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II

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Seit der verlorenen Schlacht bei Budamér war ein Monat verflossen.

Der magyarische Feldherr lag in Schemnitz, – sammt seinem ganzen Heere umringt.

Auf vier Seiten versuchte er durchzubrechen, auf allen vier Seiten war ihm der Weg versperrt. – nirgends ein Ausweg.

Als er das vierte Mal die Schlacht versuchte, wäre er bald dort geblieben. Sein theuerster Freund wurde an seiner Seite erschossen, unter ihm erschoß man sein Pferd; ein Husar sprengte dann zu ihm hin, erfaßte ihn an der Hand, riß ihn empor und zog ihn mit Gewalt vom Schlachtfelde.

Als er in seinem Quartier angekommen war, machten ihn seine Offiziere darauf aufmerksam, daß sein Csako durchlöchert sei.

Er nahm ihn vom Haupte, besah ihn, – zwischen Kokarde und Sturmband hatte die Kugel den Csako durchbohrt.

Warum nicht eine Spanne tiefer! sagte kummervoll der Feldherr, und nach den mühevollen Tagen und Nächten sank er auf sein Lager hin, um wachend zu träumen.

Um Mitternacht weckte ihn ein wachthabender Offizier, meldend, daß eine Dame ihn augenblicklich zu sprechen wünsche.

Der Feldherr stand auf, er brauchte sich nicht erst anzukleiden, denn er schlief immer in den Kleidern, dann winkte er, daß man eintreten könne.

Die gemeldete Dame trat ins Zimmer.

Sie trug ein schwarzes Kleid. Trauerflor am schwarzen Hute; ihr Antlitz war kummervoll, blaß.

Ihre schöne, edle Haltung, ihre ernsten, regelmäßigen Züge, ihre von großen dunkeln Brauen beschatteten Augen waren dem Feldherrn so bekannt.

Ja, der durchdringende Blick dieser dunkeln Augen, der Alabaster dieser Stirne, diese Lippen, dieses Antlitz selbst sind lauter bekannte Erscheinungen längstverflossener Zeiten; neu an ihr ist nur der Kummer und auf der Stirn zwischen den beiden Augenbrauen eine lange, seltsam eingegrabene Falte, die dem ganzen Gesichte ein drohendes, Unheil verkündendes Aussehen giebt.

Der Feldherr ging auf sie zu. Die Dame konnte lange nicht sprechen.

Du besuchst mich, Hermine, in dieser verfluchten Stunde?

Ich will mit Ihnen sprechen, – sagte die Dame kalt, sich ruhig in den Armsessel niederlassend, den ihr der Feldherr angeboten.

Dieser blieb ihr gegenüber stehen, mit gekreuzten Armen starr der aufschauenden Dame ins Auge blickend.

Das Antlitz Beider war so bleich.

Arthur, – begann nun die Dame mit voller, aber kalt klingender Stimme, – wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Damals waren wir noch Kinder und spielten mit Blumen . . . . mit Blumen damals, jetzt mit Leben und Tod. Sie sind sehr alt geworden, ich noch älter. Sehen Sie, ich bin Wittwe.

Das wird meine Gattin auch bald sein, unterbrach sie der Feldherr bitter.

Mein Gatte fiel in der Schlacht, – fuhr die Dame fort, – auf freiem, ehrlichem Schlachtfelde, aber ich habe ihn nicht beweint; – denn ich weiß wofür er gefallen. – Seine Leiche habe ich mit schwerem Gelde erkauft; als man ihn, mit einem Mantel bedeckt, in mein Haus brachte, zitterte ich, ob er wohl verstümmelt sei? vielleicht sein Haupt abgehauen, sein Antlitz verunstaltet? Nichts von alledem. Man hatte ihn ganz gelassen. Jeder Zug seines Antlitzes war ein vom Tode besiegeltes Zeugniß, daß er muthig, als Held gefallen ist. Er hatte nur eine einzige Wunde, auch die vorn – auf der Brust. – Nur meinen Ring fand ich nicht an seinem Finger, meinen Trauring, den er damals ansteckte, als er mit mir vor den Altar trat, und seitdem nie ablegte. Es sind kaum einige Tage, seit ich diesen Ring am Finger eines Menschen erblickte. Ein junger Offizier von den Kroaten quartierte sich bei uns ein, an dessen Finger erblickte ich meinen Trauring.

Er mag ihn von einem Soldaten gekauft haben.

Nein. Er sagte, daß er ihn einem Manne abgenommen habe, den er umgebracht.

Sagtest du ihm nicht, daß jener Mann dein Gatte war?

Kein Wort. Der Offizier ist ein schöner, junger Mensch, sein blasses Antlitz täuscht den, der ihn anschaut, mit einer scheinbaren Sanftmuth, seine matten, blauen Augen verrathen das Feuer nicht, das in ihm brennt.

Du hast dich verliebt in ihn? . . .

Er in mich. Er überhäufte mich mit Schmeicheleien, gestand mir seine Liebe, er ist vernarrt in mich.

Und du wirft ihn heirathen? . . . .

Ich werde ihn tödten . . . .

Das Handwerk verstehst du nicht, armes Weib.

Wahr. Hätte ich Kraft gehabt, ich hätte es längst thun können, er stand vor mir, er schlief in meinem Hause, ich hätte, um in sein Zimmer zu kommen, es nur zu wollen brauchen, im Schlafe hätte ich ihn tödten können; aber Alles ist umsonst – ich vermag es nicht. Und doch will ich, daß er sterbe.

Wenn er ein braver Soldat ist, kann ihm das sehr bald passiren.

Aber ich will nicht, daß er als braver Soldat sterbe; – nicht des Ruhmes, meinetwegen muß er sterben; nicht auf dem ruhmvollen Schlachtfelde. – am schrecklichsten Herde des Todes: auf dem Richtplatze muß er sein Leben enden.

Arme Frau, der Schmerz hat deinen Verstand verwirrt.

Herr General, Sie waren ein guter Freund meines Gatten! – Arthur! wenn ich sage, ich will Rache für das vergossene Blut meines Gatten, muß ich Den weit suchen, der diese Rache übe?

Hermine! komm doch zu dir. Ich achte deinen Schmerz, deinen Gatten ehrte ich, und wenn ich in diesem Augenblicke Einzelne bedauern könnte, möchte ich ihn beweinen; aber konntest du je denken, daß ich mit einem ganzen mir anvertrauten Heere keinen andern Beruf kennte, als irgend Einen, und wenn es mein bester Freund, mein Bruder, mein Vater wäre, zu rächen? Daß den Bewegungen meines Heeres nur der Gedanke zu Grunde liege, den Mann, der ihn getödtet, zu suchen, zu verfolgen? Und selbst wenn ich ihn endlich fände, könnte, dürfte ein ehrlicher Soldat einen ehrlichen Soldaten deßhalb tödten lassen, weil er in der Schlacht, auf offenem Schlachtfelde Den getödtet, den ich liebe? Du kannst das thun, weil du Weib und Gattin bist, ich nicht, weil ich Soldat und Feldherr bin.

Sie halten mich für wahnsinnig, Herr General! – sprach die Dame, ihr großes, dunkles Auge erhebend; ich wollte nicht, daß Sie jenen Menschen aufsuchen. Ich werde ihn herbringen. Ich werde ihm selber Ursache verschaffen, daß Sie mit Fug und Recht ihn dem Kriegsgesetze gemäß tödten lassen können. Und wenn mein Plan auch ein ganzes Jahr brauchen sollte, nach einem Jahre müßte er gelingen. Ich brächte ihnen den Mann her, würde ihnen erzählen: Der hat das und das verschuldet! Ihr Kriegsgericht fällte im Sinne der Kriegsgesetze das Urtheil über ihn. Sie müßten nur den Stab über ihn brechen und es aussprechen: Bei Gott ist Gnade! Ihm dann sagen, wenn er sterben geht: Nicht ob dieser deiner Vergehen stirbst du so, ich bin’s, die dich tödtet, für das vergossene Blut ihres Gatten, – das wäre dann meine Sache.

O Hermine, wie glücklich bist du in deinem Hasse! Du hast Rachepläne für ein ganzes Jahr. . . . nach einem Jahre, wo werden wir sein? Wer wird von uns übrig bleiben?

Wenn wir nicht mehr sein werden, hören wir auf zu fühlen, und das ist mir auch recht. Ich zittere vor dem Tode nicht, aber so lange ich lebe, vergesse ich nicht.

Gute Hermine! Du hast mir genug gesprochen von deinen Leiden, laß mich nun allein mit den meinigen, ich liebe es weniger, von ihnen zu reden. Auch ich habe Todte, und zwar sehr viele, und werde noch mehr haben.

Ich verlasse dich nicht. Ich weiß Alles, was mit dir geschehen. Du bist umringt und mußt dich entweder ergeben oder sammt dem Heere zu Grunde gehen. Drei Nächte hindurch streifte ich durchs Lager des Feindes, bald als Marketenderin, bald als Bauernmädchen, einmal sogar als Mann verkleidet. Von allen Seiten sind dir die Wege verschlossen. Gestern, als man dich an der Brücke zurückschlug, hattest du noch Glück, du wärst dort zu Grunde gegangen, du kannst den Bergpaß nicht hinaufziehen. Das Defilé bei Szélakna ist so mit Kanonen besetzt, daß du dort die Hälfte deines Heeres verlieren und doch nicht durchkommen kannst; aber wenn du den Batterieen daselbst in den Rücken kommen könntest, wäre jenseits der Weg ganz frei, denn von dort bis zum Branyiszkóer Berge ist keine einzige Ortschaft besetzt. Du brauchtest etwa nur zwei Bataillone und einige Sechspfünder in den Rücken der das Defilé schützenden Batterieen zu schaffen.

Der Feldherr lächelte bitter.

Durch die Luft, nicht wahr?

Nein, unter der Erde.

Die Dame hatte diese Wort so ernst gesprochen, daß das Lächeln des Feldherrn nach denselben ausblieb.

Ja, unter der Erde. Ich erinnere mich, daß wir, als ich in meinen Kinderjahren im Geburtsorte meiner Mutter mit meinen kleinen Gefährtinnen in diesem Gebirge herumstreifte, in der Seite des Berges oft einen tiefen unterirdischen Tunnel fanden, an dessen Mündung wir häufig Versteckens spielten. Einmal machten böse Buben Jagd auf uns; meine Gefährtinnen liefen nach allen Winden, ich aber floh in die Grubenmündung. Einige Buben liefen mir nach und schreckten mich in die Höhle hinein. Ich ging noch tiefer; ein niedriger, aber hinreichend breiter Gang dehnte sich vor mir aus, und ich ging immer tiefer ins Innere. Das Geschrei der Buben hörte ich fortwährend, die wiederhallende Höhlung machte mir dasselbe noch furchtbarer, und ich lief im Finstern, den Athem zurückhaltend, umher tappend, über Gerölle und kothige Erdschollen hin. Vor der Finsterniß und der Einsamkeit fürchtete ich mich weniger als vor den Knaben, und deßhalb ging ich immer vorwärts. Plötzlich schien es mir, als sähe ich Licht vor mir, weit, sehr weit blinkte ein dunkler Flimmer mir entgegen. Dem eilte ich zu. Das Licht schien mir immer näher zu kommen, das hereinschimmernde Außenlicht brach sich, gleich einem Silbernebel, Bahn in die dichte unterirdische Finsterniß. Nach beinahe einstündigem Laufen kam ich wieder an die freie Luft, und ich glaube nicht, daß ich diesen Weg, damals aus Furcht so schnell gemacht, mich getrauen würde nach einmal zu machen.

Die Gattin des Gefallenen

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