Читать книгу Kreativer leben! - Nina Schaffrin - Страница 3
Einleitung
ОглавлениеGehörst du auch zu den Leuten, die in Buchhandlungen und Schreibwarenläden von diesen hübschen Notizbüchern magisch angezogen werden? Du weißt schon, welche ich meine: handliches Format, elegant abgerundete Kanten, Gummibandverschluss, manche in zeitlosem Schwarz, manche mit wundervollen Umschlagmotiven. Im Inneren haben sie leere Seiten, die nur auf dich gewartet zu haben scheinen. Du kaufst das Buch, trägst es mit klopfendem Herzen nach Hause, malst dir aus, womit du das Buch füllen wirst – aber wenn du dann zuhause bist, findest du einfach den Anfang nicht. Nichts scheint dir gut genug, um dieses schöne Buch zu entweihen. Alles, was du schreiben, zeichnen, gestalten könntest, kommt dir mit einem Mal lächerlich vor. Und somit wandert das Notizbuch in eine finstere Ecke des Bücherregals, aus der es niemals mehr herauskommt und in der vielleicht schon viele unberührte Bücher dieser Art stehen.
Ich möchte dir Wege zeigen, diese Bedenken zu überwinden und deine Notizbücher mit kreativen, bedeutsamen Dingen zu füllen, die du noch in vielen Jahren gerne durchblättern wirst. Und noch mehr als das: Ich möchte dir beibringen, in jeder Hinsicht ein kreativeres Leben zu führen. Denn ich bin überzeugt davon, dass die verstohlene Sehnsucht, mit der du dich zu Blankobüchern hingezogen fühlst, ein Ruf deines Herzens nach mehr Kreativität ist. Denn noch bevor du mit deinen Bedenken und Selbstzweifeln jede weitere Entfaltung im Kern erstickst, ist da ein Teil von dir, der in den leeren Seiten des Notizbuches eine Einladung sieht, alles zu sagen, zu zeichnen, zu malen, zu gestalten, was du willst. Dieser Teil von dir hat all die Jahre überlebt, trotz allen "Das will doch keiner hören" und trotz jedem "Ich bin da nicht gut drin". Dieser Teil sagt in dem Moment, in dem du das Notizbuch in die Hand nimmst, ganz leise: "Was ich denke und fühle ist wichtig!" Und diese Stimme hat Recht, es ist wichtig. Ich bin überzeugt davon, dass Kreativität nichts ist, was nur wenigen Auserwählten und mit Talent begabten zusteht, sondern eine universelle Sprache des Herzens ist, die jeder von uns entwickeln kann. Und ich bin überzeugt davon, dass ein kreativeres Leben ein erfüllteres, glücklicheres Leben bedeutet. Kreativ sein bedeutet, mehr man selbst zu sein, ein authentischeres Leben zu führen, enger mit der Welt verbunden zu sein, intensiver zu leben.
Es gibt nur eine Person, die dich davon abhalten kann, ein kreatives Leben zu führen, und das bist du. Es gibt aber auch nur eine Person, die dich dazu bringen kann, ein kreatives Leben zu führen, und rate mal, wer das ist. Richtig, das bist ebenfalls du. Du fühlst dich blockiert und
hilflos mit deiner Sehnsucht nach einem erfüllten kreativen Leben. Aber schau, wie viel Macht du in Wahrheit hast: Dein ganzes Leben lang hast du dich selbst davon abgehalten, deine Träume wahr zu machen, hast dich selbst sabotiert und klein gehalten. Und jetzt hast du den Entschluss gefasst, dein Leben zu ändern und endlich alle deine künstlerischen Träume zu entfalten. Du hast angefangen, dir die Mittel zu besorgen, die du dazu brauchst. Eins davon ist dieses Buch. Herzlichen Glückwunsch, du bist auf einem guten Weg.
Ich werde dir ein paar Techniken beibringen, ein paar Dinge erzählen, ein paar Denkanregungen geben und alles tun, um dich zu motivieren und zu inspirieren. Du kannst das alles nehmen und damit machen, was du möchtest. Denn erstens kann ich dich schlecht durch dieses Buch hindurch am Schlafittchen packen und kontrollieren, ob du deine Hausaufgaben machst. Zweitens habe ich da herzlich wenig Lust zu. Und drittens: Du bist der Experte für dich, nicht ich. Nur du kannst beurteilen, ob dir das Ganze etwas bringt oder nicht, ob du Lust dazu hast oder nicht, ob es dich weiterbringt oder nicht. Hinterfrage alles, was du liest. Glaube mir nichts, prüfe alles in deinem eigenen Herzen. Ich weiß nichts von Kreativität oder dem Leben oder irgendetwas anderes als das, was ich selbst erlebt und gefühlt habe, und genau davon werde ich dir erzählen. Ich kann dir nur diese eine Sache sicher sagen: Alles, was ich hier schreibe, habe ich selbst erlebt und als hilfreich empfunden.
Ich weiß nicht, ob du genauso fühlst oder funktionierst wie ich, deshalb gebe ich dir keine Anweisungen und werde auch keine glänzenden Versprechen im Sinne von "So wird jeder in 24 Stunden kreativer, ich schwöre!" machen. Ich glaube, mit solchen Versprechen wirst du schon genug bombardiert wo du gehst und stehst. Ist ja auch eine schöne Sache, so ein Versprechen. Wer wünscht sich nicht eine einfache Lösung für alles? Ich ganz bestimmt und deshalb glaube ich auch immer zuerst jedem, der nur laut genug brüllt: Iss dies, lies das, folge jenem, kaufe folgendes und du wirst glücklich. Klingt toll. Wie ein Knopf, den man einfach nur drücken muss, um glücklich zu sein. Und dann fällt mir wieder ein, dass das noch nie funktioniert hat, zumindest nicht bei mir, und ich immer noch selbst die Verantwortung für mich trage und selbst an meinem Glück arbeiten muss. Und ich habe den Verdacht, dass das für uns alle gilt.
Warum gibt es trotzdem so viele Menschen, die schöne Versprechungen machen? Ich will nicht glauben, dass alle geldgierig sind und Freude daran haben, zahlenden Trotteln Bären aufzubinden. Ich kann nur immer wieder von mir ausgehen und ich weiß,
dass es sich gut anfühlt, Antworten zu haben und anderen den Weg zeigen zu können. Da wird einem so warm innen drin und man denkt: Yes, ich bin wer, ich weiß wo es lang geht, sonst würden mir ja nicht so viele glauben, oder? Das ergibt dann eine Situation, die zum Lachen wäre, wäre sie nicht so traurig: Die Menschen glauben dem Redner, weil er so sicher spricht, und der Redner fühlt sich sicher, weil ihm so viele zuhören. Und eigentlich wollen alle nur die Bestätigung, dass sie in Ordnung sind und alles gut wird.
Aber ich verrate dir ein Geheimnis, und du kannst mir gern widersprechen, wenn du gegenteilige Erfahrungen gemacht hast: Das funktioniert nicht. Du kannst dir tausendmal sagen lassen, wie du "garantiert" glücklich wirst, du kannst alle Anweisungen befolgen, alles kaufen, abnehmen, zunehmen, wegschneiden, hinzufügen, aufessen, auskotzen, nachbeten, durchlesen – aber du wirst nicht glücklicher sein. Und du kannst mir tausendmal sagen, wie klug ich bin, wie gut mein Buch geschrieben ist, wie sehr es dir geholfen hat, wie großartig ich bin – es wird mich nicht glücklicher machen. Es gibt vielleicht diesen kurzen Moment des Hochs, doch wenn der vorüber geht, bleibt nichts zurück. Diese Euphorie ist vergänglich wie das Glück, das mit einer Tafel Schokolade kommt. Weil Glück einfach nicht davon abhängt, was von außen reinkommt, nicht von Besitz oder Bestätigung. Es liegt alles nur an uns. Es liegt alles in uns. Wir sind nur so dumm, uns an äußere Dinge zu hängen und von ihnen zu erwarten, dass sie uns glücklich machen. Oder im Gegenteil, an ihnen angeblich unschlagbare Belege dafür abzulesen, warum wir es nicht verdienen glücklich zu sein und ganz allgemein unliebenswert sind. Oder dumm oder dick oder was immer du hast.
Ich schweife ab. Was ich eigentlich sagen will: Ich will dir in diesem Buch nichts versprechen und ich will nicht, dass du mir irgendetwas ungesehen glaubst. Ich bin kein Lehrer. Ich erzähle dir nur von meinen Erfahrungen und Gedanken und du kannst damit machen was du möchtest. Hoffentlich etwas, was dir hilft, mehr Kreativität in dein Leben zu lassen, wenn es das ist, was du möchtest. Du kannst natürlich auch ein hübsches Feuerchen damit machen und Würstchen darüber grillen oder das Katzenklo damit auslegen. Du bist dein eigener Chef!
Falls du noch weiterliest, erzähle ich dir noch ein bisschen was darüber, was in diesem Buch geschehen und nicht geschehen wird. Nicht geschehen werden Schritt-für-Schritt-Anleitungen für konkrete Texte, Zeichnungen oder sonstigen Kreativprojekte. Damit würde ich dir nur beibringen, etwas so zu schreiben, zeichnen oder gestalten wie ich es tue und ich sehe nicht
ein, was dir das bringen soll. Außerdem gibt es dazu weiß Gott schon genug Bücher von Menschen, die das alles viel besser können als ich.
Was geschehen wird, sind Empfehlungen zu Übungen meinerseits. Bitte versteh diese Übungen nicht als Kurs oder Lektionen oder Hausaufgaben, sondern als Anregungen. Wenn das für dich alles wie Bullshit klingt, steht es dir frei, die Übung abzuwandeln oder ganz sein zu lassen. Ich sage es immer wieder: Ich kenne nur mich, nicht dich, und kann dir deshalb nur erzählen, was für mich funktioniert. Vielleicht funktioniert es auch für dich, vielleicht nicht. Das weißt nur du. Ich male dir deshalb einen Fahrplan für die Reise zu einem Leben, das ich dir von ganzem Herzen wünsche. In dem Kunst etwas Spielerisches ist und jedes Ding zum Wunder wird. Ein Leben, in dem alles aufregend, alles verzaubert ist und alles verzaubert werden kann einfach dadurch, dass du es wahrnimmst. Ein Leben, in dem du deine Gedanken, deine Gefühle, deine Träume in Worte und Farben und Bilder und Werke verwandelst. Jeden Tag, überall. Ohne dass du irgendein Studium dafür absolvieren oder ein Atelier besitzen oder in Paris leben und Hemingway heißen müsstest. Und ohne diese schreckliche kleine Stimme, die dir ständig sagt, du seist nicht gut genug, du machst dich lächerlich, alle lachen über dich, was bildest du dir ein? Die Stimme, die dich fragt, was du schon zu sagen hast, wenn du dir wieder eines von diesen schönen Notizbüchern mit dem Gummiband gekauft hast und mit klopfendem Herzen die erste Seite anstarrst. Die Stimme, die dich fragt, was das denn bitteschön darstellen soll, wenn du etwas zu zeichnen versuchst. Diese verdammte Stimme, die einfach nie Ruhe gibt.
Ich verspreche dir nicht, dass diese kritische, quälende, blockierende innere Stimme verschwunden sein wird, wenn du dieses Buch durchgelesen hast. Auch ich lebe mit so einer Stimme und ich bin nicht sicher, ob sie jemals zum Schweigen gebracht werden kann. Aber ich habe es geschafft, diesen inneren Kritiker zu meinem Freund zu machen und damit meine Kreativität zu befreien. Ich hoffe, dass du von mir lernen und dich von deinen Blockaden befreien kannst.
Bevor wir endlich loslegen, möchte ich noch über eine Sache mit dir sprechen, die ich für unglaublich wichtig für gelebte Kreativität halte: und zwar die Angst.
Angst ist etwas, was uns durch das ganze Leben begleitet und mehr oder weniger sinnvolle Tipps für ein möglichst erfolgreiches Überleben gibt. Sinnvoll ist Angst, wenn sie uns vor Feuer, Braunbären und großen Kerlen mit Gewehren warnt (und großen Frauen mit Gewehren natürlich ebenso). Nicht sinnvoll ist Angst, wenn sie uns davon abhalten will, unser kreatives Potenzial zu entfalten und ein bunteres Leben zu führen. Und trotzdem tut sie genau das, ständig, bei beinahe allen erwachsenen Menschen unserer Kultur. Sie nimmt die Gestalt des inneren Kritikers an und nörgelt an unseren Zeichnungen herum und bringt uns dafür, uns für etwas zu schämen, was aus unserem tiefsten Herzen kommt. „Soll das ein Gedicht sein oder was? Komm, schick ihr doch lieber so ein Küsschengesicht mit dem Handy, du machst dich ja lächerlich.“
Der innere Kritiker klingt immer wie bekannte Menschen, wie unsere Mutter, unser Kunstlehrer aus der fünften Klasse, unsere beste Freundin oder wie die Oma, der wir mit Sieben eine selbstgebastelte Geburtstagskarte geschenkt haben. Dahinter aber steht immer die Angst und das merkt jeder von uns, der einmal versucht hat, über den Widerstand des inneren Kritikers hinweg kreativ zu sein. Wo im Körper fühlst du die Angst? Ich fühle sie immer im Bauch. Ein Gefühl, als würde sich dort alles zusammenziehen und mich am Atmen hindern. Manche fühlen sie in den Schultern und ducken sich klein zusammen. Manche in den Kiefern, sie knirschen mit den Zähnen und können kaum noch sprechen. Die Angst ist der Meinung, dass es ein Risiko bedeutet, wenn wir uns entfalten. Wer weiß schon, was da aus dir rauskommen könnte? Vielleicht etwas ganz Scheußliches und dann kommt jemand und schlägt dich tot, oder schlimmer noch, lacht dich aus. Die Angst hält es für sicherer, klein und unauffällig und wie alle anderen zu bleiben. Das funktioniert ja schließlich für die anderen auch ganz gut.
Ich vereinfache natürlich. Angst ist eine ganz komplexe Geschichte, die auch noch die Eigenschaft hat, Logik einfach aufzufressen. Denn sonst würde es ja reichen, wenn wir der Angst einfach sagen würden: „Du bist im Irrtum, geh nach Hause. Das Leben ist viel schöner und lohnenswerter mit Kreativität, also halt in Zukunft die Klappe.“
Wie du sicher selbst weißt, funktioniert das nicht. Und trotzdem ist das die Strategie unzähliger Bücher, Kurse und Workshops des gesamten kreativen Spektrums. Hab keine Angst, sagen sie alle, fang einfach an zu malen, schreiben, gestalten, was auch immer. Du musst keine Angst haben! Ah, denke ich dann immer, danke für die Info. Bin ich noch nicht von selbst drauf gekommen, vielen Dank.
Nun habe ich wenig Ahnung von Psychologie oder sonst irgendetwas. Ich weiß nur über mich selbst Bescheid, und wenn ich etwas an mir besonders gut kenne, dann ist das meine Angst, das kann ich dir sagen. Ich bin mit mehr Ängsten aufgewachsen, als man irgendwem wünschen möchte. Der Angst, dass Menschen mich grundlos angreifen könnten. Der Angst,
alles falsch zu machen, weil ich einfach nie verstehe, was von mir erwartet wird. Der Angst, dass alle meine Freunde mich heimlich hassen. Der Angst, dass ich in Wahrheit absolut abstoßend und unliebenswert sei und es nur eine Frage der Zeit sein könne, bis das jemand merkt und sich alle von mir abwenden. Der Angst, nicht geliebt zu werden. Angst vor Verantwortung. Angst vor Erfolg, verrückterweise.
Angst ist immer ein großer, schier undurchdringlicher und bleischwerer Klumpen in unserem Herzen. Sie hat immer eine Geschichte und sie liebt es, auf Stichwort die Bühne zu stürmen und die ganze Show an sich zu reißen. Ich vermute, bei jedem von uns sind es etwas unterschiedliche Stichworte, aber bei beinahe jedem funktioniert "Kreativität", "Zeichnen", "Schreiben", "Malen". Und niemals genügt "Hab keine Angst" um sie zurückzutreiben.
Angst kann nicht bestochen werden. Angst kann nicht wegargumentiert werden. Angst kann nicht verboten werden. Wenn ich etwas weiß, dann das.
Und deshalb wirst du von mir nicht hören, dass du keine Angst haben sollst. Im Gegenteil, ich bitte dich, dich eng mit ihr anzufreunden. Angst ist nämlich tatsächlich etwas sehr Hilfreiches, wenn man erstmal aufhört, sie wegpacken und übertönen zu wollen. Nicht nur, weil sie uns manchmal vor tatsächlich bedrohlichen Dingen warnt, sondern weil sie uns durch ihre völlig irrationalen Auftritte wichtige Hinweise gibt: Hier liegt etwas im Argen. Und das bedeutet: Hier gibt es die Gelegenheit, einen Knoten in unserem Inneren aufzuspüren und aufzulösen.
Stell dir deine Seele wie ein großes Wollknäul vor (Ich stricke viel, deshalb kommt der Vergleich nicht zufällig). Stell dir vor, wenn du auf die Welt kommst, erhältst du dieses riesige, ordentlich aufgewickelte Knäul weicher Wolle in leuchtenden Farben. Dieses Knäul steht für das ganze Potenzial, das dir gegeben wird – du könntest alles daraus machen was du willst! Aber dann fällt dir das Knäul hin und verwandelt sich in ein dickes, fettes Wirrwarr.
Du strickst weiter vor dich hin, aber von Zeit zu Zeit kommst du zu diesen dicken Knoten und was machst du dann? Oft versuchen wir die ganze Geschichte so zurecht zu schieben, dass der Knoten auf der Rückseite des Gestricks landet, wo man ihn nicht sieht. Dort wird man ihn aber immer fühlen und vermutlich gibt es dann an der Stelle eine Beule. Manche versuchen den Knoten herauszuschneiden, aber dadurch verlieren sie Wolle und die losen Enden müssen ja doch auch wieder mit einem Knoten verbunden werden. Und manche werfen das ganze Strickzeug einfach hin, was eigentlich gar keine Lösung ist oder wenn doch, dann die
schlechteste, die man sich aussuchen kann. Angst ist ein Zeichen, dass wir gerade so einen Knoten vor uns haben. Angst sagt uns: Pass auf, hier stimmt etwas nicht!
Was ich sage ist: löse die Knoten auf, auch wenn es mühsam und unbequem ist. Ein Knoten ist nichts anderes als festgehaltenes Potenzial – löst du den Knoten, setzt du das gefangene Potenzial wieder frei. Deine Angst zeigt dir, wo du dich verknotet hast, und wenn du den Knoten öffnest, wirst du sofort fühlen, wie etwas in dir gelöst wird. Du wirst dich freier fühlen. Du wirst mehr Energie haben. Du wirst mehr du selbst sein können.
Ich bitte dich deshalb, sehr genau in dich hinein zu fühlen, während du dieses Buch liest und natürlich auch noch darüber hinaus. Wann immer du einen Anflug von Angst fühlst, sei es in Gestalt des inneren Kritikers, sei es als körperliches Symptom, sei es in Reinform, bitte ich dich, für einen Moment ganz still zu sein. Sag nicht: „Verschwinde, Angst!“ Sag nicht: „Es gibt keinen Grund Angst zu haben.“ Das wäre albern, natürlich gibt es einen Grund, sonst wäre die Angst nicht da. Niemand von uns hat Angst, weil es so viel Spaß macht oder weil es nichts besseres zu tun gäbe. Ich verbiete dir, streng zu deiner Angst zu sein, hörst du? Ich verbiete es. Stell dir deine Angst als ein kleines Kind vor, das vor Schmerzen aufschreit. Und wann immer du es schreien hörst, ist es deine Aufgabe, auf der Stelle zu ihm zu eilen und zu fragen: Was hast du, was ist los, wo tut es dir weh? Wann immer du einen Stift oder einen Pinsel in die Hand nimmst oder die leere erste Seite deines Notizbuchs anstarrst und die Angst aufkommen fühlst, kannst du dir sicher sein: Du bist auf dem richtigen Weg. Und wenn dich deine Angst mit dieser hämischen kleinen Stimme fragt, was du denn bitteschön eigentlich schreiben oder zeichnen möchtest, kannst du ihr antworten: Alles – und mit dir fange ich an.
Denn die Angst sitzt immer genau da, wo die richtig große Beute versteckt ist im Unterbewusstsein. Und wenn du ihr folgst, werden dir niemals die Themen zum Schreiben und die Ideen zum Zeichnen ausgehen. Und es wird dir egal sein, wenn deine Zeichnungen nicht aussehen wie die, die du bei anderen immer so bewunderst, denn dann sind deine Zeichnungen Ausdruck deiner Persönlichkeit mit deiner ganzen Geschichte und das ist so viel mehr wert als zum menschlichen Tintenstrahldrucker zu werden. Und es wird dir egal sein, wenn deine Texte nicht so klingen wie die Romane deines Lieblingsautors, denn dein Lieblingsautor schreibt Unterhaltung für Geld und du schreibst deine Geschichte in deinen Worten. Und dein innerer Kritiker wird immer leiser, weil sogar er es langsam rafft und weil du nach und nach die Knoten in deinem Inneren auflöst und ihn damit zum Verblassen bringst.
Ich kann dir nicht versprechen, dass dieser Prozess einfach sein wird. Es wird schwer und du wirst höchstwahrscheinlich mit vielen Dingen in Berührung kommen, die sehr schmerzhaft für dich sind. Es wird lange dauern. Und ich kann dir nichtmals versprechen, dass du am Ende glücklich und zufrieden sein wirst, denn so läuft das im Leben einfach nicht. Oder vielleicht läuft es genau so und ich habe keine Ahnung – finde es heraus! Ich kann dir nur eins versprechen: Es wird besser. Ehrlich.
Fangen wir an.