Читать книгу Der Atem des Schicksals - Nicole Seidel - Страница 3

Prolog

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Viele alte Wege durchzogen das große Karman-Gebirge und die meisten nutzte nur noch die Erinnerung. Einer dieser Pfade führte zu einem verlassenen Ort, hoch oben in den roten kargen Gipfeln der mächtigen Berge, die niemals Schnee gekannt hatten. Er hieß Duveyn und war seit nunmehr einhundert Jahren eine in den Fels gehauene, staubige Ruine.

Es gab viele solcher Orte wie Duveyn, an dem einst ein Volk gelebt und gegen die trockenen Witterungen der Natur angekämpft und stets irgendwann verloren hatte. Wenn sie nicht eine Hungersnot, eine Krankheit oder gar ein Krieg dahin gerafft hatte, dann waren die Menschen fortgezogen. Suchten ihr Glück an anderer Stelle, an der sie eine Quelle mit Wasser versorgte und sie ihr Dasein fristen konnten. Bis sich der Kreislauf von neuem schloss und sie aller Hoffnung beraubt wurden.

Nun ritten einhundert Krieger auf weißen Pferden über dem Duve-Pass. Gekleidet in weite, weiße Umhänge über den mattsilbernen Rüstungen. Kapuzen bedeckten die grimmigen, glattrasierten Gesichter und an den Gürteln und Sätteln klirrten unzählige Waffen. Zwischen ihren Reihen schlurften dreihundert Sklaven, aneinander gekettet, geführt von den schneidenden Peitschen ihrer Treiber.

Ein Adler kreiste über ihren Köpfen und beobachtete gelassen ihre Wanderung hinauf zum Ort des Vergessens. Duveyn, ein Plateau unterhalb des Duve-Gipfels. Einst die höchstbewohnte Siedlung im Karman, mit einer reichen Zisterne in ihrem Bauch. Nun ein Trümmerfeld von eingestürzten Steinwänden, verrottetem Holz und verblassten Erinnerungen. Der mächtige Raubvogel drehte ab, als der Tross die Ruine erreichte, dort hinüber wollte der Adler nicht fliegen.

Die vierhundert Menschen sammelten sich auf dem freien Platz, die weißen Ritter stiegen von ihren hellen Rössern und trieben einen Großteil ihrer geketteten Beute durch den hohen, säulengewehrten Eingang ins finstere Innere. Dem Hauptkomplex, einer gewaltigen Halle, die in den Berg hineingetrieben worden war. Auch hier zeigten sich Spuren des Verfalls. Die etwa zweihundert Sklaven stolperten über Steinbrocken, wirbelten Staub auf und wurden durch die leeren Räume gezwungen.

Vor zu einer Höhle, tief in den Eingeweiden des Berges. Bis zu den Zisternen hinab, deren Wasser längst versiegt waren. Dort unten war weder dunkel, noch kalt. Statt des lebensspendenden Wassers, schwappte eine glutheiße Lava in den steinigen Becken. Die weißen Ritter hatten ihr Ziel erreicht.

"Ruft ihn", brüllte ihr Anführer, "zehn müssten für den Anfang genügen."

Fünf Männer zerrten die vordersten zehn Sklaven aus dem Pulk und stießen sie in Richtung des Lavasees. Die Verurteilten begannen zu jammern, um ihr Leben zu betteln, aber die Ritter kannten keine Gnade. Sie warfen die entkräfteten Sklaven über den Rand hinein ins flüssige Feuer. Die Schreie hallten an den verbrannten Wänden wieder.

Das Opfer wurde angenommen. Als die Todesschreie verstummten, erhob sich eine geflügelte, schaurige Gestalt aus dem glühenden See. Die Lava perlte wie Wasser an seiner roten Schuppenhaut ab. Er war riesig, seine ledernen Schwingen berührten die Seitenwände der Höhle, als er sie ausbreitete. Der gehörnte, hässliche Kopf berührte fast die Decke. Vor ihnen grollte Naûrrog, der Feuerdämon des Chaos.

"Wir bringen dir deine geforderten Seelen", brüllte General Eldakan, "und geben dir noch einhundert dazu, als Dank, dass du unsere Königin behütet hast. Doch nun gib uns unsere Faen'arodin."

Die Höhle erbebte, als der Dämon zu lachen schien. Über ihren Köpfen tauchte aus dem Nichts eine weiße Gestalt auf. Eine wunderschöne Frau, die in helles Licht gehüllt zu schlafen schien.

Ich will die ersten einhundert jetzt sofort, dröhnte der Naûrrog mit fauchender Stimme im Kopf des obersten Ritters. Der befahl seine Männer, die geforderte Anzahl Sklaven zu den Lava-Zisternen zu bringen.

Vier Männer unter diesen armen Geketteten waren jedoch nicht verängstigt und zogen sich unmerklich in den Hintergrund zurück. Es war ihnen ein leichtes, die vorgetäuschten Fesseln abzustreifen und ihre verborgenen Dolche hervorzuholen. Während das Lachen und die Todesschreie der verbrennenden Sklaven in der Höhle widerhallten.

Rogue war einer dieser vier. Er hatte sich den Schädel rasiert, trug abgerissene Kleidung, wie alle anderen Sklaven, aber in seinen grünen Augen brannte ein wütendes Feuer. Noch warteten seine Sadar-Kameraden und er, ihr Angriff musste wohl überlegt sein, war doch ein unerwartet mächtiger Feind auf der Szenerie erschienen.

Die hundert verfluchten Seelen waren geopfert und der Dämon hielt Wort. Sanft schwebte die Schlafende zu Boden. Das Licht um sie herum erstarb und die Faen'arodin erwachte. Die Königin erhob sich und die weißen Krieger gingen ehrfürchtig in die Knie und neigten die behelmten Häupter.

Aus den Schatten sprangen drei Assassinen und warfen sich auf die knieenden Ritter, nur Rogue zögerte. Er hätte mit Leichtigkeit deren Anführer töten können, doch unter dem sorgenvollen Blick der wunderhübschen, jungen Königin ließ er diesen Moment untätig verstreichen.

"Coth", schimpfte Eldakan und warf sich auf den kahlköpfigen, zerlumpten Mann.

Rogue kreuzte die Dolche und fing den harten Hieb des Schwertes ab. Er ging in die Knie, brüllte auf und stieß den General von sich.

Tumult brach aus. Die restlichen Sklaven stoben verängstigt auseinander. Ritter brachten ihre Königin aus der Höhle. Andere behaupteten sich gegen die drei Sadar-Krieger, überwältigten sie. Und Rogue floh, als die weißen Ritter die Kontrolle zurück gewannen. Er glaubte seine Brüder verloren und konnte nur noch hoffen zu entkommen, um seinem Meister hiervon zu berichten. Er versteckte sich in den dunklen Schatten zwischen den Trümmern, während die restlichen Sklaven in die Höhle hinabgetrieben wurden.

Rogue wartete, bis die Krieger herauskamen. Dann folgte auch er. Zwei Krieger in silberner Rüstung und weißen Umhängen erwarteten ihn. Die weiße Königin war längst mit einer Eskorte vorausgeritten. Nur mit Dolchen und ohne Körperschutz wollte der Sadar sich ihnen nicht im offenen Kampf entgegenstellen. Er nutzte seine Gewandtheit und Schnelligkeit zum Vorteil und sprang über die Trümmer zu deren Reittiere herüber. Rogue steckte die Dolche fort und sprang in den Sattel. Er trieb das Tier sofort in den Galopp, den Weg von Duveyn hinunter. Doch einer der Ritter trug einen Langbogen am Rücken, den er hervorholte und auf den Entfliehenden anlegte. Der Pfeil surrte von der Sehne und bohrte sich in den Hals des Hengstes, als sich Rogue zur Seite neigte. Der Schimmel strauchelte, stürzte und sein Reiter wurde unsanft gegen die schroffen Felswände geschleudert.

Der Schmerz hielt ihn bei Bewusstsein. Seine trainierten Instinkte ließen ihn ein Versteck suchen, bevor die beiden Ritter ihn finden und überwältigen würden. Gerade rechtzeitig zog er sich über einen Vorsprung und rollte sich außer Sichtweite. Rogue hielt den Atem an, als die beiden Krieger - einer ritt, der andere sicherte den Weg mit seinem Bogen - unter ihm auftauchten. Sie fanden ihn nicht und kehrten nach einer Weile nach Duveyn zurück. Sie sollten dafür sorgen, dass keiner der Opfersklaven entkam.

Rogue ruhte sich nur kurz aus, quälte sich dann auf die Beine und zwang seinen zerschundenen Körper den Pfad hinunter. Er blieb immer in Deckung und wanderte an die drei Tage durch das Karman-Gebirge, bevor er wieder auf Zivilisation traf.

Ein kleiner Grenzposten, dort wo sich die Straßen aus dem westlichen Aragon, mit der östlichen nach Mandatar trafen. Händler, Reisende und Patrouillen konnten hier ausruhen, ihre Vorräte auffrischen und Neuigkeiten austauschen. Für einen Sadar jedoch war dies ein gefährlicher Ort, vor allem dann, wenn Soldaten des Fürsten Azhram aus der Hauptstadt hier lagerten. Doch Rogue hatte Glück, sein Eintreffen wurde nur von besorgten Händlern und drei seiner Brüder bemerkt.

Sie nahmen ihren entkräfteten, verletzten Kameraden beiseite. Ihre Gesichter waren ernst, die Begrüßung verhalten, als sie ihm die Dolche nahmen und ihn in Fesseln legten.

Der Atem des Schicksals

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