Читать книгу Circonia Teen - Nicolas Scheerbarth - Страница 2
ОглавлениеTeil 1 - Der Wald
Naked Elvin duckte sich hinter die Fensterbrüstung. Unten auf der Straße arbeiteten sich die Mocas langsam in Richtung Gahai-Tower vor. Sie wusste, dass ihre beste Chance darin lag, ihnen in den Rücken zu fallen, doch es juckte sie sehr, mit dem blanken Schwert in der Hand mitten unter sie zu springen und die Ernte des Todes gleich jetzt und hier einzufahren. Unwillkürlich packte sie den Griff ihres Katana fester. Mehr brauchte sie nicht. Ihre völlige Nacktheit hatte bisher noch die meisten verwirrt, und als Jetago-Elfe war sie unberührbar - im wörtlichen Sinne: Ihr Körperfeld wies die meisten Kräfte, ob Schwert, Laser oder Kugel, ab, die ihre Feinde gegen sie schleudern konnten. Allein die Magier der Persephone konnten ihr gefährlich werden, und sie waren die letzten, die einer Horde Mocas helfen würden.
Sie musste nicht hinunterblicken. Die empfindlichen Sensoren in den Spitzen ihrer Ohren sagten ihr, was sie wissen musste. Die Mocas kamen langsam voran. Nicht weil der Widerstand stark gewesen wäre. Es war abgesprochen, dass man sie schnell vorrücken lassen würde. Nein, Mocas waren einzeln feige. Sie kämpften nur in Horden, und wo sie nicht gemeinsam laut brüllend vorstürmen konnten, sondern jeder sich einzeln von Deckung zu Deckung arbeiten musste, zögerten sie bereits merklich. Noch war unten die Hauptstreitmacht zu hören. Die Nachhut, auf die es ankam, war sicher noch zwei oder drei Blocks entfernt - die Nachhut mit ihren Führern, vor allem aber mit dem Verräter Holo, der sie angestiftet hatte.
Dann hörte Naked Elvin ein Geräusch, das nicht ins Schema gehörte. Näherkommendes Scharren. Sollten die Mocas etwa so intelligent geworden sein, Späher zur Flankensicherung auch in die höheren Stockwerke zu schicken? Wenn, dann steckte sicher Holo dahinter. Naked Elvin lächelte. Wenn es nur ein normaler Moca-Krieger war, bedeutete das keine Gefahr für sie. Ihre Tarnfähigkeit war ein weiterer der zahlreichen Vorteile, völlig nackt zu kämpfen. Sie schob etwas von dem Dreck auf dem Boden über den verräterischen Schwertgriff und glich das Aussehen ihrer Haut völlig der Umgebung an, grauem Beton, an dem da und dort noch Reste eines braungelben Verputzes klebten.
Ja, da kam etwas die Treppen hoch. Eigentlich musste sie einfach abwarten, bis der Moca vorbei gegangen war. Doch da war noch etwas anderes, ein Scharren, das nicht von Moca-Füßen stammen konnte. Sie
"Valeria!"
Es war wie immer.
"Vaaleeeria!"
Und warum quäkte sie immer so dabei? Warum mussten Mütter immer so quäken, wenn sie ihre Töchter riefen?
"Wo bist du? Komm endlich! Wir wollen essen!"
Allein diese Frage! Wo sollte sie denn wohl sein? Auf dem Mond? Langsam und mit einem leisen Stöhnen schloss sie das Buch.
"Warum lässt du dich immer so bitten?" wurde sie begrüßt, als sie die Küche betrat. Ihr Bruder, der kleine Schleimer, hockte natürlich schon am Tisch und grinste sie an. 'Spiel du nur den Braven', dachte sie.
"Weil du mir keine Chance lässt!" antwortete sie patzig. "Du schreist nach mir, als ... als ... als würde die Welt untergehen, wenn ich auch nur eine Sekunde zögere."
"Ja, sicher ... weil die Dame immer eine Extraeinladung braucht! Was denkst du dir eigentlich? Ich schufte hier, damit ihr ein warmes Essen auf den Tisch bekommt, und du hast es nicht mal nötig, deinen Hintern in Bewegung zu setzen."
"Hey, mach mich nicht so an, ja! Ich komme ja, aber ich hab dir schon x Mal gesagt, dass du es mir vorher sagen sollst! Ich sitze schließlich nicht den ganzen Tag herum und warte nur, dass du mich rufst!"
"Ja und? Was ist denn so wichtig bei dir, dass du mich jedesmal dastehen lassen musst wie eine Blöde, wenn ich dich mal rufe? Hausaufgaben? Dass ich nicht lache! Und deine verdammten Schmöker sind ja wohl kaum ein Grund, deine Mutter warten zu lassen, von deinem Bruder und dem Essen mal ganz abgesehen."
"Lass Juri aus dem Spiel, ja. Du kapierst einfach nicht, worum es geht! Du rufst mich, und erwartest, dass ich praktisch in derselben Sekunde vor dir stehe. Statt einfach irgendwann Bescheid zu sagen: 'Valeria, noch zehn Minuten!' Du machst jedesmal den gleichen Aufstand ... als würde ich dich stundenlang warten lassen ... obwohl es sich vielleicht um eine Minute oder zwei handelt."
"Also, jetzt hör mir mal zu, junge Frau! Ich mache hier keinen 'Aufstand'! Ich bin deine Mutter und ..."
Valeria schaltete ab. Es war sinnlos. Ihre Mutter war ihre Mutter, und würde sich in hundert Jahren nicht mehr ändern. Ein bisschen verstand Valeria sie sogar. Doch mit sechzehn war Valeria zwar alt genug, für sich und im ruhigen Gespräch vernünftige und auch selbstkritische Gedanken zu verfolgen, doch bei weitem nicht alt genug, diese Fähigkeit auf Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter anzuwenden. Zumal ihre Mutter ... ganz objektiv betrachtet ... nicht die Sorte Mensch war, die in solchen Situationen vernünftigen Erwägungen gegenüber zugänglich war. Von Selbstkritik ganz zu schweigen.
***
Später, im Bad, stand Valeria lange vor dem großen Spiegel. Sie musterte sich kritisch. Eine hochaufgeschossene, schlanke ... nein, wenn sie ehrlich war, etwas magere Sechzehnjährige. Mit fünfzehn schon hatte sie all die anderen Mädchen in ihrer Klasse überragt. Jetzt war sie nicht mehr ganz allein in der luftigen Höhe von einem Meter einundachtzig; Lisa hatte sie fast erreicht. Doch Valeria lag immer noch zwei oder drei Zentimeter darüber.
Sie sah sich selbst nicht als "Bohnenstange". Der Ausdruck war in ihrer Generation glücklicherweise auch kaum noch geläufig. Von ihren Mitschülern wusste vielleicht einer von hundert, was das überhaupt war, eine Bohnenstange. Ihr Onkel hatte den Ausdruck benutzt; er meinte es nicht böse und hatte ihr dann erklärt, dass man eben früher den Anblick so großer Frauen nicht gewohnt war. Heute war das anders. In der Klassenstufe über ihrer waren vier oder fünf Mädchen über einssiebzig, in ihrer eigenen sieben, und selbst in der Achten waren es jetzt schon drei. Die Jungs mussten langsam sehen, wo sie blieben!
Der einzige Grund, weshalb ihre Größe sie störte, war ein anderer, verborgenerer. Wie sollte sie ihre Lieblingsfigur glaubhaft verkörpern, wenn sie ... unter Einberechnung aller Hinweise auf die Größe von Naked Elvin ... ihre Heldin um zwei Köpfe überragte? Eine gute Kämpferin war nie zu groß. Diese Riesinnen aus den älteren Hollywood-Filmen ... lächerlich! Eine gute Kämpferin war höchstens mittelgroß, und setzte dem tumben Prügelstil der Männer elegante Beweglichkeit entgegen!
Sie strich sich mit den Händen am Oberkörper herab. Es war nicht zu verleugnen: Die Rippen waren ein wenig sichtbar ... wie auch die Schlüsselbeine oder die Kanten die Hüftknochen. Keine Spur von den glatten, festen Muskeln, die sie haben sollte. Zwar trainierte sie seit Monaten fleißiger als je zuvor, doch es war eben ganz normales Vereinstraining, das da geboten wurde, nichts von jenen Wundertechniken, mit denen Hollywoodstars ihre Körper für Filme in Form brachten. Und mehr war nicht drin mit dem bisschen Geld, das ihre Mutter für die sportlichen Ambitionen ihrer Kinder abzwacken konnte. Fußball für Juri, Volleyball für Valeria.
Die Brüste waren soweit in Ordnung: zwei kecke, flache Hügel, die keinen BH erforderlich machten. Mit zwei hübschen, kräftigen Himbeeren, die so herrlich zu stimulieren waren, wenn sie es sich selbst besorgte. Auf ihre Himbeeren war sie wirklich stolz, nicht diese flachen Hosenknöpfe wie bei vielen ihrer Kameradinnen im Verein.
Natürlich gab es in den Büchern keine detaillierten Beschreibungen der primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale von Naked Elvin ... es waren schließlich Fantasy-Romane, keine Pornos. Doch so stellte Valeria sich Naked Elvins Brüste vor - zwei flache, feste Hügel mit Himbeeren. Ganz bestimmt keine hin und her pendelnden Quarktaschen mit Hosenknöpfen vorne dran. Wie sollte eine Frau sich elegant bewegen ... womöglich im Schwertkampf ... wenn vor ihr einige Kilo Euter herumschwangen und sie in die falsche Richtung zogen?
Die Betrachtung ihrer Himbeeren hatte Valeria etwas erregt, und ihre Hand wanderte wie von allein über die flache Bauchdecke nach unten. Doch dann kam sie ins Stocken. Ja, das würde ein Problem werden. Elfen besaßen keine Schambehaarung. Ihre Mutter würde ausrasten! Nicht dass sie bei der sechzehnjährigen Tochter noch im Bad Kontrollen durchführte, aber der Sommer nahte, und bestimmt würden sie ein paar Mal auch gemeinsam an den See fahren, schon Juri zuliebe. Die Bikinizone ein wenig zu glätten, gestand ihre Mutter ihr ja schon zu. Aber einen völligen Kahlschlag? Das würde spannend werden.
Valeria stöhnte, mehr wegen ihrer Mutter als vor Lust. Langsam schob sie die Hand tiefer, hinein in das Gebüsch. Wie es wohl bei ihr aussehen würde? Bei Katharina sah es ganz natürlich aus. Doch Katharina war, seit sie vor einem Jahr in den Verein gekommen war, nach dem Sport noch nie anders als blitzblank rasiert in der Dusche erschienen, so dass niemand einen Vergleich hatte. Und die anderen hatten sich so sehr über den kleinen Ring in der äußeren Schamlippe ereifert, dass die Totalrasur fast nicht mehr ins Gewicht fiel.
Gefesselt beobachtete Valeria im Spiegel, wie ihre schlanken Finger durch das dunkelblonde Gelock vordrangen. Sich selbst zuzusehen, erregte sie fast mehr als das Gefühl auf der Haut, die Berührung ihrer Schamlippen, die der Mittelfinger inzwischen erreicht hatte. Mit geübter Gleichmäßigkeit strich sie durch ihre Spalte. Die Hände waren in Ordnung, ja. Vielleicht nicht ganz die kräftigen Finger einer Schwertkämpferin, doch immerhin schlank und gerade, nicht diese kleinen, feuchten Tentakelchen wie manche Mädchen.
Dass ihre allgemeine Körpergröße und die Form ihrer Hände mit Schuhgröße 43 einhergingen, war ihr oft beklagter Kummer. Dabei fand Valeria ihre Füße durchaus wohlgeformt, ähnlich schlank und gerade wie ihre Hände, nur leider ein gutes Stück zu groß. Glücklicherweise hatten ihre Mutter und die meisten Mitschüler sich daran gewöhnt, dass sie Docs trug, doch hier war die sonst von ihr so heiß geliebte Gothic-Mode eher ein Kompromiss als der Ausdruck selbstbewusster Andersartigkeit. Zumindest machte es Eindruck, wenn ihr jemand blöd kam, und sie die schweren, metallverstärkten Stiefel von Größe 43 in der Andeutung eines Tritts nach vorne schob.
Es tat gut, sich die Möse zu reiben. Es entspannte sie. Gleichzeitig wusste sie, dass sie es an diesem Abend nicht bis zum Höhepunkt fortsetzen wollte. Sie war einfach zu sehr auf das bevorstehende Ereignis konzentriert, um sich wirklich in ihren Körper und die glühenden Fantasien ihrer Autoerotik fallen zu lassen. Sie drehte sich etwas. Ihr Hintern war klein und fest. Für irgendetwas musste das Training ja wenigstens gut sein!
Sie zog den Finger aus ihrer Spalte, hob die Hand vors Gesicht. Sie schnupperte. Sie mochte ihren Geruch; er erregte sie. An Sex mit anderen Mädels hatte sie eigentlich kein Interesse, doch sie hätte gerne einmal eine Geruchsvergleich gemacht ... bei jeder den Finger durch die feuchte Spalte gezogen und dann daran geschnuppert. Oder jede müsste sich so einen Streifen durch die Furche ziehen, wie sie ihn in Parfümerien verwendeten, um Duftproben zu vergleichen.
Genug der Selbstüberprüfung jetzt! Neben ihrem Bett wartete Naked Elvin auf weitere Beachtung, und dann sollte sie doch auch etwas Schlaf bekommen. Morgen Bio-Klausur! Valeria leckte ihren Finger ab. Den Geschmack mochte sie auch. Dann streifte sie sich das übergroße T-Shirt über, dass sie als Schlafdress benutzte, wenn es nicht gerade Nachtfrost gab. Lieber hätte sie nackt geschlafen, doch wegen Juri ließ ihre Mutter das nicht zu.
konzentrierte sich. Beim dreimal verdammten Bokkothura! Holo hatte ihnen einen Lionis mitgegeben, einen Hundelöwen, dessen feine Sinne durchaus in der Lage waren, eine getarnte Jetago-Elfe aufzuspüren. Und dieses Vieh würde Alarm schlagen, sobald es sie witterte. Mit Anschleichen war es also nicht getan, und selbst mit ihrer Geschwindigkeit hatte sie keine Chance, den Moca und den Lionis gleichzeitig zu erledigen, bevor einer von beiden Laut gab. Es gab für sie nur ein Mittel in dieser Situation, und sie hasste es, es anzuwenden.
Glücklicherweise hatte sie kürzlich genug getrunken. Leise erhob sie sich aus ihrem Schneidersitz und kauerte sich mit weit auseinander gestellten Füßen nieder. Dann hielt sie die hohle Hand unter ihre rosig schimmernde, vordere Pforte - und ließ einen dünnen Strahl hervortreten. Hoffentlich reichte es, und hoffentlich reichte die Zeit! Sie musste nicht den ganzen Körper mit ihrem Harn einreiben, doch zwo Drittel sollten es schon sein.
Das Scharren, Tappen und Schlurfen kam näher. Schultern, Arme, Brüste, Bauch und Hüften ... sie pinkelte und rieb wie eine Besessene. Den Rücken ließ sie ganz aus, und das Gesicht auch. Der Duft war nicht einmal wirklich unangenehm; sie mochte ihn nur einfach nicht. Hoffentlich untersuchte der Moca die Räume nicht einzeln. Dass eine Jetago-Elfe im Spiel wusste er, wenn er einen Lionis mitbrachte - von Holo vermutlich. Also war der Moca auch über ihre Fähigkeiten aufgeklärt. Und so dumm diese Halbmenschen waren, er würde den Reaktionen des Lionis vertrauen. Trotz Geruchstarnung achtete Naked Elvin darauf, ihre Waffe in Griffweite zu behalten. Wenn der Moca den Lionis losließ, hatte sie vielleicht eine Chance. Die Augen des Tiers waren lange nicht so gut wie sein Geruchssinn, und im Zusammenspiel aus Mimikri und Harn sollte es ihr notfalls gelingen, das Tier zu überlisten, bis sie es mit dem Schwert erreichte.
Doch wie sollte sie gleichzeitig den Moca hindern, sein durchdringendes Alarmgebrüll auszustoßen, wenn sein kostbarer Lionis vor seinen Augen den Kopf abgeschlagen bekam? Es würde sich zeigen müssen. Reglos lag sie flach auf dem Boden in der Nähe des Eingangs. Hier im Halbdunkel war ihre optische Tarnung perfekt. Der dumpfe Geruch ihres Harns stieg ihr in die Nase. Das war gut. Leicht süßlich muffig wie dieses und die meisten anderen Gebäude.
Der Moca erschien unter der Türe. Ein typischer Vertreter seiner Rasse - kräftig, gedrungen, mit dichtem, dunkelbraunem Pelz auf Armen und Oberkörper, einem ausgeprägten Unterkiefer und wenig intelligent dreinblickenden, tiefliegenden Äuglein. Neben dem Breitschwert in seiner einen Hand trug er am Gürtel weitere Waffen; mit wenig Freude bemerkte Naked Elvin den charakteristischen Griff einer Sonarpistole. Holo hatte seine miesen Verbündeten wirklich gut informiert! Mocas hatten früher nie Sonarpistolen benutzt. Wenn es dem Unhold gelang, die abzufeuern, war sie für Minuten völlig taub und damit ihrer wichtigsten Sinne beraubt.
Der Lionis, den der Moca an einem einfachen Strick mit sich führte, war ein Prachtexemplar. Um ihre Tarnung zu vervollständigen, hatte Naked Elvin ihre Augen schließen müssen, doch zuvor hatte sie für einen Sekundenbruchteil den Lionis unter der Türe gesehen. Der Moca war vielleicht acht giist hoch, also kaum größer als die Elfe, und der Lionis maß in den Schultern fast sechs. Das war ein ausgewachsenes Männchen; kein angenehmer Kunde, wenn es zum Äußersten kam. Ein Lionis, der sie vollständig witterte, würde sie einfach niederrennen, auch wenn die Schmerzen beim Versuch zuzubeißen ihn fast um den Verstand brachten.
Doch glücklicherweise war dieser Lionis weit davon entfernt, sie wirklich zu wittern. Er stand unter dem alten, verfaulten Türrahmen, dessen Türe schon lange den Weg allen brennbaren Holzes gegangen war, und schnüffelte. Klar, ein Lionis merkte einfach, dass hier etwas faul war. Doch es war nicht das Schnauben eines Tieres, das Fährte aufgenommen hatte, mehr eine allgemeine Unsicherheit. Der Lionis spürte den Geruch, den sie in dem Raum hinterlassen hatte, bevor sie sich einrieb.
Jetzt kam er doch näher. Glücklicherweise langsam. Wäre er losgerannt und hätte den Moca hinter sich her gezogen, konnte der Halbmensch leicht über sie stolpern, und dann nutzte auch keine Tarnung mehr. Doch der Moca blieb faul unter der Türe stehen und ließ im einfach Leine. Vielleicht dachte er auch, dass er ihr so den Fluchtweg versperrte, falls sie hier war. Das riesige Tier schnüffelte am Boden unter dem Fenster entlang. Dann kam er zu der Stelle, wo sie sich hingekauerte hatte, um ihren Harn zu lassen. Natürlich war dabei einiges auf den Boden getropft. Doch seit wann interessierte sich ein Lionis für diesen Geruch? Normalerweise müsste er leise maunzend anzeigen, dass er hier einfach eine Fährte verloren hatte.
Was war das? Der Lionis schlug nicht an, doch er steuerte, die Nase am Boden, geradewegs auf sie zu! Wie war das möglich? In rasender Geschwindigkeit ließ sie ihre Optionen Revue passieren. Eine Bewegung, und der Moca sah sie, sah zumindest, dass da etwas war. Und da er offenbar über ihre Tarnmöglichkeiten Bescheid wusste, würde er richtig reagieren. Nämlich brüllen wie am Spieß. Nichts anderes war die Aufgabe seines Lebens, und er würde glücklich sterben, wenn er vorher seine Genossen warnen konnte.
Der Lionis kam näher, stand jetzt fast über ihr. Jede Faser ihres Körpers war gespannt. Doch noch hatte er nicht dieses schlürfende Geräusch gemacht, dass anzeigte, wenn er eine echte Witterung aufnahm. Er war sich unsicher. Naked Elvins feiner Sinn zeigte ihr auch mit geschlossenen Augen, dass er mit dem Kopf pendelte, als wolle er seine Gedanken ordnen. Doch die Nase blieb unten, in der Nicht-Witterung ihres Harns. Dann schob er die Nase direkt über sie ... Naked Elvin machte sich innerlich fertig zum Sprung ... steckte das kalte, feuchte Riechorgan direkt zwischen ihre Beine und näherte es mikrogiistweise ihrer Pforte.
Der feuchte Atem des Lionis blies direkt gegen Naked Elvins intimste Stelle. Es fehlten nur wenige mikrogiists, bis die Schnauze ihre Pforte berührte. Da riss der Moca plötzlich an dem Strick und ließ ein ungeduldiges Grunzen hören. Dem Lionis war die Sache wohl inzwischen auch zu dumm geworden; willig ließ er sich aus dem Raum führen. Noch eine Weile lang lag Naked Elvin völlig still und lauschte. Der Moca musste über ihr noch zwei Stockwerke sowie das Dach kontrollieren, und dann wieder an ihr vorbei hinunter. Zeit verlor sie dabei nicht. Die Mocas unten auf der Straße rückten immer noch sehr langsam vor, obwohl die Gegend aus ihrer Perspektive nun als gesichert gelten musste.
Unwillkürlich war Valerias Hand bei dieser Szene unter die Bettdecke gewandert. Wenn sie nicht gerade ihre Tage hatte, trug sie im Bett schon seit einiger Zeit kein Höschen mehr. Sie streichelte sich ohne gezielte Absicht, doch die Vorstellung dieser Mischung aus selbstbewusster Kontrolle der Situation und Ausgeliefertsein erregte sie. Feucht war es dort unten, als hätte ein Lionis ihr auf die Scham gesabbert ... eine ungeheuerliche und zugleich prickelnde Vorstellung!
Ob die Elfe auch Erregung spürte in solchen Situationen? Ganz so weit ins Detail gingen die Bücher leider nicht, doch in den Internetforen wurde von vielen Fans die Ansicht geteilt, dass Kampf und Gefahr für Naked Elvin eine erotisierende Wirkung hatten.
Im Haus war es nun völlig still. Das Tappen und Schnaufen des Moca und seines Lionis hatten sich entfernt. Mit einem Ruck stemmte Naked Elvin sich hoch und rümpfte angewidert die Nase. Sie stank. Ihr Geruchssinn war fast so gut wie der eines Lionis, und der eigene Harn, vermischt mit muffigem Staub und Bokkothura-wußte-was-sonst noch, zählte nicht zu ihren Lieblingsparfums. Nun, in wenigen Momenten würde sie im Blut der Mocas duschen, symbolisch jedenfalls, und das sollte ihr als gerechter Ausgleich zunächst die Reinigung ersetzen.
Auf der Straße wurden heiser Befehle gebrüllt. Also war endlich die Nachhut und damit das, was sich bei Mocas Truppenführer nannte, herangerückt. Sie beherrschten so etwas ähnliches wie eine Lautsprache; in Naked Elvins feinen Ohren klang es eher wie ein schwerer Fall einer besonders hässlichen Lungenkrankheit. Dabei sollte es sogar Gedichte in dieser Sprache geben. Dann klang unten ein Geräusch auf, das an das tiefe Blubbern eines Motors erinnerte, begleitet von einem hohlen Pfeifen. 'Unheimlich' hätten die Humanen es genannt. Der Tweeter. Sie hatte es nicht anders erwartet. Holo würde sich nicht auch noch die Füße schmutzig machen, wenn er schon 'persönlich' kam, um die vermeintlich leichte Beute einzusammeln.
'Erntezeit!' dachte sie, und die Art, mit der sie das Schwert packte, das unter dem Schutt verborgen gewesen war, machte deutlich, wie die Frucht eingebracht werden sollte. Sie trat an die Brüstung, ließ den Luftzug noch einmal über ihre nackte Haut streichen, bevor sie ihr Körperfeld aktivierte. Dann sprang sie. Sechs Stockwerke unter ihr trottete eine Horde Mocas. Die Offiziere. Etwa fünfzehn oder zwanzig. Als ihre Füße den Boden berührten, waren acht davon tot. Fünf Handschlag später die übrigen. Der Tweeter heulte auf. Das tiefe Blubbern und hohle Pfeifen wurde zu einem schmerzhaften, grellen Singen. Dann setzte sich die große Plattform in Bewegung. Doch sie stieg nicht auf, wie Naked Elvin es erwartet hatte. In sechzig giist Höhe wäre er sicher. Höher als fünfzig konnte sie aus dem Stand nicht springen. Doch Holo setzte sein Gefährt in eine gänzlich unerwartete Richtung in Bewegung - auf sie zu! Wollte er sie rammen? Sie lächelte kurz, ließ ihn aufkommen, und sprang dann gelenkig zur Seite. Holo hatte größte Mühe, seinen Thron rechtzeitig vor der nächsten Mauer abzubremsen. Er wendete in einer Staubwolke - und kam dann wieder in voller Fahrt auf sie zu. Zeit, dem ein Ende zu machen! Sie hörte bereits die ersten Mocas der Nachhut zurückkommen.
Sie konzentrierte sich auf einen Sprung über den Tweeter hinweg, direkt zu der Stelle, an der man einen Tweeter mit einem guten Schwert lahmlegen konnte, selbst wenn die Oberseite der Plattform durch einen Blasenschild geschützt war. Ihr nackter, drahtiger Körper spannte sich wie eine Feder, jeder Muskel trat hervor. Sie stieß sich ab. Doch während sie noch über den Tweeter flog, wusste sie, dass es ein Fehler gewesen war. Denn plötzlich war das Blasenschild ausgeschaltet, und die holografische Gestalt eines Kochiku-Elfen auf dem Steuersitz richtete eine Sonarpistole auf sie. Und das war noch nicht alles. Mit vorübergehender Taubheit konnte sie klarkommen. Mit den Gestalten, die sich nun plötzlich von allen Seiten dem Kampfplatz näherten, nicht. Keine Mocas, nicht im entferntesten. Kochiku-Paladine.
Sie mussten dort die ganze Zeit über gewartetet haben. Naked Elvin hatte diese Trümmer schon im Morgengrauen kontrolliert; sie hätte es ohne Zweifel gehört, wenn sich dort vor dem Eintreffen der Mocas etwas geregt hätte. Kochiku-Elfen kämpften nicht selbst. Dazu dünkten sie sich zu vornehm. Holo persönlich war auch noch nie auf einem Kampfplatz erschienen; dazu hatte er seine holografischen Doubles. Doch um eine Jetago-Elfe zu besiegen, brauchte es mehr. Zum Beispiel Paladine, Züchtungen aus Jetago-Genmaterial, die über die Tarnfähigkeit der Jetago-Elfen verfügten. Folglich waren die riesenhaften, muskelbepackten Gestalten, die nun plötzlich sichtbar wurden, nackt wie sie selbst - und sie waren unverkennbar von männlichem Geschlecht.
'So fühlt es sich also an, wenn man in die Falle geht', waren ihre letzten Gedanken, bevor das Fangnetz sich über sie senkte.
***
Valeria las Fantasy-Romane, seit sie neun oder zehn Jahre alt war ... verschlang sie förmlich, und hatte auch schon immer versucht, sich selbst in diese Welten voller Magier und Dämonen, Zwerge und Drachen, Düsterlinge und Lichtgestalten hineinzudenken. Dort war ihre wahre Heimat, hier ... in der miesen Siedlungswohnung, der Schule mit ihren ungewaschenen Horden, der grauen Vorstadt, in der sie mit Mutter und Bruder lebte ... nur ein trauriges Exil.
Mit vierzehn entdeckte sie die Welt von Circonia ... zu früh eigentlich, denn diese Buchreihe richtete sich an erwachsene Leser. Circonia war ein Fantasy-Universum, in dem auf unzähligen Welten eine unerschöpfliche Zahl von intelligenten Rassen lebte, von denen die meisten neben den üblichen fünf Sinnen weitere, fantastische Fähigkeiten besaßen. Man reiste in riesigen Raumschiffen in wenigen Tagen quer durch die Galaxis, doch Kämpfe wurden - aus rituellen wie praktischen Gründen - oft mit antiken Waffen ausgetragen.
So weit unterschied sich Circonia nicht von anderen, ähnlich gestrickten Reihen. Den Unterschied, so fand Valeria schnell und mit wachsender Faszination heraus, machten die Details. Zum einen erschienen ihr die Figuren hier lebendiger, differenzierter als in den Romanen, die sie früher gelesen hatte. Zum anderen waren die Geschichten mit einer gehörigen Portion Humor und Erotik gewürzt ... eine unwiderstehliche Mischung für eine Vierzehn- und Fünfzehnjährige, deren Sexualität in heftigen Schüben erwachte, die jedoch die rohe Schulhofaufklärung ihrer Altersgenossen verabscheute.
Nach einigen Anfangsjahren als Geheimtipp hatte Circonia inzwischen Fans in aller Welt. Die Bücher wurden in sämtliche gängigen Verkehrssprachen übersetzt, es gab Internetforen, Fanclubs, Rollen- und Computer-Spiele, um noch tiefer in die Welt von Circonia einzutauchen. Und es gab in vielen Ländern einmal im Jahr einen CirCon - das Treffen der Circonia-Fans, mit Vorträgen, Tauschbörse, Autogrammstunden der Autoren, Live-Rollenspielen und ... natürlich ... einem großen Kostümwettbewerb.
Seit Valeria von den CirCons wusste, war es ihr sehnlichster Wunsch, dorthin zu fahren. Zu ihrem sechzehnten Geburtstag hatte ihre Mutter endlich nachgegeben. In diesem Sommer würde sie zum ersten Mal den nationalen CirCon in Leipzig besuchen dürfen. Ein Busunternehmen bot für die Fans der Stadt eine günstige Fahrt an, und in Leipzig sollte Valeria bei der Familie einer Freundin aus dem Forum unterkommen, deren Eltern selbst ebenfalls Circonia-Fans waren. Hätte Valerias Mutter allerdings auch nur entfernt geahnt, welchen Plan ihre Tochter tatsächlich verfolgte, hätte sie Valeria vermutlich bis nach dem Termin eingesperrt und zur Sicherheit noch fest angebunden ...
***
Vor rund einem Jahr etwa hatte der Verlag offenbar beschlossen, Circonia wieder etwas erotisch aufzupeppen. Elfen gab es schon lange in der Reihe, doch bisher hatten sie meist nur kurze Auftritte. Sie galten als geheimnisvolle Außenseiter mit geradezu unglaublichen Fähigkeiten, und ihr ständiger Einsatz hätte konsequenterweise die meisten Romanstories auf wenige Seiten reduziert: Ein Bösewicht heckt eine üble Tat aus. Die Guten kommen dahinter. Sie bitten einen Elf um Hilfe. Und fertig.
Dann betrat Naked Elvin die Bühne. Sie musste aus nicht näher bekannten Gründen ihre Heimatwelt Jetago verlassen und schlug sich nun als Söldnerin und freischaffende Beschützerin der Schwachen durchs Leben. Sie war etwas über einen Meter sechzig groß ... acht "giist", wie es in Circonia hieß ... schlank, von golden und leicht grünlich schimmernder Hautfarbe, mit festen Muskeln, einer schmalen Hüfte und flachen, aber durchaus erkennbaren Brüsten, einem interessanten Gesicht mit hohen Wangenknochen, großen Augen, den typischen langen Spitzohren ihrer Art und einer blonden Wuschelmähne. Als Jetago-Elfe konnte sie ihre besonderen Fähigkeiten am besten ohne jede Kleidung einsetzen. Naked Elvin war also grundsätzlich nackt, und in keinem Roman fehlte es an anschaulichen Szenen, um die Fantasie der Leser auf diesen Aspekt hinzuweisen.
Valeria war vom ersten Moment an fasziniert von Naked Elvin. Eine perfekte Kriegerin, die mit den Waffen ihres Geschlechts so gut kämpfte wie mit Stahl oder Strahl. Nach einigen Prinzessinnen, Hexen und Kämpferinnen glaubte Valeria, endlich die Figur gefunden zu haben, die ihrem sich entwickelnden Selbst perfekt entsprach. Naked Elvin war Einzelgängerin sogar unter ihresgleichen, und wenn sie in den Romanen die Menschenwelten betrat, war dies immer wieder Anlass zu Verwunderung und lustigen, manchmal sogar gefährlichen Irrtümern. Kurz, Valeria fiel es leicht, sich mit dieser Amazone zu identifizieren, und sobald eine neue Folge der Naked Elvin Geschichten erschien, war sie unansprechbar, bis sie das Buch mindestens zwei Mal vom ersten bis zum letzten Buchstaben verschlungen hatte.
Naked Elvin kam wieder zu sich. Sie fand sich aufrecht stehend, mit gespreizten Beinen und ausgestreckten Armen, an Hand- und Fußgelenken durch Energieklammern gefesselt, gegen die ihr Körperfeld machtlos war. Sie war in Den Ring gebunden, und sie wusste, was das bedeutete. Holo hatte vor, sie dem Prostrogator zu überlassen, dem Elfenquirl, einem der wenigen Instrumente, eine Jetago-Elfe trotz Körperfeld sicher vom Leben zum Tode zu beförderten. Und einem der hässlichsten obendrein: Der Quirl hatte seinen Namen von der Mischung aus brutalem mechanischem Druck und Energiefeldern, die das Körperfeld überlasteten und dann den Körper des Elfs mit gemächlicher Grausamkeit zu Brei zermahlten.
Doch so weit war es noch nicht. Kaum hatte sie durch ihr Blinzeln und Heben des Kopfs gezeigt, dass sie wieder bei Bewusstsein war, als vor ihr eine Holografie entstand. Holo in all seiner lächerlichen Pracht, mit dem Goldperlengewand eines Kochiku-Hochfürsten, der Glorienkrone und einem Paar Schmuckflügeln von überdimensionalem Format.
"Hallo, meine Schöne!" begrüßte er sie. "Wie ich sehe, hast du dein Bewusstsein wiedererlangt. Das ist sehr erfreulich! Ich stehe ein wenig unter Zeitdruck, musst du wissen. Und es wäre zu schade, wenn ich diesen wunderbaren Körper zerstören müsste, bevor ich dir Gelegenheit gegeben hätte, deinen Tod etwas ... angenehmer zu gestalten."
Die Umgebung war ihr unbekannt und so schlecht beleuchtet, dass sie außer einem grauen Metallboden keine Einzelheiten erkennen konnte. Es sprach jedoch einiges dafür, dass sie sich an Bord eines Schiffs in der Umlaufbahn befand. Und es roch nach Tod. Irgendwo vor ihr in der Dunkelheit verbarg sich der an einen Tunnelbohrer erinnernde Prostrogator. Im ersten Moment war sie versucht, einfach zu schweigen und Holo seine dürftigen Sprüchlein ohne jeden Kommentar abspulen zu lassen. Doch sie wollte Zeit gewinnen. Der beste Weg dazu war, Holo zu weiteren Tiraden zu provozieren. Seine Eitelkeit und Egomanie waren in diesem Moment ihre zuverlässigsten Verbündeten.
"Gib dir keine Mühe, du Stehleuchte! Mein Tod wird angenehm genug bei dem Gedanken, welches Schicksal dich erwartet, wenn die Estra' dich in die Hände bekommen."
"Wenn, ja, wenn! Nur wird dieser Tag nicht kommen. Oder hast du gedacht, ich hätte eure kleine Aufführung nicht durchschaut? Was denkst du, weshalb ich lediglich einige Horden Mocas gegen den Gahai-Turm geschickt habe? Inzwischen sind sie gewiss alle tot, doch das war uns von vornherein klar, oder nicht? Deine humanen Freunde waren jedenfalls beschäftigt, und ich wusste, dass du es nicht über dich bringen würdest, gemeinsam mit ihnen zu kämpfen. Nein, unsere tapfere Jetago-Elfe musste die große Fallenstellerin spielen und ist dabei leider selbst in die Falle getappt!"
"Sei dir da mal nicht allzu sicher! Ist dir schon der Gedanke gekommen, dass ich nicht die Falltüre, sondern der Köder bin? Es wäre auch zuviel erwartet gewesen - dass du auf den Versuch verzichtest, mich zu fangen."
"Für eine Elfe, die bereits im Ring steckt, führst du ja noch recht muntere Reden! Doch meinst du ernsthaft, du könntest mich damit beeindrucken? Selbst wenn es auch nur den Hauch einer Chance gäbe, dass ich dir ein Wort glaube - der Köder überlebt das Fischen nie, oder solltest du das vergessen haben? Du bist nur noch einen Knopfdruck vom Tode entfernt. Jetzt liegt es an dir. Gib mir den Befehlscode der Estra', öffne dein Feld und stirb schnell und ohne Schmerzen. Sonst ich müsste diesen wunderschönen Körper leider dem Prostrogator überlassen."
Mit diesen Worten trat das Hologramm dicht an sie heran und ließ seine Hände über ihr Körperfeld gleiten. Sie spürte sie nicht, doch die Absicht der Erniedrigung war klar und hätte bei jedem anderen Jetago auch ihren Zweck erreicht. Trotz oder gerade wegen ihrer Nacktheit waren Jetago-Elfen 'unberührbar', und außer einem Intimpartner durfte es niemand wagen, das Tabu ungestraft zu brechen. Doch Holo vergaß, dass Naked Elvin schon lange nicht mehr auf Jetago lebte. Längst hatte sie sich an die Gewohnheiten der Humanen angepasst und empfand zumindest flüchtige oder versehentliche Berührungen ihres Körpers kaum noch als irritierend, geschweige denn als todeswürdige Verletzung ihrer Würde. Ungeachtet dessen wanderten die Hände weiter hinab, bis ihr der Elf mit belustigt funkelnden Augen symbolisch zwischen die Beine griff.
Manchmal, wenn sie über sich und ihre Reaktion auf solche Szenen nachdachte, erschrak Valeria über sich selbst. Sie litt nicht etwa mit ihrer Heldin, oh nein. Vielmehr empfand sie höchste Erregung etwa bei der Vorstellung, nackt und schutzlos "in Den Ring" gebunden zu sein, feuchte, kalte Finger wie schleimige Würmer über ihren Körper kriechen zu spüren ... bis schließlich einer oder mehrere in sie eindrangen ... und sie mit einem lauten Aufstöhnen den Höhepunkt erreichte.
Dann lag sie nackt und schweißgebadet auf ihrem Bett, hoffend, dass nicht Juri oder ihre Mutter hereingeplatzt kamen ... befriedigt, und doch nicht ohne Furcht auf das Unheimliche schauend, das da in ihr heranwuchs. Ihre Mitschülerinnen und die Mädels im Verein sprachen oft genug über ihre sexuellen Wunschträume; dabei ging es meist um einen hübschen Jungen und die klassische Missionarsstellung. Schon das Thema Oralverkehr löste nervöses Kichern aus, und alle weiteren Möglichkeiten des Lustgewinns wurden allenfalls durch demonstrative Ekelbekundungen kommentiert.
Natürlich sprach Valeria nie über ihre Phantasien, doch sie beteiligte sich auch nicht zum Schein am Normalitätswettstreit der anderen. Irgendwann hatte sie schließlich den Eindruck gewonnen, sie sei die einzige Perverse in ihrer Jahrgangsstufe ... bestimmt für ein düster romantisches Schicksal in saunawarmen, dunkelrot ausgeleuchteten Folterkellern voller ungeahnter Lust, während ihren Altersgenossinnen die wahre Folter einer lebenslangen Verbannung in die Einöde der Vorstadtschlafzimmer bevorstand.
In diesem Moment spürte Naked Elvin, wie der Ring, ja ihre gesamte Umgebung erzitterte. Dumpfes Dröhnen wie von mächtigen Hammerschlägen drang an ihr feines Gehör. Die anrückenden Sturmtruppen der Estranischen Legion sprengten und schossen sich den Weg frei. Das Hologramm flackerte und erlosch. Übrig blieb nur ein trübes, graues Licht, dessen Quelle irgendwo über ihr lag - und das plötzlich von blitzendem Metall reflektiert wurde. Überraschend leise hatte sich der Prostrogator in Bewegung gesetzt: eine mannshohe, langsam rotierende Metallscheibe, über die die bläulichen Flämmchen eines Energiefelds wanderten.
Naked Elvin wusste, dass sie machtlos war. Unerbittlich schob sich die Maschine näher. Inzwischen konnte Naked Elvin trotz der trüben Beleuchtung bereits die Einzelheiten der Frontplatte erkennen, deren Oberfläche wie ein Reibeisen geformt war. Darüber flackerte das Energiefeld, das darauf ausgerichtet war, ihre Körperenergie zu lähmen. Sie überlegte, ob sich der Kampf überhaupt lohnte. Die blauen Flämmchen waren nur noch wenig giist von ihr entfernt. Wenn sie nachgab, ihr eigenes Feld erlöschen ließ, gewann sie zwei oder drei Handschlag Zeit, bis die Platte selbst sie erreichte.
Immer wieder dröhnten Explosionen durch das Schiff, doch die Geräusche kamen nicht näher. Sollte Holo doch mehr Widerstand leisten, als sie kalkuliert hatten? Sie würde nicht die einzige sein, die heute starb. Doch die anderen fielen inmitten ihrer Kameraden. Sie dagegen war allein. Und fühlte sich plötzlich entsetzlich einsam. 'Eine Humane könnte jetzt weinen', dachte Naked Elvin. Die blauen Flämmchen leckten bereits nach ihren Brüsten - harmlos, da sie ihr Körperfeld aufgelöst hatte. Noch ein, zwei giist, dann würde die Platte sie berühren. In einem verzweifelten Versuch des Ausweichens presste sie ihren Körper an die kalte, glatte Metallwand hinter sich. Grelle Schreie drangen aus ihrer Kehle, während sie sich in ihren Fesseln wand. Dann, plötzlich, peitschte der Knall einer Entladung durch den Raum, und die blauen Flämmchen erloschen. Das Energiefeld war ausgefallen, vielleicht als Folge der Kämpfe. Sie konnte ihr Körperfeld wieder einsetzen!
Sie schloss die Augen, konzentrierte sich. Es galt, alle Kraft zu sammeln, die sie je besessen hatte, und vielleicht noch mehr. Tatsächlich! Ruckend kam die riesige Metallscheibe zum Stehen, kein halbes giist vor den Spitzen ihrer Brüste. Wimmernd versuchten die Motoren, ihre Aufgabe fortzusetzen. Doch Naked Elvins Feld hielt. Mit jeder Faser ihres Körpers, mit jedem Funken Energie stemmte sie sich gegen die ungeheure Gewalt, die keine Ermüdung kannte.
'Durchhalten!' war ihr einziger Gedanke - der sie so sehr erfüllte, dass sie die Geräusche nicht hörte, die rund um sie plötzlich die leere Halle erfüllten: Rufe, Schritte schwerer Stiefel, Metall auf Metall, das Zischen gebündelter Laserwerfer. Nicht einmal das mahlende Knirschen, als sich der Prostrogator im Rückwärtsgang endlich wieder von ihr entfernte, drang in ihr Bewusstsein. Auch die Fesseln waren nun abgeschaltet. Ohne es recht zu merken, sackte sie erschöpft zusammen, wäre auf den Boden gefallen - wenn sich nicht der klobige Arm eines Panzerraumanzugs ausgestreckt und sie aufgefangen hätte.
"Na, Kleines, da finden wir aber ein besseres Plätzchen für dich zum Ausruhen als diese schauderhafte Halle hier!" drang eine warme, dunkle Stimme an ihr Ohr. Es war Lucius Morgenstern, ihr alter Kampfgefährte, der Tribun der Estra'.
Dankbar, erschöpft und unsäglich erleichtert lächelnd ließ sie sich von ihm durch die Korridore des fremden Schiffs zu einem der angedockten Sturmboote tragen - keine Kriegerin in diesem Moment, sondern eine zarte, nackte, weibliche Gestalt, sanft gebettet in den Armen des hünenhaften Humanenkriegers.
Valeria hatte schon lange den Eindruck, eigentlich ein Findelkind zu sein, ihrer Mutter von Außerirdischen untergeschoben. Wie Naked Elvin umgab Valeria eine unsichtbare Hülle, die sie von einem Alltag trennte, dessen Geschehen sie oft nicht verstand oder für reinen Wahnsinn hielt. Diese Kleingeisterei und Ichsucht überall, der Hass und die Unehrlichkeit ... wie brachten die Menschen es nur fertig, so zu leben, immerzu gegen die eigene Natur, gegeneinander, sich gegenseitig ihre Welt so ungemütlich wie möglich zu machen? Nein, sie war nicht von dieser Welt, soviel stand fest!
Naked Elvin war für Valeria daher vor allem das Idealbild der unerschrockenen Amazone, der selbstbewussten Außenseiterin, die sie selbst gern sein wollte. Im realen Leben nutzte Valeria ihre vornehmlich schwarze Kleidung und den zugehörigen Schmuck aus Totenköpfen und allerlei okkulten Zeichen, um sich äußerlich abzugrenzen; gleichzeitig konnte sie durch dieses auffällige Auftreten gar nicht anders, als dazu auch eine gehörige Portion Selbstbewusstsein zu entwickeln. So hatte sie es tatsächlich geschafft, ein wenig von Naked Elvins Stärke und Unerschrockenheit in ihren eigenen Alltag zu bringen.
Doch es war praktisch ausgeschlossen, sich mit dieser exotischen Figur zu beschäftigen, gar zu identifizieren, ohne sich mit ihrer stets präsenten Nacktheit auseinanderzusetzen. Valeria war noch keine fünfzehn, als sie Naked Elvin kennenlernte. Bei den meisten Mädchen ihres Alters war der eigene Körper eher eine Quelle der Unsicherheit als der Freude. Es war das Alter der Scham, und öffentliche Nacktheit zum Beispiel am Badesee völlig undenkbar. Allein das gemeinsame Duschen nach dem Sport ermöglichte Erfahrungen darin, andere nackt zu sehen und von ihnen gesehen zu werden.
Zu einem peinlichen Auftritt war es im vergangenen Herbst gekommen, als Valeria nach dem Training völlig gedankenverloren auf der Bank in der Umkleidekabine saß und, ohne es zu merken, eine ganze Zeit lang auf ihre Vereinskameradin Anja starrte, die aus der Dusche gekommen war und sich vor ihren Augen abtrocknete. Anja hatte genau die Figur, die Valeria sich für Naked Elvin vorstellte ... schlank, drahtig, mit schmalen Hüften, flachen Brüsten und einem unbändigen, blonden Wuschelkopf.