Читать книгу ZOMBIE APOCALYPSE UTOPIA - N. M. Micheilis - Страница 3
1. Einleitung
ОглавлениеJim öffnet die Augen. Er weiß nicht, wie lange er schon so dagelegen ist. Das Krankenhaus ist verlassen. Sein fragendes „Hallo?“ hallt von den Wänden der leeren Flure wider und verschwindet in der Stille. Einsam ist sein Weg durch die Straßen. Verloren und klein wirkt er in der Weite der leeren Plätze. Es scheint als habe sich die Welt weitergedreht und ihn allein zurück gelassen. „Hallo?“ Wieder jagen seine Worte ziellos durch die Einsamkeit. Über den nackten Asphalt flattern Zeitungsblätter, die Botschaften vom Untergang verkünden. Botschaften, die niemanden mehr betreffen. Jim findet seinen Weg in eine Kirche. Ein Rosenfenster erleuchtet eine unbestimmbare, undefinierte Masse, die einmal Menschen gewesen sein mochten. Im Flur begegnet Jim seinem Schicksal. Einem Mann, den er einmal kannte: die Augen blutunterlaufen, Gesichtszüge zu einer Fratze verzerrt, der Körper zum Angriff bereit - bereit Jim in Stücke zu reißen.
Genauso wenig wie Jim auf diese neue Welt vorbereitet ist, bereitet Regisseur Danny Boyle den Zuschauer auf die Welt in 28 Days Later (2002) vor. (Eine kurze Zusammenfassung aller relevanten Filme kann ganz hinten im Verzeichnis gefunden werden.) Von Wut beherrschte, seelenlose Menschen, die jeden zerfleischen, der nicht zu ihnen gehört. Doch dem Zuschauer sind diese Wesen nicht neu. Er hat sie schon in unzähligen Variationen gesehen: Untote, Virenzerfressene oder einfach nur Zombies, die in die bisher heile Welt der Lebenden strömen, um die Apokalypse einzuläuten. Der Zuschauer kennt sie. Er ist ihretwegen ins Kino gekommen. Um zu sehen wie die Menschheit zum wiederholten Male den Kampf gegen ihr unterdrücktes Selbst aufnimmt. Doch es war nicht der Horror, der den Zuschauer ins Kino lockte. Es waren die leeren Plätze und das verhallende Echo.
Der Zombiefilm ist ein Genre, das beinahe so alt ist, wie der Film selbst. Angefangen mit White Zombie (1932) bis zu World War Z (2013). In seiner langen Geschichte ist es viele Entwicklungen durchlaufen und hat sich in viele verschiedene Richtungen entwickelt. Es hat sich vom Kolonialismus genauso beeinflussen lassen, wie vom Vietnamkrieg, von der sexuellen Revolution, genauso wie von biologischen Waffen. Nazis, Prostituierte, Homosexuelle, kaum ein Typus ist noch nicht durch einen Zombiefilm getorkelt. Das Genre ist offen und liberal und sperrt keine Randgruppe aus. In kannibalischen Orgien wird sowohl der Zerstörung, als auch dem maßlosen Konsum gefrönt.
Dabei ist Gewalt und die Darstellung verletzter Körper, mit all ihrer Faszination und Abscheulichkeit, immer eine Konstante im Zombiefilm geblieben. Jedoch zeichnet sich seit den Nullerjahren (2000-2009) eine neue Strömung ab, die ihren Ursprung bereits bei George A. Romeros Night of the Living Dead (1968) hatte, aber erst mit 28 Days Later im Begriff war ein neues Subgenre zu begründen, das der Zombieapokalypse. Die untoten Horden gaben sich nicht mehr mit – hier und da – mit einem kleinem Happen Menschenfleisch zufrieden. Sie wollten die Welt. So entwickelte sich auch die Zombieinvasion im Laufe der Zeit weg von der lokalen Bedrohung hin zu einer globalen Apokalypse. Weg von Nazis und Prostituierten, hin zu Jim, der einsam durch verlassene Plätze wandelt in einer Welt, die entleert ist und wo der Geruch von Freiheit und Gefahr in der Luft liegt. Was ist es, was den Zuschauer an diesen neuen Welten fasziniert? Was hat den Horror der Zombiefilme verdrängt?
1.1 These
Herausgerissene Eingeweide, abgetrennte Körperteile und austretende Körperflüssigkeiten sind ein Muss für jeden Zombiefilm. Dass diese Filme dem Horrorgenre zugerechnet werden, ist also verständlich. Doch gerade bei neueren Zombiefilmen wird die einstige Berufung des Zombiefilms, nämlich Schrecken und Angst hervorzurufen, nebensächlich.
Bereichert und in eine neue Richtung geworfen wurde das Genre durch die Idee der weltumfassenden Apokalypse. Trieben sich Zombies vorher vornehmlich auf abgeschotteten Inseln herum, wie in White Zombie (1932), haben sie nun die ganze Welt erobert und sich in das kulturelle Gedächtnis der Moderne eingeschlichen. Vielleicht war die Globalisierung der Zombieinvasion ursprünglich lediglich dazu angelegt mehr Schrecken zu verbreiten, doch ein gegenteiliger Effekt hat sich eingestellt: Die Zerstörung jedweder gesellschaftlicher Ordnung und die Loslösung von bekannten Normen und Werten haben den zombieapokalyptischen Film zu einer Utopie gemacht.
Die beinahe vollkommene Auslöschung der Menschheit, der Zerfall der Gesellschaft und die Herrschaft der Zombies, ist für den Liebhaber dieser Filme kein Schreckensszenario, sondern eine Wunschvorstellung. Wer wollte nicht mal wie Will Smith in I am Legend (2007) durch das leergefegte New York wandern, sich am Eigentum anderer bedienen, hier und da ein Reh schießen, und vielleicht ein paar Nightwalker ärgern. Filme wie diese dienen nicht mehr dazu Horror auszulösen, sondern Kritik an der trostlosen Welt zu üben in der wir jetzt leben und eine bessere Alternative aufzuzeigen. Ohne sinnentleerte Büroarbeit, ohne Steuern zahlen und zu Idioten nett sein müssen (in Zombiefilmen kann man sie einfach wegpusten). Die Zerstörung der Welt durch Zombies ist in diesen Filmen ein notwendiges Übel, das der Zuschauer für seine Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen gern in Kauf nimmt. Denn erst Zerstörung schafft einen neuen Weg und Platz für Neues. Apokalypse und Utopie werden dadurch von einander untrennbar.
Den Kinobesucher zieht gerade die vollkommene Zerstörung ins Kino. Es ist seine Unzufriedenheit mit den einengenden gesellschaftlichen Normen und mit der Monotonie des Alltags, die ihn auf eine Zombieapokalypse hoffen und diese, wenigstens ein Stück weit im Film, erfahren lässt. Nicht umsonst gibt es gerade eine Fülle an literarischen Neuerscheinungen mit Anleitungen für das Überleben von Zombieinvasionen. Denn wenn die Apokalypse tatsächlich eintritt will man ja nicht zu denjenigen gehören, die vom Helden eine Axt in den Schädel bekommen. Nein, man will selbst der Held sein in einer neuen Welt ohne Regeln und Grenzen.
Die Faszination für die Apokalypse hat die Faszination für den Horror von Zombiefilmen verdrängt. Als Zombies noch schlurfende Gestalten aus dem Gruselkabinett des frühen Kinos waren, hatten sie unter ihren Kollegen – Vampiren, Werwölfen und diversen Monstern aus dem Sumpf - keinen Sonderstatus. Durch Romeros apokalyptisches Night of the Living Dead wurden sie revitalisiert (vgl. Haupts, 2011:92) und der Prozess ihrer Verbreitung in der Gedankenwelt der Populärkultur hat bis heute angehalten und sie endgültig zu einem Massenphänomen gemacht (vgl. Nohr, 2011:259). Ihren Schrecken haben sie zwar verloren. Jedoch hat der Film und der Zuschauer sie zu einem Instrument für die erhoffte Apokalypse umfunktionalisiert.
Diese apokalyptischen Zombiefilme, die von mir später noch genauer definiert werden, sind meiner Meinung nach Zombie-Utopien. Es sind Filme, die an der bestehenden Gesellschaft Kritik üben und gleichzeitig durch die Apokalypse die Chance auf eine bessere Alternative aufzeigen. Was bestimmte Zombiefilme nun zu Utopien macht, welcher eigenen Mechanik sie folgen und warum diese für den Zuschauer als ein wünschenswerter Zustand erscheint, soll in dieser Arbeit besprochen werden.
1.2 Stand der Forschung
Je beliebter das Genre des Zombiefilms in den letzten Jahrzehnten geworden ist, desto häufiger und auch anerkannter wurde die theoretische Auseinandersetzung mit diesem Thema. Dennoch ist es immer noch so, dass das Zombiegenre in Zusammenhang mit dem Horrorgenre untersucht wird und es nur wenige eigenständige Publikationen hierzu gibt.
Aus diesem Grund kommt man nur schwer am Horrorgenre vorbei, will man sich ernsthaft mit Zombiefilmen beschäftigten. Doch ist gerade die Faszination für Gewalt und Schrecken etwas, was auch die Zombiewissenschaft nicht unberücksichtigt lassen darf. Als wegweisend in dieser Kategorie kann Noel Carrolls The Philosophy of Horror angeführt werden. Das Werk setzt sich nicht nur grundlegend mit der Natur des Horror auseinander, sondern auch warum der Horror den Zuschauer dermaßen in seinen Bann zieht.
Die Forschung geht bei Carroll stark in die Phänomenologie, aber auch gesellschaftskritische Auseinandersetzungen sind durchaus möglich. Denn in seiner Vielfältigkeit bietet das Horrorgenre genug Ansatzmöglichkeiten für eine wissenschaftliche Untersuchung. So ist zum Beispiel auch eine Analyse unter Gender-Aspekten möglich, wie bei Carol Clover (1992), die später noch hinzugezogen werden wird.
Das Subgenre des Zombiefilms ist dafür etwas dünner behandelt. Dieses wird nur selten außerhalb des Horrorgenres besprochen und in nur wenigen Fällen, so zum Beispiel bei Gregory A. Waller (2010), als eigenständiges Thema angesehen, wobei auch er nicht zwischen Zombies und Vampiren unterscheidet, sondern beide einfach als Untot bezeichnet. Auch On Rules and Monsters (Moldenhauer, Spehr, Windzus, 2008) widmet einen kleinen Teil seiner Arbeit dem Zombie in seiner Funktion als Monster ohne sich aber auf das Genre an sich zu konzentrieren.
Wirklich eigenständig besprochen wird der Zombiefilm nur in Untot - Zombie Film Theorie von Krautkrämer, Fürst und Wiemer (2011). Doch auch da wird das Element der Apokalypse, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt.
Diese Publikationen sind bisher die Einzigen, die sich ernsthaft mit dem Zombiefilm auseinander setzen. Nebenbei gibt es noch eine ganze Flut von Zombieliteratur, die sich nur halbherzig mit dem Thema beschäftigt und sich eher der Zombiemetapher widmet. Wie zum Beispiel Noetzel und von Bredow (1996), die Zombies als Metapher für politischen Akteure des ausgehenden 19. Jahrhunderts sehen, oder Michael Newbury (2012), der das Essverhalten in Zombiefilmen als Kommentar zu unserem Umgang mit Lebensmitteln sieht.
Der zombieapokalyptische Film wurde bisher als eigenständiges Forschungsobjekt von der Filmwissenschaft vernachlässigt. Diese Filme, mit ihrer ganz eigenen Dynamik, ihren Regeln, Helden und Charakteristika, sind in den Geisteswissenschaften Neuland. Deswegen ist es bei der folgenden Untersuchung notwendig auch auf filmfremde Literaturquellen zurückzugreifen, zum Beispiel wenn es um die Begriffe der Apokalypse und Utopie geht. Bevor man sich aber überhaupt mit dem Thema auseinandersetzen kann, muss ein Filmkanon gefunden werden um das Forschungsobjekt definieren zu können.
1.3 Abgrenzung, Methodik und Definitionen
Der apokalyptische Zombiefilm ist in der Forschung als Begriff bisher nicht aufgetaucht. Er wird von mir an dieser Stelle als inhaltliche Bezeichnung (es gibt eine Apokalypse und Zombies) eingeführt, kann aber durchaus als Bezeichnung für ein Sub-Genre verstanden werden.
An dieser Stelle ist es jedoch wichtig von der Vorstellung des Genres als rigides Konstrukt wegzukommen und Genre stattdessen als Entwicklungsprozess zwischen Bekanntem und Experimentellem zu sehen, wie auch Gregory Waller (2010:8) bemerkt.
The pleasures of familiarity, however, must be understood in relation to the pleasures of originality, for the generic text always involves variation as well as standardization, innovation as well as convention. As Stephen Neale observes, once we conceive of genre as “process,” then “repetition is never simply the eruption of the absolutely new. [Neale, Genre, p. 13]
Diese Variationen beleben nicht nur ein Genre, sondern sind auch in der Lage neue Genres zu bilden. Rick Altman zufolge entstehen neue Genres oft aus der originellen Bearbeitung eines bereits etablierten Stoffes. Genregenerierung erfolgt hier in sogenannten „adjectival cycles“ (1999:61ff), wo die adjektivische Beschreibung eines Genres zum Genre selbst wird, so zum Beispiel von der tragischen Komödie zur Tragikomödie. Auch der zombieapokalyptische Film kann als Ergebnis dieses „cycle“ gesehen werden: aus dem Zombie-Horrorfilm wird der Zombiefilm und aus dem apokalyptischen Zombiefilm könnte man die Zombieapokalypse als neues Genre entstehen sehen.
Voraussetzung hierfür ist aber nach Altman, dass es sowohl einen Kanon an passenden Filmen gibt, der das Genre vertritt, und dass das neue Genre vom Zuschauer als solches akzeptiert wird. Das heißt, dass der Zuschauer die Genrebezeichnung als passend anerkennt. Unrichtig wäre es zum Beispiel zu behaupten Independence Day (Roland Emmerich, 1996) sei eine Alieninvasions-Romanze.
Dass der Zuschauer den zombieapokalyptischen Film als neues Subgenre anerkennt, muss an dieser Stelle behauptet werden. Dass ein eindeutiger Kanon an zombieapokalyptischen Filmen besteht, muss hingegen noch bewiesen werden. Zwar ist es nicht meine Absicht die Emergenz eines neuen Genres zu beweisen, jedoch ist es für die folgende Untersuchung wichtig abzustecken welche Filme überhaupt als Vertreter dieses neuen Genres gelten können. Die Eingrenzung erfolgt hierbei rein über den Inhalt und die Thematik der Filme, nicht über ihre Form und Erzählart, wie es in anderen Genres auch üblich sein kann (Thriller, Komödie, usw.)
Nur eine Handvoll Filme erfüllen alle Kriterien eines apokalyptischen Zombiefilms und selbst diese sind gespickt mit Ausnahmen. Für die Aufnahme in das Sub-Genre der Zombieapokalypse müssen die Filme jedoch lediglich zwei Kriterien erfüllen: Sie müssen Zombies als Hauptantagonisten enthalten. Es müssen apokalyptische Elemente vorhanden sein.
Romeros Dead-Reihe, sowie I am Legend (2007) und 28 Days Later (2002) können problemlos in das Genre aufgenommen werden. Nicht ausgeklammert werden auch Satiren, wie Zombieland (2009) oder Shaun of the Dead (2004). Exemplarisch hinzugezogen werden auch Filme, die zwar sowohl Zombies als auch eine Apokalypse enthalten, ihrer Form nach jedoch eher in anderes Genre hinzugerechnet werden sollten. Diese wären: Die Resident Evil-Reihe (Action), World War Z (Abenteuer, 2013), Warm Bodies (Romance, 2013) oder auch Neuverfilmungen, wie dem Remake Day of the Dead (Horror, 2008).
Als Referenz hinzugezogen werden auch klassische Zombiefilme, die dem Horrorgenre angehören und überhaupt keine apokalyptischen Elemente enthalten, jedoch thematische Überschneidungen mit dem neuen Genre enthalten. Beispielhaft können hier frühe Zombiefilme wie White Zombie (1932) erwähnt werden oder Peter Jacksons Braindead (1992), sowie Dead Snow (2009).
Außen vor gelassen müssen jedoch apokalyptische Utopien, die keine Zombies enthalten. So zum Beispiel Katastrophenfilme, Alieninvasionsfilme oder nicht-menschliche Bedrohungen, wie in Terminator-Reihe. Wir finden hier zwar perfekte Apokalypsen, aber in den Filmen fehlen die Zombies. Diese mögen auf den ersten Blick nur wie ein weiteres Monster erscheinen. Sie erfüllen jedoch gerade in ihrer Eigenheit als Untote eine entscheidende Funktion, die die Zombieapokalypse einzigartig macht, was später ausführlicher besprochen wird.
Um den Kanon der Filme überschaubar zu halten werden weniger bekannte Produktionen ebenfalls nicht berücksichtigt. So zum Beispiel B-Produktionen oder Spaghetti-Zombiefilme. Außen vor gelassen müssen auch andere Medien, wie Comics, Bücher oder Serien. Zwar erscheint The Walking Dead (2010) wie ein perfekter Vertreter des neuen Genres, muss jedoch ausgeschlossen werden, da das Serienformat anderen Gesetzen folgt als der Film. So ist zum Beispiel bei Walking Dead zu beobachten, dass sowohl Zombies als auch die Apokalypse im fortschreitenden Verlauf der Handlung immer nebensächlicher werden.
Zwar werden im Folgenden vereinzelt noch einige weitere Filme zur Verdeutlichung erwähnt, ich will mich aber für eine bessere Übersicht auf die oben genannten Filme beschränken.
Methodik
Dabei sollen die abgegrenzten Filme mit dem Fokus auf die Handlung und die Charaktere, sowie die vorherrschende Thematik des Films untersucht werden. Auf eine ästhetische Analyse wird weitestgehend verzichtet. Die Darstellung der Handlung ist also für die Untersuchung irrelevant, da nur das Ergebnis und der Verlauf selbst von Bedeutung sind. So spielt es zum Beispiel keine Rolle, wie ekelerregend ein Zombie einem Menschen in die Hand beißt, sondern dass es ihm gelingt ein großes Stück heraus zu beißen. Der analysierte Inhalt wird dann im Kontext mit Utopie-, Horror- und Filmtheorien betrachtet.
Hierbei lässt sich eine Abschweifung in die Phänomenologie (vgl. Hanich, 2010:38) nicht vermeiden, vor allem dort, wo es um die Zuschauerwirkung und -erwartung geht, denn hier können nur subjektive Beobachtungen und Annahmen aufgestellt werden, die zwar auf den ersten Blick als offensichtlich erscheinen, aber deren Verständnis einer genaueren Analyse bedarf.
Allgemein werden die von mir abgesteckten Filme als Eckpfeiler dieses vielleicht neuen Genres auf deren Inhalt und Charaktere hin untersucht und die apokalyptischen Elemente herausgearbeitet um zu beweisen, dass die Zombieapokalypse in ihrem Kern eine Utopie ist.
Definitionen
Zur besseren Verständlichkeit der Arbeit, will ich vorab einige Begriffe klären, die für die Thematik zentral sind.
Zombies
Der klassische Zombiefilm kann problemlos in das Horrorgenre gerechnet werden. Sein Hauptmerkmal, dass er von Zombies/Untoten bevölkert wird, erscheint unbestreitbar und banal. Jedoch haben unzählige Filmvariationen so viele unterschiedliche Arten von Zombies hervor gebracht, dass eine Systematisierung notwendig erscheint.
Am Anfang bevölkerten Zombies lediglich die Gedankenwelt karibischer Inseln. Hier waren es Voodoo-Priester, die (vermeintliche) Tote zu seelenlosen Sklaven wiederbelebten. (Manche Wissenschaftler sehen als Erklärung ein Nervengift, das einen Scheintod verursacht und bei nachlassender Wirkung irreparable Gehirnschäden hinterlässt). Diese Art von Zombies ist auch die erste, die in Literatur und später auch im Film, zu finden ist. Diese Zombies sind per se keine Toten, sondern Menschen in Trance, die unter dem Bann eines Voodoo-Priesters stehen, und können in Einzelfällen wieder zu Menschen gemacht werden.
Mit dem Fortschreiten des Zombiegenres und seines Eindringens in die USA, kommen neue Zombie-Arten auf. Bei George A. Romeros Night of the Living Dead (1968) finden wir dann auch die ersten echten wandelnden Leichen, die Körper kürzlich Verstorbener, die aus ungeklärten Gründen (kosmische Strahlung?) aus ihren Gräbern steigen. Das Element der Ansteckung ist auch hier bereits vorhanden. Jeder, der von einem Zombie gebissen wird, stirbt und wird dann selbst zum Zombie. Der Prozess dauert bei Romero von einigen Stunden bis zu zwei Tagen. Andere Filme sind da schneller (siehe World War Z). Auch der Kannibalismus findet bei Romero seinen Anfang. Dieser ist zwar für eine Kategorisierung unerheblich, wird aber im Laufe der Arbeit noch eine wichtige Rolle spielen.
In Romeros Dead-Reihe wird nie eine klare Ursache für die Zombies beschrieben, andere Filme geben den Untoten jedoch gerne triftige Gründe um aus den Gräbern zu steigen: eine überfüllte Hölle (Dawn of the Dead, 1978); unbekannte, chemische Substanzen (The Return of the Living Dead, 1985) und sehr beliebt, ein Virus (28 Days Later, Resident Evil, World War Z, I am Legend).
Bei den Virus-Zombies (eine der beliebtesten Ursachen!) muss eine Unterscheidung zwischen jenen getroffen werden, die medizinisch gesehen noch am Leben sind (28 Days Later, I am Legend), aber ihrer Menschlichkeit beraubt sind, und jenen, die zwar tot sind, aber deren Bewegungsapparat noch einwandfrei funktioniert (Resident Evil, World War Z). Die Unterscheidung ist wichtig, da bei ersteren noch eine Aussicht auf Heilung besteht, die für die Handlung meist zentral ist.
Bei dieser Fülle an unterschiedlichen Zombies mag man sich wundern, was sie alle gemeinsam haben um sich einen Namen zu teilen. Die Haupteigenschaft von Zombies ist nicht die Frage, ob sie am Leben sind oder nicht, sondern dass sie in ihrem Denken auf die niedersten Triebe beschränkt sind (Essen, Töten) und jeder Menschlichkeit entbehren (Erinnerungen, Empathie, reflektiertes Denken).
In diesem Sinne findet man die unzombigsten Zombies in Dan O’Brannons The Return of the Living Dead (1985). Zugegebenermaßen eine Persiflage auf den Zombiefilm, wird er bevölkert von wandelnden Leichen, die jedoch vereinzelt denken, fühlen und sich an ihr altes Leben erinnern können. Sie erinnern eher an komisch geratene Serienkiller, als an echte Zombies. Für einen Zombie-Status ist es nämlich unerheblich ob es sich um einen echten Untoten handelt und dessen Lieblingsspeise Menschenfleisch ist – allein die Unmenschlichkeit im menschlichen Körper ist entscheidend.
Apokalypse
Der Begriff der Apokalypse ist in seinem Ursprung ein biblischer und eng an die Erlösungsgeschichte des Christentums geknüpft, wie McAlister (2012:475) erklärt:
Apocalypse, etymologically linked to the word “unveiling,” is a process of revealing in the Books of Ezekiel, Daniel, Revelation, and others; the revelation conveys both the fact of and the details about the future divine order. In the Christian apocalypse of John of Patmos, the entire earth is destroyed in order to bring about God’s new heaven and new earth.
Dabei ist es wichtig zu bemerken, dass eine Apokalypse nicht nur die Zerstörung der Welt bedeutet, sondern auch ein göttliches Gericht mit sich bringt, wie auch die Erschaffung einer neuen göttlichen Ordnung auf Erden. Nun hält sich die Populärkultur nicht so genau an die biblische Vorgabe. Der Begriff der Apokalypse wird heute in Literatur, Film und auch der geisteswissenschaftlichen Theorie, mal enger mal weiter an die biblische Vorlage geknüpft, aber oft auch unabhängig von dieser behandelt.
In Zusammenhang mit einer Apokalypse wird auch häufig der Begriff des Weltuntergangs verwendet, was nach McAlister (2012:473) die säkulare Variante der religiös-aufgeladenen Apokalypse darstellen soll.
As secular apocalypse film, the zombie film is postmodern in that it has undermined the opposition of God and human (Ostwalt 2000).
Die säkulare Apokalypse unterscheidet sich von der biblischen insoweit, dass sie weder von Gott initiiert wird, noch eine vollkommene Zerstörung oder ein Gericht oder eine neue Ordnung mit sich bringt. So jedenfalls das allgemeine Verständnis. Es wird sich später zeigen, dass die Zombieapokalypse sehr wohl Zerstörung, Gericht und einen Neuanfang kennt. Aber dazu später mehr.
Wenn nun im Folgenden von einer Apokalypse die Rede ist, so soll die säkulare gemeint sein, die zwar Gott als Initiator abgeschafft hat, aber oft noch nach dem gleichen Muster verfährt wie ihr biblischer Vorreiter.
Utopie
Namensgeber, aber nicht Ursprung der Utopie, war Thomas Mores Utopia, das wörtlich übersetzt „kein Ort“ bedeutet. Utopien gab es in der Literatur aber schon viel früher. Diese beinhalten in ihrem Kern, nach Haufschild und Hanenberger (1993:29), immer zwei Kerneigenschaften:
[…] in vielen Werken der erwähnten Verfasser [Morus, Samjatin, Orwell u.a.] spiegelt sich wider, was in ihren Utopien oder Dystopien zum Ausdruck kommt, nämlich einerseits die Unzufriedenheit mit existierenden Zuständen und andererseits die positiven Gegenentwürfe der Utopien bzw. die extrapolierten Schreckensvisionen der Anti-Utopien.
Kritik und ein positiver Gegenentwurf sind für die Utopie zentral. Dabei müssen die vorherrschenden Zustände gar nicht aktiv angegriffen werden. Oftmals reicht schon die Schilderung einer besseren Welt und deren Gegenüberstellung zur vorhandenen, um als Kritik verstanden zu werden. Denn im Vorhanden-Sein einer besseren Alternative wird dem Rezipienten bereits die Unzulänglichkeit seiner eigenen Welt vor Augen geführt. Dabei ist es nicht das Ziel der Utopie, diese zu verwirklichen. Die Darstellung einer besseren Welt soll lediglich dazu dienen über den Status Quo der eigenen Gesellschaft zu reflektieren.
In dieser Arbeit werden Utopien als positive Gegenentwürfe zu einer bekannten Realität, die sowohl Kritik an der selbigen äußern, als auch Möglichkeiten einer besseren Alternative aufzeigen, verstanden.
1.4 Einführung in die Arbeit
Um zu beweisen, dass der apokalyptische Zombiefilm in seinem Kern eine Utopie ist und kein Horrorfilm, ist es notwendig seine Einzigartigkeit herauszuarbeiten und ihn vom Horrorgenre abzugrenzen. Im ersten Schritt werde ich deswegen erläutern, warum der Horror nicht mehr das zentrale Motiv der Zombie-Utopie ist (2.2.) und dann anhand bestimmter Charakteristika die Unterschiede zwischen Horror und Zombie-Utopien festmachen.
Im dritten Kapitel wird dann der zombieapokalyptische Film selbst unter die Lupe genommen um zu zeigen, was diesen überhaupt ausmacht. Er wird vor allem in seiner Eigenschaft als Apokalypse untersucht, um ihn im ersten Schritt von klassischen Zombiefilmen abzugrenzen und um das apokalyptische Element genau zu beschreiben, da dieses essentiell ist für die Utopie, die im darauffolgenden Kapitel besprochen wird.
Im vierten Kapitel wird dann bewiesen, dass es sich bei apokalyptischen Zombiefilmen tatsächlich um Utopien handelt. Dies geschieht anhand der Hauptmerkmale der Utopie: Kritik an der bestehenden Gesellschaft und einem positiven Gegenentwurf.
Im 5. Kapitel wird schließlich das Utopische der Zombie-Utopie beschrieben, die sich aus drei Elementen zusammensetzt: der Emanzipation des Menschen (5.1) die Möglichkeit auf einen Neubeginn (5.2) und die Läuterung des Individuums zu einem besseren Menschen (5.3).