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Ich sehne mich nach dir

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Justina und David

wollen sich verloben,

doch keiner rechnet

mit Agathas Eifersucht.

Sommer, im Jahre 1901

Justina betrachtete sich im Spiegel. Heute ist für sie ein ganz besonderer Tag. Ihre Verlobung mit David. Justina trug ein rosarotes Ballkleid mit einer Perlekette in weißer Farbe. Eine rote Rose zierte ihr goldenes Haar.

Mit großem Stolz bewunderte Justinas Vater, wie seine jüngste Tochter die Treppe hinunter schreitet. Von seinen beiden Töchtern war Justina die Schönste und aus diesem Grund ruhte seine ganze Hoffnung auf ihr, ihr einen passenden Ehemann zu finden, der auch bereit ist seine Nachfolge in der Porzellan-Manufaktur anzutreten.

Justinas Schwester, Agatha, strahlte alles andere als Schönheit und Eleganz aus. Ihr strenger Haarknoten und das grüne, altmodische Kleid ließ sie mit vierundzwanzig Jahren viel älter wirken, als sie es in Wirklichkeit war. Einmal sprach ihr Vater sie darauf an, aber sie blieb der Meinung, aus sich mehr zu machen sei eine reine Geldverschwendung.

Bernhard Breitenbach und seine Töchter fuhren in einer schwarzen Kutsche mit weißen Pferden zum Ball.

Im Ballsaal stimmten die Musikanten eine Melodie an und Paare strömten auf die Tanzfläche. Unter ihnen waren auch Justina und David.

„Ich habe dich so sehr vermisst“, gestand David.

Justina lächelt e schüchtern und bekam rosarote Wangen. Auch Justina hatte David vermisst, aber traute sich nicht ihm ihr Herz zu öffnen. Nach drei Tänzen verließen sie die Tanzfläche.

„Darf ich dir etwas zu trinken bringen?“, fragte David.

„Gerne, vielen Dank!“, antwortete sie.

Während Justina auf David wartete kamen ihre Freundinnen auf sie zu und unterhielten sich mit ihr. Keine von ihnen ahnte welche Überraschung heute auf sie wartete. Nach und nach kamen junge Herren und baten eine Freundin nach der Anderen um ihren Tanz, bis Justina alleine peinlich dastand.

„Seltsam, wo David wohl geblieben ist?“, fragte sie sich.

„Er wollte mir doch nur etwas zu trinken bringen.“

Sie ging ihn suchen.

Agatha konnte Bälle nie ausstehen. Es war für sie unbegreiflich, wie Menschen sich dabei amüsieren konnten. Anstatt die Ballnacht zu genießen und neue Freundschaften zu schließen spazierte sie viel lieber im Garten. Plötzlich hörte sie hinter einer Hecke Stimmen. An ihnen erkannte sie David und Gabriela.

„Versteh doch endlich, für uns gibt es keine gemeinsame Zukunft!“, sagte David zu Gabriela.

„In wenigen Minuten werde ich mich mit Justina Breitenbach verloben.“

„Aber David, das kannst du doch nicht machen. Wir lieben uns doch“, weinte Gabriela und nahm seine Hand in die Ihre.

Sie hoffte, er würde durch diese Berührung sich für sie entscheiden. Aber das tat er nicht. Er wollte ihr gerade seine Hand entreißen, als Justina hinter ihm stand. Es war zu spät. Justina sah was sie nicht hätte sehen sollen und lief weinend davon.

„Justina, bitte warte. Es ist alles anders als du denkst“, rief David noch hinterher.

Also stimmte alles, was ihr Agatha über David und Gabriela erzählt hatte, ging Justina durch den Kopf. Justina fand ihren Vater und bat ihn auf der Stelle nach Hause zu fahren. Obwohl Justina ihr Gesicht mit einem Fächer verborgen hielt konnte ihr Vater den Schmerz in ihren Augen erkennen. Er verabschiedete sich höflich von der Herrenrunde und machte sich mit seiner Tochter auf den Weg zu seiner Kutsche. Agatha stand bereits draußen und wartete auf sie.

Unter Tränen erzählte Justina ihrem Vater was sie gesehen hatte und er gab sich die alle größte Mühe sie zu beruhigen. Agatha hingegen schwieg. Eine große Erleichterung durchströmte ihr eifersüchtiges Herz.

David wollte unbedingt das Missverständnis aufklären, doch Justinas Vater verweigerte ihm den Eintritt in die Villa. Deshalb versuchte David es mit Briefen, aber diese fing Agatha geschickt ab und versteckte sie in einer Schublade. Tag für Tag schickte er an Justina Briefe, die sie nie zu lesen bekam.

Agatha und Justina verbrachten viel Zeit miteinander. Sie gingen picknicken, machten Ausflüge, lasen zusammen in Büchern und besuchten die Oper. Agatha liebte ihre jüngere Schwester. Doch diese Liebe war zu groß. Eine Liebe, die nicht loslassen wollte. Manchmal überkam Agatha das schlechte Gewissen. Das schlechte Gewissen, wegen der abgefangenen Briefe und dass sie die Wahrheit vor ihrer Schwester geheim hielt.

Obwohl Justina von David schwer enttäuscht war vermisste sie ihn. Sie liebte ihn und wird ihn noch weiter lieben. Agatha ist ein guter Mensch, dachte Justina. Sie ist so ehrlich und meint es immer gut mit mir.

Damals, als Agatha ihr von David und Gabriela erzählte, wollte Justina ihr nicht glauben. Aber die Ballnacht hat Agathas Worte nur noch bestätigt. David und Gabriela liebten sich.

Gabriela spielte im Theater jede Nebenrolle, die sie bekam. Sie hoffte eines Tages einmal eine Hauptrolle zu bekommen und damit mehr Geld zu verdienen, als bisher. David hingegen kam aus einer wohlhabenden Familie und eine Heirat mit Gabriela wäre unerdenklich.

Es wurde auch gemunkelt, dass David und Gabriela sich heimlich, gegen den Willen seiner Eltern, trafen.

Eines Nachmittags saßen Agatha und Justina draußen, im Pavillon und tranken Tee. Agatha holte einen Brief aus ihrer Rocktasche und öffnete ihn. Es war eine Einladung zum Picknick.

„Oh, wie fein“, rief Justina erfreut und klatsche in die Hände.

„Es findet am Sonntag, nach dem Gottesdienst, statt“, fasste Agatha die Einladung kurz zusammen.

Agatha war weniger über diese Einladung erfreut. Sie ging nicht gerne aus, aber ihrer Schwester zu Liebe werde sie sie begleiten.

Ein Picknick am Sonntag

Auch David weilte unter den Picknickgästen. Die ganze Zeit hielt er nach Justina Ausschau. Der Gedanke, dass sie vielleicht doch nicht kommen könnte, quälte ihn. . Erleichtert atmete er aus, als er die letzte Kutsche, die der Familie Breitenbach, erkannte. Jetzt musste nur noch den richtigen Moment abzuwarten. Dieser Moment kam auch schneller, als er dachte.

Nach dem Mittagessen lud ein junger Mann Justina auf eine kleine Bootsfahrt ein. Er half ihr geschickt in das Boot zu steigen und entschuldigte sich bei ihr: „Verzeihen sie mir, ich habe etwas vergessen.“

Ehe Justina etwas sagen konnte verschwand er und einen kurzen Augenblick später kam David. Er setzte sich ohne ein Wort ins Boot und paddelte los. Justina verschlug es die Sprache. Nervös drehte sie ihren Kopf zur Seite und sah in ihr Spiegelbild. Als das Boot sich vom Ufer weit genug entfernt hatte, legte David die Ruder bei Seite und erzählte Justina von sich und Gabriela: „Vor dir lernte ich Gabriela kennen. Wir verliebten uns in einander. Nicht lange danach wollte ich sie heiraten. Doch meine Eltern waren gegen eine Heirat mit ihr.“

„Nachdem dir deine Eltern verboten haben sich mit ihr zu treffen, habt ihr euch dann nicht heimlich getroffen?“, fragte Justina, um es aus seinem Mund zu hören.

„Doch. Aber es war nur einmal, um ihr zu sagen, dass es mit uns keine Zukunft geben wird. Doch sie wollte es nicht wahr haben. Als sie später erfuhr, dass ich einer anderen den Hof machte und sie auch heiraten wollte, kam sie ungeladen zum Ball und wollte mit mir darüber reden.“

„Und an diesem Abend war nichts zwischen euch?“

„Nein, Justina! Gar nichts“, sagte David ganz ehrlich. Justina glaubte ihm. Hätte sie ihn doch viel früher aussprechen lassen, dann wäre es zu keinem Missverständnis gekommen und sie wären längs vereint.

„Schatz, ich habe dich so sehr vermisst!“, sagte David aus tiefstem Herzen.

„Auch ich habe dich sehr vermisst“, fasste Justina Mut und sprach das aus, was sie im Herzen fühlte.

Aus einer Entfernung sah Agatha ihre Schwester mit David Boot fahren. Sie erkannte, dass der Kampf um ihre Schwester vorbei war und David trug den Sieg davon. Sie musste wohl oder übel Justina ihren Weg gehen lassen.

Am Abend, als in einem Zimmer nach dem Anderen das Licht ausging fasste Agatha das bisschen Mut, den sie noch hatte, nahm Justinas zusammengebundene Briefe und klopfte an Justinas Türe. Nach einem knappen „herein“ trat sie in das Zimmer ein. Justina saß im Nachhemd vor einem Spiegel und flocht sich einen Zopf.

„Justina, ich muss dir etwas gestehen“, sagte Agatha mit einer zitternden Stimme. Justina konnte nicht ahnen was es war und reagierte gelassen.

„Ich habe alle deine Briefe von David abgefangen.“

Justina drehte sich herum und konnte zunächst nicht glauben, was ihre Schwester gerade sagte, bis sie die vielen Briefe in Agathas Händen sah.

„Aber warum?“

„Ich war auf David so eifersüchtig.“, Agatha machte eine kurze Pause.

„Ich wollte dich für mich haben und als David kam, wusste ich, dass du bald mich und Papa verlassen wirst.“

„Aber du bleibst doch für immer meine Schwester und kannst mich jeder Zeit besuchen. Ach Agatha!“, seufzte Justina.

Mit einer Umarmung vergab Justina ihrer Schwester und nahm ihre Briefe an sich. Agatha fand ihren Frieden und lernte ihre Schwester loszulassen.

Pfad der Liebe

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