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Kapitel 2

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Quinn stieg aus dem Flugzeug und wurde von einem grauen, regnerischen Nachmittag empfangen. Natürlich. Er hatte im Laufe der Jahre nicht viel Zeit zu Hause verbracht, aber was ihm klar und deutlich in Erinnerung geblieben war, war die Nässe in Seattle. Es war eine frühlingshafte Nässe, was bedeutete, dass es zumindest warm war… mehr oder weniger. Aber kein Vergleich mit der brennenden, goldenen Sonne Spaniens. Quinn zog sein Jackett über und ging auf das Auto zu, das ihn ein paar Meter entfernt erwartete. Er fühlte sich benommen, weil er kaum geschlafen hatte, und ihm tat alles weh. Hoffentlich konnte er sich ausruhen, bevor es ernst wurde. Es zumindest versuchen.

»Willkommen zu Hause, Mr. Valenzuela«, sagte der Fahrer, als er sich ihm näherte. Quinn glaubte nicht, dass er den Mann schon einmal getroffen hatte, aber sicher war er sich nicht. Quinn nickte und versuchte, das Nicken gerade vertraut genug aussehen zu lassen für den Fall, dass er den Namen des Mannes eigentlich kennen sollte.

Er glitt auf den kühlen Ledersitz und erschauerte erneut. Es fühlte sich seltsam an, wieder zurück zu sein. Irgendwie falsch. Er hatte nicht gehen wollen, als er ein Kind gewesen war – Quinn erinnerte sich noch genau an die Tränen und den Widerstand, als seine Mutter ihm eröffnet hatte, dass er auf eine andere Schule gehen würde –, aber nachdem er eine Weile weg gewesen war, hatte es sich anders angefühlt, wenn er nach Hause gekommen war. Besonders, nachdem Porter auf der Bildfläche aufgetaucht war und praktisch Quinns Platz in der Familie übernommen hatte. Er passte mit seiner rauen Stimme, seinem Geschäftssinn und seinen breiten Schultern auch viel besser zu seinem Grandpa.

»Auf der Brücke könnte der Verkehr Richtung Osten stocken, Sir, aber Sie sollten in etwa dreißig Minuten zu Hause sein«, sagte der Fahrer.

»Vielen Dank.« Quinn nickte. Er lehnte den Kopf an die Kopfstütze und schloss die Augen. Er hatte im Flugzeug ein wenig geschlafen, aber es war dieser unruhige Halbschlaf gewesen, in den er immer fiel, wenn der Rausch nachließ, außerdem war da noch der Schock. Der Schock hatte auf jeden Fall etwas damit zu tun.

Quinn war erschöpft.

Sie fuhren vom Flughafen aus auf der I-5 nach Norden, wo der Verkehr so stark wurde, dass sie schließlich im Stau standen, als sie sich der Innenstadt nährten. Er atmete erleichtert auf, als sie auf den Highway Richtung Osten auffuhren, der sie über das Wasser nach Hause führte.

Nach Hause.

Quinn sprach das Wort in Gedanken aus. Er hatte nie wirklich das Gefühl gehabt, ein Zuhause zu haben – zumindest nicht in den letzten Jahren. Zuhause war jene luxuriöse Herberge, in der Dane, Hunter und er gerade ihr Gepäck untergebracht hatten. Kein Ort, zu dem er die Verbindung aufrechterhalten musste, wenn er die Szene satthatte.

Die Erleichterung, dass sie endlich weiterfahren konnten, verwandelte sich in Nervosität, als sie das Wasser überquert und Mercer Island erreicht hatten. So nahe war er dem Haus seit beinahe einem Jahr nicht mehr gekommen und das letzte Mal war er nur für eine Nacht dort gewesen. Quinn war versucht, das Fenster zu öffnen, den Geruch von Nässe, Grünem und Erde aufzunehmen, um herauszufinden, ob dieser ihn beruhigte. Aber sein Körper war an die spanische Sonne gewöhnt. Er würde erfrieren.

Es war eine lange, langsame Fahrt durch die Wälder zur Zufahrt des Anwesens der Familie Valenzuela. Lange genug, dass Quinn sich wünschte, er wäre wieder bei Dane und Hunter. Lang genug, dass seine Nervosität sich in brennende Übelkeit in seiner Kehle verwandelte.

Aber dann passierten sie das Tor und fuhren die lange Auffahrt hinauf, die durch Bäume und eine sorgfältig gestaltete Parkanlage führte. Schließlich hielten sie vor dem Haus an und er hatte keine andere Wahl, als auszusteigen und sich mit dem zu befassen, was ihn auf der anderen Seite der Autotür erwartete.

Einen langen Moment herrschte angespannte Stille, bis die Vordertür des Hauses aufgerissen wurde und seine Mutter – seine stilvoll gekleidete, gebildete, distanzierte Mutter – herausgestürzt kam wie ein Kind, das nach einem langen Tag seine Eltern begrüßen wollte.

»Liebling, ich bin froh, dass du hier bist«, sagte sie und zog Quinn in eine feste Umarmung, die er ebenso fest erwiderte. Seine Mom zitterte und Quinn fand, dass sie sich in seinen Armen zerbrechlich anfühlte.

»Es tut mir so leid, Mama.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und umarmte sie erneut.

»Komm schon, lass uns hineingehen«, sagte sie. Dann bedeutete sie dem Fahrer, Quinns Gepäck hineinzubringen. Davon hatte er eine Menge. Da er nicht wusste, wohin er als Nächstes reisen würde, hatte er all seine Habseligkeiten mit nach Hause gebracht. Alles war wild durcheinander in die zahlreichen Koffer und Taschen gestopft, die im Kofferraum der Limousine verstaut waren.

Er folgte seiner Mutter ins Haus und in die riesige Küche, die in traditionellem, gedecktem Weiß und Kupfertönen gestaltet war. Es gab Tee und Sandwiches. Brenda, die Haushälterin seiner Mutter, blieb in der Nähe, als wollte sie sichergehen, dass Marisol etwas aß. Quinn umarmte Brenda und gab ihr einen Kuss auf die Wange, dann nickte er. Er mochte erschöpft und immer noch ein wenig verkatert sein, aber er würde dafür sorgen, dass seine Mutter auf sich achtete.

Sie saßen lange Zeit am Tisch, den mittlerweile kalten Tee und die Sandwiches vor sich, bis Quinn es schließlich über sich brachte zu fragen.

»Wann ist die Beerdigung?« Das Wort klang so fremd aus seinem Mund. Er war noch nie zuvor auf einer Beerdigung gewesen und hatte nie jemanden gekannt, der gestorben war. Er rechnete immer noch damit, dass sein Großvater durch die Tür kam, die Hosenbeine in die Gummistiefel gesteckt, wobei er eine Spur aus geschnittenem Gras mit sich trug. Er schluckte schwer.

»Übermorgen.«

Quinn nickte. Der Knoten in seinem Bauch löste sich ein wenig, aber nicht genug, um wieder schlucken zu können. Er hatte einen Tag. Er wusste nicht, was er an diesem Tag tun sollte, um sich darauf vorzubereiten, sich von seinem Großvater zu verabschieden, aber er hatte ihn. Das war doch schon etwas wert.

Der Tag der Beerdigung war passenderweise düster. Quinn und seine Mutter hatten hektische vierundzwanzig Stunden hinter sich, in denen sie mit Hectors Assistentin zusammengearbeitet hatten, um die letzten Details zu organisieren. Das war wohl eine gute Sache. Es war einfacher, sich mit ärgerlichen Kleinigkeiten auseinanderzusetzen, als still dazusitzen und nach der Stimme zu lauschen, die seine Kindheit erfüllt hatte und die nun so offensichtlich fehlte.

Die Trauerfeier fand auf dem Friedhof statt, auf dem sein Großvater schon vor Jahren Grabstellen gekauft hatte. Quinn erinnerte sich, wie morbide und irgendwie gruselig er es gefunden hatte, als seine Mutter ihm am Telefon davon erzählt hatte.

Nun stand er hier unter den dunklen Wolken und wollte so schnell wie möglich hier weg und zurück zum Haus, wo ein Empfang für die Gäste der Trauerfeier stattfinden würde. Er wollte keinen Small Talk mit den Hunderten Freunden und Bekannten seines Großvaters führen, aber das war immer noch besser, als eine Kiste anzusehen, in der die überlebensgroße Persönlichkeit von Hector Valenzuela unmöglich Platz haben konnte. Quinn nahm die Hand seiner Mutter, als der Priester zu sprechen begann, und drückte sie. Er war sich nicht sicher, ob er sie damit beruhigen wollte oder sich selbst.

Bald ist es vorbei…

Quinn schwankte zwischen dem Gefühl der Benommenheit und des Entsetzens, während er sich die Reden anhörte und anschließend zusah, wie sein Großvater in der Erde verschwand. Dann wurde er zu dem Wagen geführt, seine Mutter stieg hinter ihm ein, danach war es tatsächlich vorbei. Er hatte im Laufe der Jahre nicht viel Zeit mit seiner Familie verbracht, und diese Tatsache machte es nicht einfacher. Vielleicht wurde es dadurch sogar schlimmer. Er fühlte sich, als hätte er etwas verpasst, als hätte er die falschen Entscheidungen getroffen. Es fühlte sich an, als wäre es zu spät.

»Brenda sagte, dass sie das Büfett schon fertig vorbereitet hat, bevor sie zum Friedhof gekommen ist«, sagte Marisol zu ihm. »Alles sollte bereit sein.«

Quinn wusste, dass seine Mutter und Brenda die Einzelheiten wieder und wieder durchgegangen waren – wahrscheinlich größtenteils, um Marisol zu beschäftigen. Er zog an ihrer Hand, bis sie sich zu ihm lehnte und den Kopf auf seine Schulter legte. Dann küsste er ihre Stirn und sagte: »Alles wird gut, Mama.«

»Ich liebe dich, mein Schatz«, flüsterte sie.

»Ich liebe dich auch.«

Vier Tage später war Quinn immer noch zu Hause. Seit er etwa fünfzehn Jahre alt gewesen und wegen Windpocken vom Internat nach Hause geschickt worden war, war er nicht mehr so lange in Seattle gewesen. Seltsamerweise hatte er kein einziges Mal den Wunsch gehabt abzureisen, obwohl Dane und Hunter ihn in den letzten Tagen mehrfach angerufen hatten. Es hatte ihm Spaß gemacht, einfach Zeit mit seiner Mutter zu verbringen – vielleicht war dies eine der Gelegenheiten, zu denen erst etwas Schlimmes passieren musste, damit man erkannte, was einem fehlte. Aber nun fühlte es sich richtig an, zu Hause zu sein. Es fühlte sich an wie Zuhause. Das war ungewohnt für Quinn.

»Ich dachte, ich mache uns Nudeln mit Pesto und Erbsen zum Abendessen«, sagte Marisol.

Quinn schaute von seinem Handy auf, wo er Dane gerade mit einer kurzen Nachricht geantwortet hatte. Brenda, die Haushälterin, kochte hin und wieder, aber Quinn wusste noch genau, wie sehr das Kochen seine Mom beruhigte, wenn sie aufgebracht war. Es schien ihr besser zu gehen als noch vor ein paar Tagen. Sie trug eine Jeans und einen modisch geschnittenen, leichten Pullover. Ihr dunkles Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden. Die dunklen Ringe unter ihren Augen waren verschwunden und sie wirkte kaum einen Tag älter als fünfunddreißig. Die meisten Leute hielten sie für Geschwister statt für Mutter und Sohn. Quinn stand auf und streckte sich.

»Brauchst du Hilfe?«, fragte er. Er hatte ein paar Wochen lang eine Affäre mit einem Chefkoch gehabt, als er in Paris gewesen war. Vielleicht hatte das auf ihn abgefärbt… obwohl sie nicht sonderlich oft gekocht hatten.

Marisol lächelte schief, als wüsste sie, woran er gedacht hatte, und legte Quinn die Hand an die Wange. »Das schaffe ich schon, denke ich.« Es war das erste ehrliche Lächeln, das er von ihr gesehen hatte, seit er angekommen war.

Quinn legte die Hand auf die seiner Mutter. »Dann leiste ich dir Gesellschaft.«

»Klingt perfekt.«

Marisol kochte und sie unterhielten sich. Quinn trank mehrere Tassen Tee und bemerkte kaum, wie die Zeit verging. Das Abendessen verlief gemütlich und ungezwungen – er selbst, Mom, Brenda und die restlichen Hausangestellten saßen am Küchentisch und aßen Nudeln, Salat und Knoblauchbrot. Überraschenderweise war es einer der schönsten Abende, die er seit Langem erlebt hatte. Quinn wusste nicht, was er davon halten sollte, deshalb beschloss er, nicht allzu genau darüber nachzudenken.

Der nächste Morgen war allerdings kein Spaß. Überhaupt nicht. Quinn trug ein Hemd und ein Jackett, aber keine Krawatte, denn dadurch fühlte er sich immer, als würde er ersticken. Er hatte gedacht, dass sie die formellen Angelegenheiten und die unangenehmen Momente hinter sich hatten, in denen ihm mitten im Gespräch mit seiner Mutter einfiel, dass Grandpa tatsächlich nicht mehr da war. Doch sie hatten es noch nicht hinter sich. Und sein Großvater war wirklich und wahrhaftig nicht mehr da. Das wurde seiner Meinung nach durch nichts deutlicher als durch das, was nun bevorstand.

Die Testamentseröffnung.

Das Geld war Quinn egal, auch wenn er vermutete, dass er sein ganzes Leben davon profitieren würde. Er wollte die Verlesung einfach hinter sich bringen, damit er aufhören konnte, darüber nachzudenken. Vielleicht war es an der Zeit, sich wieder den Jungs anzuschließen – die pralle Sonne zu genießen und mit ein paar Drinks den Schmerz hinunterzuspülen. Bei der Vorstellung zuckte er zusammen, deshalb schob er den Gedanken beiseite und schaute aus dem Fenster.

Das Testament wurde in den Büros von Sparta verlesen. Man hatte Porter ebenfalls dazu gebeten, aber anscheinend konnte er sich nicht von seinen wichtigen Geschäften loseisen. Natürlich würde es keine großen Überraschungen geben. Seine Mom und Porter würden weiterhin die Firma leiten, Mom würde die Häuser bekommen und er selbst wahrscheinlich zusätzlich zu seinem Treuhandfonds einen ordentlichen Batzen Geld. Dann konnten sie alle ihr Leben weiterleben. Er konnte nicht verstehen, warum diese große, formelle… Sache notwendig war.

Auf der Fahrt in die Firmenzentrale von Sparta Athletics hatten seine Mom und er geschwiegen. Es war so lange her, seit Quinn hier gewesen war, dass es sich unwirklich anfühlte.

Er erinnerte sich noch, wie er so manchen Tag hier verbracht hatte, als er ein Kind gewesen war, und mit seinem Großvater durch die Fabrikhallen gelaufen war. Dabei hatte er sich vorgestellt, wie er an der Seite seines Großvaters stehen würde, wenn er erwachsen war. Es war allerdings anders gekommen, und das war vielleicht das Beste für alle. Grandpa hatte Porter und Quinn hatte sein eigenes Leben, das war nun einmal so. Alles bestens.

Seine Mom streckte die Hand aus und legte sie auf seine. »Ich weiß, dass es schwer ist, mein Schatz. Es ist bald vorbei, okay?«

»Ja. Ich wünschte mir bloß, wir müssten das nicht über uns ergehen lassen.«

Sie gab einen mitfühlenden Laut von sich. »Was hast du danach vor?«

Er wusste nicht, ob sie den Nachmittag meinte oder im Allgemeinen. Doch Quinn hatte auf beides keine Antwort, deshalb spielte es wohl keine Rolle.

»Ich werde wohl zu den Jungs reisen.« Er zuckte mit den Schultern. Allein der Gedanke, ein Flugzeug zu dem nächstgelegenen Hafen am Mittelmeer zu besteigen, um an Bord einer Jacht zu gehen, erschien ihm plötzlich viel zu aufwendig zu sein. »Vielleicht auch nicht. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.«

»Vielleicht könntest du für eine Weile hierbleiben?«, meinte Marisol. Sie drückte seine Hand. »Es ist schön, dich hier zu haben.«

»Mama?«, sagte Quinn.

»Ja?«

»Warum hast du mich weggeschickt, als ich ein Kind war?« Das hatte er sie nur ein einziges Mal weinend am Tag seiner Abreise gefragt. Die Antwort seiner Mutter hatte gelautet: »Das tun Jungs eben, wenn es an der Zeit ist, zur Schule zu gehen.« Er wusste, dass das Unsinn war. Trotz all der Jahre, während deren sie sich kaum gesehen hatten, waren seine Mutter und er noch gute Freunde. Er fragte sich, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn er zu Hause aufgewachsen wäre.

Sie seufzte. »Ich dachte, ich tue das Richtige, Baby. Du darfst nicht vergessen, wie jung ich war, als du ins Internat gegangen bist. So alt wie du jetzt. Ich wollte dir einfach die Möglichkeiten bieten, die das Vermögen meiner Familie mir nicht geben konnte.«

Wegen dem, was ich getan habe…

Das wurde angedeutet, aber niemals laut ausgesprochen. Denn die reiche, behütete Marisol Valenzuela hatte eine einzige wilde Nacht erlebt, als sie fünfzehn war, und das Ergebnis davon war Quinn. Und sie hatte die letzten sechsundzwanzig Jahre mit dem Versuch verbracht, es wiedergutzumachen. Quinn hatte ihr die Schuld gegeben, dass er fortgeschickt worden war, als er noch jung war, aber er hatte keine Ahnung, was er an ihrer Stelle getan hätte. Sie hatte Anerkennung für ihn gewollt. Ihn in die richtigen Kreise einführen wollen. Er bezweifelte, dass sie dabei Ibiza und Mykonos im Sinn gehabt hatte. Aber die Dinge entwickelten sich nicht immer, wie man es sich vorstellte.

»Vielleicht bleibe ich eine Weile«, sagte Quinn. Er drückte ihre Hand und sie erwiderte die Geste.

Er kannte seine Mutter größtenteils von E-Mails und Telefonaten. Vielleicht war es an der Zeit, das zu ändern. Er hatte in nächster Zeit sowieso nichts anderes zu tun.

Es war Jahre her, seit Quinn im Büro seines Großvaters im Sparta Athletics-Komplex gewesen war. Nichts hatte sich verändert. An den Wänden war immer noch die gleiche Holzvertäfelung, die mit gerahmten Bildern der Sportschuhe und Sportkleidung von Sparta dekoriert war. Quinn holte tief Luft. Es roch auch immer noch genauso. Er dachte, dass er den Geruch vergessen hätte, aber anscheinend war es nicht so.

Porter saß bereits wartend auf einem der Stühle. Er stand auf und umarmte Marisol lange, dann schüttelte er Quinn steif die Hand. Quinn hatte schon verstanden. Porter mochte ihn nicht. Das hatte er ihm jedes einzelne Mal vermittelt, wenn sie sich in der Vergangenheit über den Weg gelaufen waren.

Er wusste nicht, was er getan hatte, um den Blödmann zu verärgern – war er zu schwul? Zu hübsch? Quinn wusste, dass Porter ein ehemaliges Tennis-Ass war, das nach einer Knieverletzung bei Quinns Großvater untergekommen war. Er hatte einen Abschluss in Wirtschaft und eine Art, mit Quinns Grandpa umzugehen, für die jedermann ihn liebte. Er hatte die Erfolgsleiter schnell erklommen und war mittlerweile schon seit einer Weile für das Tagesgeschäft verantwortlich. Er war eingebildet, nicht sonderlich umgänglich und Quinn konnte ihn nicht leiden. Zu dumm, dass er einfach hinreißend war. Zumindest sein Äußeres.

Nachdem sich Porter und Marisol eine Weile unterhalten hatten, während Quinn peinlich berührt aus dem Fenster gesehen hatte, betrat der Anwalt das Büro. Nur sie drei und Hectors Anwalt saßen am Konferenztisch, deshalb dauerte es nicht lange, bis die Formalitäten begannen. Leider waren sie nicht genauso schnell abgehakt.

Beinahe eine Stunde später dachte Quinn, man könnte sie genauso gut in diesem Büro begraben, so lange dauerte das Meeting nun schon. Zum größten Teil ging es um die Leitung von Sparta, inklusive der Provisionen für Porter, der seine Position als Chief Operations Officer weiterhin bekleiden sollte, inklusive einer saftigen Gehaltserhöhung. Während dieser Ausführungen schweiften Quinns Gedanken ab, denn sein Großvater hatte es geliebt, anderen detailliert zu sagen, was sie tun sollten. Die Angelegenheiten um Sparta betrafen aber nur seine Mom und Porter. Erst als der Anwalt seinen Namen nannte, wurde Quinn aufmerksam.

»Quinn Valenzuela, meinem Enkelsohn, hinterlasse ich meine Mehrheitsanteile an Sparta Athletics unter der Bedingung, dass er in das Tagesgeschäft eingebunden wird. Für den Fall, dass er daran nicht interessiert ist, gehen die Anteile an Marisol Valenzuela, meine Tochter.«

Moment… was?

Schlagartig war Quinn wach. Mehrheitsanteile an Sparta. Sparta. Vielleicht würde er es begreifen, wenn er das Wort wiederholte.

»Wieso?«, unterbrach er den Anwalt, der gerade damit beschäftigt war, das Familienanwesen seiner Mutter zuzusprechen.

»Entschuldigung?«, fragte der Anwalt.

»Warum hat er mir die Firma hinterlassen?«

Marisol und Porter starrten ihn an. Es musste kindisch wirken, dass er damit so herausgeplatzt war, aber wieso? Wieso? Er war sprachlos.

Der Anwalt räusperte sich und fuhr fort: »Das Häuschen auf Whidbey Island geht zu gleichen Teilen an Porter Davis und Perry Davis. Marisol Valenzuela erhält die Eigentumswohnung auf Waikiki, die Villa in Valencia und den Hauptsitz der Familie.«

Danach ging das Treffen schnell zu Ende – Quinn wusste, dass gesprochen wurde und Hände geschüttelt wurden, aber er war in Gedanken woanders. Sein Großvater hatte wirklich erwartet, dass er Sparta leiten würde. Quinn hatte noch nie einen Job gehabt und schon gar nicht eine riesige Firma geleitet. Er war nicht auf dem College gewesen. Er hatte noch nicht einmal eine Steuererklärung gemacht. Sein Großvater hatte offensichtlich den Verstand verloren. Eine andere Erklärung gab es nicht. Er würde seiner Mutter die Anteile geben. Sein Treuhandfonds war üppig genug, dass er praktisch für den Rest seines Lebens sehr gut davon leben konnte. Es war… Es war verrückt.

Quinn bemerkte, dass Porter aufstand und ging. Die ganze Zeit über hatte er Quinn kaum angesehen, wie bei den wenigen Gelegenheiten, zu denen sie sich zuvor begegnet waren. Er sah, wie ein Muskel in dem hübschen, scharf geschnittenen Gesicht des Arschlochs zuckte, und es freute Quinn ein wenig, dass er offensichtlich verärgert war. Zu dumm. Sie waren praktisch Fremde. Er würde darüber hinwegkommen, was auch immer er für ein Problem mit Quinn hatte, sobald dieser wieder fort war.

Denn er würde nicht bleiben.

Allein der Gedanke war verrückt.

Nicht wahr?

Ein paar Stunden später stürmte Porter in das Hausboot, das er sich mit Perry teilte, und wollte am liebsten jemanden erwürgen. Aber er begnügte sich damit, die Tür zuzuschlagen. Und zwar fest.

»Hey!«, rief Perry. »Du hast mich erschreckt. Fast hätte ich Nagellack auf die Couch geschmiert, Mann.«

Er stürmte auf dem Weg ins Wohnzimmer durch die Küche und packte eine Handvoll Küchentücher, die Perry unter ihre Füße legen sollte. Ihm war nicht danach, nach allem, was heute passiert war, auch noch zu versuchen, Nagellack von der perlgrauen Wildledercouch zu entfernen.

»Hector ist verrückt«, knurrte er.

Perry schaute auf und hob die Augenbrauen. Ihr Nagellackpinsel schwebte über den Tüchern, die er demonstrativ auf der Couch platziert hatte. »Ist es nicht respektlos, so von den Toten zu reden?«, fragte sie. »Außerdem erschien er mir vollkommen gesund.«

Porter hasste es, ihr die wenige Freizeit mit einer Tirade zu verderben, aber er musste mit jemandem reden. »Er hat die Mehrheitsanteile an der Firma Quinn hinterlassen. Der verwöhnten Prinzessin, die wahrscheinlich nicht einmal ihre eigenen Schnürsenkel binden kann, geschweige denn die Firma leiten, die sie herstellt.«

Perry neigte den Kopf zur Seite. »Was hast du denn gedacht, wem er sie hinterlässt? Dir etwa?«

»Selbstverständlich nicht«, schnaubte Porter – trotz der winzigen Hoffnung tief in seinem Inneren, von der er niemals zugeben würde, dass sie da war. »Ich habe damit gerechnet, dass Marisol sie bekommt. Schließlich sitzt sie im Aufsichtsrat. Das hätte Sinn ergeben, aber das ist Irrsinn.«

Seine Schwester zuckte mit den Schultern und Porters Ärger wuchs. »Vielleicht wird er die Position nur dem Namen nach bekleiden, aber alles andere bleibt wie gehabt.«

»Nein, das geht nicht«, knurrte Porter, »denn er bekommt die Anteile nur unter der Bedingung, dass er sich an der Leitung von Sparta beteiligt. In Vollzeit. Das ist so ein idiotischer Versuch von Hector, ihn dazu zu bewegen, nach Hause zu kommen, damit Marisol nicht allein ist. Es muss eine andere Möglichkeit geben.«

Allein beim Gedanken daran, das selbstzufriedene Gesicht dieses verwöhnten Bengels jeden Tag zu sehen, wollte Porter schreien. Er war sich nicht sicher, warum genau er so negativ auf Quinn Valenzuela reagierte, aber allein bei dem Gedanken daran, mit ihm arbeiten zu müssen, hätte Porter liebend gern auf irgendetwas eingeschlagen.

»Vielleicht will er es nicht tun?«, meine Perry.

»Schwesterherz, diese Anteile sind Millionen wert. Hunderte und Aberhunderte Millionen.«

»Er hat bereits eine Menge Geld. Ich kenne ihn nicht persönlich, aber nach dem, was du mir erzählt hast, scheint Quinn nicht der typische Bürohengst zu sein.«

Damit meinte Perry Porters schonungslose Tiraden darüber, wer es verdient hatte, Teil der Familie Valenzuela zu sein, und wer nicht.

»Was du nicht sagst.« Quinn hatte absolut gar keine Erfahrung, soweit Porter wusste. Genau die Art Mensch, die in einer Firma der Größe von Sparta auf keinen Fall das letzte Wort haben sollte. Hatte er schon erwähnt, dass er Hector für verrückt hielt? Wer legte diese Art von finanzieller Macht und Verantwortung in die Hände eines verwöhnten Partyboys?

»Komm mir nicht so. Ich versuche nur, dir zu sagen, dass er die Anteile vielleicht gar nicht will. Was passiert dann?«

»Dann gehen sie an Marisol.«

»Na bitte. Warte einfach ab. Ich weiß, das ist nicht deine Stärke, aber warte ab, bevor du dich hineinsteigerst.«

»Oh, und uns hat er ein Strandhaus vermacht. Es wurde als Häuschen bezeichnet, aber ich war schon einmal dort. Es ist eher eine Villa. Du wirst sie lieben.«

Da riss Perry die Augen auf. »Was meinst du damit?«

»Hector hat dir und mir das Haus auf Whidbey Island hinterlassen. Ich weiß nicht wieso, aber es ist wunderschön.«

»Er hat uns ein Haus hinterlassen?«, flüsterte Perry. »Einfach so?«

»Eine weitere Sache, die ich nicht verstehe.« Ein Familienanwesen für Porter, Firmenanteile für Quinn – es war alles so seltsam. So seltsam.

»Ich kann nicht glauben, dass du hier sitzt und dich über Quinn beschwerst, wenn Hector uns ein Haus hinterlassen hat.«

»Ich kann den Jungen nicht ausstehen.«

»Was du nicht sagst.« Perry schüttelte amüsiert den Kopf. »Ein Haus…«

»Hey, ich glaube, ich muss eine Weile laufen gehen.«

»Wir besitzen eine Villa?«, fragte Perry erneut.

»Ich zeige dir die Bilder, wenn ich zurück bin.«

Porter stieg die Treppe zu seinem Schlafzimmer hinunter und zog langsam Laufkleidung und Laufschuhe an. Dann setzte er sich hin und starrte die Wand an, wie er es in den letzten Tagen oft getan hatte. Hector war nicht mehr da. Einer seiner besten Freunde, eine Vaterfigur, jemand, den Porter jahrelang jeden Tag gesehen hatte. Er war nicht mehr da. Und er schien es amüsant gefunden zu haben, ein heilloses Durcheinander zu hinterlassen, um das sie sich nun kümmern mussten.

Er hoffte bloß, dass sie das schaffen würden.

Spiel, Satz & Herz

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