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Quittengelee

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Es war Sonntag, der 27. November. Einer jener Novembertage an denen oder welchen der Regen langsam in Schnee überzugehen scheint. Der Wind peitschte eiskalt die Schneeflocken mitsamt dem Regen über das Hohenloher Land. „Was für ein Sauwetter“, murmelte die Kommissarin Luzi Buzi, die auf dem Nachhauseweg von ihrem Büro im 19. Polizeirevier in Crailsheim war. Kommissarin Buzi eine schwarze Möpsin, die im Laufe ihrer langen Dienstjahre einige graue Haare in ihr tiefschwarzes Fell bekommen hatte, genoss es in bestimmten Kreisen das Krokodil genannt zu werden. Sie war eine Meisterin der Beobachtung, um dann im richtigen Moment mit scharfem Biss den Täter beim Kragen zu packen. Viele unterschätzten sie wegen ihres seltsamen Aussehens, sie war kleinwüchsig, wirkte etwas gedrungen, war jedoch durch und durch trainiert. Ein Muskelpaket von A – Z. Ihr zur Seite stand eine weitere schwarze noch recht junge Möpsin namens Bella Donna. Sie war bekannt für ihre schnellen Sprints und Spurts wenn es um Verfolgungsjagden ging. Bisher war ihr noch keiner der Ganoven entwischt. Sie besaß ebenfalls einen klaren Sachverstand und konnte sich, genau wie ihr großes Vorbild Kommissarin Buzi, bestens in den Täter hineinversetzen. Also denken wie ein Täter und ebenso handeln. Gerade bei einem Fluchtversuch, der für jeden Ausreißer garantiert mit der Festnahme endete.

Es gab noch eine dritte im Bunde. Roberta Sponti, das Hausschwein. Man nannte sie scherzhaft die „Kubanerin“ wegen ihres dunklen Teints. Ihre Mutter hatte sich in einer lauschigen Maiennacht mit dem schlimmsten und stärksten aller Keiler eingelassen, der je in den Wäldern von Hohenlohe sein Unwesen getrieben hatte. Viele behaupteten er sei ein Unhold erster Güte gewesen. Aber die Weiber die ihm begegnet waren, bekamen auch nach langer Zeit immer noch glasige Augen und seufzten mächtig tief, wenn von ihm die Rede war. Roberta hatte ihren Vater als einen liebevollen Keiler in Erinnerung, der sich aber dann nach Frankreich abgesetzt hatte, weil er sich in eine kleine zierliche Trüffelschweinfrau verliebt hatte. Ihre Mutter schwärmte immer noch von ihm mit den Worten, „so eine Sau, so eine wilde Sau und eine so starke Sau, ein Keiler wie kein zweiter“.

Als die Kommissarinnen Buzi und Bella Donna nachhause kamen rochen sie schon im Eingangsbereich ihres Hauses den herrlichen Duft von frisch aufgebrühtem Früchtetee,von Lebkuchen, Spekulatius und gerade erst gebackenen Weihnachtsplätzchen. Roberta Sponti war eine ausgezeichnete Köchin, die Kuchen und Torten in den schönsten Formen zustande brachte.

Da alle drei zusammen in einem schönen alten Häuschen in Crailsheim wohnten, freuten sie sich auf das Heimkommen um endlich diesen Abend gemütlich verbringen zu können. Frau Buzi rauchte wie gewöhnlich eine gute kubanische Zigarre. Die gab es nur in einem besonderen Laden in Crailsheim, nicht in New York, nicht in Paris oder London, nein nur in Crailsheim in der Farberstrasse. Es gab in diesem besonderen Laden nicht nur gute Zigarren sondern allerlei geheimnisvolle Dinge aus aller Welt.

Bella Donna, wie gewöhnlich ihre Pfeife rauchend, lehnte sich in ihrem Ohrensessel weit zurück und schaute Roberta Sponti zu, wie sie den Tee zelebrierte.

Was war das für ein schöner Sonntagabend, so in vertrautem Kreis, in einem gemütlichen warmen Wohnzimmer. Er lud förmlich dazu ein, ein kleines Kartenspielchen zu beginnen. Roberta schlug vor, doch wieder einmal Skat zu spielen. Nicht um Geld, sondern um den nächsten Abwasch. Luzi Buzi und Bella Donna verdrehten bei diesem Einsatz nur die Augen. War es nicht unter ihrer Würde solche niederen Hausarbeiten zu verrichten, wo sie doch mit schwerstkriminalistischen Fällen zu tun hatten? Die Spiellust war stärker und so ließen sich die beiden großen Kriminalistinnen schweren Herzens dazu überreden.

Roberta Sponti grinste insgeheim jedoch wie ein Honigkuchenpferd, da sie die beste Skatklopferin im Hause war. Die Karten waren schnell gemischt und ausgeteilt, „2-4-6 weg“ so lautete die Ansage. Frau Buzi strahlte. Sie hatte ein gutes Blatt und sagte überlegen „wir spielen Grandezza“ und fügte den Spruch hinzu: „bei Grand spielt man Ässe oder hält die Fresse“. Bella Donna meinte dazu nur lakonisch „Du könntest dir ruhig mal einen neuen Spruch dazu einfallen lassen, den hören wir jetzt schon seit bald dreißig Jahren“.

Buzi donnerte Kreuz-Ass mit einem breiten Grinsen auf den Tisch und sammelte anschließend den Stich mit einem arroganten „hhhmmmm“ ein. Die beiden anderen verstummten und warfen ihr nur verächtliche Blicke zu.

Da schrillte das Telefon. Ein Klingeln, das die Stille dieser Nacht in Fetzen riss, das sie alle zusammen zucken ließ. Es schien eine ewige Zeit zu verstreichen bis Kommissarin Buzi den Hörer abnahm und mit monotoner Stimme fragte: „Wer sthört?“ Die beiden anderen am Tisch konnten die Stimme am anderen Ende der Leitung hören, schrill und hysterisch. Kommissarin Buzi sagte mit leiser Stimme: „Ok, wir kommen“.

Sie warf die Karten auf den Tisch und murmelte, „da hat man schon mal ein gutes Blatt und dann kommt mitten in der Nacht eine Leich daher“.

Die beiden Kommissarinnen setzten sich in ihren alten anthrazitgrauen VW-Käfer Baujahr 1964, bei dem die Heizung nur spärlich funktionierte und fuhren in die Dunkelheit, nach Schrozberg, zum Tatort. Ein eiskalter starker Nord-Wind, verbunden mit einem wilden Schneetreiben begleitete sie. Anspielungen Bella Donnas auf den alten anthrazitgrauen Käfer und dessen Heizung prallten an Luzi Buzi ab, wie die Regentropfen auf dem hinteren pausbackigen leicht ramponierten Kotflügeln des in die Jahre gekommen Gefährts.

Am Tatort angekommen bot sich Ihnen ein schauriges Bild. Der Fundort der Leiche war weiträumig, mit rot weißen Bändern von den uniformierten Kollegen abgesperrt. Die Szene wurde durch mächtige Strahler der Feuerwehr in gleißendes Licht verwandelt. Der Tatort lag an einer Wegkreuzung, dicht an einer Fichtenschonung. Jeder der hier vorbei kam musste unausweichlich die Leiche sofort sehen. Die Kommissarinnen Luzi Buzi und Bella Donna schälten sich schwerfällig aus ihrem Käfer. Buzi murmelte nur: „Scheißwetter, Sauwetter, da jagt man doch keinen Hund vor die Türe“ und trat in die tiefste Matschpfütze des Hohenloher Universums. Lauthals schimpfte sie: „auch noch gefüllte“. Bella Donna sagte nur leise: „Mach die Glubschaugen auf, denn schließlich bist du gefahren und nicht ich“.

Ein großer dicker schon etwas älterer Polizist trat schnellen Schrittes auf sie zu und begrüßte beide mit kurzen knappen Worten: „So sieht man sich also mal wieder“. Er führte sie zur Leiche. Da hing sie nun, eine wunderschöne, getigerte Katze, mit weit aufgerissenen Augen, an einen dicken Buchenstamm gefesselt. Der Täter hatte ihr teilweise das Fell geschoren. Für beide Kommissarinnen ein fürchterlicher Anblick. Die Pathologin vom gerichtsmedizinischen Institut Frau Dr. Constanze Entlebucher aus Crailsheim erklärte dass der Fundort nicht der Tatort sei. Der Zeitpunkt des Todes könne höchstens sechs bis acht Stunden zurück liegen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sei das Opfer von hinten erwürgt worden, das zeigten die Male am Hals. Auffällig sei der Verlauf des Fingerabdrucks. Es sei davon auszugehen, dass der Täter kleiner als das Opfer war oder es von unten hinten her erwürgt worden sei. Genaueres ergäbe erst die Obduktion. Buzi äußerte die Vermutung es könnte auch ein Ritualmord gewesen sein. Gewisse Anzeichen deuteten darauf hin und man dürfe nichts außer Acht lassen. Die Frage, ob es nicht auch eine Täterin gewesen sein könne, beantwortete Frau Doktor Entlebucher nachdenklich mit: „Durchaus möglich“.

Kommissarin Buzi war jedesmal von der Schönheit dieser Gerichtsmedizinerin angetan. Sie verfügte außerdem über einen unglaublichen Charme und einen Blooz backen konnte sie- in den wollte man sich am liebsten hineinknien. Buzi und Frau Dr. Entlebucher mochten sich gut leiden und verabredeten sich erfolglos des Öfteren mal auf ein Bier. Na ja, irgendwann mal würde das sicher auch noch klappen. Davon waren sie beide überzeugt.

Bella Donna führte ihre Kollegin zu seltsamen Reifenspuren, die in dem Matsch zu sehen waren. Es waren nicht die üblichen Traktorspuren oder Spuren von Geländewagen. Sie waren viel schmaler. Buzi sagte mehr zu sich selber „sehen aus wie Spuren von einem Leiterwagen oder vielleicht von einem Fahrrad“. Der Polizeifotograf machte gleich darauf mehrere Fotos. Nachdem die Spurensicherung alles aufgenommen und gesichert hatte, was es an eventuellen Spuren gab, verabschiedeten sich die in weiße Plastikoveralls gekleideten Männer und meinten “die Woche fängt ja gut an. Also dann bis später“.

Nachdem die Leiche ins gerichtsmedizinische Institut nach Crailsheim abtransportiert worden war blieben nur noch wenige Personen am Fundort zurück, die beiden Kommissarinnen, zwei Uniformierte und zwei Feuerwehrleute. Buzi versuchte sich vorzustellen warum der Mörder die Tote gerade an dieser Stelle abgelegt hatte. Die Tote stammte nicht aus Schrozberg, soviel stand fest, denn keiner der ortsansässigen Feuerwehrmänner und Polizisten kannte sie.

Der Wind und das Schneetreiben nahmen an Heftigkeit zu und eine klamme ekelhafte Kälte bekroch alle Anwesenden. Jeder dachte nur, „nix wie weg hier, nachhause in die warme Stube oder gleich ins Bett“- außer Kommissarin Buzi. Sie suchte mit ihrem scharfen Mopsblick die Umgebung des Tatortes nochmals ab. Nur spärlich war in dem in dem Schneetreiben die Landstraße von der sie abgebogen waren zu erkennen, schemenhaft der kleine Weiler, mit seinen drei Bauernhöfen, die sich nahe zusammen geduckt hatten, um sich gegenseitig gegen diesen scharfen, kalten Novemberwind zu schützen. Buzi fiel das alte Volkslied ein, das Hohenlohe beschreibt „ ...wo der Wind nie schlafen geht!“ „ So ist es in sibirisch Hohenlohe“ murmelte sie vor sich hin. Nie war das besser zu spüren als in dieser Nacht.

Buzi und Bella Donna stiegen in den Käfer, nachdem klar war, dass der Fundort bewacht werden würde. Später bei Tageslicht würden sie ihn nochmals in Augenschein nehmen.

Beide Kommissarinnen schwiegen während der ganzen Fahrt von Schrozberg nach Crailsheim und hofften, dass der Käfer doch irgendwann anfinge ordentlich zu heizen, was sich jedoch als Trugschluss herausstellte.

Am nächsten Morgen bei der Pressekonferenz im 19. Revier in Crailsheim teilte die leitende Staatsanwältin Berger de Picare mit, dass eine Sonderkommission „Miezekatze“ in Schrozberg im Gasthaus „Zur blauen Gans“ eingerichtet worden sei, besetzt mit zehn Beamten. Die Kommissarinnen Luzi Buzi und Bella Donna seien mit der Leitung der Sonderkommission beauftragt. Sie erwarte, dass die Aufklärung dieses grausamen Mordes in ein paar Tagen erfolgt sei.

Die Kommissarinnen fuhren erneut mit einigen Männern und der Staatsanwältin zum Tatort. Das Wetter zeigte sich heute von seiner besten hohenlohischen Seite. Es war kalt, der Boden gefroren und mit leichten Schneeresten bedeckt, die der Wind, der immer noch sehr stark blies, nicht wegwehen konnte. Die Sonne schien stark und kräftig. Ein ideales Wanderwetter, dachte Buzi.

Per Handy ließ sich Buzi den genauen Todeszeitpunkt geben. Sie erfuhr, dass die Tote schon nicht mehr gelebt hatte, als der Mörder sie hier an diese Buche angebunden hatte. Ferner, dass die Handabdrücke am Hals der Toten von einer kräftigen, kleinen Männerhand stammen mussten. Unter den Krallen der Toten befanden sich Hautpartikel, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von ihrem Mörder stammten, als sie versuchte sich von der Umklammerung des Würgers zu befreien. DNA Spuren waren also vorhanden und könnten die Aufklärung vielleicht beschleunigen. Ein Vergleich mit in Frage kommenden Tätern, erwies sich jedoch vorerst als Sackgasse. Die Kommission begann routinemäßig ihre Arbeit.

Alle, die in unmittelbarer Umgebung des Tatortes wohnten wurden befragt. Aber keiner konnte irgendwelche brauchbaren Angaben machen.

Erst ein Bild der Toten in der Tageszeitung brachte Aufklärung, wer die Tote war und wo sie gelebt hatte. Es handelte sich um Kleopatra Kathäuser. Eine eher unauffällige, jedoch nicht minder wunderschöne Katze. Es stellte sich schnell heraus, dass die Tote ein sehr bewegtes Leben mit vielen Verehrern geführt hatte. Sie hatte genau Buch geführt, wann und wo sie sich mit ihnen traf. Ebenso schnell klar wurde es Kommissarin Buzi, dass die Lover nichts voneinander wussten. Jeder war der Überzeugung er sei der Einzige. Es waren Herren die allesamt verheiratet waren. Sie stellten keine weiteren Ansprüche, sondern wollten nur mit der schönen Kleopatra ihren Spaß haben. Einige davon legten dazu ihre Geschäftsreisen oder Termine so und waren heilfroh, sich ab und an mal aus der harten, realen, häuslichen, familiären Welt zurück ziehen zu können. Kleopatra war eine außergewöhnliche Liebhaberin die keine Männerwünsche offen ließ. Das bezeugten alle, die sie je erlebt hatten und den Mut hatten, dies zuzugeben. Die Befragung dieser Liebhaber war einfach, da Kleopatra alles fein säuberlich notiert hatte, mit Treffen, Telefonnummern privat und geschäftlich. Sozusagen als ihre Lebensversicherung, im Falle eines Falles. Der Speicheltest all dieser Männer verlief jedoch negativ. Manche Ehe jedoch stand danach vor dem Aus, da alle durch die Bank ihre Scheinheiligkeit gut zu verschleiern wussten und im trauten Heim erfolgreich den treuen, treusorgenden, seriösen Ehemann und Vater gespielt hatten.

Die Hoffnung von Kommissarin Buzi einen enttäuschten Liebhaber als Mörder entlarven zu können, bewahrheitete sich leider nicht. Es wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein und so ein schnelles Ende des Falles zu erleben.

Die Begehung der Wohnung der Toten, durch die beiden Kommissarinnen, warf mehr Fragen auf als sie sich wünschen konnten. Die ganz normale Wohnung einer allein lebenden Katze. Sehr stilvoll, mit vielen kleinen Accessoires versehen, eine helle schnuckelige kleine Wohnung. Buzi versetzte sich in Kleopatras Lage und versuchte sich vorzustellen, wie es sich in so einer schönen Wohnung leben lässt, wie und wo Kleopatra ihre Liebhaber empfangen hatte und mit ihnen spielte. Aber so sehr sie sich darüber den Kopf zerbrach, sie kam keinen Schritt weiter. Alleine der Eintritt in die Speisekammer ließ Buzi ein klein wenig ins Lächeln kommen, denn da gab es Selbstgemachtes: Marmelade, Gelees und große Einweckgläser mit sauren Gurken. Die Gläser waren fein säuberlich aufgereiht und mit Jahreszahlen versehen. Was ihr dann noch auffiel, es gab auch Quittengelee, aber nur ein Glas. Von allen anderen Marmeladen und Gelees waren viel mehr Gläser vorhanden. Der ging es wie mir, Quittengelee hab ich in meiner Kindheit genug gegessen und jetzt brauche ich keinen mehr, denn ich weiß ja wie er schmeckt! Vielleicht hatte sie ihn ja auch geschenkt bekommen und ihn hier in die Speisekammer gestellt, dachte sie. Sie verließ die Speisekammer und wandte sich zu Bella Donna . Die hatte sich am Schreibtisch vor dem PC breit gemacht. Die Frage: „Und“ ? beantwortete die Kollegin mit einem: „nix und, und du“? es war schon etwas frustrierend für Buzi, so gar keinen Anhaltspunkt zu haben. Beide verließen die Wohnung und versiegelten die Eingangstüre.

Der Käfer sprang an und vermittelte mit seinem monotonen Boxergesang, dass auf ihn jederzeit Verlass war. Er würde immer wenn er gebraucht werden würde zur Verfügung stehen. Schließlich diente er doch zwei weltberühmten Kommissarinnen, von denen die eine nur „das Krokodil“ genannt wurde.

Buzi war hungrig und wollte in einer Metzgerei zwei LKWs (Leberkäsweckle) essen oder zumindest mitnehmen. Zielstrebig steuerte sie einen kleinen Supermarkt an, indem sich eine Metzgerei und ein Bäckerladen befanden. Buzi marschierte in die Metzgerei und Bella Donna zur Bäckerei. Die Verkäuferinnen strahlten als sie die beiden Kommissarinnen erkannten. Die Frage und wie läuft`s, habt ihr den Kerl schon, konnten beide jedoch nur mit einem Achselzucken beantworten, „Wenn das mal so leicht sein könnte“. Durch das Betreten der Einkaufstätte kam Buzi auf den genialen Gedanken, in ihrer Vorgehensweise zweigleisig zu fahren. Bis jetzt ermittelten beide zusammen auf einem Weg. Besser wäre es vielleicht, sich gedanklich zu trennen, um zur Klärung des Falles schneller voran zu kommen. Bella Donna war diesem Gedanken nicht abgeneigt und spielte schon im Geiste damit, der großen Kollegin um eine Nasenlänge voraus zu sein oder vielleicht sogar….?! Verwarf aber diesen Gedanken sofort, weil sie genau wusste wie schwer es war, auch nur einen Schritt weiter zu kommen. Denn sie hatte noch den Apell der Staatsanwältin im Ohr: „Bringen sie mir Fakten, Fakten, Fakten- und das möglichst sofort“

In der “Blauen Gans” in Schrozberg, herrschte geschäftiges Treiben, Telefone und Handys klingelten ununterbrochen, eine heiße Spur war weit und breit nicht in Sicht. Es wurde eine Belohnung von 25 000 € zur Ergreifung des Täters ausgesetzt, aber davon versprach man sich nichts.

Kommissarin Buzi überlegte in alle Richtungen. War es eine sehr lang geplante Tat oder ein im Affekt ausgeführten Mord? Lag der Schlüssel darin, dass Kleopatra etwas wusste, das ihr nicht bekommen war? Oder hatte sie den Neid von jemandem erregt und musste deshalb sterben? Aber was könnte das sein? Die Frau schien nicht wohlhabend zu sein. Sie besaß scheinbar auch keine Dinge, die einen Mord erklären konnten. Obwohl ein Mord ist immer irrational, bleibt folglich unberechenbar. Sie hatten es, soviel stand fest, mit einem gerissenen Mörder zu tun, der es verstand, alle Spuren seiner grausamen Tat zu verwischen. Dass es Spuren oder Hinweise geben musste, darüber waren sich alle einig. Nur welche waren es? Was hatten sie übersehen oder als achtlos betrachtet? Die Kommissarinnen fuhren erneut beide zum Fundort der Leiche. Der Täter musste bald und schnell gefunden werden. Die seltsame zur Schaustellung der Leiche verbunden mit der Tatsache Fundort ist nicht gleich Tatort gaben viele Rätsel auf. Bella Donna zog einen Radius von 30 km um Schrozberg um die Tätersuche auf dieses Gebiet zu konzentrieren. Sie war der festen Überzeugung, dass der Täter aus diesem Raum stamme, da er scheinbar gute Ortskenntnisse hatte. Da keiner eine bessere Idee hatte, stimmten letztlich alle dem Vorschlag zu, ohne von dessen Erfolg überzeugt zu sein. Einzig Bella Donna war der festen Überzeugung einen Volltreffer gelandet zu haben. Dies gab ihr Auftrieb und bestärkte sie. Kommissarin Buzi schmunzelte verschmitzt über diesen Erfolg ihrer jungen Kollegin. Sie hätte diesen Vorschlag sonst selbst gemacht.

Die Arbeitsgruppe fand mit akribischer Kleinarbeit heraus, mit wem Kleopatra alles in der letzten Zeit Kontakt hatte. Es waren viele Katzen, Kater und Hunde aller Rassen dabei. Aus den unterschiedlichsten Berufen und Ständen, vom Landwirt bis zum Hochschuldirektor. Auffällig oft stießen sie auf einen Namen: Lappi Rüterli, ein schweizer Labrador. Dieser Rüterli, so fand Buzi heraus, war bei einem großen Lebensmittelkonzern als Chemiker beschäftigt. Ein Anruf in seiner Firma war jedoch negativ. Herr Rüterli war schon seit ungefähr 14 Tagen nicht mehr im Betrieb gesehen worden. Man habe bereits die Kantonspolizei eingeschaltet. Bisher ohne Erfolg. Auf die Frage was Herr Rüterli mit Kleopatra zu tun gehabt haben könnte, wusste man dort keine Antwort oder wollte sie nicht geben. Buzi würde auf jeden Fall bis zur Aufklärung mit dem Konzern in Verbindung zu bleiben.

Mittlerweile schrieb die regionale Presse, dass der Mörder immer noch frei herum liefe und die Beamten sich ein wenig mehr bewegen könnten. Buzi ging dieses Geschreibsel gewaltig auf den Keks. Sie setzte sich ja Tag und Nacht mit diesem Fall auseinander. Sie hasste jegliche unfaire Kritik an sich und ihren Kollegen. Sie fuhr am gleichen Abend noch einmal in die Wohnung von Kleopatra. Irgend etwas mussten sie übersehen haben. Vor dem Haus lag ein Papiertaschentuch. Buzi hob es auf und steckte es in eine Tüte zur Überprüfung im Labor. Als sie vor der Wohnungstür stand, sah sie mit Entsetzen, dass das Siegel gebrochen und die Türe nur leicht angelehnt war. Instinktiv griff sie nach ihrer 38er Magnum. Sie schaltete das Licht ein. Vorsichtig betrat sie die Wohnung. Ihren scharfen Ohren entging nichts. So sehr sie sich auch anstrengte, es blieb totenstill. Sie verständigte gleich die Spurensicherung um eventuelle Spuren zu sichern. Vor der Speisekammer fanden die Experten einen kleinen kaum sichtbaren Fußabdruck. Offensichtlich hatte jemand versucht ihn wegzuwischen. Buzi jubelte auf. Nach den kleinen kräftigen Händen wusste man jetzt, dass der Mörder auch kleine Füße hatte. Somit konnten sie auf die Körpergröße des vermeintlichen Täters schließen. Alles in allem war man nun einen winzigen Schritt weiter gekommen. Die Erkenntnisse wurden streng geheim gehalten, um den Täter nicht zu warnen. Buzi fiel in letzter Sekunde auf, das das Glas mit dem Quittengelee verschwunden war. Schweizer Lebensmittelkonzern und Quittengelee, dazu ein verschwundener Mitarbeiter Rüterli- irgendwie konnte das zusammenhängen. Nur Wie, Was und Warum. Mit dieser Frage die nach einer Lösung drängte fuhren beide Kommissarinnen wieder nach Crailsheim zurück. Roberta Sponti erwartete sie schon mit einem leckeren Abendessen. Nach dem Essen rauchte Buzi ihre Havanna und Bella Donna ihr Pfeifchen. Sie dachten angestrengt darüber nach, was es mit dem Quittengelee auf sich haben könnte. Sie kamen jedoch zu keinem Ergebnis.

Unbarmherzig riss der Wecker die Stille der Nacht in tausend Fetzen. Draußen war es noch stockdunkel und Buzi konnte es kaum fassen, das sie nicht träumte. Heute war der dritte Tag. Sie hoffte, die Sache heute weiter voran treiben zu können.

In Schrozberg in der „Blauen Gans“, herrschte schon geschäftiges Treiben. Einige Kollegen hatten Nachtschicht eingelegt. Sie hatten ein mögliches Bild des Täters entworfen. Buzi konnte nur bei der Körpergröße zustimmen., Alles andere war ihr zu gewagt und konnte leicht zu Irritationen führen. Den falschen Hund zu verhaften, war immer eine Problem, besonders für den zu unrecht Verdächtigten. Sie sah die Schlagzeile in der Presse „Polizei verhaftet den Falschen“ und sah dabei das hämische Grinsen der Reporter.

Gab es ein Geheimnis des Quittengelees und wenn ja, was könnte es sein? Die Kommission machte diese Frage zum Thema eines Brainstormings. Einer der Anwesenden wusste, wenn man beim Keltern von Apfelwein Quitten hinzu gibt, dann erhält der Apfelwein eine goldgelbe Farbe und verändert dezent seinen herben Geschmack. Daraufhin konterte einer der Anwesenden mit dem Spruch: „Trink Mouscht, dou kouschst!“ was alle zum Lachen brachte. Die Erkenntnis erhärtete sich, dass das Glas Quittengelee eine besondere Bedeutung haben musste, die sich sich ihnen noch nicht erschloss. Wahrscheinlich bestand er aus einer besonderen Rezeptur von Kleopatra. Die hatte sie sicher mit in den Tod genommen da sie kein geschriebenes Rezept gefunden hatten. Ohne diese Rezeptur zu kennen kamen sie nicht weiter.

Die erneuten Befragungen der anderen Hausbewohner ob sie jemanden gesehen hätten verliefen erfolglos. Beide Kommissarinnen fuhren wieder mit dem Käfer, dem treuen Gesellen, zurück nach Schrozberg in die „Blaue Gans“. Hier wurden die Anrufe entgegen genommen und ausgewertet, eine heiße Spur ergab sich immer noch nicht. Buzi stellte mit allen Anwesenden den Ist-Zustand fest und erweiterte die Suche nach dem Täter mehr auf Crailsheim, in der Hoffnung irgendeine Spur zu entdecken. Buzi war frustriert. Sie kamen nicht vorwärts, drehten sich irgendwie im Kreis. Sie hoffte ständig auf Kommissar Zufall, aber der schien gerade in der Karibik herum zu schiffen. Bella Donna jedoch war stets optimistisch Sie würden den entscheidenden Hinweis finden, da war sie sicher. Die Staatsanwältin nervte langsam. Sie wollte von Erfolgen hören und sehen, die es noch nicht gab. Es steuerte auf den Punkt zu, dass die Kommission aus der „Blauen Gans“ abgezogen werden sollte. Nach einer harten Woche ohne große Fortschritte war dies für alle Ermittelnden keine Überraschung mehr. Buzi bat die Staatsanwältin noch um ein paar Tage Aufschub, der dann auch genehmigt wurde. Bella Donna hatte bei ihren Recherchen eine uralte Bäuerin kennengelernt, die sie in die Geheimnisse der Marmeladenherstellung einwies und die so manche Anekdote über bestimmte Gelees zu erzählen wusste. Bloß als die Sprache auf Quittengelee kam schwieg sie. Alle Versuche sie zum Reden zu bringen waren für Bella Donna erfolglos. Sie hatte förmlich das Gefühl, die Bäuerin hätte dabei Angst um ihr Leben. Sie fuhr nach diesem Gespräch in die “Blaue Gans” zurück und berichtete ihrer Kollegin Buzi von diesem Gespräch. Buzi grunzte zufrieden und hoffte, nun endlich hinter das Geheimnis des Quittengelees zu kommen. Sie wollten am nächsten Tag zusammen zu der Bäuerin fahren um ihr vielleicht doch ein Geheimnis entlocken zu können. Bella Donna schlug vor sofort noch zu fahren, sie hätte ein ungutes Gefühl. Buzi jedoch beruhigte sie und meinte, das hätte doch Zeit bis Morgen. Für sie war klar, dass der Quittengelee endlich sein Geheimnis preisgeben würde.

Am nächsten Tag fuhren beide direkt mit ihrem treuen Käfer zum Haus der alten Bäuerin. Da auf Klopf- und Klingelzeichen nicht geöffnet wurde, drangen beide Kommissarinnen gewaltsam in das Haus ein und fanden die dreiundneunzig jährige Bäuerin tot in ihrem Bett liegend vor. Buzi war blass vor Schreck, weil sie nicht auf den Rat der Freundin gehört hatte. Die Spurensicherung rückte erneut mit ihrem ganzen Gefolge an und stellte das gesamte Anwesen total auf den Kopf. Es fanden sich alte Reifenspuren im Hof, die nicht brauchbar schienen. Als Todeszeitpunkt stellte die Ärztin die frühen Nachtstunden fest. Es gab keine Anzeichen von Gewalteinwirkung. Die Bäuerin war eines natürlichen Todes gestorben, Ursache Altersschwäche. Und man fand ihr Rezeptbuch und darin die Rezeptur für Quittengelee mit Hinweisen, dass man mit der Quitte besondere Rituale vollziehen musste, etwa bei Vollmond, um eine ganz besondere Wirkung erzielen zu können. Alleine dieser Hinweis begann den Fall in eine Phase der absoluten Hochspannung zu versetzen. Einige der Kollegen taten die Sache mit dem Vollmond als Humbug ab, Buzi entgegnete jedoch, dass gerade bei Vollmond Ebbe und Flut besonders stark wären und dies sei wissenschaftlich belegt. Darauf hin verstummte der Besserwisser.

Nur was bewirkte dieser Gelee, wenn man ihn aß? Bella Donna meinte lachend, vielleicht ewige Schönheit und Jugend oder vielleicht ist er als Potenzmittel für alle Hundemänner einsetzbar. Genau das musste es sein, Buzi pfiff durch die Zähne und klopfte ihrer erstaunten Kollegin auf die Schulter und meinte: „Schätzchen, du bist Klasse!“ Der Gelee bewirkte, richtig zubereitet, eines dieser genannten Dinge. Wer das genaue Rezept wusste konnte über Nacht zum reichsten Hund der Welt werden. Buzi war nun klar, dass der Mörder von der Gier des Geldes getrieben wurde. Wenn das kein Motiv für die Tat war. Er wollte sich mit Gewalt dieses Rezept aneignen um es selbst herstellen und vertreiben zu können, mit Blick auf den unsagbaren Reichtum der auf ihn zu kam. Nur woher wusste er davon, dass Kleopatra diese Rezeptur besaß? Das würde er ihnen im Verhör, so sie ihn erst hatten, selber sagen müssen. Es galt nun ihm eine Falle zu stellen in die er hinein plumpste. Keine leichte Aufgabe, denn er schien gerissen und sehr anpassungsfähig, ja beinahe unsichtbar zu sein. Die Kommissarinnen fuhren nach Hause und waren sich sicher, in den nächsten Tagen den Mordfall aufklären zu können. Roberta Sponti erwartete sie dieses Mal mit einem köstlichen Nudelauflauf und einem Schokoladepudding der das Prädikat exzellent oder die „Sünde pur“ verdiente.

Die beiden Kommissarinnen begannen, ein Täterprofil zu erstellen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war ihr Mörder, ein Geldgieriger, der dem Ruf des Goldes und des Geldes erlegen war und der in seiner maßlosen Gier auch nicht vor Mord zurück schreckte. Was sie wussten: Er war von kleiner Statur und hatte Hände wie Schraubstöcke, die, wenn sie zupackten nicht mehr zu öffnen waren. Das erklärte den Würgegriff aus einer unmöglichen Position heraus, nämlich von hinten unten. Das heimtückische an dieser Tat war der Überraschungsangriff von hinten auf sein wehrloses Opfer. Einen Angriff von vorne hätte die Katze jederzeit abwehren können, da sie über eine unglaubliche Gelenkigkeit und Reaktion verfügte. Ihr Mörder war also feige und raffiniert zugleich, da er sich seine Chancen zum Ziel zu gelangen ausmalen konnte. „Soweit, so gut“ sagte Luzi, „aber wir können nur vermuten, dass es so gewesen sein könnte“. „Es könnte auch ganz anders gewesen sein“, entgegnete Bella Donna. „Jetzt haben wir Vermutungen für den Tathergang angestellt, aber noch keine Idee, wie wir dem Mörder eine Falle stellen können. Lass uns weiter darüber nachdenken“, entgegnete Luzi. Es könne nur so laufen, dass der Täter auf eine erneute Spur mit dem Quittengelee angesetzt werden müsste. Nur stellte sich daraufhin die ganz große Frage, wie war er auf Kleopatra aufmerksam geworden? Was hatte sie ihm davon erzählt und warum? Bis jetzt gab es keine schriftliche Notiz für die besondere Zubereitung dieses speziellen Quittengelees. „Es muss sie aber geben“, murmelte Kommissarin Buzi, „das spürt man doch im Unterleib“ und schaute dabei Bella Donna streng über ihre Brillengläser an. Bella Donna sagte dazu nur, „soso“. Als geeignete Falle wählten sie sich das Bauernhaus der verstorbenen alten Bäuerin in Spielbach aus. Spielbach lag wunderschön in einer Bilderbuchlandschaft, aber zugegeben etwas abgelegen, es gab immerhin ein Gasthaus mit Fremdenzimmern! Für den, der die Ruhe suchte und brauchte, der ideale Urlaubsort. Die Menschen waren dort von einer fröhlichen Herzlichkeit wie man sie selten erlebt.

Da die alte Bäuerin keine Nachfahren mehr hatte, konnte die Polizei das Haus für ihre Zwecke einrichten. Es wurde verkabelt und wie üblich mit Wanzen und Mikros, Fluchtwegen und Beobachtungsstände für alle in Frage kommenden Eventualitäten ausgestattet. Mit der hiesigen Presse wurde eine stille Vereinbarung getroffen, dem Mörder einen verdeckten Hinweis auf das geheime Rezept zu zuspielen. Er würde, nein müsste auf diese Falle herein fallen.

Die Presse schrieb wunschgemäß, dass eine alte Bäuerin in Spielbach über dieses Geheimrezept des Quittengelees Bescheid wüsste. Aber weitere Fragen des Reporters, wurden nur mit einem schweigenden Lächeln beantwortet.

Die Mausefalle war gut bestückt und weit geöffnet. Das angespannte Warten begann.

Bella Donna sollte als Lockvogel fungieren, ihre Begeisterung für diese Aufgabe war sehr, sehr mäßig, eher saumäßig. Missmutig zog sie die Kittelschürze an, band sich das Kopftuch um und schlupfte in die alten ausgetretenen Filzpantoffeln. Alle Anwesenden, die um sie herum standen grinsten breit und sagten mit spitzer Zunge, ja Frau Bäuerin, Karl Lagerfeld hätte an ihnen seine helle Freude…? Worauf Bella Donna mit den Zähnen knirschte und murmelte, „Euch zeig ich`s noch, aber allen“! Buzi frotzelte: „Na hat der Gockel schon das Ei gelegt, Frau Bäuerin?“ Bella Donna erwiderte nur gelassen „Nein wieso, ist denn heute schon Weihnachten?“

Bella Donna machte es sich auf dem Sofa bequem, von dem aus sie den ganzen Hof und die Hofeinfahrt überblicken konnte. Einer der uniformierten Kollegen war sprungbereit in der Speisekammer, ein anderer hatte es sich im Wohnzimmer bequem gemacht. Das Warten begann. Die ersten beiden Tage vergingen, ohne dass sich etwas überhaupt nur geregt hatte. Kommissarin Buzi telefonierte per Handy mehrmals am Tag um zu hören ob sich schon etwas getan hatte. Bella Donnas Antwort fiel immer nur mit den Worten aus “Nee nix“.

Derweilen machte sich Buzi eine Vorstellung wie der Täter aussehe möge. Klar war bis dahin, dass man es mit einem kleinwüchsigen Mann zu tun hatte, dem Mörder mit den Schraubenstockhänden. Tatsache war auch, dass die Katze Kleopatra ihn unterschätzt hatte, denn nur so konnte es ihm gelungen sein, sie von hinten zu erwürgen. Wahrscheinlich war er feige und suchte deshalb für sich die perfekte Tarnung aus. Er trat vielleicht als netter Biedermann auf, als ein Ewiglächler, der seine Mitmenschen durch seine Freundlichkeit meisterhaft blenden konnte. Gerade diese Haltung machte ihn ja fast unsichtbar, denn keiner vermutete auch nur im Geringsten, daß er ein Mörder war. Buzi kam Charlie Chaplin in den Sinn, wie er als Diktator mit der aufgeblasenen Weltkugel durch den Saal tanzte. So stellte sie sich ihn vor! Wie er in seinem Größenwahn selbstverliebt in seinem Wohnzimmer herum hüpfte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit litt dieser Mörder auch noch unter dem Napoleon-Komplex, denn der könnte ihn vielleicht ja zu dieser Tat getrieben haben. Kleiner Mann ganz groß, er sah sich sicher schon als den mächtigsten Weltenherrscher, den reichsten Mann aller Zeiten. Seine Geldgier, seine Gewinnsucht ließen ihn alles darüber vergessen, nur noch Geld, Geld, Geld. Wer ihm zu nahe kam und vor allen auch noch größer als er war, bekam seine hinterfotzige, gemeine Art drastisch zu spüren. Er wollte es schon allen zeigen, wie man mit ihm umzugehen hatte, mit ihm, dem mächtigsten Herrscher der Welt. Sein Dünkel schien ins Unermessliche zu steigen, er stolzierte sicher durch die Stadt, grüßte jeden freundlich und in hündischer Ergebenheit, um allen zu zeigen, was er für ein freundlicher und umgänglicher Zeitgenosse war. Sein Blendwerk war nahezu perfekt. Niemand würde in ihm den Mörder der Katze Kleopatra vermuten. Niemand wäre so schlau und so gerissen wie er, so intelligent. Einfach ausgedrückt, er hielt sich für ein Genie, dem niemand das Wasser reichen konnte. Aber das Krokodil lag schon auf der Lauer, scheinbar unsichtbar und regungslos, und mit der sicheren Gewissheit, er wird kommen!

Die örtliche Presse begann sich mittlerweile in Absprache mit der Staatsanwaltschaft, das Maul über die schlafenden Polizei-Beamten zu verreißen, die bis jetzt noch nicht einen Boden breit vorangekommen seinen. Besorgte Anrufe bei der Polizei, Leserbriefe in der Zeitung, von gescheiten Mitbürgern, die eh immer alles besser wussten, zu jedem Thema ihren Senf dazugaben. Die Meldungen und Berichte brachten schon eine gewaltige Unruhe in die Bevölkerung. Mütter begleiteten ihre Kinder zur Schule und holten sie auch wieder ab. Der Polizeichef erklärte, es werde alles getan um den Mörder zu finden und die Bevölkerung solle Ruhe bewahren und nicht in Panik ausbrechen. Dieses Gemisch von Angst, falscher Information, Unwissenheit und totaler Unsicherheit ließ eine gewaltige dicke Brühe zum Kochen bringen. Ohne diese Nebenwirkungen so dachte Kommissarin Buzi, käme man dem Täter nicht auf die Spur, beziehungsweise könne ihn nicht fassen. Wenn die Kommissarin nach Schrozberg-Spielbach fuhr, sah sie oft nur die angstverzerrten Gesichter der Dorfbewohner, mit dem fragenden Blick, ihr habt ihn also immer noch nicht? Manch einer nahm sein Beil und seine Mistgabel abends mit ins Haus um gewappnet zu sein. Buzi dachte nur, wohl dem der noch eine Mistgabel hat. Aber man war ja auf dem Land und da gehörte diese zum Hausrat.

Nun waren schon fast zwei Tage verstrichen und die endlose Warterei wollte kein Ende nehmen. Der Umstand, dass alles auf dem Hof nach Normalität auszusehen hatte, machte die Sache nicht gerade einfacher. Langsam stiegen Bella Donna Zweifel auf, ob der Mörder in die Falle tappen und ob er das Geheimnis des Quittengelees je verraten würde. Zweifel die immer größer wurden und nicht nur bei ihr. Sie träumte von ihrem warmen, weichen Bett, von Robertas herrlichen Schokoladenpudding, von ihrem Pfeifchen, von einem heißen Vollbad und, und, und….

Stattdessen saß sie hier in dieser Kittelschürze in dieser alten Küche und musste warten, auch noch auf einen Mörder, welch grandiose, mörderische Aussichten. Im Nachbarzimmer hörte sie ab und zu das leise Schnarchen ihres Bewachers. Gedanken kamen und wenn`s dann wirklich ernst wird? Die Lage wurde immer ungemütlicher. Sie hegte schon langsam aggressive Zweifel an dieser Vorgehensweise, wusste aber ehrlich gesagt, auch keine bessere Lösung, wie man dem“ Kerle“, wie ihn die Bevölkerung mittlerweile abfällig bezeichnete, beikommen könnte. Es brannte ihr die Frage im Kopf: wer ist denn jetzt der Jäger? Wer der Gejagte? Manchmal, so dachte sie, spielt man in einem Spiel mit und kennt weder die Spielregeln noch hat man Einfluss auf sie, aber man spielt mit. Achselzuckend verwarf sie ihre Gedanken und konzentrierte sich wieder auf ihr Lauschen in die Stille.

Der vierte Tag. Nachdem sich aber auch überhaupt nichts gezeigt hatte auf dem Hof, noch nicht einmal die Sonne, beschloss Kommissarin Buzi den Einsatz abzubrechen. Niemand war darüber mehr erfreut als Polizeiobermeister Willi Rottweiler, der sein Quartier in der nicht gerade gemütlichen Speisekammer aufschlagen hatte.

Willi Rottweiler war ein großer stämmiger Hund, der eigentlich von Hause aus Maler und Lackierermeister war und erst recht spät in den Polizeiberuf gefunden hatte. Wie er da hineingekommen war wusste er selber auch nicht mehr so recht. Er war da und das war für sein Schrozberger Revier das Beste, was sich die Landbevölkerung nur wünschen konnte. Irgendwie waren Kommissarin Buzi, Bella Donna und Willi Rottweiler miteinander verwandt. Der Ur-urgroßvater von allen dreien war mit jungen Jahren nach Amerika ausgewandert und hatte dort mit einer Greyhoundhündin ein Verhältnis angefangen, aus dem 17 Welpen hervor gingen, bis die Greyhoundhündin sich ein Italienisches Windspiel nahm und mit diesem nach Kalifornien abhaute. So erzählten sich die Leute in Schrozberg. Einer der Söhne aus dieser Ehe ging jedoch wieder nach Schrozberg zurück, heiratete die reiche Landwirtstochter Elli Senghaas-Rottweil und sie gebar nur einen Sohn, den Willi. Willi hatte ein leidenschaftliches Hobby. Er kochte sehr gut, sehr gerne und in besonders großen Töpfen. Seine Familie bestand aus seiner Frau Emilie und seine beiden wunderschönen Töchtern Christine und Melanie. Beide waren total engagierte Feuerwehrfrauen, die in jedem Einsatz ihren Mann standen. Willi war mächtig stolz auf seine beiden Töchter. Waren sie doch auch die begehrtesten jungen Frauen weit und breit. Willi und seine Ehefrau hofften auf eine baldige Hochzeit. Aber die Mädels hatten es nicht eilig unter die Haube zu kommen. Immer wenn Willi kochte verlor er bei seinem Gekoche den Überblick, für wie viele Personen er denn sein Gericht ausgelegt hatte. Seine Berechnungen von vier auf zwölf oder auch mehr Personen, erfreute jedes Mal die ganze Nachbarschaft. Denn wenn Willi sagte, er hätte ein bisschen zu viel gekocht, dann wusste jeder Nachbar man musste mit einem großen Topf kommen, denn sonst wurde Willi ärgerlich und sagte laut, „ich habe dir doch gesagt du sollst ein großes Dibbe mit bringen und kein Dibbsche“.

Willi packte seine Utensilien zusammen und verließ die Speisekammer in der er abwechselnd mit Kollege Franz Schäferhund gelauert hatte. Kommissarin Buzi sagte zu Bella Donna, sie würde mit dem Streifenwagen mitfahren und sie Bella sollte den Käfer nehmen und direkt nachhause fahren. Gesagt getan, der Streifenwagen verließ den Hof. Bella Donna war gerade im Begriff noch etwas zusammen zu kehren, als sie hinter sich ein knarzendes Geräusch hörte, einen kräftigen Schlag auf den Kopf bekam und das Bewusstsein verlor.

Als der alte VW Käfer ihnen nicht folgte, ahnte Kommissarin Buzi was geschehen sein könnte. Sie wendeten und rasten zurück auf den Hof.

Als Kommissarin Buzi und POM Willi Rottweiler in die Küche hinein stürmten, lag ihre Kollegin und Freundin in ihrem Blut am Küchenboden. Das Glas mit dem Quittengelee und dem vermeintlichen Rezeptbuch waren verschwunden. Buzi fühlte an der Halsschlagader ihrer Kollegin noch den Puls. Der sofort herbei gerufene Notarzt gab Buzi die Versicherung Bella Donna werde es überleben, es bestehe keine Lebensgefahr, es sehe sehr nach Platzwunde und schwerer Gehirnerschütterung aus. Nach ein paar Tagen im Crailsheimer Kreiskrankenhaus würde sie wohl wieder entlassen werden können.

Buzi leitete eine sofortige Rasterfahndung im gesamten Kreisgebiet und darüber ein. Der Polizei-Hubschrauber begann seine Kreise zu ziehen, Bereitschaftspolizei aus Ludwigsburg war schon im Anmarsch, nur wen sie genau suchten, wie er aussah, das wusste nach wie vor keiner von ihnen so recht. Trotzdem spürte die Kommissarin wir werden ihn kriegen, diesen feigen, hinterhältigen, kleinen Pinscher-Zwerg. Sie versuchte ständig gegen ihre Wut anzukämpfen um weiterhin klare Gedanken fassen zu können und um ja nicht als befangen erklärt zu werden und im letzten Moment noch den Fall aus den Händen geben zu müssen. Nicht vorstellbar, aber bei Frau Staatsanwältin Berger de Picare, schon vorstellbar. Buzi fuhr instinktiv zum Fundort der Leiche. Sie hoffte, eine heiße Idee zu bekommen. Aber es tat sich wieder nichts. Sie stieg in ihren Käfer wendetet um wieder auf die Landstraße zurück zu fahren. Da sah sie im linken Außenspiegel einen Mann mit einem Handwagen aus dem Wald kommen. Sie stellte den Motor ab und ging direkt auf diesen Mann zu. Sie kannte ihn, es war der Metzger, dessen geräucherte Leberwürste im ganzen Landkreis bekannt sind und ein tragendes Mitglied im Spielbacher Hundesportverein. Buzi sprach ihn direkt darauf an, ob er etwas Verdächtiges im Wald gesehen habe. Erst meinte er es war nix und dann doch, da war an der Abzweigung zum Bayernhölzle ein heller Mercedes Kombi gestanden, ein AMG, also nicht von armen Eltern und ein kleiner grauhaariger, mit schütterem Haar, nicht mehr ganz so junger Pinscher, hätte ihn sehr freundlich nach dem Weg gefragt. Was ihm auch noch aufgefallen war, das er große runde hervorstechende Augen hatte, „er erinnerte mich an einen Frosch“ so der Metzger. Das Kennzeichen, ja das wüsste er jetzt auch nicht mehr so genau, also SHA- XA 12 oder auch 17 hinten. Buzi lächelte. Kommissar Zufall schiffte nicht in der Karibik umher, wie sie verächtlich gedacht hatte sondern lief direkt vor ihren Augen mit seinem Handwagen durch den Wald. Am liebsten hätte sie den Metzger geküsst vor Freude, doch die Zeit peitschte zum Finale. Die Zentrale der Polizeikommission in Crailsheim leistete ganz Arbeit, man teilte Buzi in Sekunden mit, wer der Halter des Fahrzeugs war, wie er hieß und wo er wohnte, man wollte aber mit der Verhaftung warten, um Kommissarin Buzi zum Zuge kommen zu lassen.

Als Buzi allen voran in das Haus des vermeintlichen Mörders stürmte, war sie ganz ruhig und gefasst. Die Ehefrau hatte geöffnet und schrie nur, das muss eine Verwechselung sein und sie werde sofort einen befreundeten Rechtsanwalt anrufen.

Buzis Gedanken waren bei ihrer Freundin und Kollegin und auch bei Kleopatra. Sie fragte sich, was musste sich dieser ekelhafte, geldgierige, hinterfotzige Pinscher dabei gedacht haben und was hat es mit dem Quittengelee auf sich. Alle diese Fragen bekämen nun eine Antwort. Sie gingen in den Keller des wahrlich prächtigen Hauses. Marmortreppen überall, Seidenteppiche an den Wänden, vergoldete Treppengeländer. Alles das interessierte nun die Polizisten am allerwenigsten. Sie betraten einen sehr großen Kellerraum der mit einer Eisenbahnanlage ausstaffiert war, die jedem Crailsheimer Eisenbahner das Herz hätte hüpfen lassen. Die detailgetreue Nachbildung des alten Crailsheimer Bahnhofes als er noch der große Eisenbahnknotenpunkt im Südwesten von Baden Württemberg war.

Auf einem Barhocker saß ER, der Pinscher, hatte eine rote Eisenbahnermütze auf dem Kopf, in der rechten Hand eine Signalkelle und sagte gelassen zu Kommissarin Buzi und den eintretenden Polizisten, „Einen Augenblick Geduld noch, der D-356 aus Basel hat ein klein wenig Verspätung“. Lächelnd ließ er sich die Handschellen anlegen, die Belehrungen über sich ergehen und murmelte was vom reichsten Mann der Welt. Zurück blieb seine zur Salzsäule erstarrte Ehefrau. Die von einem Missverständnis stammelte und von dem besten Anwalt der Stadt den sie bekommen konnte.

Im Polizeipräsidium angekommen, begann Buzi sofort mit dem Verhör. Es stellte sich schnell heraus, dass der Pinscher eine kleine ängstliche gespaltene Persönlichkeit ist, den man nicht zur Verantwortung würde ziehen können, Wahrscheinlich würde er nach der Zeit im Gefängnis für immer in einer Psychiatrischen Anstalt zur Sicherheitsverwahrung unterkommen. Er dürfte niemals wieder in Freiheit kommen. Was Buzi im Verhör nicht aus ihm herausbekommen hatte, war, wie er von dem Geheimnis des Quittengelees erfahren hatte. Sondern nur, das der Gelee, um seine archaischen Kräfte entfalten zu können von einer menstruierenden Jungfrau bei rotem Vollmond gerührt werden muss. Das wirkliche Geheimnis jedoch konnte nie enträtselt werden, es kursieren jedoch Gerüchte in Hohenlohes Wäldern die mit der männlichen Potenz in Verbindung gebracht werden...

Aber wer weiß da schon genaues?

Der Giraffengockel

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