Читать книгу Ein Juwel für Könige - Морган Райс, Morgan Rice - Страница 14
KAPITEL SECHS
Оглавление“Ich bin Lady Emmeline Constance Ysalt D’Angelica, Marquise von Sowerd und Lady of the Order of the Sash!“, schrie Angelica in der Hoffnung, dass jemand sie hören würde. Sie hoffte, dass ihr ganzer Name Aufmerksamkeit erregen würde, wenn schon nichts anderes das tat. „Ich werde gegen meinen Willen getötet!“
Der Wachmann, der sie zog, sah nicht besorgt über ihr Schreien aus, was Angelica sagte, dass es keine echte Chance gab, dass sie jemand hörte. Niemand würde helfen. An einem Ort mit so vielen Grausamkeiten wie im Palast waren die Diener daran gewöhnt, die Hilfeschreie zu ignorieren, blind und taub zu sein, außer ihre Herrscher sagten ihnen, es nicht zu sein.
„Ich werde das nicht zulassen“, sagte Angelica und versuchte ihre Stiefel in den Boden zu stemmen und stehen zu bleiben. Der Wachmann zog sie einfach weiter, der Größenunterschied war zu groß. Sie schlug stattdessen nach ihm und traf hart genug, sodass ihre Hand danach schmerzte. Für einen Moment wurde der Griff des Wachmannes lockerer und Angelica drehte sich, um zu rennen.
Der Wachmann war in Sekunden bei ihr, griff nach ihr und schlug sie, sodass es in Angelicas Kopf zu klingeln begann.
„Sie können nicht …. Sie können mich nicht einfach schlagen“, sagte sie. “Die Menschen werden das wissen. Sie wollen das doch wie einen Unfall aussehen lassen. Er schlug sie erneut und Angelica hatte das Gefühl, das er es einfach tat, weil er es konnte.
„Nachdem du von einem Gebäude gefallen bist, wird niemand mehr eine Beule bemerken“, sagte er. Er hob sie hoch und trug sie so einfach über seiner Schulter, als wenn sie ein eigensinniges Kind wäre. Angelica hatte sich noch nie so hilflos gefühlt, wie in dem Moment.
„Schrei noch einmal“, warnte er sie, „und ich schlage dich erneut.
Angelica tat es nicht, wenn auch nur weil es keinen Unterschied zu machen schien. Sie hatte niemanden auf dem Weg hierher gesehen, entweder, weil jeder noch mit der Hochzeit beschäftigt war, die nicht stattgefunden hatte oder weil die Witwe alle sorgfältig in Vorbereitung aus dem Weg geschafft hatte. Angelica traute ihr das zu. Die Frau hatte es so geduldig und grausam wie eine Katze geplant, die vor einem Mäuseloch wartete.
„Sie müssen das nicht tun“, sagte Angelica.
Die Wache antwortete nur mit einem Achselzucken, das sie an ihrer Stelle auf seiner Schulter drängte. Sie gingen durch den Palast, auf Wandeltreppen hoch, die immer enger wurden, je höher sie gingen. Einmal setzte der Wachmann Angelica ab, um irgendwo durchzugehen, aber er hielt sie am Haar fest und zog sie mit einer Heftigkeit hinter sich her, die Angelica vor Schmerz aufschreien ließ.
„Sie könnten mich gehen lassen“, sagte Angelica. „Niemand wird es erfahren.“
Der Wachmann schnaubte dabei. “Niemand würde es merken, wenn du wieder am Hof auftauchst oder bei deiner Familie? Die Spione der Witwe würden es nicht merken, wenn du am Leben bist?“
„Ich könnte gehen“, versuchte Angelica. Die Wahrheit war, dass sie wahrscheinlich gehen müsste, wenn sie leben wollte. Die Witwe würde es nicht bei diesem Mordversuch belassen. „Meine Familie hat Geschäfte so weit weg über dem Meer, dass es von dort kaum Nachrichten gibt. Ich könnte verschwinden.“
Der Wachmann schien nicht beeindruckter als von der letzten Idee. „Und wenn ein Spion dich erwähnt? Nein, ich werde meine Aufgabe erfüllen.“
“Ich könnte Ihnen Geld geben“, sagte Angelica. Sie kamen jetzt höher. So hoch, dass sie bei dem Blick aus den schmalen Fenstern die Stadt wie Kinderspielzeug unter sich sehen konnte. Vielleicht sah die Witwe sie so: ein Spielzeug, dass für ihre Belustigung zusammengestellt wurde.
Das hieß auch, dass sie schon fast auf dem Dach sein mussten.
„Wollen Sie Geld“, forderte Angelica. „Ein Mann wie Sie verdient sicherlich nicht gut. Ich könnte Ihnen genug geben, sodass Sie ein reicher Mann werden.“
„Sie können mir nichts geben, wenn Sie tot sind“, wies der Wachmann sie darauf hin. „Und ich kann es nicht ausgeben, wenn ich es bin.“
Eine kleine Tür lag vor ihnen, eine Eisentür mit einem einfachen Verschluss. Angelica dachte, dass der Weg zu ihrem Tod, irgendwie mehr Drama dabei haben sollte. Dennoch ließ nur der Anblick bei ihr wieder Angst aufsteigen und sie zog sich zurück, während der Wachmann sie nach vorne drängte.
Wenn Angelica einen Dolch besessen hätte, hätte sie ihn benutzt, während er die Tür aufschloss und sie öffnete und die kalte Luft sie erfasste. Wenn sie ein scharfes Essmesser hätte, dann hätte sie zumindest versucht, ihm die Kehle damit durchzuschneiden, aber das hatte sie nicht. In ihrem Hochzeitskleid hatte sie es nicht. Das Einzige, was sie hatte, waren ein paar Puderdosen, damit sie ihr Make-up auffrischen konnte, ein Beruhigungsmittel, das dazu gedacht war, die Nerven zu beruhigen und … das war es. Das war alles was sie dabei hatte.
Alles andere war irgendwo da unten, versteckt als Ergebnis ihrer Hochzeit.
“Bitte”, bat sie und sie musste sich nicht allzu viel Mühe geben, um hilflos auszusehen, “wenn Sie kein Geld wollen, was ist dann mit Anstand. Ich bin nur eine junge Frau, gefangen in einem Spiel, das ich nicht wollte. Bitte helfen Sie mir.“
Der Wachmann zog sie aufs Dach. Es war flach mit Krenulationen, die nichts mit echtem Schutz zu tun hatten. Der Wind zerrte an Angelicas Haar.
„Glaubst du, ich glaube irgendwas davon?“, fragte der Wachmann. „Das du einfach nur ein unschuldiges kleines Ding bist? Du kennst die Geschichten, die man über dich im Palast erzählt, Milady?“
Angelica kannte die meisten. Sie legte Wert darauf, zu wissen, was Leute über sie sagten, sodass sie sich später rächen konnte.
„Sie sagen, dass du eingebildet und grausam bist. Das du die Menschen schon ruinierst, nur weil sie in einem falschen Ton mit dir sprechen und das du für Rivalinnen das Zeichen der Leibeigenen auftätowierst, wo früher keins war. Glaubst du, du verdienst Gnade?“
„Das sind Lügen“, sagte Angelica. „Sie sind –„
„Es ist mir ohnehin egal.“ Er zog sie in Richtung der Brüstung. „Die Witwe hat mir einen Auftrag gegeben.“
“Und was werden Sie machen, wenn Sie diese erfüllt haben?”, fragte Angelica herausfordernd. „Glauben Sie, Sie lässt Sie leben? Wenn die Vereinigung herausfindet, dass Sie eine Adlige getötet hat, wird sie entthront.“
Der große Mann zuckte die Achseln. „Ich habe schon vorher für sie getötet.“
Er sagte es, als wenn das nichts wäre und Angelica wusste in dem Moment, dass sie sterben würde.
Was immer sie sagte, was immer sie versuchte, dieser Mann würde sie töten. So wie es aussah, genoss er es auch noch.
Er schob Angelica in Richtung Kante und sie wusste, es würde nur noch Sekunden dauern, ehe sie fiel. Unerklärlicherweise dachte sie an Sebastian und die Gedanken waren nicht die hasserfüllten, die sie hätte haben sollen, wenn man bedachte, wie er sie verlassen hatte. Angelica konnte nicht verstehen, warum das so war, wenn er doch nichts weiter als der Mann war, den sie als Ehemann auserspäht hatte, um ihre Position zu erweitern, ein Mann für den sie bereit war ihn mit Schlafpulver ins Bett zu locken…
Ein Gedanke kam ihr. Es war ein verzweifelter, aber in dem Moment war alles verzweifelt.
„Ich könnte Ihnen was Wertvolleres als Geld anbieten“, versuchte Angelica es erneut. „Etwas Besseres.“
Der Wachmann lachte, hielt aber dennoch inne. „Was?“
Angelica griff nach ihrem Gürtel und zog eine kleine Schnupftabakschachtel mit Beruhigungsmittel heraus, hob sie hoch, als wenn sie das kostbarste auf der Welt wäre. Der Wachmann ließ sie in Ruhe und schaute schon fast wie in Trance, während er versuchte herauszufinden, was es war. Vorsichtig öffnete Angelica die Schachtel.
“Was ist das?”, wollte der Wachmann wissen. „Es sieht aus wie –“
Angelica blies kräftig und das Puder verteilte sich in seinem Gesicht, während er nach Atem rang. Sie warf sich nach links, als er nach ihr griff und hoffte, dass sie ihm ausweichen konnte, während er immer noch mit dem Puder in seinen Augen kämpfte. Eine fleischige Hand legte sich um ihren Arm und beide drückten sich in Richtung Kante des Palastdaches.
Angelica wusste nicht, welche Wirkung das Beruhigungsmittel haben würde. Es hatte immer schnell funktioniert, wenn sie es genutzt hatte, aber es war normalerweise nur eine kleine Dosis mit wenig Auswirkung. Was würde eine größere Dosis bei einem Mann mit dieser Größe auslösen und würde sie genug Zeit haben, ehe etwas passierte?
Angelica fühlte bereits die Kante des Daches an ihrem Rücken, der Himmel war sichtbar, als der große Mann an ihr zog.
„Ich werde dich töten!“, rief der Wachmann und das Beste was Angelica darüber sagen konnte, war, dass die Worte eher undeutlich aus seinem Mund kamen. Wurde sein Griff schwächer? War der Druck gegen sie geringer?
Sie wurde jetzt so weit zurückgedrängt, dass sie schon den Boden unter sich sehen konnte und die dort herumlaufenden Diener und Adligen. Eine weitere Sekunde und sie würde auf das Kopfsteinpflaster des Hofes fallen und aufschlagen und so sicher wie ein fallen gelassener Pokal zerschellen.
In dieser Sekunde fühlte Angelica, wie der Griff des Wachmannes schwächer wurde. Nicht viel, aber genug, um sich in seinem Griff zu winden und herauszugleiten und ihn mit dem Rücken in den leeren Himmel zu stellen.
“Du hättest das Geld nehmen sollen”, sagte sie und drängte ihn nach vorne, sie schob mit all ihrer Kraft. Der Wachmann taumelte für eine Sekunde am Rand des Geländers, dann stürzte er nach hinten, seine Arme schlugen in der Luft.
Nicht nur in der Luft. Einer schaffte es nach ihr zu greifen und Angelica wurde nach vorne an den Rand und darüber gezogen. Sie schrie und griff nach dem Nächstbesten was sie finden konnte. Ihre Finger fanden ein Stück Mauerwerk, verloren den Halt und fanden ihn wieder, während der Wachmann weiter unter ihr taumelte. Angelica schaute gerade lange genug herunter, um seinem Fall zuzusehen. Sie fühlte einen kurzen Moment der Befriedigung, als er aufschlug, der aber schnell von der Angst ersetzt wurde, an der Seite der Burg zu hängen.
Angelica suchte nach einem festen Griff, sie versuchte etwas zu finden, an dem sie sich festhalten konnte. Ihre Füße hingen einen Moment in der Luft, dann schaffte sie es, Halt auf der rauen Seite eines Wappenschilds aus Steins zu finden. Angelica bemerkte mit schwacher Belustigung, dass es kein königliches Wappen war, aber sie fühlte auch Erleichterung von der Tatsache, dass es überhaupt da war. Ohne das Wappen würde sie jetzt zweifellos so tot sein, wie die Witwe es sich für sie wünschte.
Das Klettern zurück aufs Dach schien ewig zu dauern, Angelicas Muskeln brannten von der unerwarteten Anstrengung. Unten konnte sie jetzt Schreie hören, als die Menschen sich um den heruntergefallenen Wachmann versammelten. Es gab keinen Zweifel, dass jemand hochsehen und sie sehen würde, wie sie wieder zurück aufs Dach kletterte, sich hinüber schwang und dort lag und schwer atmete.
„Steh auf“, sagte sie zu sich selbst. “Du wirst sterben, wenn du hier bleibst. Steh auf.“
Sie zwang sich auf die Beine, und versuchte nachzudenken. Die Witwe hatte versucht, sie zu töten. Das Offensichtliche war zu rennen, denn wer konnte sich schon vor der Witwe behaupten? Sie musste einen Weg aus dem Palast finden, vielleicht zum Hafen kommen und nach Übersee zu ihrer Familie zu fahren. Das oder über die kleineren Nebenstraßen der Stadt fliehen, um zu vermeiden von Spionen gesehen zu werden, die in und außerhalb des Landes nach ihr suchen würden. Ihre Familie war mächtig, mit der Art von Freunden die in der Adligenversammlung Fragen stellen würden, die –“
“Sie werden tun, was die Witwe ihnen sagt”, sagte Angelica sich selbst. Wenn sie überhaupt handeln würden, dann wäre das so langsam, dass sie in der Zwischenzeit tot wäre. Das Beste, worauf sie hoffen konnte, war wegzulaufen und immer weiter zu ziehen, sie wäre niemals sicher, würde nie wieder im Mittelpunkt stehen. Das war eine unakzeptable Lösung.
Das brachte sie wieder zu ihrer Ausgangsfrage zurück: Wer könnte es mit der Witwe aufnehmen?
Angelica wischte sich sorgfältig den Schmutz von der Kleidung, machte sich so gut es ging die Haare und nickte sich selbst zu. Dieser Plan war … gefährlich, ja. Unschön hauptsächlich. Aber es war die größte Chance, die sie hatte.
Während die Menschen unten riefen, lief sie los zurück durch den Palast.