immer, dass sie vom anderen richtig verstanden werden. Dabei machen wir uns selbst zum Sender und den anderen zum Empfänger und sind doch in einem Gespräch immer beides. Was bedeutet das, dass wir beides sind – Sender und Empfänger? Wie läuft das ab und was hat es mit dem Prozess der Kommunikation zu tun?
Alles dreht sich dabei um die Wörter und ihren Sinn.
Aber vorher noch eine Bemerkung zur Stimme. Der Ton macht angeblich die Musik. Den richtigen Satz falsch ausgesprochen, zu schroff, zu aggressiv „Schatz, weißt du wo die Zeitung ist?“ Gibt es richtige Sätze? In manchen Beziehungen löst so ein Satz einen Streit aus, egal in welchem Ton er gesagt wird.
Wie die meisten Dinge im Alltag, erledigen wir auch das Sprechen ohne darüber nachzudenken. Erst wenn es irgendwo hakt, wir uns nach einem Gespräch ärgern, das Gefühl haben, etwas sei schief gelaufen ohne
dass wir genau wissen was – dann entsteht ein Moment der Frage und des Zweifels. Weshalb ist mir nicht sofort das richtige eingefallen, weshalb habe ich nicht die richtigen Dinge gesagt? Wie hat sie das jetzt gemeint?Dann taucht eine Ahnung davon auf, dass zwischen Sender und Empfänger mehr passiert als das Übermitteln einer Nachricht und es in einer Kommunikation vielleicht nicht nur um das richtige Verstehen von Mitteilungen geht.
Ich möchte unser Sprechen hier so darstellen wie wir es im Alltag nicht betrachten, möchte dem nachgehen, was die Vernetzung der Wörter mit uns macht und wir mit ihr, wie der Sinn in unsere Wörter kommt und was passiert, sobald meine Stimme sie nach draußen trägt – aus dem Inneren meines Kopfes – dem virtuellen Raum – in eine Wirklichkeit, aus der ich sie nicht mehr zurückholen kann.
Der Schlüssel zur Frage wie der Sinn in unsere Wörter kommt ist die Kommunikation – Kommunikation ist eine Begegnung zwischen Personen und ihren Wörtern – eine Begegnung mit besonderen Abläufen und Wechselwirkungen. Wir steuern sie und werden von ihnen gesteuert. Kein Teil bewegt sich isoliert. Wenn wir es einmal in Gang setzen, hängt alles mit allem zusammen – die Personen, die Wörter und die Sprache die dabei in Umlauf gebracht wird – wie bei einem Perpetuum Mobile.
Kommunikation bindet nicht nur Personen ein, sie bindet auch die Wörter unserer Sprache ein.
Wenn wir unsere Kommunikation in Gang setzen, erzeugen wir den Sinn unserer Wörter dabei nicht bewusst, der Sinn durchläuft mehrere Filter und Kontrollen, auf die wir keinen direkten Zugriff haben – der Weg durch diese Filter und Kontrollen ist für uns nicht verfügbar in dem Moment, wenn wir eine Mitteilung verschlüsseln und ein anderer ihren Sinn entschlüsselt.
Ähnlich wie die Abläufe in unserem Gehirn sind diese Abläufe unserem Bewusstsein nicht gegenwärtig während sie stattfinden –Wir nehmen sie nicht wahr und können sie nicht beschreiben - sie sind für uns unbewusst.
Das Unbewusste findet unterhalb der Schwelle unserer Wahrnehmung statt. Um es für uns zugänglich zu machen, braucht es einen Umweg. Mein Buch beschreibt so einen Umweg.
Manchmal haben wir den Eindruck als seien wir irgendwie neutral und losgelöst von unserer Kommunikation und der andere uns gegenüber jemand, den wir nur beobachten – als könnten wir unsere Kommunikation objektiv „von außen“ anschauen.
Wir machen uns zu Beobachtern und vergessen, dass wir selbst immer Teil der Kommunikation sind, in sie eingebunden – dass wir selbst immer auch beobachtet werden. Wir sind Akteure auf einer Bühne. Das ist so ähnlich wie mit unserem Körper, den wir selbst nie vollständig sehen können, während der andere ihn immer anders sieht, nämlich als Ganzes.
Es gibt aber Situationen, in denen etwas auftaucht, das scheinbar mit dem Prozess der Kommunikation selbst nichts zu tun hat, so als käme es von außen hinzu. Keiner ist auf der Bühne der Kommunikation allein, Kommunikation ist ein Miteinander Reden. Sobald unser Miteinander Reden jedoch in Schwierigkeiten gerät, machen wir sehr rasch einen allein verantwortlich.
Bei Konflikten und Störungen tritt etwas anderes zur Kommunikation hinzu – die Frage der Schuld.
Wenn ich davon ausgehe, dass Kommunikation ein bewusster Prozess ist, es nur darum geht, ihn „richtig“ zu verstehen, dann erwarte ich eine durchgehende Kontrolle von mir und dem anderen. Dann erwarte ich, dass der Sender genau weiß was er sagt und will, dass er mir gegenüber seine Absichten bewusst kontrolliert und steuert – und ich sie nur richtig verstehen muss.
Diese Vorstellung, dass der Sender mir gegenüber seine Absichten bewusst kontrolliert und genau weiß was er denkt und will - lähmt mich aber als Empfänger. Sie macht mich passiv und lenkt mich ab von meinen eigenen Absichten. Und es ist genau dieser Zustand, der bei Konflikten rasch zu Schuldzuweisungen und schlechtem Gewissen führt: „Dass wir hier jetzt in unserer Kommunikation ein Problem haben – daran ist der andere schuld – nicht ich habe etwas falsch verstanden – ich kann nichts dafür.
Oder auch - „ es ist wieder alles nur meine Schuld“, was nur die Kehrseite derselben Sache ist.
Bei Störungen und Konflikten meinen wir nämlich sehr schnell, eine einseitige Schuldzuweisung sei unausweichlich – du bist schuld oder ich bin schuld. Sich selbst oder den anderen dafür verantwortlich zu machen dass eine Kommunikation nicht harmonisch verläuft.
Vorwurf, Selbstzweifel und Schuldgefühl behindern das Verständnis von Kommunikation. Es gilt deshalb, die Sackgasse falscher Schuld zu vermeiden.
Auf dem Weg zu diesem Ziel ist es hilfreich, Kommunikation als einen Vorgang zu verstehen, der nicht nur bewusst abläuft, sondern teilweise unbewusst. Das hilft uns auch, die Erwartung loszulassen alles richtig verstehen zu müssen, vernünftig und harmonisch zu sein– Erwartungen an den anderen, die er - wie wir sehen werden – gar nicht erfüllen kann und Erwartungen an uns selbst, die uns in Unsicherheit und Selbstzweifel stürzen.
Es ist vielleicht überraschend, aber auch die Erwartung, Harmonie und Konsens herzustellen, behindert das Verständnis von Kommunikation. Je stärker diese Erwartung ist, je mehr wir uns mit ihr identifizieren und meinen, es sei unsere Aufgabe Harmonie und Konsens zu ermöglichen, desto stärker unsere Neigung zum Selbstvorwurf. Das liegt daran, dass uns diese Erwartung keine Wahl lässt.
Sie erzeugt manchmal die Angst, es könnte am Ende vielleicht doch ein Dissens stehen, für den wir verantwortlich gemacht werden. Deshalb wünschen wir uns eine harmonische Kommunikation, „ Wenn alle zufrieden sind mit der positiven Verständigung und dem Konsens, dann ist alles in bester Ordnung“ dann ist Harmonie erreicht und es bleibt kein Rest, keine Frage, keine Unklarheit, die irgendjemand zu verantworten hätte. Es gibt am Ende nichts, für das irgendjemand die Schuld hat – auch ich nicht.
Kommunikation als teilweise unbewusster Vorgang lässt sich jedoch nicht zweifelsfrei deuten und kontrollieren, weder im Voraus noch nachträglich, wenn das Gespräch beendet ist. Deshalb ist Kommunikation auch nur bedingt durch richtiges Verhalten erlernbar.
Die Frage „Wie soll ich mich verhalten, damit meine Kommunikation in Zukunft besser wird? „ erfasst nur einen geringen Teil des Miteinander Redens.
Ich bin mit dem anderen in dieses Geschehen eingebunden, so lange das Gespräch dauert. Für diese Zeit kann ich da gar nicht raus – es sei denn ich breche das Gespräch ab oder lasse es kollabieren.
In dieser Zeit laufen also Prozesse ab, die sich meiner unmittelbaren Kontrolle und meinem rationalen Wissen entziehen. Wenn ich diese Prozesse beschreibe wie in einem Modell - isoliert und losgelöst vom konkreten Sprechen– dann macht sie das im Moment des Gesprächs für mich nicht bewusster und verfügbarer. Um sie für mich nutzbar zu machen benötige ich eine besondere Darstellung und Einstellung, ich benötige einen Umweg – zu einer anderen Wahrnehmung von Kommunikation
- zu einem Perspektivenwechsel.
Ein ähnlicher Perspektivenwechsel findet auch statt, wenn ich mich beispielsweise auf Klavier Spielen oder Tanzen einlasse. Das gelingt am Ende auch nur gut, wenn ich es ausprobiere und erlebe, nur die Technik zu beherrschen reicht nicht - nur die Regeln zu kennen und sie „richtig“ anzuwenden bleibt am Ende für mich unbefriedigend.
Sobald ich mich einlasse, kann das entstehen, was heute als „Flow“ bezeichnet wird, die Freisetzung meiner geistig seelischen Energie.
Flow erzeugt einen Zustand zwischen zwei Extremen: Überforderung auf der einen Seite und Langeweile und Unterforderung auf der anderen. Zwischen mir und den Dingen entsteht im Flow eine Spannung, die ich steuere und beeinflusse und von der ich gleichzeitig geleitet und gesteuert werde – ich „erlebe“ sie in einer besonderen Weise.
Hemmende Widerstände und die Angst des Scheiterns werden so leichter überwunden und eine Form von Freiheit und Glück wird möglich.
Aber Flow hat immer auch mit meiner Erwartung und Einstellung zu tun – bei allen Aktivitäten, bei der Arbeit, beim Sport, in der Freizeit und im Beruf genauso wie bei der Kommunikation. Mit dem Unterschied, dass sich hier alles notwendig um meine Beziehung zu einer anderen Person dreht. Über den Sinn der Wörter bin ich immer auf eine andere Person bezogen.
In einer Kommunikation geht es nämlich immer um die Fragen „ Was will ich vom anderen? Was will der andere von mir? Wer bin ich für ihn und er für mich?“ Diese Fragen machen wir fest an den Wörtern ihrem Sinn.
„Was bedeutet dieser Satz ?“
Ich betrachte Kommunikation in meinem Buch wie eine Aktivität und beschreibe, was Sender und Empfänger „tun“, wenn sie eine Kommunikation in Gang setzten, welchen Weg der Sinn der Wörter dabei geht - durch verschiedene Filterungen und Wechselwirkungen – bis er an die Stelle kommt, an der wir sagen können „So meine ich das“– oder –
„So meine ich das nicht“ und der Empfänger unsere Mitteilung entschlüsselt.
Im letzten Kapitel stelle ich die Möglichkeiten von Flow in der Kommunikation dar. Flow entwickelt sich erst im Zusammenhang mit der Aktivität, auf die wir uns einlassen . Deshalb geht es hier um die besonderen Bedingungen von Flow in der Kommunikation.
Kommunikation hat eine andere Bedeutung für uns, wenn es uns gelingt, dabei im Flow zu sein.