Читать книгу Die besten ROCK-SONGS aller Zeiten (1.Teil) »Rock ‘n’ Roll« (Die 50er Jahre) - Norbert Wirth - Страница 5
Einführung
ОглавлениеDer „Rock and Roll“ (R&R) war nicht nur Musik, sondern auch Lebensgefühl und Protest. Wie ein Virus breitete es sich aus, erst in Amerika, dann in Westeuropa und später weltweit. Dieses Fieber hält bis heute an, dank Elvis und anderen. Will man heute dem Lebensgefühl von damals noch einmal begegnen, kann man auf „Graceland“, eine Art Wallfahrtsort und Museum für Elvis, die R&R-Zeit der 50er und 60er Jahre „stilecht“ nachvollziehen. So bleibt eine Rückschau lebendig. Auf alle Fälle bleiben uns die Legenden auf „Black Vinyl“ für immer erhalten. Die Stadt „Memphis“ in Tennessee gilt als die Geburtsstadt des R&R. Chuck Berry hat das so gesehen und in seinem gleichnamigen Song „Memphis Tennessee“ verarbeitet. Die „Beale Street“ und das „Sun“-Record-Studio (706, Union Avenue) stehen stellvertretend für die Protagonisten von damals. Bei Sam C. Philips, dem Label-Eigner von Sun, wurden die ersten legendären Aufnahmen von Elvis Presley, Johnny Cash, Jerry Lee Lewis, Carl Perkins, Roy Orbison, Charly Rich und anderen eingespielt.
Die Geschichte der „Pop- und Rockmusik“ ist ohne den Tonträger „Schallplatte“ nicht denkbar, genauer gesagt ohne die „Vinylplatte“. Ende der 1940er Jahre stellte Columbia Records die „33er“-Langspielplatte mit 12 inch vor, während RCA Victor die „45er“-Singleplatte mit 7 inch herausgab. Diese Maßeinheit hat bis heute Gültigkeit. Damit waren die technischen Voraussetzungen geschaffen, Unterhaltungsmusik einfach und massenhaft herzustellen. Die regionalen Radiostationen vor Ort spielten nun täglich diese „neue“ Musik. Der entscheidende Mann war der „Discjockey“ (DJ), der aus dem Angebot der Schallplattenfirmen seine „Favoriten“ heraussuchte und dementsprechend Werbung betrieb. Fast alle Radiostationen wurden von Weißen geleitet, die spielten aber nur Schlager aus dem Pop- und Country-Bereich. Der „R&R“ musste erst eingeführt werden und das begann erst mit Bill Haley und Elvis Presley. Einige wenige schwarze Radiostationen im Süden (zwischen Texas und Florida) spielten schwarzen „R&B“, weil es hier eine große Fangemeinschaft gab. Weiße Musiker, wie Elvis, Jerry Lee Lewis, Mickey Gilley oder Dale Hawkins, alle im Süden des mittleren Westens aufgewachsen, profitierten von den Einflüssen schwarzer Musik, indem sie beide Anteile, Rockabilly und R&B, mit ihren selbstgeschriebenen Songs vermischten. Die Schallplattenfirmen pressten sogenannte „Promotion Copies“, Extra-Ausgaben für die Radio-Stationen, um sie den DJs schon vor dem Erscheinen zu präsentieren. Das Marketing war klar, „Public Relation“ vor dem Verkauf. Ein gnadenloser Wettbewerb begann, denn auch kleinere, unabhängige Firmen wollten sich behaupten. Der Begriff „Payola“ machte die Runde! Die Firmen zahlten Schmiergelder, damit die DJs nur „ihre“ Songs auflegten und nicht die Platten der Konkurrenz. Der DJ Alan Freed ging sogar so weit, sich als Co-Autor eintragen zu lassen, um auch Tantiemen zu kassieren. Bei Chuck Berry war das nämlich der Fall! Elvis Presley war bei RCA auch als Co-Autor eingetragen, obwohl er nie einen eigenen Text schrieb.
In dem Spielfilm „Blackboard Jungle“ (Saat der Gewalt) von 1954 wurde Bill Haleys mit zwei Titeln eingespielt. Das war die Initialzündung. In diesem Gesellschaftsdrama ging es um jugendliche Straftäter, die wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden sollten, sich aber dagegen mit allen Mitteln auflehnten. Bill Haleys Musik schien mit diesen Jugendlichen in enger Verbindung zu stehen. Überhaupt hatte jetzt der Hollywood-Film die Jugend entdeckt: „The Wild One“ (Der Wilde) mit Marlon Brando und „The Rebell without cause“ (Denn sie wissen nicht was sie tun) mit James Dean hatten Themen mit Zündstoff. In diesen Filmen stellten sich jugendliche Typen mit Freiheitsdrang und Selbstbehauptungswillen vor. Marlon Brando spielte in „The Wild One“ einen Motorrad-Freak in Lederkleidung: Eine Art Vorläufer eines „ersten“ Rockers. R&R bestand nicht nur aus Musik! Das „Anderssein“ wurde nun auch optisch zelebriert, Jeans, … Lederkleidung und frisierte Haartollen (wie Elvis) waren die äußerlichen Merkmale. Aus der Arbeitskleidung für Cowboys entwickelte sich ein Modetrend für Teenies. Unbewusst stellte sich die Jugend mit ihrem Aufbegehren gegen einen „triebhemmenden Konservatismus“ der Eltern. Die jungen Schauspieler in ihren Rollen lebten es vor: James Dean in „Jenseits von Eden“ gerät bei einem Streit mit seinem Vater an einen Punkt, wo er das Über-ich des Vaters abwirft, weil er das Fremdbestimmende hasst.
Aber zurück zur Musik! Der R&R erzeugte ein „neues“ Lebensgefühl. Wonach sehnte sich der Teenager? Ihre Bedürfnisse waren Sehnsüchte nach Freiheit, Spaß und Sex! Bill Haley fungierte dabei als Multiplikator, da wo er auftauchte, verbreitete er die Botschaft der Zeit. Die Helden der Musik waren die „rockenden“ Sänger und Gitarristen. Die E-Gitarre entwickelte sich zum Kult-Instrument, kaum ein anderes Instrument wurde so beliebt. Spätere Rockgitarristen der 60er Jahre wie Eric Clapton, Johnny Winter, Frank Zappa, Jeff Beck, Peter Green, Jimmy Page, Gary Moore und andere wurden zu Kultfiguren des Rock. Ihre Vorbilder waren wiederum schwarze Gitarristen, wie Freddie King, Muddy Waters, John Lee Hooker, Chuck Berry, B.B. King oder Bo Diddley, um nur einige zu nennen. Heute ist Rock- und Pop-Musik ein Riesengeschäft: Elvis Presley, James Dean und Michael Jackson sind die Galionsfiguren, einerseits für die Musik – andererseits für das Geschäft. Nach dem R&R kamen andere Helden ins Spiel, die Beatles und die Rolling Stones. In Amerika gab es schon um 1900 Chart-Aufzeichnungen, aber erst die 7“ – und 12“-Inch-Norm für Singles und Langspielplatten am Ende der 40er Jahre führte dazu, dass die Schallplattenindustrie ein neuer innovativer Markt wurde. Die „Cashbox“-Hitparade, ab 1942, spiegelte das Abspielen der Schallplatten bei den Münzaufstellern, den „Juke Boxen“, wider. Ende 1958 haben Billboard-Veröffentlichungen dazu geführt, eine „Top 100“ für Singles einzurichten. Für die „Charts“ galten drei Kriterien: Einmal die reinen Verkaufszahlen der einzelnen Schallplatte, dann die Einsätze bei den Radio-Sendern und die Anzahl der Einspielungen bei den Münzautomaten. Alles zusammen ergab dann eine „absolute“ Hitparade. Mit der Vinyl-Platte kam auch ein entsprechender „Musik-Journalismus“ auf. Musik-, Jugend- und Fanmagazine waren Zeitschriften nur für Jugendliche, weil sie mit ihren Themen und Artikeln, die Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen vertraten. In England der 60er Jahre gab es gleich „drei“ Pop-Charts-Notierungen, im „Record Mirror“, im „Melody Maker“ und im „New Musical Express“; drei Pop-Musik-Magazine, die nebeneinander konkurrierten. Ähnlich wie in Amerika gab es in England „ethnische“ Minderheiten, z. B. Einwanderer aus der Karibik. Für sie gab es eine externe Hitparade für Sänger und Gruppen der „Ska-Music“.
Die großen Schallplattenfirmen suchten neue Stars, Zugpferde des R&R. Das bekannteste Beispiel ist Elvis Presley, der 1956 von RCA Victor für eine Ablösesumme von 35.000 Dollar vom damaligen „Sun-Label“ freigekauft wurde. Die kleineren Labels betätigten sich auch als lokale Talentscouts, die in der Provinz Talente aufspürten. Hatten sich Sänger oder Gruppen bei unabhängigen Firmen behauptet, wurden sie sogleich von den größeren umworben. Neben der Musik suchten die Jugendlichen nach Identität. Nicht das „verpflichtende Ich“ einer angepassten Generation, sondern die Suche nach „erfüllenden Lebensinhalten“ bestimmte ihren Aktionismus. Junge, unverbrauchte Schriftsteller brauchte das Land. Jack Kerouac, Dylan Thomas und andere waren die Verfechter einer neuen „Beat-Lyrik“. Jerome D. Salinger schrieb sein „Catcher in the rye“ (Fänger im Roggen). Der Weg war eine „beschwerliche Sinnsuche“. Der R&R befreite und erlöste in gewisser Weise die Sinnsuchenden, die Musik entsprach ihren Empfindungen. Mitten in der Euphorie machte sich ein erster Schmerz breit: Buddy Holly, Ritchie Valens, Big Bopper und Eddie Cochran waren junge, vielversprechende „Rock’n’Roller“, die frühzeitig ums Leben kamen. Gerade Anfang Zwanzig und schon Legende! Buddy Holly war zum Beispiel nach seinem Tod populärer als vorher. Mit ihrer Musik waren sie gewissermaßen „unsterblich“ geworden. Würde Elvis heute noch leben, wäre er 78 Jahre alt. Seine ehemalige Kollegin und Mitstreiterin, Wanda Jackson, ist weiterhin mit R&R unterwegs. „Memphis“ ist heute ein musikalisches Freilichtmuseum des R&R, ebenso wie New Orleans eine Stätte des Jazz und des R&B ist. Nach Elvis kamen andere Superstars, die Beatles, die Rolling Stones, Bob Dylan, Johnny Cash, Tina Turner und andere Rock-Größen. Jeder „lebte und liebte“ den R&R auf seine Art!
Die schwarze Vinyl-Scheibe ist heute wieder „Kult“, vertritt sie doch symbolisch die Anfänge der 50er Jahre. Die CD dagegen besitzt keinen Kultstatus, sie verkörpert eher den „kühlen Charme“ einer Lifestil-Generation, pure „Post-Moderne“ für einen schnellen Pragmatismus. Die CD hat das „schwarze Vinyl“ noch nicht verdrängt, in ihr steckt vielleicht noch der „Ur-Schrei des R&R“. Flohmärkte und Second-Hand-Läden werden zu Börsen für Schnäppchenjäger und Raritäten-Junkies. Für die Älteren wird R&R zum „Nostalgie-Trip“ und die jungen Generationen entdecken gerade erst die Wurzeln des R&R. Auch das Fernsehen entdeckt die Rock-Größen der Vergangenheit, Live-Aufnahmen, Musikbeispiele und Interviews ergeben ein fast authentisches Bild. Und verschiedene „Biographie“-Verfilmungen, z. B. über Ray Charles, Johnny Cash, James Dean, Tina Turner und Jerry Lee Lewis tragen zur Legendenbildung bei. Die Zukunft war gestern, heute leben wir wieder in der Vergangenheit. Gegenwärtig sind wir da gerade angekommen: „C’mon baby, let the good times roll!”
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