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HABEDERE
GRÜSSEN AUF BAIRISCH
Am nächsten Vormittag machen sich die Verliebten auf den Weg nach Niederbayern. Magdalena will Jochen ihre Heimat zeigen – und die Familie soll er auch kennenlernen. Immerhin wollen die beiden tatsächlich bereits innerhalb des kommenden Jahres heiraten – das hatten sie gestern Abend noch besprochen. Nach eineinhalb Stunden Fahrt betreten sie eine andere Welt. Statt des Treibens der Großstadt tut sich im Landkreis Rottal-Inn eine zauberhafte, hügelige Landschaft mit viel Wald, einsamen Bauernhöfen und Traktoren auf den Feldern auf. Als Erstes besuchen die beiden Magdalenas Opa, der nicht in der Kleinstadt ihrer Eltern wohnt, sondern einige Kilometer außerhalb in einem alten Bauernhaus. Weil keines seiner Kinder den Hof übernehmen und die Arbeit weiterführen wollte, musste er seine Felder verpachten und die landwirtschaftlichen Gebäude als Lagerhallen untervermieten. Sein Lebenswerk, der Bauernhof, sei damit zerstört, hat er Magdalena einmal gesagt. Dass seine Enkelin nun einen Preißn heiraten wird, dürfte seine Laune auch nicht heben, vermutet sie. Sie hofft allerdings, dass er vielleicht gar nicht richtig hört, dass Jochen kein Hiesiger ist. Opa ist schwerhörig, was das Zusammensein mit ihm meistens schwieriger, manchmal aber auch leichter macht. Als sie im Hof vor dem Bauernhaus parken, kommt der Opa strahlend zur Tür heraus.
DIE SACHE MIT DEN PREISSN
Preißn – das sind für die Bewohner Altbayerns Menschen aus Norddeutschland, unabhängig davon, ob sie dort wohnen oder unpassenderweise sogar in Bayern. Die Grenze zu Norddeutschland, der Weißwurstäquator, wird dabei relativ eng um das »wahre« Bayern gezogen. Selbst Franken sind daher nicht davor gefeit, Preißn genannt zu werden – oder zumindest Lebkuchenpreißn.
Im Zuge der Globalisierung werden sogar Touristen jeglicher Nationalität als Preißn bezeichnet. »Saupreiß, japanische« gilt etwa als abwertende Bezeichnung anderer Menschen, deren Nationalität ungeklärt ist oder auch gar nicht geklärt sein will. Ein Preiß ist im Grunde jeder, der der bairischen Sprache nicht mächtig ist. Ursprünglich waren es nur die Einwohner des Königreichs Preußens, in dem die meist protestantischen Norddeutschen lebten.
»Grias de«, sagt er zu Magdalena und dann auch zu Jochen und reicht ihm die Hand. Weil Jochen gut erzogen ist, aber nicht richtig verstanden hat, was der Opa gesagt hat, antwortet er mit »Gut«. Magdalena hält kurz die Luft an, aber ihr Opa scheint Jochens Antwort gar nicht gehört zu haben. Offenbar war das eine Begrüßung, mit der die beiden Männer zufrieden sind. Bevor Jochen allerdings die weniger schwerhörigen Familienmitglieder trifft, muss sie ihn darüber aufklären, wie in Bayern korrekterweise gegrüßt wird, jedenfalls außerhalb der Münchner Stadtgrenzen. Als sich Magdalena und Jochen etwas später wieder verabschieden, um in die Kleinstadt weiterzufahren, ruft Jochen dem Opa ein fröhliches »Tschüss« zu. Das versteht jener allerdings. »Kann er ned Pfiat de sagen?«, brummt er vorwurfsvoll.
Obacht, neidabbt!
Die Sache mit dem Grüßen ist gar nicht so einfach in Bayern – obwohl sogar der liebe Gott im Freistaat immer mit dabei ist und Schützenhilfe gibt. Was das im konkreten Fall heißt? Jochen hätte auf das »Grias de« des Großvaters am besten mit »Grüß Gott« geantwortet. Damit läge er meistens richtig – jedenfalls, wenn er jemanden grüßt, den er nicht so gut kennt.
Hätte er ebenfalls »Grias de« gesagt, wäre er womöglich in einen Fettnapf getreten – denn damit hätte er den Opa geduzt, was nicht unbedingt gut angekommen wäre. Denn nur weil ein älterer Herr in Bayern einen deutlich jüngeren duzt, bedeutet das nicht, dass es andersrum auch erlaubt ist. Ein junger Mann, der der bayerischen Sprache mächtig ist, hätte an Jochens Stelle vielleicht »Griaß eana« gesagt oder »Griaß eana God«. Das bedeutet: »Ich grüße Sie.« Für Jochen ist »Griaß eana« aber nicht empfehlenswert, denn, um ehrlich zu sein, will kein Bayer hören, wie sich ein Preiß im Dialekt versucht. Das geht nämlich immer schief: Es gibt in Sachen Dialektsprechen offenbar keine Naturtalente aus anderen Gegenden – das scheint Naturgesetz zu sein. Idealerweise sagen Nicht-Bayern also »Grüß Gott«, wenn sie jemandem einen guten Tag wünschen möchten. Apropos: Einen »Guten Tag« zu wünschen, das sollten Ortsfremde übrigens tatsächlich sein lassen, da es in den Ohren der Bayern ebenfalls nicht schön klingt. Ein guter Tag jedenfalls würde nach so einer Begrüßung erst mal eher nicht stattfinden. Noch schlimmer sind für Bayern eigentlich nur noch »Tach« oder »Moin«.
Warum aber sollte Jochen sein Gegenüber dazu auffordern, Gott zu grüßen? Achtung, Fettnapf: Denn darum geht es nicht! »Grüß Gott« ist ein verkürztes »Grüße dich Gott« – und damit keine Aufforderung, sondern ein Wunsch, der genau genommen »Gott segne dich« bedeutet. Es ist also sehr nett gemeint. Statt »Grias de« hätte Magdalenas Opa auch »Grias de God« sagen können – auch das ist unter Duz-Freunden und in der Familie weitverbreitet. Werden zwei gute Bekannte begrüßt, eignet sich ein »Griaß eich« oder »Griaß enk«, was einem »Ich grüße euch« entspricht. Unter Freunden und guten Bekannten ist zudem »Servus« sehr beliebt – sowohl zur Begrüßung als auch zum Abschied. Umgangssprachlicher sagt man auch »Serwas«. »Seas« ist vor allem unter jüngeren Menschen der Gruß der Wahl. Und ja, der Begriff Servus kommt aus dem Lateinischen und steht für Sklave oder Diener. Wer so grüßt, steht »zu Diensten«. Wer es weniger unterwürfig mag, sagt stattdessen »Habedere« oder »Hawedere« – vielleicht auch nur »Dere«, und zwar ebenfalls beim Kommen und beim Gehen. »Ich habe die Ehre (dich zu treffen)« bedeutet dieser Gruß. Einer Supermarktkassiererin oder Fremden gegenüber wäre er eher respektlos, aber unter Freunden funktioniert »Habedere« bestens.
Wer sich mit »Grüß Gott« begrüßt, verabschiedet sich passenderweise mit »Pfia God«. Ein »Pfiat de« oder ein »Pfiat di God« würde das Du voraussetzen. »Behüt dich Gott« beziehungsweise »Behüte Sie Gott« wünscht der Grüßende damit. Von mindestens zwei Menschen verabschiedet man sich mit »Pfiat enk, Pfiat eich, Pfiats eich« – und wenn man per Sie ist, mit einem »Pfiat eana« oder, wie eingangs erwähnt, mit »Pfia God«. Es ist zwar nicht egal, was man beim Kommen und Gehen sagt, aber wie man diese Grüße schreibt, das spielt keine Rolle. Es gibt hierfür keine Rechtschreibregelung.
Für Jochen dürfte es nur theoretisch wichtig sein, über »Grias de« und »Pfiat de« Bescheid zu wissen, um weiteren Missverständnissen vorzubeugen. Aktiv verwenden sollte er besser nur die Grüße, die er auch aussprechen kann. Mit »Auf Wiedersehen« wäre er beim Abschied jedenfalls gut beraten. »Auf Wiederschauen« wäre noch besser, das klingt sogar einigermaßen bairisch. Fast perfekt wird es, wenn er nur »Wiederschaung« sagt. Dass man als Ortsfremder allerdings manchmal lieber grußlos verschwinden möchte, ist auch verständlich …
WIE MAN RICHTIG »GRIASS DE« SAGT
… wenn man per Du ist: | … wenn man einen oder mehrere siezt: | … wenn man Freunde trifft: | |
Begrüßen | Grias de / Servus/ Habedere | Griaß eana / Grüß Gott / Griaß eana God | Griaß enk / Griaß eich / Servus miteinand |
Verabschieden | Pfiat de / Servus / Habedere | Pfiat eana / Pfia God / Auf Wiederschauen | Pfiat eich / Pfiats eich |
TSCHÜSS, SERVUS UND ADE!
Auch in Franken treffen sich die Leute mit einem herzlichen »Grüß Gott«. Doch beim Abschied gibt es einen fränkischen Sonderweg. Immerhin geht auch »Servus«, aber – wie in Schwaben – ist in Franken häufiger auch ein knappes »Ade« zu hören. »Ade« klingt freilich erst mal ungewohnt und ein bisschen nach romantischem Volkslied. Doch auch hier schwingt der Herrgott mit, wenn auch nicht ganz so offensichtlich. Das Wort stammt vom französischen Adieu, was wiederum »à dieu«, also »bei Gott«, bedeutet. »Ade« jedenfalls sagen in Franken alle, die Jungen wie die Alten. In Oberfranken hört man auch die verkleinerte Form – »Adela«. Übrigens: Wenn dort mal jemandem ein »Tschüss« herausrutscht, dürften weniger starke Sanktionen auf ihn warten als etwa in Altbayern. »Tschüss« hat in Oberfranken bereits großen Einfluss und verdrängt manchmal die anderen Abschiedsgrüße. »Na servus« würde ein Niederbayer dazu sagen.