Читать книгу Das Schlachthaus als Thema der Literatur - Myriam Möhlmann - Страница 5
Оглавление1. Einleitung
Der Konsum von Fleisch zählt seit jeher zu den primären Komponenten der menschlichen Ernährung. Verschiedenste Tierarten wurden zu diesem Zweck im Laufe der Geschichte von Menschenhand geschlachtet. Unter Schlachtung bzw. Schlachten versteht man laut Duden1 die fachgerechte Tötung eines Haustieres, dessen Fleisch für die menschliche Ernährung verwendet werden soll, laut dem deutschen Fleischhygienegesetz2 präziser die Tötung durch Blutentzug eines Tieres aus der Gruppe Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, weitere Paarhufer, Pferde und andere Einhufer, Kaninchen, die als Haustiere gehalten werden, sofern ihr Fleisch zum Genuss für Menschen bestimmt ist; soweit die sachliche Definition. Das Schlachten sowie das Schlachthaus als der dazugehörige und untrennbar verbundene Ort werden in verschiedenster Form auch in der deutschen und internationalen Literatur als Motiv aufgegriffen. Das Auftreten des vorindustriellen und darauf folgend immer industrialisierteren Schlachthauses als literarisches Motiv entwickelt sich dabei durchaus parallel zu historischen, gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen.
Die vorliegende Arbeit will untersuchen, inwiefern sich das literarische Motiv speziell des industriellen Schlachthauses, das ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auftaucht, im Wandel der Zeit und des mit ihm einhergehenden technischen Fortschritts entwickelt hat. Daneben soll detailliert herausgearbeitet werden, welche literaturgeschichtlichen Bezüge zwischen den bedeutendsten Werken der 'Schlachthausliteratur' bestehen. Für die Arbeit wurde bewusst der Fokus auf die Thematik der Tierschlachtung zur Lebensmittelgewinnung in neuzeitlichem Kontext gelegt. Hintergrund ist die historische Etablierung des Schlachthauses im Sinne einer festen Institution der professionalisierten, massenhaften, mechanisierten Fleischgewinnung als Ablösung der zuvor praktizierten, traditionellen, vormodernen Varianten (vgl. Kapitel 2). Die Untersuchung versteht sich als Betrachtung neuerer Literaturgeschichte und setzt dementsprechend mit dem Einzug von Massenproduktion und Industrialisierung in das Schlachtwesen ein, also etwa Mitte des 19. Jahrhunderts.
Methodisch soll zunächst ein kurzer Überblick über die Historie der Gewinnung von Fleisch durch Tierschlachtung gegeben werden, in dessen Rahmen besonders die Entstehung und Entwicklung der modernen Fleischindustrie beleuchtet wird. Daran schließt eine ausführliche Untersuchung der wichtigsten Vertreter der Schlachthausliteratur im Zeitalter des industriellen Schlachtens an. Auch wenn es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine Abhandlung im Rahmen des Faches Germanistik handelt, fließen ebenso die signifikanten Werke internationaler Literatur zu diesem Themenkomplex ein. Eine Deutung der literaturgeschichtlichen Entwicklung des Schlachthausthemas lediglich im Hinblick auf deutsche bzw. deutschsprachige Quellen hat sich bereits im Vorfeld als zu eng gefasst und nicht repräsentativ erwiesen, da mehrfach Bezüge unter Werken verschiedener Sprachherkunft belegbar sind. Schwerpunktmäßig soll bei der Analyse besonderes Augenmerk auf die Darstellung des Schlachthauses und der in ihm stattfindenden Tätigkeit des Schlachtens gelegt werden, ebenso auf die für die Fleischproduktion essentiellen Akteure 'Mensch' und 'Tier'. Zudem werden die Werke auch hinsichtlich der Funktion des Schlachthausmotivs innerhalb der jeweiligen Gesamthandlung beleuchtet.
Selbstverständlich könnte nicht nur die Betrachtung des historischen Hintergrundes (Schlachthaus-Geschichte, Historie der Lebensmittelindustrie – also Herstellung und auch Handel), sondern insbesondere auch die literarische Verarbeitung nahezu grenzenlos ausgeweitet werden (gerade die neuzeitliche Literatur liefert eine Reihe an Beispielen3). Die vorliegende Arbeit will sich im Folgenden, neben der notwendigen historischen Grundlagenbetrachtung, jedoch besonders auf die bedeutenden Vertreter der Literaturgeschichte konzentrieren, die dieses recht spezielle Thema und seine literaturgeschichtliche Entwicklung und Rezeption maßgeblich geprägt haben. Insgesamt wird das Ziel verfolgt, die primäre Entwicklungsgeschichte des Schlachthaus-Motivs in der Literatur nachzuzeichnen.4 Das Thema des Schlachthauses in der Literatur zeigt sich dabei als bisher höchstens am Rande erforscht, so dass in der vorliegenden Arbeit nur peripher auf entsprechende Forschungsliteratur zurückgegriffen werden kann, die die eigenen Untersuchungsergebnisse ergänzt.
1 DUDEN: Artikel: 'schlachten', online unter: http://www.duden.de/rechtschreibung/schlachten#Bedeutung1 (abgerufen am 25.05.2013, 21:03 h).
2 BUNDESGESETZBLATT Jahrgang 2003 Teil I Nr. 32, S. 1242 vom 14. Juli 2003, zuletzt geändert durch Art. 7 Nr. 7 G zur Neuordnung d. Lebensmittel- u. FuttermittelR vom 1. 9. 2005 (BGBl. I S. 2618).
3 An dieser Stelle soll der Vollständigkeit halber auf das von Manuela Linnemann herausgegebene Werk Der Weg allen Fleisches. Das Motiv des Schlachtens in der Literatur verwiesen werden. Es eignet sich als rein aufzählender Sammelband für Quellenauszüge aus dem Themenkreis Schlachtung und Fleischkonsum, liefert jedoch, anders als im Titel suggeriert, keinerlei weitergehende Interpretationsvorschläge. Das der Textsammlung vorangestellte Vorwort der Herausgeberin fließt in diese Arbeit jedoch nicht ein, da Linnemann sich dort nicht wirklich neutral-wissenschaftlich mit dem Thema befasst, sondern lediglich Vegetarismus und Tierschutz bewirbt und den Textfundus als Beleg folgen lassen will (vgl. LINNEMANN, Manuela [Hrsg.]: Der Weg allen Fleisches. Das Motiv des Schlachtens in der Literatur, Erlangen 2006).
4 Der schiere Umfang möglicher „Treffer“ bei der reinen Recherche nach verwandten Begriffsnennungen würde ansonsten möglicherweise dazu führen, die Untersuchung durch allzu viele weniger bedeutende „Nebenschauplätze“ zu verwässern.