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Demaskierung

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Als Alexander am nächsten Freitag zurückkehrte, ließ er sich nicht anmerken, ob er ebenfalls auf dem Maskenfest gewesen war. Er sprach nicht darüber, und auch auf Maries Andeutungen ging er nicht ein. Allmählich zweifelte Marie selbst daran, diesen Abend der Lust erlebt zu haben. Sollte sie über das Geschehene und Erlebte schweigen? Ihn zur Rede stellen, die Party erwähnen? Sich die Bestätigung holen, dass er ebenfalls dort war?

Einige Tage nach seiner Rückkehr hielt sie die Unsicherheit nicht mehr aus und setzte an: »Als du länger in London bleiben musstest …« Dann verließ sie der Mut.

Alexander sah auf. »Was ist damit?«

»Hattest du eigentlich Erfolg bei deinem Geschäftstermin?«

Sein Ton war belustigt. »Wie immer. Seit wann interessierst du dich für meine Geschäftstermine?«

»Wann bist du noch mal zurückgekommen?«

Er runzelte die Stirn. »Das weißt du doch. So lange ist das doch nicht her. Du hast doch sonst ein gutes Gedächtnis.«

Marie wusste nicht weiter. Also schwieg sie.

In den nächsten Tagen war Alexander zärtlicher und liebevoller als je zuvor, und Maries Bedenken und Zweifel schwanden. Wenn er da gewesen war, liebte er sie darum nicht weniger, und wenn nicht … Sie zwang sich dazu, die Erinnerung an den lustvollen Abend in den tiefsten Winkel ihrer Erinnerungen zu verbannen, und mit der Zeit dachte sie immer seltener daran.

Eines Nachmittags spazierten Marie und Alexander durch eben jenen Park, der Zeuge ihres Gesprächs mit David gewesen war. Sie glaubte an ein Déjà-vu, als hinter einer Wegbiegung eben jener David auf sie zukam. Damals wirkte er traurig und resigniert. Aber heute schien er viel aufgebrachter. Sie fürchtete das Schlimmste, denn wie er auf Alexander zustampfte, glich David einem Racheengel. Alexanders Gesichtsausdruck verhärtete sich, als er ihn sah.

David baute sich vor Alexander auf. »Du findest auch immer wieder eine Dumme, die sich von dir verführen lässt, oder?« Er warf Marie einen verächtlichen Blick zu.

Sie fühlte sich von seinen Worten gegeißelt. David musste sie erkannt haben, natürlich, und annehmen, Alexander habe sie in seinen Sumpf hineingezogen. Dass er ihm damit Unrecht tat, blieb ihr im Halse stecken. Zu sehr schämte sie sich. War sie dumm, Alexanders Charme zu erliegen? Nein, sie bereute es nicht. War es dumm, zu dem Fest gegangen zu sein? Sie presste die Lippen zusammen. Letztlich war es ihre Entscheidung gewesen.

David beschimpfte Alexander weiter: »Du verfluchter Satan! Was wirst du tun, um wiedergutzumachen, was du meiner Schwester angetan hast?« Obwohl deutlich kleiner als sein Kontrahent, wirkte David mit einem Mal sehr bedrohlich, wie er so die Fäuste ballte und Anstalten machte, sich auf Alexander zu werfen.

Mut hat er ja, dachte Marie. Dennoch sorgte sie sich um ihn. Alexander war stärker, mächtiger und vor allem ziemlich wütend. Jäh durchzuckte sie die Erinnerung an den Abend, da er ihr wehgetan hatte, und sie bekam Angst. Alexander war unberechenbar.

»Du schon wieder. Halt dich von mir und Marie fern! Du bist ja geradezu besessen. Liegt der Wahnsinn bei euch in der Familie? Ich wünschte …« Seine Kiefermuskeln mahlten. »Ich wünschte, deine kranke Familie würde ein für alle Mal aus meinem Leben verschwinden!« Gefährlich glitzerten seine Augen. Marie erschrak über die Härte in seiner Stimme.

David kam näher. Seine Augen schickten Blitze, aber noch rührte sich keiner der Männer. Marie wollte Alexander fortziehen, packte ihn sachte am Arm, doch er schüttelte ihre Hand ab.

»Du spielst dich immer auf wie ein Heiliger, aber ich habe dich gesehen. Wolltest wohl selbst meine Schöne vernaschen – oder hast du es vielleicht?«

Marie schluckte. Nun war es also ausgesprochen: Alle drei waren sie bei dem Fest gewesen, nun waren die Masken gefallen. Ängstlich wartete sie ab, was passieren würde.

Davids Mundwinkel zuckten, als werde er gleich in Tränen ausbrechen. Abrupt drehte er sich um und verschwand zwischen den Bäumen.

»Und nun zu dir.« Alexanders Stimme war ganz leise.

Das ist noch viel erschreckender, als würde er brüllen, dachte Marie.

»Glaubst du, ich wüsste nicht, dass du dort warst? Dass du mir hinterherspioniert hast?«

Sie schluckte, konnte nichts erwidern.

Er taxierte sie kalt, abschätzig. »Du scheinst den Abend jedenfalls sehr genossen zu haben, mehr, als ich es gedacht hätte.«

Marie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht mit seinen Worten in Einklang bringen. Er sah verletzt aus. War er doch eifersüchtig? »Na und? Ich bin kein junges, unerfahrenes Mädchen, das wissen wir beide. Anders als die Schwester von David. Warum bist du so grausam zu ihr gewesen? Bist du auch noch stolz darauf?«

»Du hast keine Ahnung, wie das damals war. Also schweig lieber.«

»Wollte sie nicht mitmachen bei deinen kranken Spielchen?«, fauchte Marie ihn an.

»Ach, jetzt sind es kranke Spiele, aber als du vor Lust geschrien hast, dass der ganze Saal verstummte, und nicht genug Hände auf dir haben konntest, da war alles gut, ja?«

Seine kehlige Stimme ließ sie erschauern, und sie hasste sich dafür. Heiß schoss ihr das Blut in die Wangen. Aus seinem Mund klang es … widerwärtig. Es war eine Sache, im Dunkeln seinen sinnlichen Gefühlen und Trieben nachzugehen, jedoch eine ganz andere, es bei Tageslicht von Alexander vorgehalten zu bekommen.

»Du hast doch immer gesagt, ich soll mich fallen lassen«, spuckte sie ihm fast entgegen. »Jetzt verurteilst du mich dafür? Du könntest doch zufrieden sein. Ich …« Ihre Lippen begannen zu zittern. »Ich habe es nur für dich gemacht.« Dann schwieg sie abrupt.

Er lachte trocken auf. »Das glaubst du doch selbst nicht. Du wusstest nicht einmal, ob ich dabei war. Spiel dich nicht als Heilige auf. Das hatte ich schon einmal.«

»Ich gehe.«

»Das tust du nicht! Was glaubst du, was deine Eltern dazu sagen werden, wenn ihr Töchterchen mit den guten Noten und dem perfekten Leumund als die Sensation bei einer Orgie bekannt werden würde?«

»Wag es nicht!«

»Sonst?«

Sie beantwortete seine Frage nicht – hätte sie auch nicht beantworten können –, sondern ließ ihn einfach stehen. Eine Weile irrte sie ziellos durch den Park, bebend vor Wut. Was bildete er sich ein, sie zu verurteilen, sie erpressen zu wollen? David hatte recht: Alexander war ein Schwein! Von so einem würde sie sich nicht den Mund verbieten lassen – sollte er doch reden! Doch dann malte sie sich die Konsequenzen aus und blieb stehen.

Für ihre Eltern wäre es das gesellschaftliche Ende. Ihre Mutter würde vor Scham vergehen, ihr Vater würde die Achtung seiner Geschäftspartner verlieren. Es spielte keine Rolle, dass Alexander sie dorthin gebracht hatte. Mitgemacht hatte sie ganz allein. Was sollte sie nur tun?

Alexander hatte sie inzwischen eingeholt und flüsterte ihr ins Ohr: »Du gehörst zu mir, und wenn du ehrlich bist, gibst du zu, dass dich diese Feste ebenso erregen wie mich. Dass du in deinen Tiefen dieselbe Düsternis verspürst wie ich. Also spiel mir nicht mit einem Mal die keusche Unschuld vor!«

Glasklar sah sie ihren Weg vor sich: Sie würde sich nicht länger manipulieren lassen! Entschlossen stieß sie ihn von sich. »Wenn du es unbedingt wissen willst: Ja, es hat mich erregt. Die Dunkelheit, das Ungewisse. Ja, ich begehre dich auf eine fast kranke Art. Ja, die Gier macht mir Angst, aber nein, ich lasse mich nicht erpressen, schon gar nicht mit meinen Eltern!«

»Ich will dich doch nicht erpressen, ich will dich nur … Marie!«

Doch sie hörte nicht mehr zu. Hoch erhobenen Hauptes, innerlich aber zitternd, wie die arme Julia gezittert haben musste, riss sie sich los und lief zu einem nahe gelegenen Taxistand. Dem Fahrer nannte sie Alexanders Adresse, die nicht mehr ihre sein würde. Ihr Entschluss stand fest: Sie würde Alexander verlassen.

Dort angekommen packte sie eilig ihre Sachen. Viel war es nicht, das sie bei ihm hatte; sie bekam alles in zwei Koffern unter.

Mit einem tiefen Seufzer betrachtete sie ihre Nofretete und steckte sie in die Tasche. Die winzige, kostbare Büste erinnerte sie an die schönen Zeiten mit Alexander. In dem Moment, als der Verschluss ihres Koffers zuschnappte, öffnete sich die Tür.

Alexander trat ins Schlafzimmer und umfasste die Lage mit einem Blick. Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Du willst also wirklich gehen? Die verrückte Julia ist dir wichtiger, als ich es bin? Wer gibt dir das Recht, zu moralisieren?«

Marie packte mit scheinbarer Gelassenheit weiter ihre Sachen zusammen, obwohl sie wankte. Wenn sie jetzt nicht ginge, wäre sie verloren, ihm ausgeliefert. Und wer weiß, ob sie nicht doch irgendwann enden würde wie Davids Schwester. Langsam schloss sie ihre Tasche. »Du wirst mich nicht aufhalten. Ich gehe zu meinen Eltern.«

»Heim zu den Eltern? Das sieht dir gar nicht ähnlich. Wieder die brave Tochter spielen, wenn dir der Abgrund zu gefährlich scheint. Vergessen all die kühnen Sätze wie: ›Ich kenne keine Angst‹ – feige, das bist du!«

Marie stürmte an ihm vorbei, rannte aus der Wohnung, ließ dabei ein Stück ihres Herzens zurück …


Heartbeat - Eine Sehnsuchtsmelodie

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