Читать книгу Die Wahrheit über Jürgen - Nikolaus Klammer - Страница 4
ОглавлениеEs ist an der Zeit, das Schweigen zu brechen. Dass ausgerechnet ich einen Text über Jürgen Niedermayer alias Jonas Nix veröffentliche, mag vielen, die uns beide kennen, seltsam erscheinen. Einige seiner engen Freunde haben mir dieses Unternehmen sogar zum ernsten Vorwurf gemacht. Sie warfen mir Sensationssucht vor, weil gerade ich, der ich Jürgen nur sehr oberflächlich kannte und von einigen zu seinen Feinden gerechnet werde, diese alte Geschichte erneut aufwärmen will. Damit würde ich all das wieder ins grelle Licht einer voyeuristischen Öffentlichkeit stellen, das nach ihrer Meinung besser verborgen bliebe. Denn letztlich sei es unfassbar.
Ich kann mich dieser Meinung keinesfalls anschließen. Vielmehr glaube ich, diese wohlmeinenden Freunde haben den Intensionen von Jürgen einen Bärendienst erwiesen. Wir dürfen nicht vergessen: Seine Tat war öffentlich, vor Publikum. Er wollte gesehen, beobachtet, rezensiert werden. Nun, im Abstand von drei Jahren, nachdem sich die durch die Medien aufwühlten Gemüter der Leute wieder beruhigt haben und längst andere Dinge das Gespräch in der Stadt bestimmen, wird es, denke ich, Zeit, Jürgens Beweggründe zusammenzufassen, sie ausführlich darzulegen und zu versuchen, in seine komplexe Psyche einzudringen.
Ich habe mich deshalb mit meiner literarischen Aufarbeitung von Jürgens Weg an den Verlag gewendet, für den ich früher tätig war. Nun erhoffe ich mir vom Herausgeber den Mut, diesen Text trotz des Drucks von gewisser Seite ohne Zugeständnisse, Eigenzensur und Streichungen zu veröffentlichen. Ich habe bewusst keine journalistische, sondern – soweit mir das möglich war – eine epische Form gewählt. Auch wenn sie sicherlich persönlich geprägt, fragmentarisch und episodenhaft ist, denk ich, nur eine Romanhandlung kann eine Annäherung an die Person, über die ich berichten will, möglich machen.
Ich will dieses Vorwort auch dazu nutzen, Jürgens Freundin Theresa Windisch zu danken. Obwohl erheblicher Druck auf sie ausgeübt wurde, unterstützte sie mich immer in meinem Entschluss. Ihre selbstlose Hilfe bei vielen Detailfragen war unschätzbar. Sie hofft, dass trotz der Abscheu vor Jürgens Tat durch meine Aussage endlich so etwas wie Verständnis für den ernsthaften Künstler, der er war, entstehen kann. Das ist auch meine Hoffnung. Jürgen ist nicht wie die meisten seiner Zunft wie eine Katze um den heißen Brei Wahrheit herumgeschlichen und war dabei vorsichtig bemüht, sich nicht das Maul daran zu verbrennen. Er hat sich seinen Dämonen gestellt. Er hat erbittert um Erkenntnis und mit seiner Kunst gerungen. Jonas Nix ist es wert, in der Erinnerung nicht nur als Ungeheuer, sondern auch als Mensch und großer Künstler bestehen zu bleiben.
Deshalb habe ich diesen Text geschrieben.
Georg Hauser, im Sommer 1998