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KAPITEL FÜNF

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Thor folgte Reece, mit Krohn auf den Fersen, auf ihrem Weg durch die hintere Passage zu den Gemächern des Königs. Reece hatte sie durch eine Geheimtür hereingelotst, die in den Steinmauern versteckt war, und führte sie nun mit einer Fackel in der Hand einen engen Schacht entlang durch die Eingeweide der Burg, in einer schwindelerregenden Folge von Kehrungen und Wendungen. Sie stiegen eine enge Steintreppe hinauf, die zu einer weiteren Passage führte, wandten sich um und fanden vor sich eine weitere Treppe. Thor war erstaunt darüber, wie verwinkelt eine Passage sein konnte.

„Dieser Durchgang wurde vor hunderten von Jahren in die Burg gebaut“, erklärte Reece flüsternd, während sie weitergingen. Er war von ihrem Aufstieg außer Atem. „Sie wurde vom Urgroßvater meines Vaters erbaut, dem dritten König MacGil. Er hat sie nach einer Belagerung bauen lassen—es ist ein Fluchtweg. Ironischerweise sind wir seither nicht wieder belagert worden, und diese Geheimgänge sind seit Jahrhunderten nicht mehr verwendet worden. Sie wurden zugenagelt, und ich habe sie entdeckt, als ich ein Kind war. Ich benutze sie gerne von Zeit zu Zeit, um durch die Burg zu kommen, ohne dass irgendjemand weiß, wo ich bin. Als wir klein waren, spielten Gwen und Godfrey und ich hier Verstecken. Kendrick war zu alt, und Gareth spielte nicht gerne mit uns. Keine Fackeln, das war die Regel. Pechschwarz. Damals war das echt gruselig.“

Thor versuchte, mit Reece Schritt zu halten, während der mit beeindruckender Gewandtheit durch die Passagen steuerte. Es war offensichtlich, dass er jeden Schritt auswendig kannte.

„Wie kannst du dir bloß all diese Kehrungen merken?“, fragte Thor beeindruckt.

„Es kann ganz schön einsam sein, als Junge in dieser Burg aufzuwachsen“, fuhr Reece fort, „besonders, wenn alle anderen älter sind und du noch zu jung bist für die Legion, und es sonst nichts anderes zu tun gibt. So habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, jeden Winkel dieses Baus zu erkunden.“

Sie machten eine weitere Kehrtwendung, stiegen dann drei Steinstufen hinunter, zwängten sich durch eine enge Öffnung in der Mauer und stiegen dann eine lange Treppe hinab. Schließlich brachte sie Reece an eine dicke, staubige Tür aus Eichenholz. Er legte ein Ohr an sie und lauschte. Thor stellte sich zu ihm.

„Was ist das für eine Tür?“, fragte Thor.

„Pssst“, sagte Reece.

Thor verstummte, legte selbst ein Ohr an die Tür und lauschte. Krohn stand hinter ihm und blickte zu ihm hoch.

„Dies ist die Hintertür zur Kammer meines Vaters“, flüsterte Reece. „Ich will hören, wer gerade bei ihm ist.“

Thor lauschte mit pochendem Herzen auf die gedämpften Stimmen hinter der Tür.

„Klingt, als wäre der Raum recht voll“, sagte Reece.

Reece warf Thor einen gewichtigen Blick zu.

„Du wanderst hier in einen Feuersturm hinein. Seine Generäle werden da sein, seine Ratsherren und Ratgeber, seine Familie—einfach alle. Und ich bin mir sicher, dass jeder Einzelne von ihnen auf der Suche nach dir, seinem angeblichen Mörder, sein wird. Es wird sein, als würdest du in einen Lynch-Mob hineinspazieren. Falls mein Vater immer noch denkt, du hättest versucht, ihn zu ermorden, dann bist du erledigt. Bist du dir ganz sicher, dass du das hier durchziehen möchtest?“

Thor schluckte schwer. Dies war seine Chance, jetzt oder nie. Sein Hals wurde trocken, als ihm klar wurde, dass dies ein Wendepunkt in seinem Leben war. Es wäre ein Leichtes, jetzt umzukehren und zu fliehen. Er konnte anderswo ein Leben in Sicherheit führen, weit weg von Königshof. Oder er konnte durch diese Tür treten und möglicherweise den Rest seines Lebens bei diesen Unholden im Kerker verbringen—oder gar hingerichtet werden.

Er holte tief Luft und traf seinen Entschluss. Er würde die Dämonen am Schopf packen müssen. Er konnte jetzt nicht mehr zurück.

Thor nickte. Er hatte Angst, den Mund zu öffnen—Angst, dass er dann seine Meinung ändern würde.

Reece nickte anerkennend zurück, drückte dann die eiserne Klinke nach unten und seine Schulter gegen die Tür.

Thor blinzelte ins grelle Fackellicht, als die Tür sich weit öffnete. Er befand sich inmitten der privaten Gemächer des Königs, mit Krohn und Reece an seiner Seite.

Mindestens zwei Dutzend Menschen waren um den König gedrängt, der auf seinem Bett lag; einige standen über ihm, andere knieten. Um den König herum standen seine Ratgeber und Generäle, zusammen mit Argon, der Königin, Kendrick, Godfrey—und sogar Gwendolyn. Es war eine Totenwache, und Thor war ein Eindringling in die private Angelegenheit dieser Familie.

Die Stimmung im Raum war bedrückt, die Mienen voller Ernst. MacGil lag auf Kissen aufgestützt, und Thor stellte erleichtert fest, dass er am Leben war—zumindest jetzt noch.

Alle Köpfe drehten sich gleichzeitig um, aufgeschreckt durch Thors und Reeces plötzliches Erscheinen. Thor wurde klar, was für ein Schreck es sein musste: ihr plötzliches Erscheinen mitten im Raum, aus einer Geheimtür in der Steinmauer heraus.

„Das ist der Junge!“, schrie jemand aus der Menge, stand auf und zeigte hasserfüllt auf Thor. „Er hat versucht, den König zu vergiften!“

Aus allen Ecken des Raumes traten Wachen auf ihn zu. Thor wusste kaum, was er tun sollte. Ein Teil von ihm wollte umkehren und fliehen, aber er wusste, er würde sich dieser wütenden Menge stellen müssen, er musste seinen Frieden mit dem König machen. Also blieb er ruhig stehen, während mehrere Wachen auf ihn zustürmten, um ihn zu fassen. An seiner Seite knurrte Krohn eine Drohung an die Angreifer.

Plötzlich fühlte Thor eine Hitze in ihm aufwallen, eine Kraft ihn erfüllen; er hob ohne es zu wollen eine Hand und streckte eine Handfläche aus, um seine Energie auf sie zu richten.

Thor sah verblüfft zu, wie sie alle mitten im Laufschritt innehielten, nur wenige Fuß entfernt, wie angefroren. Seine Kräfte, was immer sie waren, wallten in ihm und hielten sie in Schach.

„Du wagst es, hier hereinzuspazieren und deine Hexerei einzusetzen, Junge!“, schrie Brom—der höchste General des Königs—und zog sein Schwert. „Hat es dir nicht gereicht, einmal zu versuchen, unseren König zu töten?“

Brom ging mit gezogenem Schwert auf Thor los; da fühlte Thor, wie etwas von ihm Macht ergriff, ein stärkeres Gefühl, als er je gehabt hatte. Er schloss einfach nur die Augen und konzentrierte sich. Er fühlte die Energie in Broms Schwert, seine Form, sein Metall, und irgendwie wurde er eins mit dem Schwert. Er befahl ihm vor seinem geistigen Auge, stehenzubleiben.

Brom stand mit weiten Augen wie angewurzelt da.

„Argon!“, wirbelte Brom herum und schrie. „Gebiete dieser Hexerei sofort Einhalt! Halte diesen Jungen auf!“

Argon trat aus der Menge hervor und senkte langsam seine Kapuze. Er starrte mit intensiven, brennenden Augen auf Thor.

„Ich sehe keinen Grund, ihn aufzuhalten“, sprach Argon. „Er ist nicht hier, um Böses zu tun.“

„Bist du von Sinnen? Er hat beinahe unseren König ermordet!“

„Das ist deine Annahme“, sprach Argon. „Es ist nicht, was ich sehe.“

„Lasst ihn in Ruhe“, ertönte eine gebrechliche, tiefe Stimme.

Alle drehten sich um, als MacGil sich aufrichtete. Er blickte herüber, sehr schwach erscheinend. Es war klar, dass es eine Anstrengung für ihn war, zu sprechen.

„Ich will den Jungen sehen. Er war es nicht, der auf mich gestochen hat. Ich konnte das Gesicht des Mannes sehen, und er war es nicht. Thor ist unschuldig.“

Langsam entspannten sich die anderen, und Thor entspannte seinen Geist und ließ sie frei. Die Wachen zogen sich zurück, Thor misstrauisch beäugend, als wäre er aus einer anderen Welt, und steckten langsam ihre Schwerter zurück in die Scheiden.

„Ich will ihn sprechen“, sagte MacGil. „Alleine. Ihr alle. Lasst uns alleine.“

„Mein König“, sagte Brom. „Meint ihr wirklich, dass es sicher ist? Nur Ihr und der Junge, allein?“

„Niemand hat Thor anzurühren“, sagte MacGil. „Und jetzt lasst uns allein. Ihr alle. Auch meine Familie.“

Ein dickes Schweigen legte sich über den Raum, als sie alle unsichere Blicke austauschten und nicht wussten, was sie tun sollten. Thor stand wie angewurzelt auf der Stelle, kaum in der Lage, alles zu verarbeiten.

Einer nach dem anderen verließen sie das Zimmer, auch die königliche Familie, und Krohn ging mit Reece. Die Kammer, die noch vor wenigen Momenten so voller Leute gewesen war, war plötzlich leer.

Die Tür schloss sich. Nun waren da nur noch Thor und der König, allein in der Stille. Er konnte es kaum glauben. MacGil so da liegen zu sehen, so blass, so schmerzerfüllt, tat Thor mehr weh, als er sagen konnte. Er wusste nicht, warum, aber es war beinahe so, als würde ein Teil von ihm selbst sterben, da, auf diesem Bett. Mehr als alles andere wollte er, dass der König gesund würde.

„Komm her, mein Junge“, sagte MacGil schwach, mit krächzender Stimme, die kaum mehr war als ein Flüstern.

Thor senkte den Kopf, eilte an die Seite des Königs und kniete vor ihm nieder. Der König streckte einen schwachen Arm aus; Thor nahm seine Hand und küsste sie.

Thor blickte hoch und sah MacGil schwach auf ihn hinunterlächeln. Überrascht stellte Thor fest, dass heiße Tränen seine Wangen hinunterliefen.

„Mein Herr“, fing Thor hastig an, nicht mehr länger in der Lage, es zurückzuhalten, „ich bitte Euch, vergebt mir. Ich habe Euch nicht vergiftet. Ich wusste nur durch einen Traum von dem Anschlag. Durch eine Kraft, die ich nicht begreife. Ich wollte Euch nur warnen. Bitte glaubt mir—“

MacGil hob die Hand, und Thor verstummte.

„Ich habe mich in dir getäuscht“, sagte MacGil. „Ich musste erst durch die Hand eines anderen Mannes abgestochen werden, um zu erkennen, dass du es nicht warst. Du hast bloß versucht, mich zu retten. Vergib mir. Du hast Loyalität bewiesen. Als vielleicht Einziger an meinem Hof.“

„Wie sehr ich wünschte, ich hätte mich geirrt“, sagte Thor. „Wie sehr ich wünschte, dass Ihr in Sicherheit wärt. Dass meine Träume nur Einbildung waren; dass niemals jemand einen Anschlag auf Euch verübt hätte. Vielleicht habe ich mich getäuscht. Vielleicht überlebt Ihr ja.“

MacGil schüttelte den Kopf.

„Meine Zeit ist gekommen“, sagte er zu Thor.

Thor schluckte; hoffte, dass es nicht stimmte, doch er spürte, dass es so war.

„Wisst Ihr, wer diese schreckliche Tat begangen hat, mein Herr?“, stellte Thor die Frage, die schon in ihm brannte, seit er den Traum gehabt hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, wer den König töten wollte, oder warum.

MacGil blickte zur Decke hoch und musste vor Anstrengung blinzeln.

„Ich konnte sein Gesicht sehen. Es war ein Gesicht, das ich gut kenne. Doch aus irgendeinem Grund kann ich es nicht zuordnen.“

Er blickte Thor an.

„Es macht keinen Unterschied mehr. Meine Zeit ist gekommen. Ob durch seine Hand oder die eines anderen, der Ausgang ist der gleiche. Was jetzt wichtig ist“, sagte er und fasste Thors Handgelenk mit einer Kraft, die ihn überraschte, „ist, was passiert, nachdem ich gegangen bin. Unser Königreich wird ohne König sein.“

MacGil blickte Thor mit einer Eindringlichkeit an, die er nicht verstand. Thor wusste nicht genau, was er damit sagen wollte—was, wenn überhaupt, er von ihm wollte. Thor wollte nachfragen, doch er konnte sehen, wie schwer es MacGil fiel, Atem zu holen, und er wollte nicht riskieren, ihn zu unterbrechen.

„Argon hatte recht, was dich betrifft“, sagte er und lockerte langsam seinen Griff. „Dein Schicksal ist weit größer als meines.“

Thor fühlte, wie die Worte des Königs einen elektrischen Schlag durch seinen Körper schickten. Sein Schicksal? Größer als das des Königs? Der reine Gedanke daran, dass der König auch nur erwägen würde, Thor mit Argon zu besprechen, war mehr, als Thor begreifen konnte. Und dass er sagte, dass Thors Schicksal größer war als das des Königs—was konnte er bloß damit meinen? Hatte MacGil so nahe am Ende etwa schon Wahnvorstellungen?

„Ich habe dich erwählt... Ich habe dich in meine Familie aufgenommen, aus gutem Grund. Weißt du, was dieser Grund ist?“

Thor schüttelte den Kopf; er wollte es dringend wissen.

„Weißt du nicht, warum ich dich hier haben wollte, nur dich, in meinen letzten Atemzügen?“

„Es tut mir leid, mein Herr“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“

MacGil lächelte leise, während ihm die Augen zufielen.

„Fern von hier liegt ein großes Land. Hinter den Wildlanden. Sogar hinter dem Land der Drachen. Es ist das Land der Druiden. Die Heimat deiner Mutter. Dorthin musst du reisen, um die Antworten zu suchen.“

MacGils Augen öffneten sich weit, und er starrte Thor mit einer Eindringlichkeit an, die Thor nicht verstehen konnte.

„Unser Königreich hängt davon ab“, fügte er hinzu. „Du bist nicht wie die anderen. Du bist etwas Besonderes. Solange du nicht verstehst, wer du bist, wird unser Königreich nie zur Ruhe kommen.“

MacGils Augen schlossen sich und sein Atem wurde flach. Jeder Atemzug fiel ihm schwer. Sein Griff um Thors Handgelenk wurde langsam schwächer, und Thor spürte, wie ihm die Tränen aufstiegen. In seinen Gedanken wirbelten die Dinge, die der König gesagt hatte, und er versuchte, den Sinn in seinen Worten zu finden. Er konnte sich kaum konzentrieren. Hatte er alles richtig gehört?

MacGil flüsterte etwas, doch es war so leise, dass Thor es kaum hören konnte. Thor lehnte sein Ohr nahe zu MacGils Lippen.

Der König hob seinen Kopf ein letztes Mal, und mit letzter Anstrengung brachte her hervor:

„Räche mich.“

Dann, plötzlich, versteifte sich MacGil. Einige Augenblicke lang lag er so da, dann rollte sein Kopf auf die Seite und seine Augen öffneten sich weit, erstarrt.

Tot.

„NEIN!“, klagte Thor auf.

Sein Klagen muss laut genug gewesen sein, um die Wachen zu alarmieren, denn einen Augenblick später hörte er, wie eine Tür hinter ihm aufflog, hörte den Aufruhr von dutzenden Menschen, die ins Zimmer stürmten. In einer Ecke seines Bewusstseins war ihm klar, dass um ihn herum Bewegung herrschte. Dumpf hörte er die Burgglocken läuten, wieder und wieder. Die Glocken dröhnten, gleich dem Dröhnen des Bluts in seinen Schläfen. Doch alles verschwamm, und Augenblicke später drehte sich der Raum um ihn.

Thor verlor das Bewusstsein und sackte auf dem Boden zusammen.

Marsch der Könige

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