Читать книгу Notarzt Dr. Winter 7 – Arztroman - Nina Kayser-Darius - Страница 3

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Der Zusammenprall kam für die junge Frau völlig unerwartet. Sie war so in ihre Gedanken versunken gewesen, daß sie gar nicht aufgepaßt hatte, wohin sie gelaufen war. Und nun fand sie sich unversehens in den Armen eines Mannes wieder, der freundlich: »Hoppla!« sagte.

»Entschuldigung!« stammelte sie verlegen und trat einen Schritt zurück. Dann erst sah sie auf, direkt in sehr dunkle Augen, die sie amüsiert musterten.

»Alles in Ordnung?« fragte der Mann, und sie fragte sich, was für ein Akzent das war, den sie heraushörte. Er war nicht sehr ausgeprägt, aber doch unverkennbar.

»Ja, danke«, antwortete sie, noch immer verlegen. »Ich war mit meinen Gedanken woanders, tut mir wirklich leid.«

»Es ist ja nichts passiert. Haben Sie es sehr eilig? Sonst lade ich Sie auf einen Kaffee oder Tee ein oder was immer Sie möchten, damit Sie sich von dem Schreck erholen können.«

Sein Deutsch war tadellos, aber er war kein Deutscher, da hätte sie wetten können. Unwillkürlich wurde sie mißtrauisch. Vielleicht hatte er den Zusammenstoß ja auch herbeigeführt? Vielleicht war das eine Art, Frauen anzumachen? Aber dann trafen sich ihre Augen erneut, und sie wußte, daß es nicht so war. Nein, er hatte es ganz sicher nicht nötig, auf solche Mittel zurückzugreifen, um Frauen kennenzulernen.

»Warum nicht?« fragte sie. »Mein Dienst ist zu Ende, und ich habe nichts anderes vor.«

»Wunderbar!« sagte er, und sie sah, daß er sich freute. »Übrigens, mein Name ist Timothy Brown, ich arbeite an der Kurfürsten-Klinik. Meine Freunde nennen mich Tim. Es würde mich freuen, wenn Sie das auch tun würden.«

Sie starrte ihn so entgeistert an, daß er begann, sich unbehaglich zu fühlen. »Das sollte kein Annäherungsversuch sein«, erklärte er hastig. »Aber ›Timothy‹ ist ziemlich umständlich und für Deutsche ungewohnt, und ›Herr Brown‹ hört sich schrecklich förmlich an, finden Sie nicht?«

Sie riß sich zusammen. »Darum geht’s doch gar nicht«, erklärte sie. »Sagen Sie bloß, Sie sind der sagenhafte Arzt aus Südafrika, über den die ganze Klinik redet?«

»Sagenhaft?« fragte er verwirrt. »Was meinen Sie damit?«

Aber sie antwortete ihm nicht. Auf einmal war sie sehr vergnügt. »Das erzähle ich Ihnen beim Kaffee«, erklärte sie. »Ich bin übrigens Schwester in der Kurfürsten-Klinik, mein Name ist Caroline Stellmann. Wohin wollen wir gehen?«

Sie gefiel ihm. Sie gefiel ihm sogar sehr, und unwillkürlich fielen ihm sämtliche Warnungen seiner besorgten Familie vor den europäischen Frauen wieder ein. Seine Eltern wollten, daß er eine Südafrikanerin heiratete, und das möglichst bald. Er war zu ihrem großen Unglück ihr Einziger geblieben, und nun ruhten all ihre Hoffnungen auf ihm, daß er ihnen viele Enkelkinder bescherte, denn sie träumten von einer großen, weitverzweigten Familie. Deshalb hatte es ihnen auch gar nicht gefallen, daß er für ein Jahr nach Deutschland gehen wollte.

Aber er hatte ihre Sorgen und Befürchtungen beiseite gewischt. Bisher hatte es noch keine Frau gegeben, für die er seine Freiheit, sein ungebundenes Leben hätte aufgeben wollen. Und jetzt fiel ihm diese junge Frau mit ihren blauen Augen und den schönen blonden Haaren in die Arme und hatte sich mit ihrem fröhlichen Lachen bereits in sein Herz geschlichen.

Er riß sich gewaltsam von diesen Gedanken los, schließlich war er kein Teenager mehr, sondern ein erwachsener Mann von dreiunddreißig Jahren. »Sollen wir mal ein bißchen verrückt sein?« fragte er. »Im Hotel King’s Palace kann man sehr gut sitzen, dort gibt es ein Café im obersten Stock mit einer herrlichen Dachterrasse. Es ist noch relativ neu.«

»King’s Palace?« staunte Caroline. »Da bin ich noch nie gewesen. Das ist doch nur was für ganz reiche Leute.«

Er winkte ab. »So schlimm ist es auch nicht. Außerdem haben wir was zu feiern, finden Sie nicht? Wir arbeiten zwar an der gleichen Klinik, aber kennengelernt haben wir uns ganz woanders. Das verdient einen Ausflug ins King’s Palace.«

Sie zögerte nicht länger. »Einverstanden«, sagte sie. »Es ist schließlich Ihr Geld, das Sie verschwenden!«

Er lachte über ihre Schlagfertigkeit. Was für eine hinreißende Frau, dachte er.

*

»Ich war sicher, daß Caroline heute abend Dienst hat«, sagte Dr. Adrian Winter verwirrt, als er in der Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik eintraf und dort sofort Oberschwester Walli begegnete.

Die hübsche, ein wenig mollige Walli schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, du mußt schon mit mir vorliebnehmen, Dr. W.«, sagte sie und lächelte breit. »Ich verstehe zwar, daß die schöne blonde Caroline dein Herz erfreut, aber in dieser Nacht hat die…«

»… auch sehr ansehnliche ­dunkelhaarige Oberschwester W. Dienst«, vollendete er den Satz. Sie lachten beide. »Schon gut, Walli, ich hab’ wohl was durcheinander gebracht.«

Sie nickte, jetzt wieder völlig ernst. »Ich hab’ Caroline noch gesehen, bevor sie gegangen ist. Sie sagte, daß es tagsüber ziemlich ruhig gewesen sei.«

»Das hat bestimmt nichts Gutes zu bedeuten«, seufzte Adrian und fuhr sich mit der Hand durch seine kurzen dunkelblonden Haare. Er war Chirurg und leitete die Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik mit großem Engagement. »Wahrscheinlich ist heute nacht hier die Hölle los. Wer hat sonst noch Dienst?«

»Julia, Bernd und Moni. Sind alle schon da.«

Er nickte zufrieden über das Team. Seine Kollegin Julia Martensen war Internistin, Bernd Schäfer Assistenzarzt der Chirurgie, und Monika Ullmann war, wie Walli auch, eine ausgezeichnete Schwester. »Großartig«, sagte er. »Dann will ich mal sehen, was sie machen.«

Doch dazu kam er nicht, denn die Türen der Notaufnahme flogen auf, und Sanitäter brachten den ersten Patienten für die Nachtschicht. »Ein kleiner Junge, er ist von einem Balkon im zweiten Stock gefallen«, sagte einer der Männer. »Mehrere Knochenbrüche, aber er hat Glück im Unglück gehabt.«

Adrian vergaß alles um sich herum und begann unverzüglich, den Jungen zu untersuchen, der leise weinte und erschreckend blaß war. Immerhin war er bei Bewußtsein.

Walli machte sich unterdessen schleunigst auf die Suche nach Dr. Martensen, damit sie Adrian unterstütze – und als wenige Minuten später die beiden nächsten beiden Patienten gebracht wurden, herrsch­te in der Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik bereits das ganz normale Chaos.

*

»Es ist wunderbar hier oben«, sagte Caroline verträumt. »Wie sind Sie denn überhaupt darauf gekommen, hierher zu gehen? Hat jemand Sie auf die Idee gebracht?«

Er nickte. »Ja, eine Bekannte von mir arbeitet hier als Assistentin des Direktors – deshalb sehe ich auch den luxuriösen Rahmen gar nicht mehr, ich habe mich wohl schon daran gewöhnt. Sie hat mir das ganze Hotel gezeigt, und jetzt habe ich fast ein familiäres Gefühl, wenn ich hier bin.«

Stefanie Wagner war mehr als eine Bekannte, sie war eine gute Freundin, aber er hatte das Gefühl, daß es besser war, sich neutral auszudrücken. Er wollte nicht, daß Caroline einen falschen Eindruck bekam.

»Der Blick ist so schön«, sagte sie fast andächtig. »Man sieht das ganze Gewimmel da unten – und trotzdem ist man weit genug davon entfernt, um seine Ruhe zu haben.«

»Und jetzt erzählen Sie mir, was Sie mit Ihrer Bemerkung vorhin gemeint haben«, verlangte er. »Haben Sie gehört, daß jemand über mich gesprochen hat?«

Sie lachte fröhlich. »Also wirklich, Tim!« Aufmerksam betrachtete sie sein Gesicht, aber er schien wirklich nicht zu wissen, daß er das Gesprächsthema der Klinik war.

»Alle reden über Sie«, erklärte sie. »Die Frauen finden Sie geheimnisvoll und attraktiv, die Männer sind verunsichert über die plötzliche Konkurrenz aus Südafrika, und die Patienten sind, wie man so hört, begeistert von Ihrer Kunst.«

Er war jetzt sehr verlegen. »Reden Sie nicht so«, bat er. »Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll.«

»Gelassen«, riet sie ihm ungerührt. »Ich sage nämlich die Wahrheit, aber Sie brauchen sich trotzdem nichts darauf einzubilden. Das ist bei jedem Neuzugang so. Ich bin ja selbst noch nicht sehr lange an der Klinik, und mir ist es genauso gegangen. Alle Männer schienen es auf mich abgesehen zu haben, die Frauen wußten nicht, was sie von mir halten sollten – aber zum Glück bin ich mit den Patienten gut klargekommen, und jetzt hat sich die ganze Aufregung gelegt. Das wird bei Ihnen auch so sein. Sobald der nächste neue Arzt auftaucht, wenden sich alle von Ihnen ab und dem Neuen zu. So ist das nun mal.«

Ihr Charme und ihre Natürlichkeit entzückten ihn. »Danke«, erwiderte er ernsthaft, »daß Sie mir das erklärt haben. Jetzt kann ich sicher leichter damit umgehen. Ich habe mich nämlich schon gefragt, ob ich etwas Merkwürdiges an mir habe, weil mir die Blicke aufgefallen sind, mit denen ich betrachtet werde.«

»Gar nicht drum kümmern!« riet sie. »Das geht vorbei, glauben Sie mir. Aber nun erzählen Sie mir bitte etwas über Südafrika. Und darüber, wie Sie dort leben!«

Das tat er nur zu gern. Was konnte es Angenehmeres geben, als mit einer schönen Frau auf der Dachterrasse eines eleganten Hotels in Berlin zu sitzen und ihr von der geliebten Heimat zu erzählen, während sie mit großen Augen aufmerksam zuhörte?

*

Stefanie Wagner sah auf die Uhr und seufzte. Schon wieder so spät! Dabei hatte sie heute eigentlich ausnahmsweise einmal früh nach Hause gehen wollen, aber das Hotel fraß sie einfach auf. Sie mußte wirklich aufpassen, daß es sie nicht mit Haut und Haaren verschlang. Doch das Problem war, daß sie ihre Arbeit liebte – sie liebte das King’s Palace, sie liebte die Hektik, die jeder Tag mit sich brachte, und vor allem liebte sie es, Probleme zu lösen, die eigentlich als unlösbar betrachtet wurden.

Vielleicht lag es an dieser besonderen Fähigkeit, daß Andreas Wingensiefen, der Direktor des Hotels, sie immer selbständiger arbeiten ließ. Längst galt sie als heimliche Chefin des King’s Palace, aber sie benahm sich nicht so, und deshalb liebten die Angestellten sie. Stefanie Wagner arbeitete härter als jeder andere im Hotel, und sie hatte für alle ein offenes Ohr.

Sie hatte eigentlich damit gerechnet, daß Tim Brown, den sie von früher her kannte, sich noch einmal melden würde, aber er war wahrscheinlich in der Klinik aufgehalten worden. Als sie gehört hatte, daß er ausgerechnet an jener Klinik für ein Jahr arbeiten würde, an der auch Adrian Winter arbeitete, hatte sie sich zunächst sehr gefreut. Vielleicht würde ihr Kontakt zu dem Arzt auf diese Weise endlich etwas enger werden als bisher. Aber das schien ein Trugschluß gewesen zu sein. Sie hatte Adrian Winter, so kam es ihr zumindest vor, schon ewig lange nicht mehr gesehen. Dabei war er der einzige Mann, für den sie sich überhaupt interessierte.

Wieder seufzte sie. Ihr ehemaliger Freund Oliver Mahnert hatte noch immer nicht verstanden, daß es zwischen ihnen beiden endgültig aus war. Ständig rief er sie an und wollte mit ihr ausgehen. Manchmal gab sie nach und begleitete ihn, aber hinterher schwor sie sich immer, daß es das letzte Mal gewesen sei. Er war lieb, daran gab es keinen Zweifel, aber er langweilte sie.

Sie stand auf, strich sich die langen blonden Locken nach hinten, sah in einem kleinen Spiegel nach, ob ihr Make-up noch in Ordnung war, und verließ ihr Büro. Aber als sie vor dem Aufzug stand, kam ihr der Gedanke, noch kurz nach oben zu fahren und den Blick von der Dachterrasse auf das nächtliche Berlin zu genießen.

Das tat sie dann auch, und so kam es, daß sie gleich darauf Tim Brown im Gespräch mit einer attraktiven Blondine sah.

Amüsiert dachte sie: Kein Wunder, daß er vergißt, mich anzurufen, wenn er etwas Besseres zu tun hat. Sie verzichtete auf den Blick über die Stadt und fuhr wieder nach unten. Tim konnte jetzt keine Störung gebrauchen, das hatte sie sofort gesehen.

*

Adrian Winter schlief bis in den Nachmittag hinein. Zum Glück hatte er jetzt keinen Nachtdienst mehr. Vor ihm lag ein freies Wochenende, und danach würde er erst einmal wieder tagsüber arbeiten. Das Wetter war schön, und so sprang er voller Tatendrang aus dem Bett. Er war mit seiner Zwillingsschwester verabredet für diesen Abend, und vorher hatte er noch einiges zu erledigen.

Als er wenig später seine Wohnung verließ, zögerte er und klingelte kurz entschlossen bei seiner Nachbarin Carola Senftleben. Von drinnen hörte er Husten, sonst nichts, und das beunruhigte ihn. »Frau Senftleben?« rief er. »Ich gehe einkaufen, soll ich Ihnen etwas mitbringen?«

Das war ein ungewöhnliches Angebot von seiner Seite. Normalerweise war es nämlich so, daß eher seine Nachbarin für ihn sorgte als umgekehrt. Die zierliche, überaus energiegeladene Frau Senftleben ging zwar auf die siebzig zu, aber das sah man ihr nicht an. Sie war eine großartige Köchin, und es hatte sich so eingespielt, daß sie oft für Adrian mitkochte, der sich das nur allzu gern gefallen ließ. Wenn er sie fragte, wie er sich bei ihr revanchieren könnte für das, was sie für ihn tat, lachte sie ihn nur aus.

»Ich koche gern, Adrian«, sagte sie dann immer. »Und ich esse lieber in Gesellschaft als allein. Also, wo ist das Problem? Wollen Sie vielleicht lieber allein essen?«

Nein, das wollte er natürlich nicht, und so hatte er das Thema schon länger nicht mehr angeschnitten. Aber natürlich konnte er ihr mal ein paar Einkäufe abnehmen, wenn seine karge Freizeit das erlaubte.

Jetzt hörte er langsame, fast schlurfende Schritte, und auch das war höchst ungewöhnlich. Frau Senftleben lief sonst leicht und schnellfüßig. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet, und Adrian rief entsetzt: »Frau Senftleben, was ist denn mit Ihnen los?«

»Krank!« krächzte seine sonst so muntere Nachbarin. Ihre unschuldigen blauen Augen, die schon so manchen zu einem falschen Urteil über sie verleitet hatten, glänzten nicht wie gewöhnlich, sondern ihr Blick war trüb, und ihre sonst so schönen grauen Haare, die sie kurz und glatt trug, was ihr sehr gut stand, klebten ihr am Kopf. Außerdem konnte sie sich ganz offensichtlich kaum auf den Beinen halten.

Er hatte die Situation mit einem Blick erfaßt und sagte nichts, sondern betrat ihre Wohnung, schloß die Tür hinter sich, nahm ihren Arm und führte sie vorsichtig zurück in ihr Schlafzimmer. Dort untersuchte er sie und sagte streng: »Sie haben eine böse Grippe, Frau Senftleben! Wie lange geht es Ihnen schon so schlecht?«

»Paar Tage«, murmelte sie.

Siedendheiß fiel ihm ein, daß er sie, was selten genug vorkam, seit vier Tagen nicht gesehen hatte – wegen seines Nachtdienstes. Er war ja abends, wenn sie gewöhnlich gemeinsam aßen, nicht zu Hause gewesen. Carola Senftleben war eine Nachteule, sie blieb die halbe Nacht wach und schlief bis in den späten Vormittag. Und er selbst hatte in der vergangenen Woche bis nachmittags geschlafen und dann jedesmal schon bald das Haus verlassen.

Warum hatte er nicht vorher schon einmal bei ihr geklingelt, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen?

»Ich hatte Nachtdienst!« sagte er zerknirscht.

»Weiß ich doch«, kam die leise Antwort. »Geht bald… besser.«

»Sie hätten mir Bescheid sagen müssen!« schimpfte er. »So geht das nicht, Frau Senftleben! Zu einer guten Nachbarschaft gehört auch, daß man um Hilfe bittet, wenn man sie braucht!«

»Nicht schimpfen«, bat sie matt.

Seine Stimme wurde sofort sanft und liebevoll. Er hatte seine Nachbarin sehr gern, und sie hatte ihm einen richtigen Schrecken eingejagt. Nur deshalb war er so außer sich geraten. »Ich schimpfe ja gar nicht. Ich lasse Sie jetzt ein paar Minuten allein, weil ich ein paar Medikamente holen muß. Wann haben Sie das letzte Mal etwas gegessen? Und was?«

Sie dachte nach und sagte schließlich: »Stück Brot… heute morgen.«

»Gut, dann weiß ich Bescheid. Bis gleich.«

Er stürzte aus der Wohnung, rief seine Schwester an und erklärte ihr hastig die Lage. Sie versprach, abends vorbeizukommen und ihm zu helfen.

Dann suchte er die notwendigen Medikamente zusammen und machte eine heiße Brühe mit Hilfe eines Brühwürfels. Er wußte, daß Frau Senftleben niemals Brühwürfel benutzen würde und normalerweise strikt abgelehnt hätte, ›so etwas‹ zu sich zu nehmen. Aber er hatte keine Zeit, jetzt sofort eine richtige Rinderbrühe zu kochen. Für dieses Mal mußte es eben so gehen.

Seine Einkäufe verschob er, und wenige Minuten später betrat er die Wohnung seiner Nachbarin erneut.

*

Caroline hatte einen Termin bei ihrer Gynäkologin, und sie machte sich zeitig auf den Weg, da sie noch einiges einkaufen wollte. Ihr Kühlschrank war fast leer, sie hatte wenig Zeit gehabt in den letzten Wochen. Jetzt aber hatte sie ein paar freie Tage, und sie war froh dar­über.

Sie fühlte sich so glücklich wie schon lange nicht mehr. Es war ihr, als schwebe sie, und sie fragte sich, ob sie vielleicht auf dem besten Wege sei, sich zu verlieben. Dieser Tim Brown ging ihr nicht aus dem Kopf, obwohl sie sich immer geschworen hatte, niemals etwas mit einem Arzt anzufangen. Es gab so viele Geschichten über Verhältnisse zwischen Ärzten und Schwestern, aber die wenigsten gingen gut aus.

Ein Verhältnis kam für sie sowieso nicht in Frage. In dieser Hinsicht war Caroline sehr altmodisch. Sie wollte etwas Festes haben, einen Mann, mit dem sie zusammenbleiben und eine Familie gründen konnte. Alles andere war nichts für sie. Sie hatte ein paar Freunde gehabt, aber immer hatte sich herausgestellt, daß es doch nicht das Richtige gewesen war, und so hatte sie sich ohne allzu großes Bedauern jedesmal wieder getrennt. Zur Zeit hatte sie keinen Freund, aber vielleicht…

Ich bin ja verrückt, dachte sie. Der Mann ist Südafrikaner, er ist ein großartiger Arzt, er hat eine glänzende Zukunft vor sich. Der kann jede Frau haben, wenn er will. Der wird gerade auf mich gewartet haben.

Sie hatte die Praxis erreicht, meldete sich an und nahm im Wartezimmer Platz. Dort nahm sie ihren Gedankenfaden wieder auf. Tim Brown hatte sicher nicht auf sie gewartet, aber er hatte sie mehrmals auf eine Art und Weise angesehen, dort oben auf dieser wunderbaren Dachterrasse, daß ihr abwechselnd heiß und kalt geworden war. Und er hatte sie um ein Wiedersehen gebeten – außerhalb der Klinik.

Sie hatte eingewilligt, wobei sie die warnende Stimme in ihrem Inneren absichtlich überhört hatte. Was war schon dabei, wenn sie sich zum Essen mit einem Mann verabredete, den sie nett fand? Das hieß ja noch längst nicht, daß etwas zwischen ihnen war.

»Frau Stellmann? Kommen Sie bitte, Sie sind die nächste.«

Lächelnd folgte Caroline der Sprechstundenhilfe, die hochschwanger war. »Wann ist es denn soweit?« fragte sie.

»Erst in zwei Monaten, aber ich habe das Gefühl, wenn ich noch dicker werde, platze ich«, stöhnte die junge Frau, aber ihre Augen strahlten dabei.

Zu ihrer großen Überraschung entdeckte Caroline an sich selbst ein Gefühl, das ihr eigentlich fremd war. Sie war neidisch.

*

Tim Brown sah sich die eitrige Wunde des Patienten Sven Mohntal aufmerksam an. Es war ein offener Unterschenkelbruch, der nicht verheilen wollte. Den jungen Mann quälten schlimme Schmerzen, und er wußte, daß man bereits über eine Amputation nachdachte.

»Bitte, helfen Sie mir, Herr Doktor!« sagte er flehentlich. »Ich brauche mein Bein! Es kann doch nicht sein, daß ich es verliere bloß wegen so eines blöden Bruches!«

»Machen Sie sich bitte keine Sorgen«, sagte Tim freundlich zu ihm. »Ich denke, wir werden einen Weg finden, Ihr Bein zu retten.« Dann wandte er sich dem jungen Assistenzarzt Dr. Bernd Schäfer zu, der ihn gebeten hatte, sich den Patienten einmal anzusehen. »Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten?« fragte er.

Bernd Schäfer nickte. Sie verließen das Patientenzimmer und zogen sich in einen leerstehenden Raum zurück. »Stimmt es«, fragte Bernd, »daß Sie eine Idee haben, was wir machen können, um das Bein zu retten?«

»Ich denke schon«, sagte der Südafrikaner ruhig. »Zumindest hoffe ich, daß es noch nicht zu spät ist.« Er machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. »Ich weiß, daß es eklig klingt und aussieht, aber wir haben die allerbesten Erfahrungen mit Maden gemacht.«

»Maden?« fragte Bernd Schäfer entsetzt. Er war ein Mann, der für sein Leben gern aß, was man ihm auch ansah. Allein der Gedanke an Maden schien jedoch geeignet zu sein, ihm den Appetit zu verderben.

Tim Brown setzte gleich noch einen drauf. »Wir setzen Maden in die Wunden, die den Eiter fressen – gesundes Gewebe rühren sie nicht an. Sie haben mir doch gesagt, daß Ihr Patient etliche Antibiotika nicht verträgt und daß sich sein Zustand in den letzten Tagen sehr verschlechtert hat. Sein Bein ist wirklich in großer Gefahr, wenn nicht sehr schnell Abhilfe geschaffen wird.«

»Das stimmt«, gab der junge Assistenzarzt zu.

»Also, was spricht denn gegen Maden? Sie wissen doch sicher, daß das die schonendste Methode zur Wundreinigung ist, die es gibt? Antibiotika haben sehr oft unerwünschte Nebenwirkungen – ganz abgesehen davon, daß Herr Mohntal eine Überempfindlichkeit gegenüber zahlreichen Medikamenten hat. Mit dem Skalpell verletzt man leicht gesundes Gewebe, weil man so präzise gar nicht arbeiten kann – Maden dagegen tun ihre Arbeit in unserem Sinn und schaden überhaupt nicht. Bleibt also der Ekel über den Anblick. Und diesen Ekel kann man überwinden, wenn man weiß, daß die Methode in diesem speziellen Fall die einzig richtige ist.«

Bernd Schäfer schluckte und sagte dann: »Ich habe schon davon gehört, aber ich glaube nicht, daß hier in der Klinik schon einmal mit Maden gearbeitet worden ist. Und ich habe mir auch noch nie ausgemalt, wie das wohl aussehen könnte.«

Sein afrikanischer Kollege lächelte verständnisvoll. »Den meisten geht es wie Ihnen, Herr Schäfer. Ich selbst fand den Anblick am Anfang auch unangenehm – das vergesse ich immer wieder, weil ich schon seit Jahren mit dieser Methode vertraut bin und sie auch oft anwende. Ich habe schon überall in Afrika gearbeitet – auch in den ärmsten Ländern, wo es am Nötigsten fehlt. Dort greift man gern auf Methoden zurück, die zugleich wirksam und preiswert sind. Und manchmal ist es eben so, daß es auch in einem reichen Land, in dem es sämtliche modernen Hilfsmittel der Medizin gibt, am besten ist, auf ein ganz einfaches Mittel zurückzugreifen. Mir scheint, Maden sind die einzige Chance, die Ihr Patient noch hat, wenn er sein Bein behalten will.«

»Ich weiß nicht, ob er sich damit einverstanden erklären wird«, wandte Bernd Schäfer ein. »Also, ehrlich gesagt, ich weiß nicht einmal, ob ich es täte.« Er schüttelte sich.

Tim lächelte und sagte sanft: »Wenn Sie die Wahl hätten, Ihr Bein zu verlieren oder statt dessen ein paar Ekelgefühle zu überwinden – ich garantiere Ihnen, daß Sie sich für letzteres entscheiden würden.«

»Kann sein«, gab Bernd zu. »Aber dann kommen Sie jetzt bitte mit mir und machen dem Patienten das klar. Allein bin ich damit überfordert.«

Tim nickte nur, und gemeinsam betraten sie das Zimmer des Pa­tienten erneut, der ihnen voller Hoffnung, gemischt mit Angst, ­entgegensah.

*

»Es hat sie wirklich schlimm erwischt«, sagte Carola Senftlebens Hausarzt mit sorgenvollem Gesicht zu Adrian Winter und dessen Zwillingsschwester. Esther Berger, die als Kinderärztin in der Charité arbeitete, war sofort nach ihrem Dienst zu ihrem Bruder gefahren. Auch sie war schon oft bei Frau Senftleben zu Gast gewesen.

Sie standen jetzt im Wohnzimmer von Adrians Nachbarin, die nach einer Spritze, die der Arzt ihr gegeben hatte, sofort eingeschlafen war. »Können Sie sich in den nächsten Tagen ein wenig um sie kümmern?« fragte der Hausarzt. »Sonst lasse ich sie nämlich ins Krankenhaus einweisen. Allein kann sie nicht bleiben, sie braucht auf jeden Fall Betreuung.«

»Ich habe das ganze Wochenende frei«, antwortete Adrian. »Danach wird es schwierig – Urlaub kann ich im Augenblick schlecht nehmen.«

»Aber ich kann am Montag meinen Dienst für die Woche tauschen«, sagte Esther. »Du hast doch tagsüber Dienst nächste Woche, Adrian, oder nicht?«

Er nickte. »Gut«, fuhr sie entschlossen fort, »dann übernehme ich nächste Woche den Nachtdienst und kann tagsüber hier sein. Das wird schon gehen.«

»Gut, wenn Sie beide das so hinkriegen, bin ich einverstanden. Rufen Sie mich bitte jederzeit an, wenn etwas sein sollte. Morgen komme ich vormittags noch einmal vorbei, um zu sehen, ob die Medikamente einschlagen und ob sie sie verträgt.«

»Vielen Dank, daß Sie sofort gekommen sind«, sagte Adrian und brachte seinen älteren Kollegen zur Tür.

»Ach, wissen Sie, Herr Winter«, antwortete dieser, »Frau Senftleben ist schon sehr lange meine Patientin, aber sie ist fast nie krank gewesen. Ich bin richtig froh, wenn ich einmal etwas für sie tun kann. Sie läßt sich regelmäßig untersuchen, aber sie hat eine unverwüstliche Gesundheit.«

»Dafür hat es sie jetzt aber auch richtig umgehauen«, meinte Adrian.

»Aber sie kommt bestimmt bald wieder auf die Beine, Herr Winter, anders hält sie das gar nicht aus.«

»Hoffentlich«, meinte Adrian, der sich noch immer große Sorgen um seine Nachbarin machte. Erst im Laufe der letzten Stunden war ihm klargeworden, wie groß die Rolle war, die sie in seinem Leben spielte.

Als er zurückkehrte, fand er Esther nicht mehr im Wohnzimmer, sondern er hörte sie leise in Frau Senftlebens Küche klappern. »Was machst du denn hier?« erkundigte er sich erstaunt.

»Rinderbrühe«, antwortete sie lakonisch. »Ein Wunder-Heilmittel, das solltest du eigentlich wissen. Ich habe noch schnell Fleisch und Knochen und ein bißchen Gemüse gekauft. Wir können Frau Senftleben schließlich keine Tütensuppe anbieten.«

Er wurde verlegen. »Hab’ ich schon gemacht«, gestand er.

»Echt?« Sie schüttelte den Kopf mit den kurzen blonden Haaren, die sie viel jünger erscheinen ließen, als sie tatsächlich war. »Und was hat sie gesagt?«

»Nichts. Sie hat sie geschluckt. Aber du hättest mal ihr Gesicht sehen sollen.«

*

Frau Dr. Hallwachs, Carolines Gynäkologin, ließ sich Zeit mit ihrer Untersuchung. Ab und zu murmelte sie vor sich hin, dann griff sie zu dem Stab, der zum Ultraschallgerät gehörte, und führte ihn ein. Aufmerksam sah sie auf den Monitor, die Augenbrauen zusammengezogen, während sie den Stab in Carolines Unterleib vorsichtig bewegte.

»Ist etwas nicht in Ordnung, Frau Dr. Hallwachs?« fragte Caroline schließlich, als das Schweigen der Ärztin ihr zu lange dauerte.

»Es sieht ganz so aus, Frau Stellmann«, lautete die Antwort. »Die kleine Zyste am rechten Eierstock, die wir beim letzten Mal festgestellt hatten, ist seitdem enorm gewachsen, das gefällt mir überhaupt nicht. Außerdem sitzt jetzt am linken Eierstock ebenfalls eine. Ich dachte zunächst, ich hätte mich vielleicht getäuscht, aber so ist es leider nicht.«

Sie zog den Stab heraus und setzte ihre Untersuchung mit den Händen fort.

»Was heißt das?« fragte Caroline.

»Das heißt, daß die gutartige Geschwulst bösartig geworden sein könnte«, antwortete die Ärztin. »Das muß nicht so sein, aber es ist möglich. Klarheit wird nur eine Operation bringen.«

Caroline war so erschrocken, daß sie zunächst gar nichts sagen konnte. Mit einem solchen Untersuchungsergebnis hatte sie nicht gerechnet, das mußte sie erst einmal verarbeiten.

Frau Dr. Hallwachs beendete ihre Untersuchung und sagte ruhig: »Sie können sich jetzt wieder anziehen, Frau Stellmann. Dann überlegen wir, was wir machen.«

Caroline erhob sich wie betäubt von dem Untersuchungsstuhl und verschwand in der Umkleidekabine. War sie das wirklich gewesen, die vor einer Stunde überaus fröhlich von zu Hause weggegangen war? Die sich in Tagträumen über einen Mann namens Timothy Brown­ verloren hatte?

Sie kehrte in das Sprechzimmer der Ärztin zurück und nahm auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz.

»Sie müssen sich operieren lassen, Frau Stellmann«, sagte ihre Ärztin ernst. »Das ist die einzige Möglichkeit, um Klarheit zu gewinnen.«

»Wenn… also, wenn es ein bösartiger Tumor ist«, sagte Caroline leise, »was bedeutet das dann? Daß ich niemals Kinder bekommen kann?«

Frau Dr. Hallwachs nickte. »Wenn es so ist, dann müssen beide Eierstöcke und auch die Gebärmutter entfernt werden. Alles andere wäre zu gefährlich.« Sie sah in das blasse Gesicht ihrer Patientin und fügte hinzu: »Aber es ist genauso gut möglich, daß die Geschwulst gutartig ist.«

»Glauben Sie das?« fragte Caroline.

»Ich kann Ihnen darauf keine Antwort geben, Frau Stellmann. Das starke Wachstum gefällt mir nicht – das könnte ein Indiz für die Bösartigkeit sein. Ich sage ausdrücklich ›könnte‹, denn auch gutartige Tumore wachsen.«

Sie machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: »Sie müssen sich operieren lassen, dann sind wir sicher. Bei dieser Operation wird ein sogenannter Schnellschnitt gemacht – und je nachdem, wie das Ergebnis ist, wird lediglich die Geschwulst entfernt oder eben auch die Organe.«

»Was für eine Aussicht«, sagte Caroline schwach. »Man läßt sich in Narkose versetzen und weiß nicht, was einen erwartet, wenn man wieder aufwacht: Ist man noch ein ganzer Mensch oder nicht?«

»Ein ganzer Mensch werden Sie in jedem Fall sein!« Die Stimme der Ärztin war warm und ruhig. »Sie dürfen sich jetzt nicht von Ihren Phantasien verrückt machen lassen, Frau Stellmann.«

»Würde es Ihnen anders gehen, wenn Sie an meiner Stelle wären?« fragte Caroline leise. »Würden Sie ruhig bleiben?«

Frau Dr. Hallwachs dachte nach und antwortete ehrlich: »Nein, wahrscheinlich nicht.« Dann sah sie in ihren Unterlagen nach und fragte: »Sie arbeiten doch in der Kurfürsten-Klinik, nicht wahr? Sie sollten sich dort operieren lassen, die Chirurgie hat einen ausgezeichneten Ruf.«

»Ich weiß nicht, ob ich von Leuten operiert werden will, die ich kenne und mit denen ich hinterher zusammenarbeiten muß«, entgegnete Caroline. »Darf ich wenigstens noch ein paar Tage darüber nachdenken?«

Die Ärztin gab ihre Antwort indirekt. »Sie sollten sich so bald wie möglich operieren lassen, Frau Stellmann.«

*

»Du siehst großartig aus. Dir bekommt Berlin offenbar gut«, stellte Stefanie Wagner fest, nachdem sie Tim Brown in einem der Restaurants des King’s Palace begrüßt hatte, wo sie zusammen zu Mittag essen wollten. Es war die einzige Möglichkeit, sie zu sehen, hatte sie ihm erklärt. Sie hatte einfach zu viel um die Ohren im Augenblick, um sich mit jemandem abends zu verabreden. Oft genug blieb sie bis zehn oder sogar noch länger im Hotel.

»Ja«, bestätigte er lächelnd. »Berlin tut mir gut. Ich hab’ mich verliebt, Steffi.«

Sie tat, als sei sie über die Maßen überrascht. Schließlich mußte er nicht wissen, daß sie das schon gemerkt hatte, als sie ihn auf der Dachterrasse mit dieser schönen Blonden hatte sitzen sehen…

»Wie schön, Tim! Da werden sich deine Eltern aber freuen, daß die heißersehnte große Familie endlich in den Bereich des Möglichen rückt!«

Aber Tim winkte erschrocken ab. »So weit ist es noch längst nicht, Steffi. Die Frau weiß ja noch gar nichts von ihrem Glück. Vielleicht erwidert sie meine Gefühle überhaupt nicht. Es ist ja auch noch ganz frisch, ich habe sie schließlich gerade erst kennengelernt…«

Sie unterbrach ihn lachend. »Aber trotzdem bist du dir schon so sicher, daß du mir von ihr erzählst. Das muß ja dann Liebe auf den ersten Blick gewesen sein.«

»Auf den ersten nicht«, erwiderte er. »Aber ich glaube, es war ungefähr der dritte oder vierte. Auf jeden Fall ist es ziemlich schnell gegangen, da hast du schon recht.«

»Und wer ist sie? Wie hast du sie kennengelernt?« fragte Stefanie neugierig.

Er erzählte ihr, wie Caroline ihm buchstäblich in die Arme gefallen war. »Und stell dir vor, sie ist Krankenschwester an der Kurfürsten-Klinik!«

»Und dort habt ihr euch noch nie gesehen?«

Er schüttelte den Kopf. »Das ist ja ein riesiger Komplex, da läuft man sich nicht ständig über den Weg. Wahrscheinlich können zwei Leute dort jahrelang arbeiten, ohne sich jemals zu begegnen.«

»Arzt und Krankenschwester«, sagte sie nachdenklich, »das klingt fast wie aus einem Roman.«

»Oder wie direkt aus dem Leben«, meinte er. »Du weißt doch, daß manche Romane dem Leben sehr nahekommen. Es ist nun einmal so, daß die meisten Menschen sich am Arbeitsplatz kennenlernen. Ärzte und Schwestern verbringen sehr viel Zeit miteinander – oft mehr als mit ihren jeweiligen Partnern. Bei Chefs und Sekretärinnen ist das doch ganz ähnlich.«

»Ich weiß«, seufzte sie und dachte an Andreas Wingensiefen. Ihr Chef war ein sehr attraktiver Mann, der seine Freundinnen häufig wechselte. Er hatte auch schon mit einer seiner Sekretärinnen eine Affäre gehabt, die sich dann hinterher einen anderen Job hatte suchen müssen. Das war eine höchst unerfreuliche Geschichte gewesen, die sie ihm sehr übel genommen hatte.

»Also, und wie geht das nun weiter mit dir und Caroline?« fragte sie. »Seid ihr schon wieder verabredet?«

Er nickte strahlend. »Ja, morgen. Ich habe sie zum Essen eingeladen, und ich kann dir nur sagen, daß ich mich fühle wie mit fünfzehn. So aufgeregt bin ich schon lange nicht mehr gewesen.«

»Ich wünsche dir viel Glück«, sagte sie aufrichtig.

»Und wie sieht’s bei dir mit der Liebe aus?« fragte er. »Mit Oliver bist du doch nicht mehr zusammen, oder?«

Notarzt Dr. Winter 7 – Arztroman

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