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Teil 2: Zwei Jahre und acht Monate vorher

There’s only one hacker in the world

who can break this code …

(Transformers)

1.

Montagmorgen. In fünf Minuten würde es zur ersten Stunde klingeln. Mick hatte gerade sein Fahrrad untergestellt und ging mit gesenktem Kopf auf den Schulhof, während er mit aller Kraft versuchte, sich unsichtbar zu machen. Er war erst seit einem Monat in der Orientierungsstufe der Prismaschule, aber ihm kam es vor wie ein Jahrhundert. Daran waren Lex Hartman und seine drei Klone schuld. Vom ersten Tag an hatten sie es auf Mick abgesehen. Sobald er in die Nähe kam, gaben sie Grunzlaute von sich. Sie nahmen ihm seine Schulbrotbox ab und warfen den Inhalt in den Müll. Beim Duschen nach der Turnstunde spritzten sie sein Handtuch nass, sodass er sich mit seinem T-Shirt abtrocknen musste. Seine Fahrradreifen hatten schon mehrfach auf mysteriöse Weise keine Luft mehr gehabt und letzten Freitag hatten sie sein Mäppchen ins Klo geworfen. Und warum? Mick hatte keine Ahnung. Und das war vielleicht das Allerschlimmste. Wenn man nicht wusste, was man falsch machte, konnte man auch nichts daran ändern. Also hielt er sich möglichst bedeckt.

Leider. Er hatte den Fahrradunterstand vor kaum drei Sekunden verlassen und schon war sein Unsichtbarkeitsmodus auf null gesunken.

»Ha, da ist ja unser Mümmelchen mit seinem Pimmelchen!«, erklang es von der Seite.

Pieter – Lex’ Hauptsklave.

Mick tat, als ließe ihn die Bemerkung kalt, aber innerlich krümmte er sich.

Nicht reagieren. Einfach weitergehen.

Unterdessen beobachtete er das Grüppchen aus den Augenwinkeln. Sie trugen allesamt schwarze Hosen, weiße T-Shirts, schwarze Trainingsjacken und weiße Sneakers. Es sah aus, als gehörten sie zu einem Sportteam. Anführer Lex schlug Pieter wohlwollend auf die Schulter. Die Jungs, die dabeistanden, lachten wie in einem B-Movie. Hassan zeigte mit Daumen und Zeigefinger den Durchmesser eines Cocktailwürstchens.

»Kleiner«, sagte Yannik. »Ganz viel klei…«

»Guckt mal dahinten.« Lex machte eine Kopfbewegung zum Tor hin.

Ein großer, blitzender Mercedes mit verspiegelten Scheiben. Pieter schnalzte mit der Zunge. Ausnahmsweise musste Mick ihm recht geben; das war wirklich ein toller Wagen.

Der Fahrer stieg als Erster aus. Er war so kahl wie eine Billardkugel und trug einen schmal geschnittenen Anzug und eine Sonnenbrille. Mick tippte darauf, dass der Mann nicht nur Fahrer, sondern auch Bodyguard war. Sein Blick war wachsam und seinem Körper war regelmäßiger Sport anzusehen. Er trat seitlich an den Wagen, schaute sich gründlich um und öffnete dann die hintere Tür.

Der ganze Schulhof hielt den Atem an. Alle Augen hingen mit imaginären Fäden an dem Mercedes. Auch die von Mick. Er erwartete, irgendeine Berühmtheit aussteigen zu sehen, aber es war ein ganz normaler Junge.

Na ja, normal …

»Wer ist das?«, hörte Mick jemanden fragen.

Der Junge schlenderte mit seinem Bodyguard zum Eingang der Prismaschule. Seine schwarzen Haare reichten ihm fast bis zur Schulter und sie waren auf eine Weise strubbelig, dass sie nicht unordentlich, sondern cool wirkten. Er trug eine Jeans der Marke Blue Blood, ein Shirt, auf dem in roten Buchstaben ALDEBA-RAN stand, und silberne Sneakers. Von einer Schulter baumelte ein Rucksack von Björn Borg und am Handgelenk glänzte eine Rolex.

Alle starrten ihn an – neidisch, bewundernd oder beides zusammen. Fransje stieß sogar einen kleinen Schrei aus.

Dann ertönte die Klingel.

Sehr schön. Niemand achtete mehr auf den dicken Jungen aus der 1 B.

Mick eilte ins Gebäude.

Mitten in der Mathestunde ging die Tür auf und Direktor Harkema streckte den Kopf herein. »Entschuldigen Sie die Störung, Herr Buiks. Aber ich habe hier einen neuen Schüler.«

Bestimmt wäre Harkema lieber Quizmaster als Direktor geworden, denn er machte aus allem ein Spiel. Außerdem trug er Anzüge in schreienden Farben, immer mit einer idiotischen, aber dazu passenden Fliege – an diesem Tag war es eine kanariengelbe mit kleinen roten Punkten.

Buiks hatte seinen Stift kaum auf den Rand des Whiteboards gelegt, als Harkema auch schon seinen Act startete. Er schwenkte die Tür ganz auf, schob jemanden hinein und holte weit aus: »Darf ich vorstellen? Jerrro Prrrins!«

Es war der Junge aus dem Mercedes mit den verspiegelten Scheiben.

Harkema schaute mit strahlendem Gesicht in die Klasse. »Ich hoffe, ihr alle werdet dafür sorgen, dass er sich so schnell wie möglich auf unserer wunderbaren Schule zu Hause fühlt.«

»Ganz bestimmt!«, rief Fransje und blinzelte mit ihren Rehaugen.

Sicher nicht, dachte Mick mit einem schrägen Blick auf Fiesling Lex.

Harkema verschwand mit einer kleinen Verbeugung, als erwarte er Applaus.

Buiks gab Jerro die Hand und nannte seinen Namen. »Setz dich. Wir arbeiten gerade an Tabellen.«

Nur neben Mick war noch Platz.

»Pass nur auf, dass du keine Schweinepest kriegst«, flüsterte Yannik.

Mick schaute zu Buiks, aber der war auf einmal taub. Es passierte öfter, dass Lehrer so taten, als schauten sie gerade in eine andere Richtung, wenn ein Schüler schikaniert wurde. Mick fragte sich, ob es einfach eine Frage der Bequemlichkeit war oder ob sie insgeheim befürchteten, selbst zur Zielscheibe zu werden.

Jerro zog seine Sachen aus dem Rucksack. Ein Mäppchen, ein Heft, ein Mathebuch und einen Comic. Augenblicklich begann er, darin zu lesen.

Drei Minuten, dachte Mick. Höchstens.

Aber Jerro wurde nicht erwischt. Wenn Buiks ihm eine Frage stellte, gab er sofort die richtige Antwort, als wäre er ein Mathegenie. Und wenn der Lehrer näher kam, legte Jerro geschickt sein Mathebuch über das Comicheft. Micks Bewunderung wuchs mit jeder Sekunde.

Nach Mathematik hatten sie Englisch in einem anderen Klassenraum. Mick hatte sich gerade hingesetzt, als Lex vorbeikam. Er erstarrte. Ja, klar, schon war es wieder da: dieses ekelhafte Grunzen, das ihn manchmal bis in seine Träume verfolgte.

Jerro hörte es auch und sah Lex mit einer hochgezogenen Augenbraue an.

»Was?«, schnauzte Lex.

»Ich fragte mich, ob du der schwachsinnige Cousin von Babe bist oder ob du doch vielleicht eher dem Bruder von Miss Piggy ähnelst«, sagte Jerro.

Lex wurde rot. Dunkelrot sogar, als ein paar Mädchen kicherten – Fransje am lautesten von allen.

»Scher dich um deinen eigenen Kram«, sagte Lex so cool wie möglich. »Ich hab nicht mit dir gesprochen, sondern mit diesem fetten Ferkel da.« Er nickte zu Mick hinüber, der versuchte, die Worte wie Wasser an sich abperlen zu lassen. Sobald sie merkten, dass man verletzt war, hörten sie überhaupt nicht mehr auf.

»Ihn hab ich nicht grunzen hören.« Jerro legte seinen Rucksack auf den Tisch. »Also wenn hier jemand einem Schwein ähnelt …«

Lex suchte Unterstützung bei seinen drei Klonen, aber zu Micks großem Erstaunen guckten sie, genau wie Buiks vorhin, ganz zufällig in eine andere Richtung. Jerros Verhalten nötigte offensichtlich Respekt ab. Oder lag es an der Rolex, dem Mercedes und dem Bodyguard? War ja auch völlig egal – nur das Ergebnis zählte: Lex gab sich geschlagen und setzte sich mit mürrischem Gesicht hinten ins Klassenzimmer!

»Danke«, flüsterte Mick, der sich kurz wie eine Art Superman fühlte.

Jerro zuckte die Schultern.

Es klingelte zur Pause. Alle wollten so schnell wie möglich raus. Oder besser gesagt: alle außer Mick. Er hatte sogar eine spezielle Trödeltechnik entwickelt, bei der er übertrieben langsam seine Tasche einräumte oder so tat, als ob er etwas vergessen oder verloren hatte. Die Lehrkraft, die den Klassenraum abschließen musste, spielte unterdessen ungeduldig mit den Schlüsseln, aber daraus machte sich Mick nichts. Mit ein bisschen Glück waren die anderen Schüler schon in der Cafeteria oder auf dem Schulhof, wenn er die Klasse verließ, und es gelang ihm, die Pause ohne Schaden zu überstehen. Ein selten benutzter Toilettenraum im zweiten Stock, ein fast nicht einzusehendes Eckchen bei der Garderobe und in der Nähe des Heizkessels waren die besten Verstecke.

Heute schlenderte Mick an den kleinen Schließfächern vorbei zur Garderobe. Die Strecke war sicher. Er brauchte nur an dem Bodyguard und an ein paar knutschenden Oberstufenschülern vorbeizugehen.

Oh nein! An seinem Geheimplatz hinter den Jacken hockte jemand auf dem Boden und las. Mick wollte schon weglaufen, als er sah, wer es war. Der Junge, der ihn aus Lex Hartmans Klauen gerettet hatte. Von ihm hatte er nichts zu befürchten.

»Hey«, sagte Mick.

Jerro las unbeirrt weiter in seinem Comic – ein Heft von Storm.

»Gute Serie«, sagte Mick. »Aber nicht mehr so gut wie früher. Als Don Lawrence noch die Zeichnungen gemacht hat, meine ich.« Jetzt war Jerros Interesse erwacht. Er ließ das Album auf seinen Schoß sinken. »Seine Nachfolger sind aber auch nicht übel. De Vos zeichnet jedenfalls besser als Matena.«

»Matena …« Mick dachte kurz nach. »Hat der nicht einen Spin-off der Stormserie gemacht?«

»Stimmt. Die Chroniken aus der Zwischenzeit.«

»Ich glaube, ich habe mal eins davon gelesen«, sagte Mick. »Wenn ich mich richtig erinnere, war die Geschichte nicht so stark.«

»Stimmt. Die Chroniken von Pandarve sind viel besser.« Jerro nannte einige Titel. Er war fast wie Wikipedia für Comics.

Da bewegten sich auf einmal die Jacken an der Garderobe und wurden auseinandergeschoben. Mick erschrak. Zum Glück kam nicht Lex’, sondern Fransjes Kopf zum Vorschein.

»Hier ist er!«, rief sie erfreut.

Sofort erschien auch Biancas Kopf zwischen den Jacken. Wie im Kasperletheater.

»Sagte ich doch.« Sie grinste zufrieden. »Dieser Leibwächter steht bestimmt nicht da, um die Schließfächer zu bewachen.«

Sie verschwanden wieder hinter den Kulissen und kamen dann um die dicht behängte Garderobe herum mit in das Versteck in der Ecke. Auf einmal war es proppenvoll. Als wäre Jerro ein Wassereis und die beiden ein Wespenpaar. Sie hockten sich neben ihn, jede zu einer Seite.

»He, Jerro«, sagte Bianca, während sie ihn unterhakte. »Sollen wir dir die Schule zeigen?«

»Ja.« Fransje übernahm die Verantwortung für den anderen Arm. »Du bekommt eine kostenlose Führung und danach laden wir dich zu einer Überraschung ein.«

»Nein, danke«, sagte Jerro. »Ich unterhalte mich gerade mit Mick.«

Mick traute seinen Augen und Ohren nicht! Bianca und Fransje waren die attraktivsten Mädchen der ganzen Schule. Allein schon bei der Vorstellung, sie könnten ihn fragen, bekam er feuchte Träume. Nicht, dass es je in Wirklichkeit passieren würde, das war ihm schon klar. Höchstens zum Scherz … damit sie ihn anschließend knallhart auslachen konnten.

Fransje seufzte tief. »Dann eben ein anderes Mal.« Aber sie blieb einfach stehen, bis Bianca ihre Hand nahm und sie mitzog.

Jerro hatte sie augenblicklich wieder vergessen. »Zu Hause habe ich die komplette Serie von Trigan«, sagte er. »Die meisten Bände hat Don Lawrence gezeichnet. Wenn du willst, kann ich sie dir mal zeigen.«

»Gern.«

»Heute Nachmittag?«, fragte Jerro. »Nach der Schule?«

Mick musste sich zurückhalten, um nicht zu jubeln. »Von mir aus.«

2.

Der Fahrer und Bodyguard, der auf den Namen Alfred hörte, brachte sie mit dem Mercedes zu Jerro nach Hause. Micks Fahrrad lag im Kofferraum und die Jungen saßen auf der Rückbank. In die Lehnen der Sitze vor ihnen waren kleine Monitore eingebaut. Man konnte alles Mögliche auf ihnen machen: Filme ansehen, Computerspiele spielen, chatten, skypen und noch viel mehr.

»Nicht normal, Mann«, sagte Mick.

Jerro grinste. »Mein Vater ist ein ziemlicher Nerd.«

Sie ließen das Zentrum hinter sich. Mick genoss in vollen Zügen. Der Motor war lautlos, die Sitze rochen nach echtem Leder und das futuristische Armaturenbrett würde sich auch in einem Raumfahrzeug gut machen.

Leider dauerte die Fahrt nur kurz. Fünf Minuten später standen sie vor dem Stargate. Das Tor war zwischen zwei gemauerten Säulen eingehängt, an denen Kameras befestigt waren, die sich hin und her bewegten, bis sie den Mercedes perfekt im Visier hatten. Ein leises Summen ertönte und das Tor öffnete sich. Alfred fuhr den Kiesweg hoch und hielt dann am Pförtnerhäuschen.

Hinter dem Mercedes schloss sich das Tor wieder. Seltsame Sache, fand Mick. Als wären sie auf einer gesicherten Militärbasis gelandet oder so.

Alfred ließ die Scheibe hinunter. »Tag, Carl.«

Der Pförtner nickte ihm zu und kam aus dem Häuschen. »Ist noch was?«

»Jerro hat einen Freund dabei.« Alfred wies auf die Rückbank. »Mick … äh …«

»Schipper«, sagte Mick.

Carl beugte sich vor, um durch das offene Fenster hineinzuschauen. Sein Blick war so durchdringend, dass sich Mick sehr unwohl fühlte.

»Er ist bestimmt kein Terrorist«, murrte Jerro.

»Das mag ja sein. Aber wenn etwas schiefgeht, bin ich dran.« Carl richtete sich wieder auf. Mick sah nur noch seinen Bauch und seinen Gürtel mit einer Waffe.

Carl klopfte auf das Autodach zum Zeichen, dass sie weiterfahren durften. Alfred fuhr an. Der Kieselweg führte nach links, die Koniferen verschwanden und Mick hatte freie Sicht auf das Ende der Auffahrt.

»Dort wohnst du?«, fragte er verblüfft.

Die gigantische Villa wirkte atemberaubend in der Vorabendsonne. Warmer roter Backstein. Hohe Bleiglasfenster, ein Balkon und sogar ein kleiner Turm.

Jerro nickte. »In diesem Bunker, ja.«

Mick lachte. »Palast, meinst du wohl. Habt ihr im Lotto gewonnen oder was?«

Alfred schaute Mick über den Rückspiegel an. »Du kennst Bjorge Prins nicht?«

Mick durchforstete sein Hirn. Soweit er wusste, gab es keinen Schauspieler oder Sänger mit diesem Namen. Vielleicht ein Politiker? Davon hatte Mick keine Ahnung. Er schaute sich lieber SF-Filme an als langweilige Talkshows.

»Nicht, dass ich wüsste.« Er sah Jerro fragend an. »Bjorge Prins ist dein Vater?«

»Biologisch gesehen ja. Nur verhält er sich fast nie so. Er hat Wichtigeres zu tun.« Jerro rieb mit dem Daumen über seinen Zeige- und Mittelfinger. »Geld verdienen, du weißt schon.«

»Dein Vater …«, setzte Alfred an.

Mick hätte gern gehört, was er sagen wollte, aber Jerro fiel Alfred ins Wort. »Setz uns einfach hier ab. Den restlichen Nachmittag brauche ich dich nicht mehr.«

Das klang ziemlich arrogant und Mick schämte sich ein wenig für Jerro.

»Wie du willst.« Alfred stellte den Motor ab.

Jerro und Mick stiegen aus. Sie gingen an einem Teich vorbei und über einen Millimeterrasen zur Haustür.

Mick starrte auf den Rücken seines neuen Mitschülers. Er hatte gerade einen ganz anderen Jerro gesehen als den Jungen, der am Morgen für ihn Partei ergriffen hatte. Was wusste er eigentlich von ihm, außer dass er ein Comicfan und ein Mathegenie war?

Jerro drückte auf die Klingel.

»Hast du keinen Schlüssel?«, fragte Mick.

»Das hält meine Mutter für überflüssig«, antwortete Jerro. »Sie fürchtet, er könnte in die falschen Hände geraten, wenn ich ihn verliere. Außerdem ist immer jemand zu Hause.«

Eine blonde Frau mit groben Gesichtszügen öffnete die Tür. Auf ihrer Wange befand sich ein behaarter Mutterfleck von der Größe eines Fingerabdrucks.

»Kasia«, sagte Jerro. »Unsere Haushälterin.«

»Guten Tag.« Mick hatte keine Erfahrung mit Hauspersonal und wusste nicht, ob er ihr die Hand geben sollte, also nickte er nur, wie Fahrer Alfred auch ihm zugenickt hatte.

»Mick geht in meine Klasse«, sagte Jerro. »Er will meine Comicsammlung sehen.«

Kasia schloss die Tür hinter ihnen. »Ich komme gleich, bring Tee.« Sie verschwand lautlos und ließ Mick und Jerro allein in der riesigen Diele. An der hohen Decke hing ein Kronleuchter und in der Mitte befand sich eine stattliche Treppe. Es sah aus wie ein Ballsaal in diesen Historiendramen, auf die Micks Mutter so versessen war.

»Wir gehen in mein Zimmer.« Jerro stand schon auf der untersten Treppenstufe.

Mick schaute sich um. »Soll ich mich nicht kurz deinen Eltern vorstellen?«

»Die arbeiten noch.«

»Darf ich raten?« Mick legte die Hand auf das schwere Treppengeländer. »Dein Vater ist Rechtsanwalt und deine Mutter Ärztin. Ich meine, wenn man so ein Haus bezahlen kann …«

»Meine Mutter ist die Anwältin«, sagte Jerro und ging Mick voraus. »Sie ist auf Unternehmensrecht spezialisiert.«

»Und dein Vater?«

Jerro drehte sich um. »Bist du wegen meiner Comicsammlung hier oder willst du mich aushorchen?«

Allmählich glaubte Mick schon, Bjorge Prins sei ein berühmter Meisterbetrüger, der sein Kapital zusammengeklaut hatte.

»Mein Vater ist letztes Jahr gestorben«, sagte er.

»Wie schlimm, Mensch!« Jerro blieb kurz stehen. »War er krank oder so?«

»Herzinfarkt auf dem Tennisplatz.«

»Und dann behaupten immer alle, Sport sei gesund.« Jerro ging wieder weiter und nahm die beiden letzten Stufen auf einmal.

Sie betraten einen Treppenabsatz mit sehr vielen Türen.

Bei der dritten blieb Jerro stehen. »Mein Zimmer.«

Es war hell, geräumig und an den Wänden hingen gerahmte Poster. Red Sonja im Bikini und zwischen sich windenden Schlangen, Franka auf einem Motorrad, Rothaar mit einem Schwert und Asterix und Obelix neben einem dampfenden Kochtopf. An der Wand stand ein Schreibtisch mit passendem Drehstuhl. Außerdem gab es noch ein Doppelbett, auf dem ein MacBook lag, einen Riesenkleiderschrank, einen Flatscreen-Fernseher mit Rekorder, eine supersonisch aussehende Musikanlage und ein Bücherregal voller Comichefte.

Und dann war da noch diese offen stehende Tür.

Mick blinzelte. »Ist das ein Badezimmer?«

Jerro nickte. »Meine Eltern wollen nicht, dass ich ihres benutze. Immer so ein Zirkus mit Wartezeiten und so. Also habe ich eins für mich allein.«

Mick lachte laut auf. »Du gehst in meine Klasse. Also bist du zwölf? Dreizehn?«

»Ich brauche es nicht selbst sauber zu machen«, sagte Jerro. »Das macht Kasia immer.«

»Oh. Na ja, dann ist es ganz normal.« Mick nickte so ernst er konnte.

Jerro gab ihm einen Schubs. »Das Gästezimmer hat auch eins.«

»Ein Haus mit drei Badezimmern.« Mick schüttelte den Kopf. »Tja, reiche Stinker brauchen das natürlich auch.«

Jerro lachte, als hätte er einen irre guten Witz gehört. Dann setzte er sich vor das Regal mit den Comics und wurde plötzlich wieder ganz ernst.

»Trigan war der große Durchbruch für Don Lawrence«, sagte er, während er die Comics vorsichtig auf den Boden legte.

Mick blätterte ein paar durch und bewunderte die Zeichnungen. Kasia brachte Tee und eine Schale mit Miniwindbeuteln, von denen Mick einfach nicht die Finger lassen konnte. Dann zeigte ihm Jerro einen Asterixband.

»Ich mag vor allem Science-Fiction-Comics«, gestand Mick. »Und eigentlich stehe ich noch mehr auf Science-Fiction-Filme und -Serien.«

»Nee, echt?« Jerro ließ sich hintenüberfallen. »Das musste mir ja passieren. Nehme ich einmal jemanden mit nach Hause, schon ist er ein Trekkie!«

»Star Trek ist tatsächlich ziemlich cool.« Mick grinste. »Aber ich bin wirklich kein Trekkie und ich spreche auch kein Klingonisch.«

Jerro ließ die Augenbrauen hüpfen.

»Die Sprache der Klingonen«, erklärte Mick. »Sie sehen fast aus wie Menschen, aber sie haben dicke Haare und eine gerunzelte Stirn.«

»Na, bitte. Ein Trekkie.« Jerro setzte sich wieder auf und stellte seine Comics wieder ins Regal. »Normale Leute wissen solche Sachen nicht.«

»Normale Leute haben auch nicht eine Million Comicbände.«

»Es sind nur 724«, sagte Jerro.

Mick tat erstaunt. »So wenige?«

Jerro musste wieder lachen. Das gab Mick ein gutes Gefühl. Er hatte gar nicht gewusst, dass er so witzig sein konnte.

»Okay, es sind schon eine Menge«, gab Jerro zu. »Aber ich sammle sie auch schon sehr lange.«

Einen Augenblick war es still.

»Warum bist du eigentlich erst heute auf unsere Schule gekommen?«, fragte Mick dann.

»Früher ging nicht. Wir haben vorher in den USA gewohnt.«

Das Land, aus dem die besten Science-Fiction-Filme kamen!

»Hast du ein paar bekannte Schauspieler gesehen?«

»Wenig Gelegenheit. Ich durfte das Gelände kaum verlassen«, murrte Jerro. »Meine Mutter hat nicht viel Vertrauen zu frisch eingestellten ausländischen Leibwächtern.«

»Und was ist mit Alfred?«

»Der war hiergeblieben.«

Mick nahm noch einen Windbeutel. »Scheint mir ziemlich nervig. Ständig so ein Leibwächter in der Nähe.«

»Das kannst du laut sagen.« Jerro seufzte. »Sobald ich was anstelle, wissen es meine Eltern.«

»Na ja. Es hat ja auch eine gute Seite.« Mick schaute sich herausfordernd im Zimmer um. »Die meisten Jungs wären neidisch auf dich.«

»Der goldene Käfig«, spottete Jerro. »Willst du tauschen? Kriegst meine Sachen und ich den Schlüssel.«

Mick versuchte, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn er wirklich nirgends allein hingehen dürfte. »Kannst du nicht mit deinen Eltern darüber reden?«

»Das habe ich schon so oft versucht.« Jerros Gesicht wurde starr. »Sie sagen, dass es nun mal nicht anders geht. Seit Johnny de Mol fast entführt wurde, haben sie eine Scheißangst, mir könnte das auch passieren. Du weißt schon: reicher Papi, viel Lösegeld. Mittlerweile ist Alfred schon seit zehn Jahren mein Schatten.«

»Na ja. In deinem Zimmer rückt dir jedenfalls niemand auf die Pelle«, sagte Mick.

»Aber nur, weil das Haus von allen Seiten bewacht wird.«

»Und wenn du mit zu mir gehst?«

»Dann stellt sich Alfred vor eure Tür.«

Mick konnte es sich genau vorstellen. Er lachte.

»Ich verstehe nicht, was daran so komisch sein soll«, meinte Jerro.

»Warte, bis du die Gesichter der Nachbarn siehst«, sagte Mick. »Dann verstehst du alles.«

3.

Alfred stand nicht vor der Tür. Micks Mutter hatte ihn zum Sofa im Wohnzimmer dirigiert und ihm einen Kaffee und die Zeitung in die Hand gedrückt.

»Setz dich«, sagte sie dann zu Jerro. »Magst du Tee?«

Mick verdrehte die Augen. »Ma-ham.«

»Ist ja schon gut.« Sie verdrehte genauso übertrieben die Augen. »Ich dachte, es wäre nett, deinen neuen Freund ein bisschen kennenzulernen, aber wenn ihr lieber auf dein Zimmer gehen möchtet …«

Mick stand schon in den Startlöchern.

»Tee fände ich gut, Frau Schipper.« Jerro setzte sich an den Küchentisch.

Mick verstand die Welt nicht mehr. Sofies Freundinnen wollten immer sofort mit ihr nach oben.

»Wir können ihn auch in meinem Zimmer trinken«, schlug er vor.

»Warum sollten wir?« Jerro schaute sich um. »Hier ist es doch gemütlich?«

Micks Mutter lächelte, als hätte man ihr ein Geschenk gemacht. »Ich habe noch Apfelkuchen in der Tiefkühltruhe. Wenn ich den kurz in die Mikrowelle stelle, ist er ruck, zuck aufgetaut.«

»Wunderbar, Frau Schipper«, schleimte Jerro.

»Sag ruhig Louise.«

»Wunderbar, Louise.«

Mick überkam das dringende Bedürfnis nach einer Spuckschüssel.

Seine Mutter setzte Wasser auf. »Du sammelst Comichefte, hab ich gehört.«

»Ja, Frau … äh, Louise.« Jerro begann zu erzählen.

Mick stöhnte innerlich. Jetzt hatte er endlich mal einen Freund und schon beanspruchte seine Mutter ihn für sich. Und es wurde noch schlimmer, als Sofie nach Hause kam.

»Gibt es was zu feiern?«, fragte sie, als sie den angeschnitten Apfelkuchen sah.

»Irgendwie schon«, sagte Micks Mutter. »Das ist Jerro. Er geht in Micks Klasse.«

»Hi, ich bin Sofie.« Sie setzte sich neben Jerro und sah ihn neugierig an. »Du bist also der Junge, der in einem Palast wohnt?«

Mick wäre am liebsten im Boden versunken.

»Kannst du Tuppen?«, fragte sie dann auch noch.

Jerros Gesicht verwandelte sich in ein großes Fragezeichen. »Was ist das?

»Ein Kartenspiel. Wir haben es oft zu viert gespielt. Aber seit Papa tot ist …«

Mick spürte einen Stich in seiner Brust.

»Vielleicht könnt ihr es mir beibringen«, sagte Jerro.

»Das gefällt dir bestimmt nicht«, warnte Mick.

»Doch bestimmt«, sagten Jerro und Sofie gleichzeitig.

Micks Mutter lächelte schon wieder so glücklich. »Ich hole die Karten.«

Sie spielten, bis Jerro fast nach Hause musste. Mick blieben noch zehn Minuten, um ihm sein Zimmer zu zeigen, auch wenn es nichts Besonderes war. Jedenfalls war es etwa dreimal kleiner als Jerros Zimmer und das Einzige, was man an technischem Glanz darin finden konnte, war der Computer – ein Erbstück eines Verstorbenen aus dem Seniorenheim, in dem seine Mutter arbeitete. Poster gab es jedoch mindestens so viele wie bei Jerro, bloß nicht gerahmt und auch nicht mit Comicfiguren darauf. Stattdessen Plakate von Science-Fiction-Filmen wie Moon, Race to Witch Mountain und Alien Raiders. Über dem Bett hing auch noch ein uraltes Poster: ein pechschwarzer Himmel mit einem knallroten V darin.

»V?«, fragte Jerro.

»Von Visitors.«

»Lass mich raten. Außerirdische mit bösen Absichten«, sagte Jerro in einem Ach-wie-originell-Tonfall.

»Visitors sehen aus wie Menschen«, fuhr Mick unbeirrt fort. »Aber in Wirklichkeit sind es mordgierige Reptilien. Sie essen Ratten, Mäuse und sogar Meerschweinchen.«

Jerro war nicht beeindruckt. »Ich habe auch schon einmal Meerschweinchen gegessen«, sagte er. »Vom Grill. Als wir in Peru Urlaub gemacht haben.«

»Aber das war tot und gegrillt.« Mick stand schon bei seinem Computer. »Die Visitors essen lebende Tiere. Auf YouTube gibt es einen Filmausschnitt.«

Sie schauten sich V Diana is a hungry alien an. Eine Frau stand in einer Selbstbedienungs-Snackbar und zog statt einer Fleischkrokette ein zappelndes Meerschweinchen aus dem Klappfach in der Wand. Sie stopfte es sich in den Mund und an ihrer Kehle war ein Knubbel zu erkennen.

Mick schmatzte. »Jetzt noch runterschlucken …«

»Witzig«, sagte Jerro, als es vorbei war.

»Witzig?« Mick stieß ihm den Ellbogen in die Seite.

»Und unappetitlich«, gab Jerro zu. »Aber nicht wirklich spannend. Ich finde, das ist ziemlich stümperhaft gemacht. Man sieht sofort, dass es ein Film aus dem Jahr null ist.«

»Kennst du Invasion of the Body Snatchers?«, fragte Mick hartnäckig weiter.

Jerro schüttelte den Kopf. »Auch SF, wahrscheinlich?«

Mick nickte. »Und auch aus dem Jahr null. Trotzdem einer der spannendsten Filme, die ich kenne. Es gibt auch noch eine Schwarz-Weiß-Version davon, aber die in Farbe finde ich besser.«

»Tut mir leid, ich finde alte Filme zum Gähnen.« Jerro lehnte sich an den Schreibtisch. »Alles bewegt sich nur im Schneckentempo und man sieht sofort, dass es Fake ist.«

»Meistens schon, stimmt«, sagte Mick. »Aber Body Snatchers ist echt sehr gut gemacht. Das war der Lieblingsfilm von meinem Vater und …« Er konnte gerade nicht weiterreden und kämpfte gegen die Tränen.

Jerro war doch nicht so ein Superheld, wie Mick gedacht hatte. Jetzt traute er sich nicht, Mick weiter anzusehen, und starrte stattdessen schweigend auf einen Fleck an der Wand, als wäre es eine faszinierende Comiczeichnung.

»Sorry.« Mick wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. »Meistens bin ich nicht so eine …«

»Macht doch nichts.« Jerro berührte Mick kurz an der Schulter. Es wirkte ungeschickt und wieder trat Schweigen ein. »Das ist bestimmt ein klasse Film«, sagte Jerro dann. »Ich würde ihn wirklich gern sehen.«

Das meinte er natürlich nicht ernst.

»Kein Problem.« Micks trauriges Gefühl schlug sofort in Freude um. »Ich habe ihn auf DVD.«

Jerro sah ihn perplex an und rief: »Nee, oder?«

»Doch, doch«, sagte Mick.

4.

Ein paar Tage später kam Mick endlich dahinter, welcher Art von Arbeit der geheimnisvolle Bjorge Prins so nachging. Sie hatten Pause und Mick und Jerro standen auf dem Schulhof, als Pieter – Pieter! – auf sie zukam.

»Ist dein Vater der Direktor von Prince Enterprise?«, fragte er Jerro.

Mick spitzte die Ohren. Prince Enterprise war absolut führend auf dem Computerspielgebiet und weltberühmt. Alle Spiele, die was zu bieten hatten, kamen aus diesem Unternehmen.

Jerro erstarrte. »Wie kommst du denn darauf?«

»Mein Vater sagte das.« Pieter keuchte fast vor Aufregung. »Er ist auch in der IT-Branche, und als ich deinen Namen nannte …«

»Schön für deinen Vater.« Jerro wandte den Kopf ab.

»Mir war gleich klar, dass du nicht irgendwer bist«, fuhr Pieter fort. »Bei dem Leibwächter und den teuren Klamotten und so. Aber das, Mann! Warum hast du nichts gesagt? Wenn mein Vater sich Carfighters und Slash Gordon ausgedacht hätte, dürften das ruhig alle wissen.«

Ja, dachte Mick. Ich würde es auch von den Dächern schreien und dann würden sie mich nie wieder schikanieren.

»Geh du mal schön wieder zu deinen Freunden«, sagte Jerro schlecht gelaunt. »Dein Grunzkumpel findet es sicher nicht gut, dass du mit uns redest.«

Pieter blieb einfach stehen. »Lex? Der hat nichts zu finden. Er ist nicht mein Boss.«

Und ob er das ist!

»Geh trotzdem«, sagte Jerro. »Du störst. Ich war nämlich gerade in ein sehr interessantes Gespräch mit Mick vertieft.«

»Oh.« Pieter hielt kurz den Mund. Er sah Mick an. Nicht verächtlich wie sonst, sondern mit einer Spur von Respekt. »Na, dann eben später.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Jerro, als Pieter weit genug weg war.

Mick merke, wie seine Mundwinkel nach oben gingen. Es fühlte sich so an, als hätte er gerade Karriere gemacht.

»Was grinst du denn so?«, fragte Jerro.

»Ich glaube, dein Vater ist ein Trekkie«, dachte sich Mick schnell aus.

Jerro sah ihn verständnislos an.

»Prince Enterprise«, sagte Mick, mit Betonung auf Enterprise. »So heißt das Raumschiff in Star Trek auch.«

Jerro lachte. »Ich habe ihn aber noch nie Klingtonisch reden hören oder wie das heißt.«

»Klingonisch.«

»Von mir aus auch Klingonisch.«

»Warum hast du denn so geheimnisvoll getan, wenn es um ihn ging?«, fragte Mick. »Ist doch toll, dass er so ein bekannter Spieleentwickler ist?«

»Meine Eltern wollen, dass ich möglichst nicht in der Öffentlichkeit auftauche.« Jerro bekam einen verbissenen Zug um den Mund. »Sobald die Leute wissen, dass mein Vater Chef von Prince Enterprise ist, verhalten sie sich nämlich vollkommen idiotisch. Ich habe keinen Bock auf stalkende Journalisten oder Fotografen auf dem Schulhof. Übrigens ist nicht nur die Presse nervig. Auch Mitschüler fangen oft an zu schleimen, wie Pieter gerade. Sie laden mich nach Hause ein, in der Hoffnung, dass sie danach zu mir dürfen. Nicht, weil sie an mir interessiert sind. Sie wollen nur meinen ach so berühmten Vater sehen.«

So hatte Mick das noch nicht betrachtet.

»Mich interessiert es nicht, okay«, sagte er schnell. »Und wenn dein Vater Müllmann wäre.«

Jerro lächelte, aber nicht von Herzen. »Manchmal wünschte ich, er wäre es wirklich.«

Es läutete. Sie schlenderten zur Turnhalle. Alfred folgte ihnen mit ein paar Metern Abstand.

»Samstag wieder bei mir?«, fragte Mick.

»Abgemacht.« Jerro klang richtig froh. »Tuppen wir dann wieder?«

»Kommst du eigentlich zu mir oder zu meiner Mutter und Schwester?«, fragte Mick gespielt beleidigt.

»Na ja …«

Mick gab Jerro einen Schubs. »Die sind nicht mal zu Hause. Wir schauen uns einen Film an. Und wenn dann noch Zeit ist, können wir vielleicht noch ein Spiel machen.«

Sie drückten die Tür auf und betraten den Gang.

»He, Jerro!«, rief Fransje. »Ich habe gerade gehört, dass dein Vater …«

»Nichts wie weg«, raunte Jerro Mick zu.

Lex und Yannick waren schon in der Umkleide.

»Dämliche Erste Hilfe.« Missmutig warf Lex seine Tasche auf den Boden. »Warum muss das denn im Sportunterricht sein?«

Ein Sanitäter sollte heute einen Kurs geben. Mick fand das prima. Alles besser als Handball oder Hockey.

Es war Samstag. Alfred schob ganz allein Wache in der Küche der Familie Schipper. Jerro hatte es sich mit einer Tüte Chips auf dem Sofa im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Mick schob die DVD ins Gerät: Invasion of the Body Snatchers.

Der Film spielte in San Francisco. Die Leute fingen auf einmal an, sich anders als sonst zu verhalten. Sie zeigten weniger Gefühle und schauten sogar bei einem schlimmen Verkehrsunfall unbewegt zu. Gesundheitsinspektor Matthew Bennell entdeckte, dass das an den mysteriösen Samen lag, die aus dem All gesegelt waren. Aus den Samen wuchsen Blumen, die wunderschön aussahen, aber in Wirklichkeit handelte es sich um gefährliche Aliens.

»Wie originell«, höhnte Jerro.

»Pass nur auf«, sagte Mick. »Ab hier wird es spannend.«

Wenn man schlief, kamen die Blumen angekrochen, um einem den Körper zu stehlen. Es gab nur eine einzige Möglichkeit, ihnen zu entkommen: wach bleiben! Immer mehr Menschen verwandelten sich in Aliens. Es war besser, man tat so, als gehörte man zu ihnen, sonst war man sofort als Nächstes dran. Man konnte sie nur täuschen, wenn man selbst auch wie ein gefühlloser Roboter herumlief. Das Gruseligste war, dass man niemandem trauen konnte. Auch der eigene Mann, die Frau oder das eigene Kind konnten sich plötzlich in einen Alien verwandelt haben und einen verraten.

Mick fand die Schlussszene besonders spektakulär. Eine Frau sah Matthew Bennell und dachte, er sei noch immer ein normaler Mensch. Was nicht stimmte. Sobald sie ihn ansprach, zeigte er mit dem Finger auf sie, sein Mund öffnete sich sperrangelweit und er stieß einen schaurigen Schrei aus. Die Aliens hatten gewonnen.

»Nicht schlecht«, sagte Jerro, als der Abspann lief. »Vor allem dieses Hündchen mit dem Menschenkopf war ziemlich witzig.«

»Nicht schlecht?« Mick bombardierte ihn mit den Sofakissen. »Das müsste dir mal passieren. Du glaubst, dass dein Freund immer noch dein Freund ist, aber eigentlich ist er ein gefährlicher Alien.«

»Bonnell und die Frau hätten einfach ein Password vereinbaren müssen«, sagte Jerro. »Ein geheimes Wort, das nur sie beide kennen, damit sie sich gegenseitig bei jedem Treffen überprüfen können. Wenn der andere das richtige Password verwendet, ist er noch Mensch. Weiß er das Password nicht mehr, ist er ein Außerirdischer.«

»Hm.« Mick dachte kurz nach. »Okay, dann sag es.«

»Häh?«

»Was unser Password sein soll. Damit ich checken kann, ob dein Gehirn nicht von irgendeinem Alien übernommen wurde, wenn du dich auf einmal wie ein Schwachsinniger benimmst.«

Jerro brach in Lachen aus. »Gefährliches Zeug, diese Science-Fiction-Filme.«

»Das dachten Bennell und diese Frau vielleicht ja auch.«

»Dann los.« Jerro grinste immer noch. »Was hältst du von Storm?«

»Zu leicht.«

»Rothaar?«

Mick nickte. »Einverstanden.«

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