Читать книгу Harmless - Arglos - Nicole Edwards - Страница 7
Eins
ОглавлениеFreitag, 14. Oktober
Roan wusste, dass er nicht hätte kommen sollen. Und nicht nur, weil er damit riskierte, dem einen Mann über den Weg zu laufen, den er mit großer Mühe zu vergessen versuchte.
Natürlich machte er sich deshalb Sorgen – vor allem, da Cam ihm erzählt hatte, dass die Chance gut standen, das Team nach dem Spiel treffen zu dürfen –, aber noch größere Sorgen machte er sich um seine Schwester, die er heute Nachmittag allein zu Hause ließ, obwohl er ein schlechtes Gefühl dabei hatte.
Ein extrem schlechtes Gefühl.
Tatsächlich war er so besorgt gewesen, dass er sich während des letzten Drittels des Spiels nach draußen auf die Fressmeile geschlichen hatte, um sie anzurufen, doch sie war nicht drangegangen. Und jetzt würde er zusammen mit seinen Freunden das Team kennenlernen. Normalerweise wäre das ein wahr gewordener Traum. Heute leider nicht so sehr.
Großer Gott, vor eineinhalb Jahren hätte Roan sich noch vor Freude in die Hose gemacht, wenn jemand ihm angeboten hätte, die Austin Arrows kennenzulernen. Leider war seitdem eine Menge Scheiße passiert. Er hatte einen unvergesslichen One-Night-Stand mit einem der Spieler gehabt und… Na ja, da gab es noch den ganzen anderen Kram, über den er sich gerade den Kopf zerbrechen musste. So viel, dass Roans gesamte Welt aus den Fugen geraten war. Dieser Abend würde auf gar keinen Fall ein gutes Ende nehmen.
Zum einen riskierte er bei dem Ausflug in die Kabine ein Aufeinandertreffen mit Seg. Er hatte sich selbst geschworen, nie wieder an diesem Mann zu denken. Jedenfalls nicht auf die spezielle Art, bei der er sich immer wieder erwischte. Es gab tausend Gründe, warum ein Sicherheitsabstand von dem berühmten Verteidiger geboten war. Allem voran war der Kerl definitiv nicht geoutet und es war kein Geheimnis, dass Roan keinerlei Interesse daran hatte, die geheime Affäre von jemandem zu sein. Herausragender Sex hin oder her.
Zum anderen musste Roan nach seiner Schwester sehen. Er machte sich Sorgen und in seinem Kopf summte es merkwürdig. Wie eine Warnung, dass er nach Hause gehen sollte. Obwohl er nicht mit Cassie gesprochen hatte, hatte sie ihm vor ein paar Stunden geschrieben.
Natürlich war sie voll im Zickenmodus gewesen.
Ich wünschte, du würdest mich in Ruhe lassen. Es geht mir gut. Es ist nicht nötig, dass du mich kontrollierst. Wenn ich's mir recht überlege: Warum suchst du dir heute Abend nicht jemand anderen, den du nerven kannst, denn ich bin nicht in der Stimmung, mich mit deinem Scheiß auseinanderzusetzen.
Roan hatte den Drang niedergekämpft, ihr eine Nachricht zu schicken, in der er ihr ganz genau erklärte, wie er sich fühlte. Dabei war das noch eine von ihren netteren SMS gewesen. In den meisten stand, was für ein Arschloch er doch war und dass er für all die schlimmen Dinge, die ihr je zugestoßen waren, verantwortlich sei. Irgendwie hatte er es immer geschafft, sich auf die Zunge zu beißen und ihr nicht mal gründlich den Kopf zu waschen. Seit ihr Drogenproblem zu seinem Problem geworden war, kam Roan nicht besonders gut damit zurecht.
Also hatte er sich ein paar Minuten Zeit genommen, um sich zu beruhigen, und antwortete dann mit einer kurzen Nachricht, in der er Cassie wissen ließ, dass er nach Hause kam, sobald das Spiel vorbei war. Bevor er überhaupt das Handy zurück in seine Tasche schieben konnte, war eine weitere SMS bei ihm angekommen: Fick dich, Roan. Ich hasse dich und ich wünschte, du würdest mich verdammt noch mal in Ruhe lassen.
Jepp, der volle Zickenmodus schien in letzter Zeit ihre einzige Einstellung zu sein.
Während Cam und Gannon zur Kabine vorangingen, gab sich Roan die größte Mühe, im Hintergrund zu verschwinden. Er würde niemandem den Abend verderben, indem er darauf bestand, jetzt sofort zu gehen, aber er musste auch nicht mit Feuereifer dabei sein. Er verringerte sein Tempo und versuchte, hinter Teague und Hudson zu gelangen. Obwohl es bedeutete, dass er keinen der Spieler persönlich kennenlernen würde, brauchte Roan nicht unbedingt in der ersten Reihe stehen.
Teagues Kopf ruckte herum, um Roan anzusehen. Auf seiner Stirn bildete sich eine verwirrte Falte. »Wo willst du denn hin? Sieht aus, als würdest du versuchen, dich vor jemandem zu verstecken.«
Da er keinen Nerv für irgendwelche Neckereien hatte, murmelte Roan: »Halt die Klappe, verdammt.«
Natürlich hatte Teague dafür überhaupt kein Verständnis. »Ist gar nicht so witzig, selbst verarscht zu werden, hm?«
Roan biss sich auf die Unterlippe, um sich eine Erwiderung zu verkneifen. Okay, na schön. Das hatte er wahrscheinlich verdient. Er hatte Teague höchstpersönlich mehr als einmal verarscht – ganz liebenswürdig natürlich.
»Leute«, verkündete Phoenix Pierce, der Besitzer der Austin Arrows, »ich bin mir sicher, dass er nicht extra vorgestellt werden muss, aber das ist Spencer Kaufman, der Kapitän der Arrows.«
Während Roan sich im Hintergrund hielt, beobachtete er, wie Cam Spencer mit großen Augen und weit offenem Mund die Hand schüttelte. Es brachte Roan beinahe zum Lachen. Beinahe.
»Und das da drüben ist Kingston Rush, der Mann im Netz.«
Roan schaute hinüber und erhaschte einen Blick auf den Torwart der Arrows, der sich gerade mit einem Reporter unterhielt. Doch viel Zeit blieb ihm dafür nicht, denn sie setzten sich schon wieder in Bewegung und folgten Phoenix zu einer weiteren Männergruppe. Er achtete nicht so sehr auf Phoenix, der die Namen herunterratterte. Roan wusste bereits, wer die Spieler waren. Schließlich war er schon seit geraumer Zeit ein Fan von ihnen.
»Und das hier ist der Mann der Stunde«, bemerkte Phoenix in stolzem Tonfall. »Colton Seguine, Verteidigung. Seg, das sind Freunde von mir. Ihnen gehört der Jachthafen draußen am Lake Buchanan.«
Scheiße.
Scheiße, Scheiße, Scheiße.
Roan richtete den Blick auf den Betonboden und hoffte inständig, unsichtbar zu werden.
Leider funktionierte das nicht, denn er spürte, wie sich diese kühlen blauen Augen auf ihn fokussierten, und er konnte nicht widerstehen, aufzuschauen und Segs Blick zu begegnen.
Bitte sprich mich nicht an. Bitte sprich mich nicht an.
Für einen kurzen Moment fragte er sich, ob Seg sich überhaupt an ihn erinnerte. Es war gut möglich, dass dieser Mann so viele One-Night-Stands hatte, dass er den Überblick verlor. Leider hatte Roan nicht so viel Glück. Und da Seg sein letzter One-Night-Stand gewesen war – was auch bedeutete, dass er der letzte Mann war, mit dem Roan überhaupt etwas gehabt hatte –, fiel es ihm nicht ganz so leicht, ihn zu vergessen. Allerdings hatte Roan im vergangenen Jahr nicht einen einzigen Artikel oder eine Meldung gelesen, die Seg mit einem anderen Mann in Verbindung gebracht hatte. Mit Frauen durchaus. Was bedeutete, dass Seg sein Geheimnis noch immer hütete. Und Roan erinnerte sich erneut daran, dass der Sex vielleicht die beste seiner bisherigen Erfahrungen gewesen war, jedoch nicht gut genug, um sich den Rest seines Lebens zu verstecken. Eine Wiederholung stand also definitiv außer Frage.
Er hatte es satt, dass Menschen sich für ihn schämten. Zum Teufel, seine eigene Mutter hatte sie im Stich gelassen, als Roan sechzehn gewesen war. Das homophobe Biest hatte behauptet, er wäre verflucht, und wollte nichts mit dem Werk des Teufels zu tun haben. Also hatte sie einen Koffer gepackt und sie alle sitzen lassen. Von diesem Moment an hatte Roan sich geschworen, dass er sich nie dafür schämen würde, wer er war. Nicht wegen der Frau, die ihn geboren hatte, und ganz sicher nicht wegen eines Kerls, mit dem er nur für ein paar Stunden das Bett geteilt hatte.
Er schnaubte bei diesem Gedanken und spürte, wie sich ihm weitere Blicke zuwandten.
Als er aufsah, starrte Cam ihn besorgt an.
»Sind wir hier fertig?« Okay, er klang wirklich wie ein Arsch, aber Roan musste unbedingt aus Segs Nähe verschwinden. Der Mann war nicht gut für seine Gesundheit.
In Wahrheit hatte er sich ziemlich häufig bei der Erinnerung an diese eine Nacht mit seiner Hand vergnügt. Dadurch fiel es ihm natürlich nicht leichter, so zu tun, als wäre sie niemals passiert, wenn diese sinnliche Versuchung nur ein paar Meter von ihm entfernt stand. Sogar zerzaust und verschwitzt vom Spiel war dieser Mann sexy.
Phoenix räusperte sich, als hätte er Roans Anspannung wahrgenommen. »Noch mal danke, dass ihr heute Abend gekommen seid. Ihr könnt Tickets für die Spiele haben, wann immer ihr wollt. Ich muss dann auch mal zurück zu meinem Mann und meiner Frau. Sie suchen bestimmt schon nach mir.«
Während er diese Worte verarbeitete, starrte Roan Seg finster an. Hier stand ein Mann, der zu viel Angst hatte, sich zu outen, obwohl der Besitzer des verdammten Teams bisexuell war und sich in einer langfristigen, festen Beziehung mit einer Frau und einem Mann befand.
Roan wandte sich von den anderen ab und steuerte den Parkplatz an. Er hatte seine Rolle gespielt. Der Abend war offiziell gelaufen.
»Hey!«
Oder auch nicht.
Scheiße. Diese Stimme… Diesen tiefen Bariton hörte er noch immer in seinen verdammten Träumen.
Roan tat so, als hätte er ihn nicht gehört, und lief unbeirrt weiter. Er hielt erst an, als eine große Hand auf seiner Schulter landete. Resigniert ließ er den Kopf hängen. Er würde wohl nicht hier rauskommen, ohne sich diesem Mann zu stellen.
»Wie geht's? Roan, richtig?«, fragte Seg und klang dabei, als würde er einen alten Freund wiedersehen.
Roan drehte sich zu ihm um, hob eine Augenbraue und hoffte, verbergen zu können, wie überrascht er darüber war, so angesprochen zu werden. Hier. Vor all diesen Leuten.
Was tat Seg da? Er hätte Roan einfach gehen lassen sollen, dann hätten sie so tun können, als würden sie einander nicht kennen. Der Handschlag setzte dieser Möglichkeit allerdings ein Ende und machte sie zu Bekannten, die sich nach langer Zeit wiedertrafen.
»Gut. Und dir?« Klang er genauso locker? Er hoffte es.
Roan ließ kurz den Blick schweifen, um zu sehen, wer sie beobachtete. Das taten sie alle, verdammt.
»Du hast heute toll gespielt«, sagte Roan und versuchte, Segs Blick auszuweichen.
»Ja. Danke. Hey, die Jungs gehen immer rüber ins Penalty Box, wenn wir gewinnen.« Seg spähte hinüber zu Cam und Gannon, bevor er wieder Roan ansah. »Es ist nicht weit von hier. Vielleicht könnten du und deine Freunde uns begleiten? Abhängen. Zur Feier des Tages ein Bier trinken. Ich würde gern hören, wie es dir ergangen ist.«
»Entschuldige. Ich kann nicht. Ich muss nach Hause. Ich muss sehen, ob…« Roan schüttelte den Kopf. Er musste sich vor diesem Mann nicht rechtfertigen.
»Alles klar. Schon in Ordnung, Mann.« Seg schien ihn zu mustern. »Schön, dich zu sehen.«
»Ja. Finde ich auch.« Roan wollte nicht so unhöflich sein, aber es war schon beim ersten Mal schwer genug gewesen, über Seg hinwegzukommen. In seiner Nähe vertraute er sich selbst nicht und er hatte ganz sicher weder die Zeit noch die Geduld, sich damit zu beschäftigen. Er hatte mehr als genug um die Ohren und die Wiederholung des One-Night-Stands hörte sich im Moment einfach nur perfekt an.
Allerdings würde das morgen ganz anders aussehen.
Vielleicht bildete er es sich nur ein, doch Roan meinte, einen Anflug von Schmerz in Segs Augen aufflackern zu sehen. Er versuchte, sich daran zu erinnern, was er gesagt haben könnte, um diesen Blick hervorgerufen zu haben, doch ihm fiel nichts ein. Sie hatten sich beide darauf geeinigt, dass es nur eine Nacht sein würde. Am nächsten Morgen hatte sich Roan aus dem Staub gemacht, noch bevor Seg überhaupt die Augen geöffnet hatte, was ihm richtig vorgekommen war. Er hatte nicht erwartet, diesem Kerl noch einmal zu begegnen. Und er hatte ganz sicher nicht damit gerechnet, dass der Kerl ihn ansprechen würde.
Roan schaute zu den anderen hinüber und bemerkte, dass alle Blicke noch auf ihnen lagen.
Ahh. Vielleicht machte sich Seg deswegen Sorgen. Er befürchtete, dass Roan sein Geheimnis ausgeplaudert hatte.
»Man sieht sich, Mann.« Er versuchte absichtlich, so hetero wie möglich zu klingen, damit Seg den Wink verstand.
Als er Segs Blick standhielt, ging ihm auf, dass es so einfach wäre, in diese Bar zu gehen, die Seg erwähnt hatte, eine Weile so zu tun, als wäre er mit ihm befreundet, und sich dann heimlich davonzumachen, wieder zu Segs Haus zu fahren und sich noch einmal von ihm das Hirn aus dem Kopf vögeln zu lassen.
Ja. Dumme Idee.
»Warum gibst du mir nicht deine Nummer?«, schlug Seg vor. »Vielleicht könnt ihr ein andermal mit uns abhängen.«
Roan war klar, dass die anderen Fragen stellen würden, wenn er Seg abwies. Sie würden wissen wollen, warum er die Chance, mit den Arrows-Spielern abzuhängen, nicht sofort ergriffen hatte.
Anstatt nein zu sagen, seufzte Roan und zückte dann eine Visitenkarte aus seinem Geldbeutel. Er hatte immer ein paar des Jachthafens dabei. Eigentlich wollte er sie Seg einfach so geben, doch dieser brachte aus dem Nichts einen Filzstift zum Vorschein und ihm blieb nichts anderes übrig, als seine Nummer auf die Karte zu schreiben. Genau das wollte Seg offensichtlich.
Wenn Seg wüsste, mit welchem Mist sich Roan gerade herumschlagen musste, würde er wahrscheinlich kapitulierend die Hände in die Höhe werfen und wegrennen – und zwar schnell. Ganz sicher würde er keine Wiederholung in Erwägung ziehen und wenn Roan die Hitze in Segs Augen richtig deutete, dann tat er das definitiv.
Nachdem er seine Handynummer hingekritzelt hatte – er würde sich später noch dafür in den Hintern treten –, überreichte Roan Karte und Filzstift. Anstatt darauf zu warten, ob Seg noch irgendetwas sagen würde, wandte er sich von ihm ab und ging davon. Er wartete noch nicht einmal auf Cam und Gannon. Sie würden ihn irgendwann sowieso einholen.
***
Verdammt, er sah so gut aus.
Seg beobachtete Roan, bis er aus seinem Blickfeld verschwand. Er musste den albernen Drang niederkämpfen, ihm nachzulaufen, nur um noch etwas länger mit dem Mann zu reden. Allerdings wusste er, dass das verrückt wäre. Vor allem, weil er sein Interesse nicht offen zeigen konnte.
Jedenfalls nicht hier.
Er war so schon ein viel zu großes Risiko eingegangen. Es hatten zu viele Blicke auf ihnen gelegen und obwohl Seg es als Treffen alter Freunde getarnt hatte, wollte er nicht, dass diese Typen auf irgendwelche schrägen Ideen kamen.
Wenn man Roans sengenden Blick bedachte, als Seg geheuchelt hatte, sich kaum an ihn zu erinnern, dann musste er eine ziemlich gute Show abgeliefert haben. Oh, darüber musste sich Roan wirklich keine Sorgen machen. Seg erinnerte sich an ihn. Tatsächlich konnte er sich jedes noch so kleine Detail über den Mann ins Gedächtnis rufen.
Seg straffte die Schultern und wandte sich wieder Roans Freunden zu. »Schön, euch kennenzulernen, Jungs. Die Einladung ins Penalty Box steht, falls irgendjemand Interesse hat.«
Eine Sekunde lang dachte er, sie würden sein Angebot vielleicht annehmen, doch dann begann einer nach dem anderen, Dinge herunterzurattern, die sie noch zu erledigen hatten. Unbeirrt begegnete Seg den blauen Augen des größten Kerls und hielt seinem Blick einen Moment lang stand. Er konnte Tausende Fragen in den Augen des Mannes sehen. Seg entging nicht, dass der Kerl mit dem schmaleren Brillenträger neben ihm Händchen hielt. Offensichtlich waren sie geoutet und wenn Seg raten müsste, versuchte der Typ gerade, sich Seg und Roan zusammen vorzustellen.
»In Ordnung«, sagte er und setzte dazu an, den Flur wieder hinunterzugehen. »Habt einen schönen Abend.«
Scheiße. Es war dämlich gewesen, Roan überhaupt erst anzusprechen, doch in dem Moment, als er ihn gesehen hatte, hatte er nicht anders gekonnt. Normalerweise besaß er mehr Selbstbeherrschung. Vor allem, da seine ganze Karriere den Bach runtergehen könnte, wenn er geoutet würde. Er konnte sich die Gesichtsausdrücke seiner Teamkollegen bildlich vorstellen. Und die gegnerischen Teams… Ja, nein, danke.
Kein Mann war diesen Ärger wert.
Natürlich löste dieser Gedanke die Erinnerung an diese eine Nacht mit Roan wieder aus. Die eine Nacht, die er verzweifelt wiederholen wollte, weil sie unmöglich so gut gewesen sein konnte, wie seine Erinnerungen es ihm vorgaukelten.
»Es war toll, euch mal getroffen zu haben«, sagte der große Typ.
»Ihr alle habt heute Abend großartig gespielt«, fügte der Brillenträger hinzu.
Seg schenkte Roans Freunden als Antwort nur ein kurzes Nicken. Er versuchte, so zu tun, als würde er die neugierigen Blicke nicht bemerken, doch leider war er sich ihner nur allzu bewusst. Und das bedeutete, dass Seg sich irgendein Mädchen für eine schnelle Nummer suchen musste, um den Gerüchten entgegenzuwirken, die wahrscheinlich die Runde machen würden, weil er nicht in der Lage gewesen war, seine Überraschung bei Roans Anblick zu verbergen.
Er versuchte sich einzureden, dass er nur mit Roan reden wollte. Um sicherzugehen, dass er ihr Stelldichein niemandem gegenüber erwähnt hatte. Vielleicht auch, um einen Schlussstrich ziehen zu können, weil er während des vergangenen Jahres viel zu häufig an den Mann gedacht hatte. Leider war es ihm nie gelungen, an Roans Handynummer oder Adresse zu kommen. Warum sollte er auch? Es war ein One-Night-Stand gewesen.
Seg spielte mit der Karte in seiner Hand. Jetzt hatte er allerdings Roans Handynummer.
»Scheiße.« Er machte auf dem Absatz kehrt und ging in die Umkleide zurück. Er musste etwas Zeit auf dem Fahrrad verbringen, bevor er Feierabend machte. Wenn er das nicht tat, würden seine Muskeln ihm das übel nehmen und er würde sein Leben hassen.
Vierzig Minuten später, als er zu seinem Geländewagen auf dem Parkplatz der Spieler schlenderte, rief Seg sein Telefonbuch auf und fügte Roans Nummer hinzu. Dann drückte er auf die Taste, um eine Nachricht zu verschicken. Als er in seinem Range Rover saß, warf er den Motor an und nahm sich einen Moment Zeit, um einen kurzen Text zu schreiben.
Es war toll, dich heute Abend zu sehen. Hab mich gefragt, ob du Lust auf ein Treffen hättest. Abhängen. Quatschen. Vielleicht könntest du mal auf einen Drink bei mir vorbeikommen.
Na also. Das klang doch hetero genug.
Er drückte auf Senden.
Seg rechnete nicht mit einer Antwort, doch er musste es wenigstens versuchen. Ganz egal, wie sehr er sich anstrengte, er konnte nicht aufhören, an Roan zu denken. Über endlose Monate hinweg hatte er den Mann nicht aus dem Kopf bekommen. Vierzehn Monate lang, um genau zu sein. Sogar so intensiv, dass es ihn ablenkte. Die Tatsache, dass er sich wegen der Möglichkeit eines Outings verrückt gemacht hatte, hätte durchaus der eigentliche Grund für Segs beschissene Leistung am Ende der letzten Saison sein können. Dank der neu ausgearbeiteten Strategie machte das Team gerade ein paar grundlegende Veränderungen durch. Doch bis Seg irgendeine Zusage von Roan bekam, war er sich nicht sicher, wie lange er diese Situation noch aushalten konnte.
Das hatte er sich jedenfalls eingeredet.
Die Tatsache, dass niemand ihn auch nur schief anschaute, hätte eigentlich Bestätigung genug sein sollen. Er bezweifelte stark, dass Roan irgendetwas ausgeplaudert hatte. Falls doch, hätte ihn irgendjemand darauf angesprochen. Selbst die Jungs, mit denen Roan heute Abend unterwegs gewesen war, schienen nichts zu ahnen.
Trotzdem machte er sich Sorgen.
Erst, als Seg am Morgen danach in einem leeren Bett aufgewacht war, hatte ihn rastlose Furcht ergriffen. In der Nacht zuvor hatten er und Roan nicht besonders viel geredet. Tatsächlich hatte sich Seg sogar noch fest vorgenommen, am nächsten Morgen mit Roan zu reden, kurz bevor er eingeschlafen war. Um sich zu vergewissern, dass er den Mund hielt, und ihn wissen zu lassen, dass er alles abstreiten würde, falls er es nicht tat.
Seg ließ sein Handy in den Getränkehalter fallen, legte den Gang ein und fuhr vom Parkplatz, während Erinnerungen an diese eine Nacht mit Roan auf ihn einstürmten.
»Fuck ja«, zischte Seg. »Du hast einen fantastischen Mund.«
Seg saß nackt auf der Küchenanrichte und krallte sich in Roans Haare, während der Mann ihm bewies, dass er Deepthroat auf höchstem Niveau beherrschte. So viel dazu, sich Snacks aus dem Kühlschrank zu besorgen. Diese interessante Wendung der Ereignisse gefiel ihm viel besser.
»Hmmm…«, summte Roan und sorgte dafür, dass elektrische Funken direkt in Segs Hoden schossen.
So gut sich der Blowjob auch anfühlte, er war nicht bereit, schon wieder zu kommen. Noch nicht.
»Wir brauchen was zu essen«, murmelte Seg und zog an Roans Strähnen.
»Ich hab schon, worauf ich Hunger habe«, entgegnete Roan.
Mit ein bisschen mehr Nachdruck gelang es Seg, Roans Kopf zurückzuziehen. Rasch sprang er von der Anrichte, zog Roan an sich und küsste ihn hart.
Gott, daran könnte er sich gewöhnen. Noch nie zuvor hatte die Lust ihn so heftig übermannt. Sein ganzer Körper schien davon zu vibrieren.
»Ich würde sagen, wir essen jetzt was«, schlug Seg vor. »Dann duschen wir.«
Roan kam näher und knabberte an Segs Ohr. »Einverstanden. Und dann würde ich sagen, du lässt mich dich rimmen.«
Fuck. Segs Hintern zog sich bei der Vorstellung zusammen. Niemand hatte das je zuvor bei ihm gemacht. Und umgekehrt.
Roans Blick glitt über Segs Gesicht und er fragte sich, ob Roan ihn bereits durchschaut hatte.
Seg grinste. »Und dann darf ich dich noch mal ficken. Diesmal, während du mich ansiehst.«
Irgendetwas flackerte in Roans Augen auf, doch Seg konnte es nicht deuten. Er beschloss, es zu ignorieren, weil es keine Rolle spielte.
Er schlüpfte zwischen Roan und der Anrichte hervor und ging zum Kühlschrank hinüber. Die Auswahl war riesig. Die Haushälterin hatte dafür gesorgt, dass von seinem Lieblingsessen genug da war, und sogar ein paar Mahlzeiten vorbereitet, die er nur noch aufwärmen musste. Seg kochte nicht gerne nur für sich selbst und machte seit langer Zeit einen großen Bogen um Fast Food. Allein ins Restaurant zu gehen, war auch nicht besonders reizvoll, also hatte er gelernt, sich einen Vorrat an einfachen Gerichten anzulegen.
Roan griff um ihn herum und nahm sich ein Bier, während Seg alles, was er für Sandwiches brauchte, aus dem Kühlschrank holte. Er war am Verhungern und wenn er vorhatte, das die ganze Nacht durchzuhalten – was er durchaus tat –, dann würden sie sich stärken müssen.
Eine halbe Stunde später war Seg zur Dusche getaumelt, während Roan sich praktisch an ihn klammerte. Sie hatten sich nicht lange mit dem Essen aufgehalten, doch sein Hunger war immer noch nicht gestillt. Nur, dass er diesmal diesen Mann verschlingen wollte.
Sie schafften es, sich einzuseifen und abzuspülen, obwohl Seg sich nicht sicher war, wie das passiert war, da ihre Münder geradezu aneinanderklebten. Roan zu küssen, fühlte sich unfassbar gut an. Seg hatte so etwas noch nie empfunden. Der deutliche Unterschied von Roans Stoppeln, die rau über seine Wange strichen, und den festen, schwieligen Fingern, die über seine Haut glitten…
Es war, als hätte Roan einen Knopf gefunden, der sein Verlangen in schwindelerregende Höhe schießen ließ. Ganz egal, wie viel er berührte und schmeckte, Seg konnte einfach nicht genug bekommen.
»Dreh dich um«, forderte Roan.
Seg gehorchte und legte die Hände an die Fliesenwand.
»Spreiz die Beine«, wies Roan ihn an und seine Lippen wanderten Segs Rücken hinunter.
Seine Beine spreizten sich wie von selbst.
Seg schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Hitze von Roans Mund, während er sich an seiner Wirbelsäule, über seinen Hintern und dann durch seine Spalte hinabbewegte. Roans Hände übten festen Druck aus, als sie an seinen Seiten hinabstrichen und sich einen Weg nach unten bahnten.
»Fuck«, stöhnte er, als Roan seine Arschbacken auseinanderzog und seine Zunge suchend und neckend dazwischen tauchte.
Ihm blieb die Luft weg, als Roans Atem über die empfindliche Haut geisterte. Segs Herz hämmerte in seiner Brust, sein Körper verkrampfte sich und die Anspannung wuchs mehr und mehr, bis…
»Oh fuck.«
Seg hatte nicht gewusst, was er erwarten sollte, doch in der Sekunde, als Roans Zunge sich in seinen Eingang schob, wäre er beinahe in die Knie gegangen.
Er konnte nicht anders: Er begann, seine Hüften zu wiegen. Es fühlte sich gut an. Zu gut. Er hatte noch nie jemandem erlaubt, so mit ihm zu spielen. Für ihn war Sex normalerweise nur ein Mittel zum Zweck, wobei der Zweck war, so heftig und so schnell zu kommen, wie er konnte.
Bei Roan… wollte Seg mehr. Er wollte alles erfahren, was er sich über die Jahre hinweg verwehrt hatte. Er wollte eine Möglichkeit finden, dieses Verlangen zu stillen und aus seinem Kopf zu bekommen. Er konnte nicht mit einem Mann zusammen sein. Jedenfalls nicht langfristig, aber das hier würde funktionieren.
Roans Zunge verschwand und seine Hände glitten wieder an Segs Rücken hinauf. Er war versucht, sich wieder umzudrehen, doch Roan ließ ihn nicht, sondern legte seine Hand flach zwischen Segs Schulterblätter.
»Ich will dich spüren«, wisperte Roan an seinem Ohr. »Lass mich dich spüren, Seg. Erlaube mir, dir meinen Schwanz tief in den Arsch zu schieben und dich zu spüren.«
Gottverdammt. Sein Hintern zog sich erneut zusammen.
Aber verflucht, er konnte nicht. Er würde niemals…
Seg schüttelte den Kopf. »Kann nicht.«
»Du kannst nicht? Oder du willst nicht?« Roan klang unzufrieden.
Sein Kopf ermahnte ihn, sich umzudrehen, doch sein Körper regte sich nicht.
»Hast du dich je von einem Mann ficken lassen?«
Seg schüttelte den Kopf.
»Du bist nicht weniger schwul, nur weil du toppst.« Roans Tonfall klang sowohl amüsiert als auch enttäuscht. »Erlaub es mir, Seg. Lass mich der erste Mann sein, der deinen jungfräulichen Arsch nimmt.«
Obwohl er wusste, dass er es nicht tun sollte, wollte Seg es so sehr.
Noch nie war er in Versuchung gewesen, dem nachzugeben, doch bei Roan ertappte er sich dabei, wie er nickte.
Roans Lippen widmeten sich wieder seinem Rücken, während Seg stocksteif stehen blieb. Er hatte die Stirn an die Fliesen gelegt und das warme Wasser prasselte auf sie herab. Er hörte das Knistern des Kondoms, hörte das Klicken der Gleitgelflasche. Es würde passieren. Er würde Roan erlauben, ihn zu ficken.
Und Roan würde sein Erster und wahrscheinlich auch sein Letzter sein.
»Bist du bereit?«, fragte Roan mit rauer Stimme.
Wieder nickte Seg.
»Ich werde zuerst meine Finger benutzen.«
»Ahh, fuck«, ächzte Seg, als sich ein Finger in ihn schob. Langsam, vorsichtig. Sein Körper gewöhnte sich an den Eindringling und Schauer rannen über seine Arme, als sich die Empfindungen verstärkten.
»Okay?«
Seg nickte.
Roan fügte einen weiteren Finger hinzu und dehnte ihn. Seg stöhnte auf und schloss die Augen, während er der Lust das Ruder überließ.
Ein gequältes Ächzen entkam ihm, als Roan drei Finger eindringen ließ.
»Entspann dich.«
Leichter gesagt als getan, doch Seg gab sich Mühe.
Er regte sich nicht, versuchte, es zu genießen und den beißenden Schmerz, der damit einherging, zu ignorieren. Er war gefühlsmäßig überwältigt, als plötzlich… »Oh fuck… oh fuck… Roan…«
»Gefällt dir das? Das ist deine Prostata. Fühlt sich gut an, hm?«
Gut? Das war eine Untertreibung. Was er fühlte, war weit mehr als gut und grenzte an etwas Unwirkliches.
Roan fuhr damit fort, seine Finger in ihn zu stoßen und ihn gemächlich und lässig zu ficken. Wenn der Mann nicht aufpasste, würde Seg noch kommen, lange bevor Roan die Chance hatte, ihn zu nehmen.
»Immer noch gut?«
Scheiße. Es fühlte sich so verdammt gut an, dass es ein Wunder war, dass Seg noch nicht Hals über Kopf über die Klippe gestürzt war. Er war allerdings gefährlich nah dran.
»Willst du mehr?«, hakte Roan nach und zog seine Finger zurück.
»Ja«, hauchte Seg. So verflucht viel mehr. »Will dich spüren.«
Seg verspannte sich, als Roan seinen Schwanz positionierte und sich gegen den engen Muskelring drängte.
»Entspann dich«, flüsterte Roan. »Du hast das echt noch nie zuvor gemacht?«
Seg schüttelte den Kopf.
»Ich werde vorsichtig sein, versprochen.«
Roan schob sich Stück für Stück weiter vor, während Seg tief und bedächtig atmete.
»Komm mir entgegen«, befahl Roan.
Er gehorchte. Der Schmerz war heftig, doch er verwandelte sich rasch in Lust. Und jedes Mal, wenn Roans Schwanz über seine Prostata strich, sah Seg Sterne.
»Genau so«, trieb Roan ihn an und seine Finger gruben sich in die Haut von Segs Hüften. »So verdammt eng.«
Seg ließ sich von den Gefühlen mitreißen, während Roan wieder und wieder in ihn stieß. Roan fickte ihn nicht hart oder schnell. Er füllte ihn einfach nur aus. Rein. Raus. Rein. Raus.
Als sich Roans Arm um ihn legte und er die Finger um Segs Länge schloss, zuckte er zusammen und sein Körper stand direkt am Abgrund der Ekstase.
»Komm für mich«, sagte Roan schroff. »Komm für mich, während ich in deinem Arsch komme.«
Jepp. Das war alles, was es brauchte.
Seg fuhr mit seinem Geländewagen in die Garage und drückte auf den Knopf, der die Tür schloss. Er hätte heute Abend mit seinem Team ausgehen sollen, doch er hatte es einfach nicht über sich gebracht. Nicht, nachdem er Roan begegnet war. Er musste sich zusammenreißen und die ganze Sache klären. Auf gar keinen Fall würde er einfach so weitermachen können.
Damals war es ihm harmlos vorgekommen, Roans Verlockung für eine Nacht nachzugeben. Dank der Tatsache, dass der Mann Wünsche in ihm geweckt hatte, die er nicht haben sollte, stellte sich jetzt heraus, dass diese Nacht alles andere als harmlos gewesen war.