Читать книгу Zurück aus dem Jenseits - Natalie Saracco - Страница 11
Die Begegnung
ОглавлениеDie Scheinwerfer des Rettungsdienstes warfen ihr Licht auf unser Auto, das aufgeschnitten wurde, damit wir herausgezogen werden konnten: Lucy und ich waren die Schauspielerinnen in einer schlechten Comedy-Show, die uns das Leben spielte. Lucys Zustand gab keinen Anlass zur Sorge und deshalb wurde sie nach hinten geschoben. Von jetzt an waren die Scheinwerfer auf mich gerichtet und machten aus meiner armen Person die Heldin einer Szene, auf die ich gern verzichtet hätte. Die Rettungskräfte hatten mich dafür in einen »RoboCop«2 verwandelt, der mit einer Halskrause in einer Gipsschale verschwand! Mein kleiner schmerzender Körper musste unbedingt am Leben erhalten werden, jede Bewegung konnte zum Schlimmsten führen. Zur Krönung des Ganzen hatten sie mich mit einer Aluminiumdecke zugedeckt, was mich an die Schokoladentafeln erinnerte, die ich so gerne esse! Für die Experten dieses Dramas war es allerdings notwendig, mich warm zu halten.
»Natalie, Natalie! Bleib wach. Du darfst nicht einschlafen«, rief mir der Feuerwehrmann zu.
Aber trotz aller Bemühungen, mich am Leben zu erhalten, ging ich fort … Ruhig. Langsam … aber sicher.
Das Erste, das mir in den Sinn kam, ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen: »Du wirst deine Seele zurückgeben müssen und du hast nicht gebeichtet!« Einer praktizierenden Katholikin wie mir konnte nichts Schlimmeres passieren! Wie sollte ich in den Himmel kommen, wenn die Schwere und der Schmutz meiner Sünden mich daran hinderten? Welch ein Schrecken! Im gleichen Moment antwortete mir der Herr: Ich kenne die Absicht deines Herzens, beunruhige dich nicht. Genau in diesem Augenblick spürte ich, wie das Leben aus mir wich. Ein merkwürdiges Gefühl: Die Energie, die intensive Wärme in mir schwanden nach und nach, zuerst aus dem Kopf, wie bei einer mit Flüssigkeit gefüllten Plastikflasche, die ein Loch hat. Je mehr mich diese Wärme verließ, desto mehr erstarrte mein Körper wie kalter Marmor. Ich weiß nicht, wie lange das dauerte, aber es kam mir sehr lange vor. Lange genug, um die Situation zu analysieren und der Wahrheit ins Auge zu blicken: Ich war dabei zu sterben, und mein Sein erlosch nach und nach wie das Ende einer Wachskerze.
»Mein Gott, das ist nicht möglich, dass mir das passiert! Nicht jetzt, nicht so. Ich bin nicht bereit.«
Das Schmerzlichste in dieser Art Prüfung besteht darin, dass man nichts tun kann. Man kann nichts ändern, man kann nur alles ertragen, und das bei vollem Bewusstsein. Es gibt keine andere Möglichkeit, als loszulassen. Ich spuckte weiterhin Blut und hatte immer mehr Mühe mit dem Atmen. Mein Herz schlug, als wollte es alles zerschlagen und mir aus der Brust springen, um ein neues Leben außerhalb von mir zu beginnen, weil ich es verraten hatte! Und diese intensive Wärme verließ mich und sank hinab zu den Füßen, ohne dass ich sie aufhalten konnte, ohne dass ich meine Haut retten konnte! Lebendig seinem eigenen Tod beizuwohnen und dabei um sich selbst zu trauern, ist nicht einfach.
Ich habe es akzeptiert, habe losgelassen und bin ins Jenseits gegangen.
Ich weiß nicht, ob ich das Bewusstsein verloren habe oder ob mein Herz aufgehört hat zu schlagen, aber ich weiß sicher, dass ich mich plötzlich vor dem Heiligsten Herzen Jesu befand.
Und da war er, der Schock! Nicht, dich zu sehen, darauf war ich eingestellt, aber dich in einem so kläglichen Zustand zu sehen. Du, mein Erlöser, mein Vielgeliebter, der schreckliche Qualen leidet und vor mir heiße Tränen vergießt. Du, in einem weißen Gewand, der du mir dein Heiligstes Herz zeigst, das von einem Dornenkranz umschlungen ist, und dein vom Leiden entstelltes Gesicht.
Oh, mein Herr, deine Qual war so groß, dass mir deine Tränen wie ein ganzes Meer von Schmerzen erschienen, aller Schmerz war hier gebündelt! Du hast mir dein Herz gezeigt, das blutige Tränen weinte, deren Farbe leuchtend rot war. Es weinte und erlitt die gleichen Todesqualen wie du. Eure Tränen verschmolzen und gelangten in mein armes sündiges Herz. Eure Qualen waren so stark, unerträglich stark. Dein Schmerz, Herr, deine Qual war so grauenhaft, als ob du allein alles Leiden und alle Bitterkeit dieser Welt auf dich genommen hättest. Dieser Welt, die du so sehr geliebt hast, dieser Welt, die du so sehr liebst, dieser Welt, die dich so sehr ablehnt.
Warum hast du mir deine Todesqualen gezeigt? Warum hast du mich das fühlen lassen? Es war unerträglich!
Wolltest du Trost bei einem liebenden Herzen finden oder geschah es, um mir die Spuren der Leiden zu zeigen, die von meinen Sünden verursacht worden sind? Unglücklicherweise glaube ich, dass es eine Mischung von beidem war.
Angesichts deines tiefen Schmerzes vergaß ich mich ganz. Ich war wie niedergeschmettert durch deine Wunden. Schluss mit der Furcht vor dem Tod und dem Bedauern darüber, dass ich mich nicht von denen verabschieden konnte, die ich liebte. Es gab nur noch dich und mich. Und es gab nur noch dich.
»Warum weinst du, Herr?«, brachte mein fassungsloses Herz hervor.
Ich weine, weil ihr meine geliebten Kinder seid, meine viel geliebten Kleinen. Ich habe mein Leben für euch gegeben. Ich weiß nicht, was ich mehr für euch hätte tun können, und ihr lehnt mich ab. Ich weine, weil mein Herz sich in einer großen Liebe für euch alle verzehrt, wer auch immer ihr seid, und im Austausch erhalte ich nur Kälte, Verachtung und Gleichgültigkeit. Ich weine, weil es nichts Schlimmeres gibt, als von denen, die man liebt, missachtet und zurückgewiesen zu werden.
Deine Passion, Herr, setzt sich heute in deinem von Liebe brennenden Herzen fort, das nicht nur von unseren Sünden, sondern auch von unserer Gleichgültigkeit dir gegenüber gebrochen wird.
Mein Herz verzehrt sich in leidenschaftlicher Liebe für euch alle …
Bei Gott gibt es kein Casting, er liebt uns alle, wie wir sind, und er will uns retten. Seine Barmherzigkeit ist viel größer als unsere Sünden und unsere Verfehlungen. Die grenzenlose Macht seiner Vergebung wird immer stärker sein als unsere Verletzungen. Das ist die Allmacht Gottes: Seine Liebe ist stärker, als wir es sind, und seine Vergebung ist größer als unsere Verfehlungen.
Der Apostel Petrus hat Christus verraten, indem er ihn dreimal verleugnet hatte, aber er hat niemals an der göttlichen Barmherzigkeit gezweifelt. Keinen Augenblick. Im Gegensatz zu Judas, der dachte, seine Sünde sei unverzeihlich und der sich selbst richtete und Selbstmord beging.
Wenn man der Liebe Gottes Grenzen setzt, dann verkennt man Gott. Dann übersieht man ihn und das wahre Glück. Und das wahre Glück besteht darin, sich von ihm lieben zu lassen, so wie wir sind, bis auch wir unser ärmliches Menschsein akzeptieren, das manchmal unerträglich ist. Vielleicht ist das Demut, dass wir es wagen, uns so zu sehen, wie wir sind, und nicht, wie wir gerne sein möchten, unsere eigenen Schwächen und Grenzen zu erkennen, ohne einen einzigen Augenblick an der Liebe unseres Herrn zu zweifeln. Niemand ist Gottes würdig außer Gott selbst. »Wenn du warten willst, bis du heilig bist, um Gott zu lieben, dann wirst du ihn niemals lieben …«, sagt uns der heilige Augustinus. Es ist besser zu erkennen, dass man armselig ist, als sich falsche Verdienste anzudichten. Sich infrage zu stellen, ist grundsätzlich notwendig. Wie soll man seine Fehler korrigieren, wenn man sich weigert, sie zu erkennen?
Die Liebe unseres Herrn übersteigt jedes Verstehen. Sie ist größer als alles, was man sich vorstellen kann. Das Heiligste Herz Jesu ließ mich dies bei unserem »Rendezvous von Herz zu Herz« zwischen Leben und Tod erkennen. Wie einen Luftstrom habe ich diese Liebe mitten in meinem Herzen empfangen. Einen heißen Luftstrom.
Als »gute Katholin« hatte ich gedacht, ich würde die Liebe Gottes kennen. Ich war zur Messe gegangen, hatte im Evangelium gelesen und seine Barmherzigkeit besungen. Kurz: »Mir war sie bekannt!« Fehlanzeige. Seine Liebe sprengt alles und beginnt bei uns und unseren menschlich begrenzten Projektionen. Mein Herz wäre beinahe explodiert, so sehr wurde es überflutet, überströmt und umgedreht von seiner Zärtlichkeit! Wir kleinen Wesen können unmöglich die unendliche Weite und Tiefe seiner Zärtlichkeit aufnehmen.
Gott, der Unergründliche.
Zusätzlich zu seiner leidenschaftlichen Liebe zu uns hat mir das Heiligste Herz Jesu offenbart, wie sehr es sich nach uns sehnt, wie sehr es von uns, seinen kleinen Kindern, geliebt werden möchte.
Er, der Einzige, der allein Heilige, der Ewige, Allmächtige, geht so weit, dass er zusätzlich zu dem freien Willen, den er uns schenkt, uns arme Geschöpfe um unsere Liebe anbettelt! Obwohl er uns nicht braucht. Wir dagegen, wir brauchen ihn. Und ob wir wollen oder nicht, werden wir am Tag unserer Begegnung mit dem Sensenmann zur Verantwortung gezogen. Gottes freizügiges Verlangen nach uns zeigt, wie sehr er uns liebt. Seine Größe und seine Majestät offenbaren sich voll und ganz in seiner Erniedrigung uns gegenüber.
Angesichts der leidenschaftlichen Liebe Christi, seines Leidens und seiner Sehnsucht, von uns »auf menschliche Weise« geliebt zu werden, entfuhren meinem ganzen Wesen die Worte: »Wie schade, Herr, dass ich gerade jetzt meine Seele zurückgeben soll. Gerne würde ich auf die Erde zurückkehren und Zeugnis ablegen von deiner Liebe, die jedes Verstehen übersteigt, und von deinem Leiden, verursacht durch unsere Sünden und durch unserer Zurückweisung, um dich zu trösten.«
Kaum hatte ich diesen Wunsch formuliert, hast du mich an einen anderen Ort mitgenommen, auf eine ganz andere Bühne. Und was du mich dort hast sehen und erleben lassen, war etwas ganz anderes. Erst jetzt, nach all den Jahren, verstehe ich den Sinn.
Eine surreale Umgebung, die zugleich voll und leer war. Eine riesige Dimension, die nicht beschrieben werden kann.
Von vornherein bedrückte mich, wie klein ich war. Mein ganzes Sein fühlte sich an wie zusammengedrückt, als würde ich auf die Größe einer Liliputanerin schrumpfen. Über mir war etwas wie ein waagrechter Kreis in der Form eines Halbmondes, der in eine Wolke eingehüllt war. Ich sah nichts, aber ich fühlte alles. Ich sah nichts, aber ich wusste alles. Genau in diesem Augenblick, Herr, hast du mir erlaubt, mit meinem Herzen die volle Wahrheit zu erkennen. Ich war da, ein winziges Etwas, ein winzig kleines menschliches Teilchen, eine Minizelle, ein lebendiges Staubkorn, vor diesem imposanten Halbmondkreis, der majestätisch vor mir thronte.
Ich verstand sofort, dass dies das himmlische Gericht und die Stunde meines persönlichen Gerichts war. Der heilige Paulus spricht davon in einem seiner Briefe, den ich damals noch nicht gelesen hatte. Aber ich wusste es ganz sicher, es gab nicht den geringsten Zweifel daran. Dies war die Stunde meines Gerichts, wie es auch für uns alle diese Stunde des Gerichts geben wird. Ich kann euch nur sagen, dass dies kein Scherz ist. Das Geschöpf muss bis zum letzten Cent Rechenschaft ablegen. Keine Chance, sich zu rechtfertigen oder seine Schuld loszuwerden. Den Spielplatz für die großen Kinder, die wir alle sind, gab es nicht mehr. Ich habe ihr die Zunge herausgestreckt, weil sie mich an den Haaren gezogen hat. Ich habe meine Waffe herausgeholt, weil er als Erster geschossen hat.
Das entblößte Geschöpf steht in seiner ganzen Wahrheit vor seinem Schöpfer. Das ist dermaßen niederschmetternd, dass es unerträglich wird. Das Schlimmste ist die Vorstellung, dass »alles vollendet ist«. Du kannst nichts mehr wegnehmen und nichts mehr hinzufügen, was auch immer du getan hast. Die Würfel sind gefallen, nichts geht mehr.
Das Irrwitzigste war, dass Jesus genau in diesem Moment, dem schlimmsten meines Lebens, in der schrecklichsten Stunde meines Gerichts, verschwunden war! Er, der in meinem Leben immer an meiner Seite gewesen ist, hatte sich verflüchtigt! Ein Gefühl von Schrecken, Angst und Seelenqual. Im selben Augenblick wurde mir klar, dass er mich nicht verlassen hatte. Er war Teil des himmlischen Gerichts, das aus Vater, Sohn und dem Heiligen Geist bestand. Alles, was Jesus in meinem Leben hatte tun können, um mich zu retten, hat er getan. »Alles ist vollbracht«, wie am Kreuz. Jetzt war ich allein vor dem unerbittlichen Gericht und befürchtete die schlimmste Strafe.
Eine laute Stimme war zu hören: Ihr werdet nach der Liebe gerichtet, der wahren Liebe zu Gott und zu euren Geschwistern.
Man soll Gott nicht aus Angst lieben, aus Tradition oder aus Gewohnheit, sondern mit seinem Herzen, mit seinem ganzen Inneren! Ihn soll man um seiner selbst willen lieben, unabhängig davon, was er uns gibt und was er uns zuteilt. Ihn soll man lieben wegen seiner liebevollen, schönen Augen und nicht wegen seiner Börse, so reich an Barmherzigkeit. Ihn soll man in aller Einfachheit lieben, in aller Wahrhaftigkeit. Wie jeder Liebende will der Herr um seiner selbst willen geliebt werden. Er gibt uns alles, aber er erwartet auch alles von uns. Die Liebe ist herausfordernd, die Liebe ist kompromisslos, Gott ist die Liebe.
Unser Herr empfindet eine große Liebe für uns! Er liebt uns leidenschaftlich und ging bis zum Äußersten, bis zum Kreuz … so weit, dass er sich uns auch heute noch schenkt trotz des Leids, das man ihm antut, und dies besonders in der Eucharistie. Wenn man es sich überlegt, dann ist es etwas ganz Unglaubliches, dieses Verlangen Gottes nach uns und dieses Vertrauen, das er in uns setzt! Er glaubt an uns. Die Welt glaubt nicht an ihn, aber er glaubt glücklicherweise an uns, denn sonst wären wir alle erledigt! Jede Seele, die verloren geht, ist ein Blutstropfen Christi, der verloren geht.
Und die Liebe zum Nächsten versteht sich von selbst. Der Herr will, dass unser Herz von einer ehrlichen Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern erfüllt ist. Wie der heilige Paulus sagt: Wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts. Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib opferte, um mich zu rühmen, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts (1 Kor 13,2). Was die Liebe angeht, sind wir alle Autisten. Wir wollen unseren Herrn bitten, dass er uns im Alphabet seines Herzens die richtigen Worte finden lässt, mit denen wir ihm die schönsten Sätze schreiben können im Einklang mit seinem Willen. Der Roman über unser Leben soll eine Liebesgeschichte mit ihm und mit unseren Brüdern und Schwestern werden. Darin besteht der ganze Sinn unserer Existenz. Liebe, Liebe, Liebe, alles andere sind nur literarische Worte.
Und hopp! Zurück zum Absender. Ich bin zurückgeworfen in meinen armen Körper, der sich im Autowrack befindet. Ich erinnere mich, dass ich einen ziemlichen Satz machte. Ich spürte einen Elektroschock von seltener Stärke. Als ob ich aus einem warmen Bad gekommen wäre, hatte ich das Vergnügen, einen Stepptanz auf Hochspannungsdrähten zu vollführen. Und dann das umgekehrte Phänomen: Etwas Heißes stieg meinen ganzen Körper empor von den Füßen bis zu meinem Kopf. Ein Gefühl von intensiver Wärme erfüllte mein ganzes Wesen bis ins Innerste meiner Knochen, meines Blutes, meines Fleisches. Tatsächlich hörte ich auf, Blut zu spucken. Mein eisiger, gelähmter, marmorharter Körper begann, sich wieder zu bewegen. Die kalte Grabplatte, mit der das Böse mich hatte schmücken wollen, verwandelte sich in das Versprechen eines neuen Lebens.
All das geschah, als wir im Auto eingeklemmt waren, in dem Augenblick, als die Feuerwehrleute die Windschutzscheibe aufbrachen, um uns aus unserem Gefängnis zu befreien.
Wie lange hatte diese »mystische Reise«, »diese Erfahrung einer anderen Welt« gedauert? Ich habe keine Ahnung. Vielleicht nur einige Sekunden, vielleicht länger. Bin ich wirklich im Jenseits gewesen? Habe ich das Bewusstsein verloren? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich eine leidenschaftliche Begegnung mit dem Heiligsten Herzen Jesu hatte, eine echte Begegnung von Herz zu Herz, in der Worte keinen Platz mehr hatten, so intensiv und intim war sie. Dasselbe gilt für das himmlische Gericht. Sicher ist, dass unser Gott ein Gott der Liebe und Barmherzigkeit ist, trotzdem auch ein Gott der Gerechtigkeit bleibt, dessen Gerichtsurteil unerbittlich ist. Zu diesem Zeitpunkt erschienen mir diese beiden »Erscheinungen, Begegnungen, Erfahrungen« – ich weiß noch immer nicht, welche Bezeichnung richtig ist – als nicht zusammenpassend, sogar als widersprüchlich. Wie kann unser Gott zugleich ein Gott der Barmherzigkeit sein, der sich in Liebe um seine Kinder verzehrt, und gleichzeitig ein unerbittlicher Richter, der keine Kompromisse macht? Weil Gott gerecht ist. Er ist genauso unendlich in seiner Barmherzigkeit wie in seiner vollkommenen Gerechtigkeit.
Den Feuerwehrleuten gelang es endlich, uns aus der Klapperkiste zu befreien. In weiter Ferne sah ich flüchtig das Blaulicht des Krankenwagens am »Ufer der Lebenden«, das uns einlud, wieder festes Land zu betreten. Noah, gerettet vor den Fluten. Diese Ruhepause hat nur einen kurzen Augenblick gedauert. Alle Krankenhäuser waren belegt und wir steckten nun im Krankenwagen und warteten auf dem Standstreifen der Autobahn. Dabei handelte es sich um einen Notfall … Diese unglaubliche und surreale Situation zog sich lange hin. Diese weitere Wartezeit diente den Plänen des Widersachers bestens, um mich sterben zu lassen aufgrund meiner inneren Blutungen. Je mehr Zeit verging, desto weniger Chancen hatte ich davonzukommen. Ich war die Gans, die ihr Schlachter mästete.
Das Weitere im Krankenhaus war das Übliche: jede Menge Untersuchungen, Röntgenaufnahmen, Ultraschalluntersuchungen des Herzens usw. bis ins letzte Detail mit einem kleinen Unterschied: Man fand weder die geringste Spur einer inneren Blutung noch einer Verletzung noch eines Bruchs.
Aber wie kann man dann meinen todesnahen Zustand und all das Blut, das ich gespuckt hatte, erklären? Nur Gott weiß es.
Das Pflegepersonal wollte mich vierundzwanzig Stunden lang zur Beobachtung behalten. Nach der Heftigkeit eines solchen Aufpralls und meinen klinischen Symptomen kann man niemals sicher sein: Ein kleiner tödlicher Spielverderber könnte doch noch seine Nasenspitze zeigen. Aber ich rief ein Taxi und fuhr weg. Zwar etwas durcheinander – ich hatte schreckliche Schmerzen –, aber ich war unbeschwert. Nichts konnte mir geschehen, der Herr hatte mich wieder ins Lot gebracht und nun lag es an mir, den richtigen Weg einzuschlagen.
2RoboCop ist ein amerikanischer Science-Fiction-Film, in dem der Polizist Alex Murphy bei einem Einsatz brutal ermordet wird und im Körper eines Roboters zu neuem Leben erwacht (Anm. d. V.).