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KAPITEL FÜNF

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Lady Emmeline Constsance Ysalt d’Angelica las die Benachrichtigung, Marquise von Sowerd und Lady of the Order of the Sash. Angelica war weniger beeindruckt von der Nutzung ihres vollen Namens, als von dem Absender der Nachricht: Die Witwe hatte sie zu einer Privataudienz geladen.

Oh, sie hatte das nicht so gesagt. Da gab es Sätze darüber, dass sie “erfreut über ihre Gesellschaft wäre”, und “hoffte, dass dies genehm wäre”. Angelica wusste genauso wie jeder andere, dass eine Anfrage von der Witwe ein Befehl war, auch wenn die Versammlung der Adligen die Gesetze machte.

Sie zwang sich, nicht zu sehr ihre Sorge zu zeigen, die sie fühlte, als sie sich den Kammern der Witwe näherte. Sie überprüfte ihr Aussehen nicht nervös oder zappelte unnötig. Angelica wusste, dass sie perfekt aussah, weil sie jeden Morgen Zeit vor dem Spiegel mit ihren Bediensteten verbrachte, damit sie gut aussah. Sie zappelte nicht, weil sie sich perfekt unter Kontrolle hatte. Außerdem, über was sollte sie sich Sorgen machen? Sie würde eine alte Frau treffen, und nicht in die Höhle des Löwen gehen.

Angelica versuche sich daran zu erinnern, als sie sich den Türen zu den Gemächern der alten Frau näherte, ein Bediensteter drückte sie auf und kündigte sie an.

“Milady d’Angelica!”

Sie sollte sich sicher fühlen, aber tatsächlich war das die Königin des Königreiches und Sebastians Mutter und Angelica hatte schon zu viel in ihrem Leben getan, um sich je sicher zu fühlen, dass sie Ablehnung vermeiden würde. Dennoch ging sie weiter, zwang sich selbst eine sorgfältig ausgearbeitete Maske an Selbstvertrauen aufzusetzen.

Sie hatte nie einen Grund dafür gehabt, in die privaten Gemächern der Witwe zu gehen. Um ehrlich zu sein, waren sie recht enttäuschend, entworfen mit einer Art schlichter Pracht, die mindestens zwanzig Jahre aus der Mode war. Es gab zu viel dunkle Holzverkleidung für Angelicas Geschmack, und während Gold und Seide im Rest des Palastes nur vereinzelt zu sehen waren, war es dennoch nicht annähernd so extravagant, wie Angelica es sich ausgesucht hätte.

“Hattest du etwas Kunstvolleres erwartet, meine Liebe?”, fragte die Witwe. Sie saß am Fenster, das auf die Gärten blickte, auf einem Stuhl aus dunklem Holz und grünem Leder. Ein Marketerie-Tisch stand zwischen ihr und einem weiteren, nur wesentlich kleinerem Stuhl. Sie trug ein recht einfaches Tagesoutfit anstelle von vollem Gewand und ein Diadem anstelle der Krone, aber es gab trotzdem keinen Zweifel an der Autorität der älteren Frau.

Angelica verfiel in Höflichkeit. Eine geeignete Höflichkeit am Hof, nicht eine der einfachen Dinge, mit denen sich Bedienstete umgaben. Sogar bei so etwas waren die feinen Abstufungen des Status wichtig. Die Sekunden zogen sich, während Angelica auf die Erlaubnis wartete, sich wieder aufzustellen.

“Bitte leiste mir Gesellschaft, Angelica”, sagte die Witwe. “So willst du doch genannt werden, oder?”

“Ja, Ihre Majestät.” Angelica nahm an, dass sie sehr gut wusste, wie man sie nennen sollte. Sie bemerkte auch, dass es keinen entsprechenden Vorschlag aus Informalitätsgründen seitens Sebastians Mutter gab.

Dennoch war sie freundlich genug, bot ihr Himbeer Tisane aus einer Kanne an, der offensichtlich frisch gebraut worden war und servierte Angelica ein Stück Obstkuchen mit ihrer eigenen zart behandschuhten Hand.

“Wie geht es deinem Vater, Angelica?”, fragte sie. “Lord Robert war immer loyal meinem Ehemann gegenüber, als er noch lebte. Hat er immer noch Schwierigkeiten mit der Atmung?”

“Er profitiert von der Landluft, Ihre Majestät”, sagte Angelica und dachte an die ausgedehnten Ländereien, denen sie nur zu gerne fernblieb. “Obwohl, er geht jetzt nicht mehr so oft zum Jagen, wie früher.”

“Die jungen Männer reiten in der Avantgarde der Jagd”, sagte die Witwe, “die sensibleren Seelchen bleiben zurück und nehmen die Dinge in einem Tempo, das ihnen mehr zusagt. Als ich die Jagd besucht habe, war es noch mit einem Falken und keinem Rudel von attackierenden Hunden. Sie sind weniger rücksichtslos und sie sehen mehr.”

“Eine gute Wahl, Ihre Majestät”, sagte Angelica.

“Und deine Mutter, züchtet sie immer noch ihre Blumen?”, fragte die Witwe und nippte an ihrem Drink. “Ich habe ihre Sternentulpen, die sie produziert immer beneidet.”

“Ich glaube, sie arbeitet an einer neuen Vielfalt, Ihre Majestät.”

“Sicherlich verbindet sie Arten miteinander, kein Zweifel”, sagte die Witwe amüsiert und stellte ihr Glas ab.

Angelica wunderte sich über all das. Sie bezweifelte ehrlich, dass die Herrscherin des Königsreichs sie hierhergerufen hatte, nur um die kleineren Details ihres Familienlebens zu diskutieren. Wenn sie regierte, da war sich Angelica sicher, würde sie sich um so Bedeutungsloses nicht kümmern. Angelica schaute sich nicht einmal richtig die Briefe an, die von den Ländereien ihrer Eltern kamen.

“Langweile ich dich, meine Liebe?”, fragte die Witwe.

“Nein, natürlich nicht, Ihre Majestät”, sagte Angelica schnell. Dank der Bürgerkriege, waren die Tage Vergangenheit, als die Könige des Königreichs einfach Reiche ohne Spuren wegsperren konnte, aber es war trotzdem keine gute Idee, zu riskieren, sie zu beleidigen.

“Ich hatte dein Eindruck, dass du meine Familie faszinierend findest”, fuhr die Witwe fort. “Besonders meinen jüngeren Sohn.”

Angelica erstarrte, sie war sich nicht sicher, was sie darauf erwidern sollte. Sie hatte angenommen, dass seine Mutter ihr Interesse an Sebastian bemerken würde. War es denn jetzt so? Eine höfliche Empfehlung, dass sie ihn in Ruhe lassen sollte?

“Ich bin mir nicht sicher, was Sie meinen”, antwortete Angelica und entschied, dass es am Besten war, den Part des jungen edlen Mädchens zu spielen. “Prinz Sebastian ist natürlich sehr gut aussehend, aber –“

“Aber dein Versuch ihn zu verführen und ihn dann als dein Eigen zu behaupten, hat nicht so funktioniert?”, fragte die Witwe und jetzt war ihre Stimme eisig. “Glaubst du, ich würde nicht von dem kleinen Trick hören?”

Jetzt fühlte Angelica Angst in sich aufsteigen. Die Witwe konnte nicht einfach ihren Tod anordnen, aber das war es, was ein Überfall wie dieser, auf eine königliche Person bedeuten könnte, sogar bei einem Prozess mit ihresgleichen. Vielleicht besonders mit ihnen, denn es würde zweifellos diejenigen geben, die ein Exempel statuieren oder sie aus dem Weg räumen oder mit ihrer Familie ein paar Rechnungen begleichen wollten. “Ihre Majestät –“, begann Angelica, aber die Witwe schnitt ihr das Wort mit einem einzelnen erhobenen Finger ab.

Statt zu reden, nahm sie sich die Zeit ihr Glas auszutrinken und warf es dann in den Kamin, das Porzellan zerbrach mit einem Krachen, dass Angelica an brechende Knochen denken ließ.

“Ein Angriff auf meinen Sohn ist Verrat”, sagte die Witwe. “Ein Versuch mich zu manipulieren und meinen Sohn zur Hochzeit zu tricksen ist Verrat. Traditionell wird das mit der Bleimaske belohnt.”

Angelicas Bauch verkrampfte sich schon beim Gedanken daran. Es war eine schreckliche Bestrafung aus einer anderen Zeit und keine, die sie je gesehen hatte. Man sagte, dass die Menschen schon beim Gedanken daran, Selbstmord begangen.

“Kennst du das?”, fragte die Witwe. “Der Verräter wird in einer Metallmaske eingeschlossen und geschmolzenes Blei wird hineingegossen. Ein schrecklicher Tod, aber manchmal ist angst nützlich. Und natürlich ermöglicht das, dass ein Druck von ihrem Gesicht gemacht wird und anschließend als Erinnerung für alle ausgestellt wird.”

Sie nahm etwas von dem Stuhl neben ihr. Es sah aus wie eine der vielen Masken, die es immer am Hof zur Anbetung der maskierten Göttin gab. Diese hätte aber auch der Guss eines Gesichtes sein können. Ein angsteinflössendes, schmerzerfülltes Gesicht.

“Allan of Courcer entschied sich, sich gegen die Krone zu erheben”, sagte die Witwe. “Wir haben die meisten seiner Männer gehängt, aber bei ihm haben wir eine Ausnahme gemacht. Ich erinnere mich noch an seine Schreie. Es ist lustig, wie diese Dinge verweilen.”

Angelica fiel schon fast haltlos von ihrem Stuhl auf ihre Knie und sah die andere Frau an.

“Bitte Ihre Majestät”, bettelte sie, denn in dem Moment, schien Betteln ihre einzige Option. “Bitte, ich mache alles.”

“Alles?”, fragte die Witwe. “Alles ist ein großes Wort. Was, wenn ich dich bitte das Land deiner Familie zu übergeben oder als Spion in den Höfen dieser neuen Armee zu dienen, die aus den kontinentalen Kriegen kommt? Was, wenn ich mich dazu entscheide, dass du gehen sollst und deine Strafe in einer der entfernten Kolonien ableisten sollst?”

Angelica sah sich die Angst einflössende Totenmaske an und wusste, dass es nur eine Antwort gab.

“Alles, Ihre Majestät. Nur das nicht.”

Sie hasste es, so zu sein. Sie war eine der vornehmsten Adligen im Land, dennoch fühlte sie sich hier und jetzt so hilflos wie der niedrigste Kleinbauer.

“Was ist, wenn ich möchte, dass du meinen Sohn heiratest?”, fragte die Witwe.

Angelica starrte sie verständnislos an, die Wörter machten keinen Sinn. Wenn die andere Frau gesagt hätte, dass sie ihr einen Korb voll Gold gab und sie dann wegschicken würde, hätte es mehr Sinn gemacht als so.

“Ihre Majestät?”

“Knie da nicht mit offenem und schließenden Mund wie ein Fisch”, sagte die andere Frau.

“Setz dich wieder hin. Und versuche wenigstens so auszusehen, wie die Art von kultivierter junger Dame, die meinen Sohn heiraten sollte.”

Angelica zwang sich wieder auf den Stuhl. Dennoch fühlte sie sich, als wenn sie gleich umkippen würde. “Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstehe.”

Die Witwe bewegte ihre Finger. “Es gibt nicht viel zu verstehen. Ich brauche jemanden, der geeignet genug ist, um meinen Sohn zu heiraten. Du bist schön genug, von einer Familie, die ausreichend reich ist, gute Verbindung zum Hof hat und es scheint offensichtlich von deiner kleinen Handlung, dass du an dieser Rolle interessiert bist. Es ist eine Vereinbarung die sich auf alle Beteiligten recht vorteilhaft auswirken wird, stimmst du mir da zu?”

Angelica schaffte es, sich zusammenzureißen. “Ja, Ihre Majestät. Aber –“

“Es ist wahrscheinlich besser als die Alternativen”, sagte die Witwe und ließ ihre Finger dabei über ihre Maske streichen. “In jedem Sinne.”

Wenn sie es so sagte, hatte Angelica keine Wahl. “Es wäre mir eine Freude, Ihre Majestät.”

“Dein Glück ist nicht meine größte Sorge”, schnappte die Witwe. “Das Wohlsein meines Sohnes und die Sicherheit dieses Königreiches sind es. Du wirst keines von beiden gefährden oder es wird eine Abrechnung geben.”

Angelica musste nicht fragen, welche Art von Abrechnung. Sie konnte die Bedrohung des Terrors durch sich laufen fühlen. Sie hasste das. Sie hasste diese alte Hexe, die sogar etwas was sie wollte, sich wie eine Bedrohung anfühlen lassen konnte.

“Was ist mit Sebastian?”, fragte Angelica. “Was ich so auf dem Ball gesehen habe, sind seine Interessen … wo anders.”

Bei dem rothaarigen Mädchen, die angeblich aus Meinhalt kam, aber die sich nicht, wie irgendeine Reiche verhielt, die Angelica je getroffen hatte.

“Das wird nicht länger ein Problem sein”, sagte die Witwe.

“Aber trotzdem, wenn er noch verletzt ist …”

Die andere Frau starrte sie an. “Sebastian wird seine Aufgabe erfüllen, für das Königreich und seine Familie. Er wird heiraten, wen er aufgefordert wird zu heiraten und wir werden das zu einer freudigen Angelegenheit machen.”

“Ja, Ihre Majestät”, sagte Angelica und senkte sittsam ihren Blick. Wenn sie erst einmal mit Sebastian verheiratet war, würde sie nicht mehr so scharwenzeln müssen. Aber im Moment verhielt sie sich, wie sie es musste. “Ich werde gleich meinem Vater schreiben.”

Die Witwe winkte ab. “Das habe ich bereits getan und Robert war erfreut zu akzeptieren. Die Vereinbarungen für die Hochzeit sind bereits auf dem Weg. Von den Boten habe ich gehört, dass deine Mutter bei den Neuigkeiten in Ohnmacht gefallen ist, aber naja sie war ja schon immer ein wenig zart. Ich hoffe, dass dies keine Eigenschaft ist, die du an meine Enkelkinder weitergeben wirst.”

Sie ließ es wie eine Krankheit klingen, die ausgelöscht werden musste. Angelica wurde noch wütender davon, wie alles ohne ihr Wissen geregelt worden war. Dennoch gab sie sich Mühe die Dankbarkeit zu zeigen, die von ihr erwartet wurde.

“Danke Ihnen, Ihre Majestät”, sagte sie. “Ich werde die beste Schwiegertochter sein, die Sie sich wünschen können.”

“Denke einfach daran, dass du keine besonderen Vorteile davon hast, dass du meine Tochter wirst”, sagte die Witwe.

“Du wurdest auserwählt, eine Aufgabe zu erfüllen und du wirst das zu meiner Zufriedenheit tun.”

“Ich werde mich bemühen, Sebastian glücklich zu machen”, sagte Angelica.

Die Witwe stand auf. “Sie zu, dass du das machst. Mache ihn glücklich, sodass er an nichts anderes denken kann. Mache ihn glücklich, damit er nicht mehr weiter an … andere denkt. Mache ihn glücklich, schenke ihm Kinder, tue alles, was die Frau eines Prinzen tun sollte. Wenn du all das machst, wird deine Zukunft ebenfalls glücklich sein.”

Angelicas Gemüt würde das nicht so auf sich sitzen lassen. “Und wenn ich das nicht tue?”

Die Witwe schaute sie an, als wenn sie nichts wäre, anstatt einer der reichsten Adligen im ganzen Land.

“Du versuchst stark zu sein in der Hoffnung, dass ich dich als gleichwertig akzeptiere”, sagte sie. “Vielleicht hoffst du, dass ich etwas von mir selbst in dir sehe, Angelica. Vielleicht tue ich das, aber das ist selten eine gute Sache. Ich will, dass du dich von jetzt an, immer an etwas erinnerst: Ich besitze dich.”

“Nein, Sie –“

Der Schlag war nicht hart. Er würde keine Merkmale hinterlassen, die man sehen konnte. Es brannte kaum, mal abgesehen von Angelicas Stolz. Der brannte.

“Ich besitze dich, als wenn ich die Leibeigenschaft eines Mädchen gekauft hätte”, wiederholte die Witwe. “Wenn du auf irgendeine Art scheiterst, werde ich dich zerstören, dafür, was du versucht hast meinem Sohn anzutun. Der einzige Grund, warum du hier bist und nicht in einer Zelle, ist, weil du für mich so nützlicher bist.”

“Als eine Frau für Ihren Sohn”, sagte Angelica.

“Als das und als eine Ablenkung für ihn”, antwortete die Witwe. “Du hast gesagt, du würdest alles tun. Lasse es mich wissen, wenn du deine Meinung änderst.”

Und dann würde es den schrecklichsten Tod geben, den Angelica sich vorstellen könnte.

“Nein, das dachte ich mir. Du wirst die perfekte Frau sein. Du wirst in absehbarer Zeit die perfekte Mutter sein. Du wirst mir von möglichen Problemen erzählen. Du wirst meinen Befehlen gehorchen. Wenn du an einem dieser Dinge scheiterst wird die Bleimaske noch harmlos im Vergleich dazu erscheinen, was mit dir passieren wird.”

Ein Gericht für Diebe

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