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Scheitern ist geil Ein Vorwort

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Kluge Frauen scheitern anders. Und zwar anders, als ich. Denn als besonders »klug« kann man meinen Umgang mit dem Scheitern nun wirklich nicht bezeichnen. Eine kluge Frau hätte sich (ganz im Gegensatz zu mir natürlich), sicherlich nicht über Monate hinweg mit schlimmsten Selbstvorwürfen gegeißelt. Sie hätte sich nicht jeden verdammten Tag gefragt, was zur Hölle sie nur falsch gemacht hat. Sie hätte vermutlich auch nicht jede Nacht wach gelegen um darüber nachzudenken, ab wann genau es anfing, schief zu laufen. Und ganz bestimmt hätte sie sich auch nicht tausendmal gefragt, ob es einen Zeitpunkt gegeben hat, an dem sie das Ruder noch hätte herumreißen können. Denn eine kluge Frau weiß: Auf diese Fragen gibt es keine Antworten. Wozu auch. Was passiert ist, ist passiert. Daran lässt sich nichts mehr ändern. Leider. Oder vielleicht auch zum Glück. Jedenfalls macht es keinen Sinn, sich mit diesen Fragen herumzuquälen. Ich habe es natürlich trotzdem getan. Klar.

Außerdem habe ich mich geschämt. Dafür, dass ich überhaupt so naiv gewesen war zu denken, ich könnte ein Unternehmen gründen und managen. Dafür, dass ich offensichtlich die rosarote Brille aufhatte, als ich mich dazu entschlossen habe, ein Unternehmen gemeinsam mit einer Freundin zu gründen. Dafür, dass ich zu schwach war, um das Ganze wenigstens in Würde zu Ende zu bringen. Weil ich mich so sehr geschämt habe, habe ich versucht meine Situation so lange wie möglich geheimzuhalten. Immer schön den Schein waren, lautete meine Devise, mit der ich mich am Ende natürlich nur selbst betrogen habe. Ach ja und ich habe geweint. Sehr oft und sehr lange. In Parkhäusern. In Zügen. Beim Spazieren gehen. Vor meinen Eltern, vor Freunden, vor meinem Anwalt, vor Ärzten. Bei Telefonaten mit dem Finanzamt. Abends beim Einschlafen. Morgens beim Aufwachen.

Am Schlimmsten aber war, dass ich mich lange Zeit geweigert habe, Hilfe anzunehmen. Denn Hilfe annehmen ist etwas für Schwächlinge. Für Leute, die es sich gern leicht machen. Die sich lieber auf andere verlassen, als auf sich selbst. Indem man Hilfe annimmt, macht man sich von anderen Menschen abhängig. Besser man verlässt sich nur auf sich selbst. Soweit meine – damalige – Einstellung zu diesem Thema. Dann allerdings kam besagter Tag X, an dem auch ich lernen musste, dass man sich diese Einstellung eigentlich nur leisten kann, wenn man sonst keine Probleme hat. Dass es Situationen im Leben gibt, in denen einem gar nichts mehr anderes übrig bleibt, als Hilfe anzunehmen. Ob man nun will oder nicht.

Bis es zu dieser Einsicht kam, war es natürlich ein langer, steiniger Weg. Klar. Solche Weisheiten bekommt man schließlich nicht geschenkt. Man muss sie sich erarbeiten. Dass das nicht immer freiwillig geschieht, versteht sich wohl von selbst. Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass ich dankend abgelehnt hätte, wenn mich eine gute Fee vor die Wahl gestellt hätte: »Du kannst entweder drei Jahre lang durch die Hölle gehen und bist am Ende ein ganzes Stück schlauer, als zuvor. Oder du machst so weiter wie bisher.« Da hätte ich mich selbstverständlich ohne langes Zögern für die zweite Variante entschieden. Zum Glück hat mir das Schicksal oder Gott oder die Zauberfee oder wer auch immer mir dieses »einzigartige Geschenk« gemacht hat, keine Wahl gelassen. Weshalb ich jetzt um eine unschöne Lebenserfahrung reicher und tatsächlich auch ein kleines bisschen schlauer bin. Mir ist in diesen drei Höllenjahren, in denen ich zuerst versucht habe mein Unternehmen zu retten und anschließend viel Zeit damit verbracht habe, es abzuwickeln, jedenfalls so einiges klar geworden. Unter anderem, dass wir Menschen gar nicht darauf ausgelegt sind, immer alles allein zu meistern. Früher oder später kommt für jeden von uns der Tag, an dem wir einsehen müssen, dass es ohne Hilfe einfach nicht geht. Ich dachte zwar, diese Erkenntnis hätte Zeit bis ich alt und grau bin und mir morgens jemand in die Stützstrümpfe helfen muss. Jetzt habe ich diese Lektion eben schon früher gelernt. Und zwar mit der Holzhammermethode. Anders hätte ich es wohl auch nicht begriffen.

Außerdem habe ich erkannt, dass ich nicht grundsätzlich dumm oder unfähig bin, nur, weil ich in einer Sache gescheitert bin. Unfassbar, aber wahr: Das Leben geht trotzdem weiter. Manchmal sogar besser, als vorher. Damit will ich nicht die Erwartung schüren, dass alle, die gescheitert sind, danach wie Phönix aus der Asche steigen. Vielmehr ist es mir ein Anliegen das unliebsame, schambehaftete Thema »Scheitern« aus seinem Schattendasein zu befreien und für einen offeneren Umgang damit zu werben. Aus meiner (heutigen!) Sicht ist es nämlich weder ein persönlicher Makel, noch zeugt es von totalem Dilettantismus, wenn mal etwas schief geht. Scheitern gehört einfach zum Leben und eben weil es so gut wie jeden mal trifft, spricht überhaupt nichts dagegen, offen zu seinem Scheitern zu stehen. Ich fange an.

Kluge Frauen scheitern anders

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