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2-0: Mer de Glace

2 Bausteine der Alpen: Das prä-triadische Grundgebirge

2.1 Das prä-triadische Grundgebirge von Schwarzwald-Vogesen

2.2 Das prä-triadische Grundgebirge der Externmassive

Externmassive der Westalpen

Externmassive der Zentralalpen

Externmassive der Ostalpen

2.3 Das prä-triadische Grundgebirge der Decken des Penninikums

2.4 Das prä-triadische Grundgebirge des Ostalpins

2.5 Das prä-triadische Grundgebirge des Südalpins

2.6 Paläozoische Sedimente in den Ost- und Südalpen

Paläozoikum der Karnischen Alpen

Paläozoikum der Grauwacken-Zone

Paläozoikum der Innsbruck-Quarzphyllite

2.7 Das variszische Gebirge im ausklingenden Paläozoikum

2.8 Post-variszische Sedimente und Vulkanite des Perms

Der Nordschweizer Permokarbon-Trog

Das Permokarbon im Helvetikum

Das Permokarbon im Penninikum

Das Permokarbon im Ostalpin

Das Permokarbon im Südalpin

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In diesem Kapitel werden die prätriadischen Gesteinsserien behandelt, die vielerorts in den Alpen die direkte Unterlage der mesozoischen Sedimentabfolgen bilden. In diesem Grundgebirge können eine Vielzahl unterschiedlicher Gesteinsserien unterschieden werden. Einige sind in ähnlicher Ausbildung an verschiedenen Orten auszumachen. Dies betrifft namentlich folgende drei Gesteinsgruppen:

– Kristalline polymetamorphe Gesteine, die auch als Altkristallin bezeichnet werden. Das Alter dieser Gesteine reicht bis weit ins Präkambrium zurück. Ursprünglich handelte es sich zumeist um klastische Sedimente und Basalte.

– Magmatische Gesteine, namentlich Granite und Vulkanite. Besonders verbreitet sind granitische Intrusiva aus dem Ordovizium, die heute als Orthogneise vorliegen, Granite aus dem späten Karbon sowie eine Gruppe von Magmatiten permischen Alters.

– Paläozoische Sedimente, altersmäßig vom Ordovizium bis ins Karbon reichend, sowie spätpaläozoische Sedimente permokarbonen Alters.

Von der Entstehungsgeschichte her betrachtet, erlebten die Gesteine des prä-triadischen Grundgebirges mehrere Phasen von Gebirgsbildung und Beckenbildung. Drei größere Ereignisse im Paläozoikum prägten das Bild nachhaltig: Gebirgsbildung auf dem Gondwana-Kontinent des pan-afrikanischen Zyklus (vor 870 bis 550 Millionen Jahren), die kaledonische Gebirgsbildung im nordwestlichen Europa und die variszische Gebirgsbildung in Zentraleuropa. Zeugen dieser Gebirgsbildungen sind metamorphe Überprägungen, die sowohl druckbetonte Paragenesen und sogar Eklogite produzierten wie auch zu Aufschmelzungen (Anatexis) bei höheren Temperaturen und zur Bildung von Migmatiten führten. Schließlich zeugen auch magmatische Aktivitäten, bei denen verbreitet granitische Gesteine und Vulkanite entstanden, von diesen Orogenesen. Vor, während und nach diesen Gebirgsbildungen lagerten sich diverse Sedimentgesteine in größeren und kleineren Becken ab. Obschon diese Sedimente nur spärlich erhalten sind, passen sie in das Bild. Durch die jüngste, die alpine Gebirgsbildung und die vorangehende Beckenbildung beim Zerbrechen von Pangäa wurde das prä-triadische Grundgebirge in kleine Blöcke zerlegt. Um die großen Zusammenhänge zu erkennen, müssen wir versuchen, uns aus diesen geografisch isolierten Blöcken ein Bild zu machen. Dieses Unterfangen ist recht schwierig. Da wir aber an den unterschiedlichsten Orten in den Alpen immer wieder eine ähnliche lokale Entwicklungsgeschichte feststellen können, darf der Synthese trotzdem viel Glaubwürdigkeit beigemessen werden. Die vormesozoische Geologie der gesamten Alpen ist in jüngerer Zeit in einer Übersichtsdarstellung eingehend diskutiert worden (von Raumer & Neubauer 1993a); hierin finden sich zahlreiche lokale, regionale und überregionale Zusammenstellungen, auf die in diesem Kapitel mehrfach zurückgegriffen wird. Eine jüngere Publikation (von Raumer et al. 2013) diskutiert das prä-mesozoische Grundgebirge in einem größeren, europäischen Zusammenhang.

Die eingangs erwähnte Dreiteilung der Gesteinsserien des prä-triadischen Grundgebirges kann vom nordalpinen Vorland (Schwarzwald-Vogesen, Böhmisches Massiv) bis in die eigentlichen Alpen verfolgt werden. Abb. 2-1 zeigt, wie das Grundgebirge in den Alpen in |Seite 37| isolierten Schollen oder Blöcken an der Erdoberfläche anzutreffen ist. Beispiele solcher Schollen sind die Externmassive im Helvetikum, die Kristallindecken im Penninikum, die ostalpinen Decken und das Südalpin, alles Einheiten, die anlässlich der alpinen Gebirgsbildung über größere Distanzen relativ zueinander bewegt wurden. Die isolierten und lückenhaften Aufschlüsse machen es denn auch schwierig, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Vorkommen im Detail zu verstehen. Im Folgenden werden einzelne dieser Grundgebirgsblöcke näher diskutiert. Die ausgewählten Beispiele sind einmalig, was das Spektrum der Gesteine und deren Entstehung angeht, und sind durch neuere Untersuchungen besonders gut dokumentiert.

2.1 Das prä-triadische Grundgebirge von Schwarzwald-Vogesen

Beiderseits des Rhein-Grabens nördlich von Basel ist auf den Grabenschultern das prä-triadische Grundgebirge in zwei geologischen Fenstern entblößt. Im nördlichen Teil dieser Fenster sind mäßig metamorph überprägte Gesteine des variszischen Gebirges an der Oberfläche aufgeschlossen. Im mittleren Teil sind es polymetamorphe Gneise des sogenannten Zentralen Gneis-Komplexes. Südlich davon quert ein schmaler Gürtel aus paläozoischen Sedimenten den Schwarzwald. Die südlich angrenzenden polymetamorphen Gneise bilden den „Südlichen Gneis-Komplex“. Abb. 2-2 basiert auf Eisbacher et al. (1989), ergänzt nach Huber & Huber (1984), und zeigt die Verbandsverhältnisse im südlichen Schwarzwald.

Der „Zentrale Gneis-Komplex“ besteht aus gebänderten polymetamorphen Paragneisen, Orthogneisen, Metabasika und Meta-Ultrabasika, die allesamt nach Norden einfallen.

Die Zusammensetzung der Paragneise lässt darauf schließen, dass der Protolith aus Grauwacken und Tonschiefern bestand, die aus einem Liefergebiet aus proterozoischen Gesteinen stammen. Geochemische Daten deuten darauf hin, dass die Gesteine des „Zentralen Gneis-Komplexes“ mindestens eine metamorphe Überprägung im frühen Paläozoikum erlitten, mit einem Temperaturhöhepunkt im mittleren Ordovizium, vor 480 bis 460 Millionen Jahren (vgl. Eisbacher et al. 1989). An vielen Stellen im Schwarzwald können auch Aufschmelzungen beobachtet werden, aber die Datierung dieser anatektischen Vorgänge ist unsicher. Nach Huber & Huber (1984) kann eine erste Anatexis im frühen Kambrium (vor 550 bis 520 Millionen Jahren) und eine zweite, die „Hauptanatexis“, im frühesten Ordovizium (vor 490 bis 480 Millionen Jahren) vermutet werden. Nach Eisbacher et al. (1989) deuten petrologische Daten in Ultramafika, eklogitischen Amphiboliten und granulitischen Paragneisen auf eine eklogitisch-granulitische Hochdruck-Metamorphose, die vor einer regionalen Metamorphose unter mittleren Drücken stattfand. Eine noch jüngere, druckbetonte metamorphe Überprägung fand anschließend während der variszischen Orogenese statt. All diese Vorgänge belegen, dass der „Zentrale Gneiskomplex“ im Paläozoikum mehrere Orogenesen erlebte. Die hohen Grade der metamorphen Umwandlungen lassen nur wenige und ungenaue Aussagen zur älteren Entwicklungsgeschichte dieser Gesteine zu. Die Grenze zum „Südlichen Komplex“ bildet eine nordfallende Überschiebung, die Todtnau-Überschiebung, längs welcher der „Zentrale Gneis-Komplex“ in südöstlicher Richtung auf paläozoische Sedimente aufgeschoben ist (Eisbacher et al. 1989). Die Todtnau-Überschiebung ist von parallel verlaufenden retrograden Scherzonen im „Zentralen Gneis-Komplex“ begleitet. Die Aufschiebung des Letzteren fand gemäß K/Ar-Abkühlaltern im frühen Karbon (vor 340 bis 330 Millionen Jahren) statt (op. cit.).

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2-1 Tektonische Karte der Alpen. Für alle tektonischen Einheiten sind das prä-triadische kristalline Grundgebirge sowie paläozoische Sedimente gesondert ausgeschieden. A-R: Aiguilles Rouges-Massiv, M-B: Mont Blanc-Massiv.

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Der Gürtel von paläozoischen Sedimenten südlich der Todtnau-Überschiebung wird als „Badenweiler-Lenzkirch-Zone“ bezeichnet. Die Sedimente enthalten unten marine Kalke, Tonsteine, Siltsteine und sporadisch kalkige Olistostrome des späten Devons. Den Hauptteil der Sedimente machen aber Turbiditablagerungen mit Feldspat- und vulkanischen Komponenten aus. Sie sind altersmäßig in das frühe Karbon zu stellen und als synorogene Sedimente zu deuten. Als jüngstes wurden im Visean (vor zirka 330 Millionen Jahren) Konglomerate als „channel deposits“ unter paralischen, nicht marinen Bedingungen sowie mannigfaltige vulkanische Brekzien abgelagert. Generell gesehen, liegen die älteren Sedimente eher im nördlichen Teil des Gürtels und die jüngsten Konglomerate eher im Süden und ohne Tiefgang. Im Querprofil ergibt sich somit eine nach SSE überkippte Serie.

Wie in Abb. 2-2 ersichtlich, bildet eine Abschiebung die Grenze zwischen der „Badenweiler-Lenzkirch-Zone“ und dem „Südlichen Gneis-Komplex“. Diese Abschiebung bringt die Gneise im Süden (Hotzenwald-Gruppe) in direkten Kontakt zu den unmetamorphen paläozoischen Sedimenten. Die wichtigsten Gesteine im „Südlichen Gneis-Komplex“ sind polymetamorphe und monometamorphe Schiefer, vergneiste Metavulkanite, Ultramafika, selten Gabbros sowie Linsen von mylonitischen Leukograniten (Eisbacher et al. 1989). Viele dieser Gesteine sind lediglich als größere Schollen innerhalb der jüngeren Granite erhalten. In den mylonitischen Leukograniten zeigen Schersinnindikatoren auf Überschiebung in Richtung Südosten. Daneben sind aber mehrere dextrale Seitenverschiebungen (teilweise mit Abschiebungskomponenten) zu verzeichnen.

Im späten Karbon drangen eine Reihe von Graniten in die alten Gneise und die paläozoischen Sedimente ein. Die Alter dieser Granite variieren von 330 bis 310 Millionen Jahren, mit einer Häufung um 330 Millionen Jahre. Sie durchschlagen die variszischen Strukturen wie etwa die „Badenweiler-Lenzkirch-Zone“ oder die Todtnau-Überschiebung, sind also als post-variszisch zu bezeichnen. Einzelne ältere Granite sind im frühen Karbon eingedrungen („Randgranit“ 358 Millionen Jahre, Mambach„granit“ 352 Millionen Jahre; Huber & Huber 1984) und sind von der variszischen Gebirgsbildung deformiert.

Eine Serie von klastischen Sedimenten und Vulkaniten des späten Karbons und Perms überlagern die oben besprochenen Einheiten diskordant. Der Einbruch dieser permokarbonen Becken begann im Westphalian (zirka 310 Millionen Jahre) und kulminierte im Rotliegenden vor 307 bis 286 Millionen Jahren. Die vulkanische Tätigkeit förderte in der Zeit zwischen etwa 307 und 286 Millionen Jahren (vgl. Eisbacher et al. 1989) saure Magmen (Rhyolite). Die Becken bildeten sich als lokale Gräben, in denen eine zwei bis drei Kilometer mächtige Sequenz von fluviatilen und limnischen Sandsteinen, Tonen und Mergeln sowie Kristallinbrekzien in Schuttfächern abgelagert wurden |Seite 41| (Matter 1987). Ähnliche Becken sind in allen alpinen Bereichen ebenfalls zu finden, wie später diskutiert wird.


2-2 Geologische Karte des südlichen Schwarzwaldes, basierend auf Eisbacher et al. (1989) und Huber & Huber (1984). Die Verbandsverhältnisse veranschaulichen die spätpaläozoische Entwicklungsgeschichte. An: Andalusit, Bi: Biotit, Chlor: Chlorit, Cor: Cordierit, Gra: Granat, Mu: Muskovit, Sill: Sillimanit.

2.2 Das prä-triadische Grundgebirge der Externmassive

In den Externmassiven der Alpen ist das prä-triadische Grundgebirge in mehreren Kristallinaufbrüchen der direkten Beobachtung zugänglich. Infolge der zusätzlichen alpinen Überprägung, die im Schwarzwald fehlt, ist eine Deutung der Gesteinsverbände in den isolierten Aufschlüssen für einzelne Fälle noch schwieriger. Trotzdem lassen sich einige Gemeinsamkeiten feststellen. An mehreren Orten kommen beispielsweise proterozoische Metasedimente, ordovizische |Seite 42| Orthogneise, variszische Migmatite und spät- oder post-variszische Granite des frühen Karbons, sowie permische Granite, Vulkanite und kontinentale Klastika vor, um die wichtigsten Elemente vorwegzunehmen. Andere Serien, wie etwa unmetamorphe paläozoische Sedimente des Ordoviziums, Silurs und Devons, sind bezüglich ihres Vorkommens auf einzelne Regionen, das Ostalpin im Speziellen, beschränkt. Um den regionalen Unterschieden gerecht zu werden, erfolgt die Diskussion des prä-triadischen Grundgebirges regional gegliedert und beschränkt sich auf einige besonders gut dokumentierte Beispiele.

Externmassive der Westalpen

Wie aus Abb. 2-1 ersichtlich, reihen sich die Kristallinaufbrüche von Argentera, Pelvoux, Belledonne und Aiguilles Rouges/Mont Blanc im externen Teil der Alpen aneinander. All diesen Externmassiven gemeinsam ist nach von Raumer et al. (1993c) eine Serie von polymetamorphen Metasedimenten, die im Silur oder frühen Devon von einer Hochdruck-Metamorphose mit Eklogitbildung und später, im späten Devon oder frühen Karbon, von einer regionalen Metamorphose, die in Zusammenhang mit der variszischen Gebirgsbildung steht, überprägt wurde. Schließlich erfolgten jüngste Überprägungen anlässlich der alpinen Orogenese. Die Metasedimente werden auch unter dem Begriff „Altkristallin“ zusammengefasst. Sie dürften altersmäßig ins späte Proterozoikum und frühe Paläozoikum zu stellen sein (von Raumer et al. 1993c). Eine Serie von Metagrauwacken, wechsellagernd mit Quarziten und Metapeliten, seltenen Karbonaten, ist möglicherweise als Plattformsedimente assoziiert mit einem Rift zu deuten. Eine andere Serie, bestehend aus Glimmerschiefern mit Amphibolitlagen und Diopsid-Marmoren, begleitet von gebänderten Metagrauwacken und sauren Gneisen und Amphiboliten, ist eher in einem ozeanischen Umfeld zu sehen.

Für die im Argentera-Massiv verbreitet vorkommenden granitischen Bändergneise werden als Protolith saure Vulkanite vermutet, während die Augengneise und feinkörnigen granitischen Gneise im Aiguilles Rouges-Massiv als Metavulkanite eines ehemaligen Inselbogens gedeutet werden. Schließlich sind die Augengneise im Mont Blanc-Massiv, deren Alter mit 460 Millionen Jahre angegeben werden kann, als ordovizische Granite zu interpretieren. Unklar ist das Alter der Metapelite (sogenannte Série satinée) im Belledonne-Massiv.

Neben diesen polymetamorphen Metasedimenten sind hauptsächlich im Belledonne-Massiv monometamorphe Serien auszumachen (von Raumer et al. 1993c). Eine dieser Serien, der Chamrousse-Ophiolith, besteht aus ultramafischen Gesteinen und Gabbros mit einem Kristallisationsalter von 497 bis 496 Millionen Jahren. Die Entstehung wird am Übergang von ausgedünnter, ozeanisierter kontinentaler Kruste zu ozeanischer Kruste angenommen. Deutlich jünger ist der plutonisch-vulkanische Komplex von Rioupéroux-Livet mit Amphiboliten und Trondhjemiten (Alter 365 bis 350 Millionen Jahre). Die Taillefer-Serie schließlich enthält Metapelite, -arenite, -konglomerate sowie Metaspilite und -keratophyre, die altersmäßig ins ältere Karbon zu stellen sind. Bei dieser letzten Serie könnte es sich um Sedimente und Vulkanite handeln, die in Zusammenhang mit der Bildung eines intrakontinentalen Pullapart-Beckens zu sehen sind.

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Verbreitet sind auch variszische Migmatite, die teilweise Cordierit enthalten. Exhumation durch Deckenstapelung und Erosion im späten Devon und frühen Karbon führten zu einer Dekompression und einer Erhöhung des geothermischen Gradienten im entstehenden variszischen Gebirge. Als Folge davon kam es zur Aufschmelzung (Anatexis) von Krustengesteinen.

Die Deformation während der variszischen Gebirgsbildung begann im späten Devon. Eine Hauptschieferung überprägte frühe, prä-existente Falten, und auf dieser Hauptschieferung ist eine Streckungslineation zu sehen, die auf eine Nord-Süd-Scherung deutet (von Raumer et al. 1993c). Später, im frühen Karbon, entstanden Großfalten, die alle früheren Strukturen überprägten.

Schließlich enthalten die Externmassive eine Reihe von spät- und post-variszischen Graniten. Die granitoiden Schmelzen intrudierten das polymetamorphe Altkristallin, die monometamorphen Serien und die Migmatite. Nach Bonin et al. (1993) sind die älteren Intrusionen im frühen Karbon (vor 350 bis 330 Millionen Jahren) eingedrungen, K-reich, der kalk-alkalischen Reihe zuzuordnen, und ihr porphyritisches Gefüge deutet auf ein seichtes Intrusionsniveau. Diese Granitoide sind nach der Kollision von Gondwana mit Baltica in einen fertigen Krustenstapel eingedrungen, sind also spät-variszisch.

Im späten Karbon (vor 320 bis 290 Millionen Jahren) sind vulkanischplutonische Komplexe der Alkali- bis Kalkalkali-Reihe entstanden. Ihre Platznahme ist im Umfeld einer post-variszischen Dehnungstektonik zu sehen.

Schließlich sind im Perm noch jüngere vulkanische und plutonische Aktivitäten zu verzeichnen. Diese sind im Zusammenhang mit einer westmediterranen Provinz und dem Aufbrechen von Pangäa bzw. der Öffnung eines Arms der Tethys Richtung Westen zu sehen (vgl. S. 22, Abb. 1-5).

Im Argentera-Massiv (Abb. 2-3) sieht man, wie ein post-variszischer Granit, dessen Alter nach Bonin et al. (1993) in die Wende spätestes Karbon/frühestes Perm (293 bis 285 Millionen Jahre) fällt, einen Orthogneiskörper und die Grenze der variszischen Migmatite zum Altkristallin schneidet.

Am Beispiel des südwestlichen Belledonne-Massivs (Abb. 2-4) sind variszische Hauptüberschiebungen auszumachen, die den Chamrousse-Ophiolith und das Altkristallin in entgegengesetztem Sinn auf den Rioupéroux-Livet-Intrusivkomplex aufschieben. Der variszische Granit (Sept-Laux-Granit), der sich als relativ schmales Band über 100 Kilometer nach Nordosten fortsetzt, ist mit seinem Alter von 330 Millionen Jahren, d. h. frühes Karbon, als spät-variszisch einzustufen. Nach Bonin et al. (1993) sind die Schmelzen durch fortlaufende Anatexis in der Unterkruste entstanden.

Im Aiguilles Rouges-Massiv (Abb. 2-5) fällt auf, dass die im Altkristallin eingefalteten Sedimente des Devons und Karbons im Südwesten Nord-Süd verlaufen, also schief zum alpinen Streichen, das durch die längliche Form der beiden Massive angedeutet ist. Demgegenüber verlaufen die jungpaläozoischen Sedimente im Nordwesten des Massivs parallel zum alpinen Streichen und parallel zum schmalen Band des Vallorcine-Granits. Dieser Granit ist nach Bonin et al. (1993) als tafelartiger Pluton vor 320 Millionen Jahren eingedrungen, und zwar in einem transtensiven Regime. Die Schmelzen deuten auf Anatexis im krustalen Bereich (Aufschmelzung von Metapeliten), aber gewisse mafische Komponenten schließen einen Beitrag von Mantelschmelzen nicht aus.

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2-3 Geologische Karte des Argentera-Massivs, ein Externmassiv der Westalpen. Umgezeichnet nach von Raumer et al. (1993). Spätvariszische Migmatite sind an einer Überschiebung auf Glimmerschiefer der Valetta-Formation aufgeschoben.


2-4 Geologische Karte des südwestlichen Belledonne-Massivs, ein Externmassiv der Westalpen. Umgezeichnet nach von Raumer et al. (1993). An variszischen Überschiebungen sind alte Gesteine (Altkristallin und ordovizischer Chamrousse-Ophiolith) auf jüngere (Devon) aufgeschoben.

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2-5 Geologische Karte des Aiguilles Rouges- und des Mont Blanc-Massivs, zwei Externmassive am Übergang Westalpen-Zentralalpen. Umgezeichnet nach von Raumer et al. (1993). Eingefaltetes Devon und frühes Karbon streichen NNW-SSE, eingefaltetes Permokarbon NNE-SSW. Der postvariszische Mont Blanc-Granit schneidet variszische Migmatite, Metagranite und Altkristallin. Das Foto zeigt die Sicht auf die Aiguilles de Chamonix (Haute Savoie, Frankreich) mit Blickrichtung SSE. Die Gipfelpyramiden von Blaitière und Grand Charmoz sind aus Mont Blanc-Granit aufgebaut, Petit Charmoz (dunkel) aus polymetamorphen Gneisen.

Der Mont Blanc-Granit im benachbarten gleichnamigen Massiv ist mit einem Alter von 316 bis 304 Millionen Jahren etwas jünger (spätes Karbon). Auch die Platznahme dieses Granits erfolgte offenbar in einer transtensiven Scherzone. Aber infolge anschließender rascher Exhumation wurde auf dem Granit ein größerer Rhyolitkörper abgelagert. Dessen Alter beträgt nach neueren Datierungen (Capuzzo & Bussy, in von Raumer 1998) 295 Millionen Jahre (frühestes Perm).

Externmassive der Zentralalpen

Die prä-triadischen Gesteinsabfolgen im Aar- und Gotthard-Massiv sind insgesamt jenen der oben besprochenen Externmassive sehr ähnlich. Aus diesem Grunde werden lediglich zwei besonders instruktive Beispiele näher beschrieben.

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Am Ostende des Aar-Massivs sind die Verbandsverhältnisse im Limmerngebiet von Franks (1968) studiert worden, Schaltegger & Corfu (1995) geben eine Gesamtschau der magmatischen Ereignisse. In Abb. 2-6 sind schematisch die Verbandsverhältnisse im Grundgebirge und im Mesozoikum darüber (nach eigenen Untersuchungen) dargestellt, ergänzt mit den Intrusionsaltern. Folgende Abfolge geologischer Ereignisse kann in diesem Gebiet ausgeschieden werden: Im frühen Karbon, wahrscheinlich im Zeitraum zwischen 350 und 340 Millionen Jahren, bildete sich im Altkristallin des östlichen Aar-Massivs ein Graben, der mit klastischen Sedimenten und Vulkanoklastika gefüllt wurde, die heute als Metakonglomerate und Hornfelse vorliegen (Bifertenfirn-Metasedimente von Franks 1968). Bei der Intrusion des Tödi-Granits, dessen Alter 333 Millionen Jahre beträgt (frühes Karbon), wurden die Metasedimente kontaktmetamorph überprägt. Die Metasedimente wurden aber auch von einer regionalen Metamorphose überprägt und gefaltet, wobei das Alter dieser Vorgänge nicht präzise festgelegt werden kann. Gänge durchschlugen die Metasedimente und den Tödi-Granit vor 310 Millionen Jahren. Etwas später, vor knapp 300 Millionen Jahren, intrudierte der Zentrale Aare-Granit, ein größerer Pluton, der über eine Stecke von weit über 100 Kilometern gegen das Westende des Aar-Massivs verfolgt werden kann. Im Dach der Intrusion intrudierten Mikrogranite (Alter 299 Millionen Jahre) in die Metasedimente, und im Falle des Sandalp-Ryoliths (Alter 300 Millionen Jahre) erreichten die Schmelzen sogar die Erdoberfläche. Um diese Zeit (300 Millionen Jahre) wurde der Tödi-Granit samt Nebengesteinen exhumiert und gleich anschließend von Vulkanoklastika des späten Karbons (Bifertengrätli-Formation von Franks 1968) bedeckt. Pflanzenfunde erlaubten eine Datierung dieser Gesteine als Westphalian D-Stephanian, d. h. spätes Karbon (310 bis 300 Millionen Jahre). Die Bifertengrätli-Formation ist somit fast gleich alt wie der Sandalp-Rhyolit. Abgelagert wurde die Bifertengrätli-Formation in einem tektonischen Graben, dessen Nordrand in etwa die Fortsetzung des älteren Grabens darunter ist. Die Formation setzt mit einem Basalkonglomerat ein, gefolgt von einem vulkanischen Member. Das nächste, ästuarine Member enthält kreuzgeschichtete Sandsteine, Arkosen sowie Kohlelagen mit datierbaren Pflanzenresten und deutet auf eine Flutung des Grabens. Diese ist mit dem jüngsten, lakustrinen Member vollständig abgeschlossen. Eine Faltung erfasste die jüngere Grabenfüllung, sodass die triadischen Sedimente nach Erosion und Peneplanisierung diskordant auf die Sedimente und Vulkanite abgelagert wurden. Offenbar fand in diesem Teil des Aar-Massivs Kompression, allenfalls Transpression, noch im spätesten Karbon (oder Perm?) statt.

Die oben diskutierten Gesteinsserien können zwanglos weiter nach Westen ins Maderanertal verfolgt werden (Franks 1968, Schaltegger & Corfu 1995). Allerdings dominieren dort die vulkanischen Gesteine über die klastischen Sedimente. Der Zentrale Aare-Granit zieht sich über eine Distanz von 100 km nach WSW. Sein Kontakt zu den polymetamorphen Gneisen, den Rahmengesteinen, ist auf der NNWFlanke des Bietschhornes aufgeschlossen (Abb. 2-6).

Im Falle des Gotthard-Massivs fokussiert sich die Diskussion auf das Gebiet zwischen Gotthard- und Lukmanierpass. Die geologische Karte in Abb. 2-7 basiert auf der Arbeit von Mercolli |Seite 47| et al. (1994). Sie zeigt, wie im Osten der Karte die Medels- und Cristallina-Intrusiva die Kontakte von ordovizischen Orthogneisen zu präkambrischen Migmatiten, Metagabbros und Amphiboliten scharf und diskordant schneiden. Dasselbe zeigt sich im Weststeil für den Fibbia-Granit. Des Weiteren erkennt man die großräumigen Schlingenstrukturen der ordovizischen Orthogneise, deren Intrusionsalter 439 bis 436 Millionen Jahre, d. h. spätestes Ordovizium, beträgt. Diese Schlingentektonik ist nach Mercolli et al. (1994) der variszischen Gebirgsbildung zuzuschreiben.



2-6 Synoptischer Profilschnitt im östlichen Aar-Massiv, einem Externmassiv der Zentralalpen, basierend auf Franks (1968), Schaltegger & Corfu (1995) und eigenen Untersuchungen. Die Verbandsverhältnisse zeigen die mehrphasige Entwicklungsgeschichte der Gesteinsserien. Die Sedimente und Vulkanite des frühen Karbons sind am Kontakt zum Tödi-Granit bei dessen Intrusion kontaktmetamorph überprägt worden. Das Foto zeigt das Bietschhorn (Wallis, Schweiz) mit Blickrichtung nach SSE über das Lötschental. Der Kontakt zwischen dem post-variszischen Zentralen Aare-Granit (helle Gipfelpartie des Bietschhorns) und den polymetamorphen Gneisen des Altkristallin (dunkle Partie unterhalb der Gipfelpyramide) ist durch die Farbunterschiede klar markiert.

In der Legende zu Abb. 2-7 sind auch Alter und Gesteinstypen der verschiedenen Einheiten des Altkristallins charakterisiert. Insgesamt ergeben sich gewisse Ähnlichkeiten zu den Abfolgen in den Externmassiven der Westalpen und im Schwarzwald. Prä-kambrische Gabbros, Ophiolithe und klastische Sedimente liegen heute als polymetamorphe Metagabbros, Amphibolite, Serpentinite, Migmatite und gebänderte Gneise vor. Sie sind von ordovizischen Graniten intrudiert, die variszisch metamorph überprägt und gefaltet wurden. Klastische Sedimente des Silurs und Devons (?) wurden durch die variszische Gebirgsbildung zu Quarziten und unterschiedlichen Schiefern und Phylliten umgewandelt. Die granitischen Intrusiva des späten Karbons sind deutlich weniger deformiert als die älteren Gesteine, und die vorhandene Deformation ist auf die alpine Gebirgsbildung zurückzuführen. Das Alter der Intrusiva beträgt zwischen 303 und 300 Millionen Jahren (Schaltegger 1994), d. h., die Intrusiva sind gleich alt wie der Zentrale Aare-Granit im Aar-Massiv.

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2-7 Geologische Karte des östlichen Gotthard-Massivs, eines Externmassivs der Zentralalpen. Umgezeichnet nach Mercolli et al. (1994). Deutlich erkennbar sind die großräumigen Schlingenstrukturen, welche von den variszischen Intrusiva durchschlagen werden. Gli: Glimmer, Gra: Ganat, Hbl: Hornblende, Ser: Serizit.

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Externmassive der Ostalpen

Im Kern des Tauern-Fensters in den Ostalpen ist ein prä-triadisches Grundgebirge aufgeschlossen, das große Ähnlichkeit mit jenem der oben diskutierten Externmassive hat. In der Literatur werden diese Gesteine meistens dem „Penninikum“ zugeordnet. Tatsächlich besteht die Hülle der äußere Teile des Tauern-Fensters aus Sedimenten und Ophiolithen, die den penninischen Decken zuzuordnen sind. Der Rahmen des Fensters wird aus ostalpinen Einheiten gebildet. Eine genauere Analyse der Sedimenthülle des Grundgebirges im Tauern-Fenster (Lammerer 1986) offenbart aber eine autochthone Bedeckung durch mesozoische Sedimente ohne jegliche Affinität zum Penninikum. Die mächtigen Hochstegenkalke des Malms etwa sind direkt vergleichbar mit dem gleichaltrigen Quinten-Kalk im Helvetikum von Vorarlberg und der Schweiz. Aus diesen Gründen wird der Kern des Tauern-Fensters dem Helvetikum zugeordnet, wohl wissend, dass die äußere Hülle aus penninischen Decken besteht.

Im Grundgebirge selbst sind drei wichtigere Gesteinsverbände zu unterscheiden: Altkristallin, Habach-Storz-Gruppe und Zentralgneis. Die Nomenklatur und Zuordnung einzelner Gesteinspakete ist in Einzelfällen nicht ganz klar (Höck 1993).

Das Altkristallin zeichnet sich durch eine amphibolitfazielle metamorphe Überprägung aus, die wohl der variszischen Gebirgsbildung zuzuordnen ist. Das Altkristallin enthält Orthogneise, Paragneise, Glimmerschiefer, Migmatite und Amphibolitlinsen (Höck 1993).

Die jüngere Habach-Storz-Gruppe ist metamorph weniger überprägt, die Protolithe werden als Sedimente und Magmatite des frühen Paläozoikums gedeutet. Sie kann in drei Einheiten gegliedert werden: Ophiolithe mit einem Basisamphibolit, eine Inselbogen-Sequenz, bestehend aus metamorphen basischen, intermediären und sauren Laven und Tuffen, sowie zuoberst die Eiser-Serie mit Biotitschiefern, Grauwacken, Quarziten, Granat-Glimmerschiefern und sauren und basischen Vulkaniten. Die Alter der Gesteine sind nur teilweise bekannt. Die Ophiolite sind 540 bis 500 Millionen Jahre alt (Kambrium), Teile der Inselbogen-Sequenz könnten aus dem späten Proterozoikum stammen, andere sind nur 600 und 330 Millionen Jahre alt, also deutlich jünger. Die Eiser-Serie enthält Pflanzenreste aus dem Permokarbon, wobei die Zuordnung der Lokalität zur Inselbogen- oder Eiser-Serie nicht klar ist. Jedenfalls muss die Eiser-Serie älter als der sie intrudierende Zentralgneis sein. Dessen Alter ist maximal 320 Millionen Jahre (Höck 1993), d. h., die Eiser-Serie kann nicht jünger als frühes Karbon sein.

Abb. 2-8 ist kompiliert nach Frisch et al. (1993), Höck (1993) und Finger et al. (1993) und zeigt den großen Anteil, den die variszischen Intrusiva, die sogenannten Zentralgneise, an diesem Grundgebirgsblock ausmachen.

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2-8 Geologische Karte des Tauern-Kristallinaufbruches in den Ostalpen, kompiliert nach Angaben von Frisch et al. (1993), Höck (1993) und Finger et al. (1993). Das prä-triadische Kristallin erscheint in zwei Fenstern unter der Glockner-Decke. Altkristallin und die Zillertal-Venediger-Intursiva sind durch eine variszische Überschiebung auf die Habach-Storz-Gruppe zu liegen gekommen.

Die Zentralgneise sind in Finger et al. (1993) detaillierter beschrieben. Im Unterschied zum Schwarzwald sind diese variszischen Intrusiva alpin beträchtlich deformiert worden. Lammerer & Weger (1998) schätzten aufgrund strukturgeologischer Analysen, dass das Tauern-Massiv horizontal etwa auf die Hälfte der ursprünglichen Breite verkürzt wurde. Das mittels der U-Pb-Methode an Zirkonen festgestellte Alter der Intrusiva beträgt zwischen 310 |Seite 51| und 333 Millionen Jahren (314 bis 313 Millionen Jahre für die Badgastein-Hochalm-Metagranitoide, 320 bis 333 Millionen Jahre für die Granatspitz-Metagranite). Mit der Rb-Sr-Methode erhält man jüngere Gesamtgesteinsalter (Perm), dies höchstwahrscheinlich infolge einer alpinen Verjüngung (vgl. Finger et al. 1993).

2.3 Das prä-triadische Grundgebirge der Decken des Penninikums

Verglichen mit den Externmassiven, sind die Vorkommen von prä-triadischem Grundgebirge in den Kristallindecken des Penninikums alpin viel stärker überprägt und in kleinere Schollen zergliedert. Eine recht vollständige Abfolge des prä-triadischen Grundgebirges ist im Briançonnais der Ligurischen Alpen vorhanden und soll hier stellvertretend näher behandelt werden. Die Diskussion beruht auf der Arbeit von Cortesogno et al. (1993). Nach diesen Autoren können im Briançonnais zwei alpine Einheiten unterschieden werden: ein unterer Deckenkomplex, der dem externen Briançonnais zuzuordnen ist, und ein allochthoner oberer Deckenkomplex, welcher dem internen Briançonnais entspricht und aus einer Vielzahl kleinerer Elemente besteht.

Ähnlich wie beim Schwarzwald und den Externmassiven kann innerhalb des vor-spätkarbonen Grundgebirges eine Gruppe von polymetamorphen Gesteinen von einer jüngeren, monometamorphen Gesteinsserie, die nur eine variszische Überprägung aufweist, unterschieden werden.

Zur polymetamorphen Serie (vgl. Cortesogno et al. 1993) zählen Paragneise, die aus ursprünglichen Grauwacken, Peliten, sowie untergeordnet Quarziten, hervorgegangen sind. Karbonate fehlen. Diese Paragneise sind durchsetzt von sauren Magmatika, den älteren Orthogneisen und älteren Migmatiten. Die älteren Orthogneise liegen als mehrere Hundert Meter mächtige ehemalige Plutone und als Ganggesteine vor. Linsen von Augengneisen sind als vulkanische oder subvulkanische Gesteine (Meta-Rhyolite) zu deuten. Die älteren Migmatite bestehen aus 10 bis 100 Meter mächtigen Bändern von Orthogneisen innerhalb der Paragneise und enthalten nahezu monomineralische Biotit-Linsen. Als dritter Gesteinstyp sind die älteren Metabasite zu erwähnen. Diese liegen als Bänder von Amphiboliten vor und enthalten lokal Linsen von Ultrabasika und Eklogiten. Amphibolite und Eklogite besitzen eine tholeiitische Affinität, aber die sekundären Umwandlungen verhindern eine eindeutige geodynamische Interpretation.

In der jüngeren, monometamorphen Serie können nach Cortesogno et al. (1993) außer Paragneisen ähnliche Gesteinsserien ausgeschieden werden wie in der polymetamorphen Serie. Die jüngeren Orthogneise bauen größere Körper innerhalb der Deckenkomplexe auf. Die Intrusion dieser Granite erfolgte vor mehr als 327 Millionen Jahren (im Silur oder Devon). Demgegenüber kommen die jüngeren Metabasite als Linsen von Metagabbros vor, in denen lokal noch die magmatischen Kumulustexturen erhalten sind. Die jüngeren Migmatite sind selten und meist an die jüngeren Metabasite und die Eklogite innerhalb der älteren Metabasite geknüpft.

Die in den früher besprochenen Gebieten (Schwarzwald, Externmassive) |Seite 52| häufig auftretenden spät- und post-variszischen Intrusiva sind nach Cortesogno et al. (1993) in den Ligurischen Alpen nur selten anzutreffen. Beispiele solcher (bisher undatierter) Intrusiva sind der kleine Körper des Borda-Granodiorits und die Gänge des Rio-Castorello-Granophyrs.

Über diesen kristallinen Gesteinen folgt dann eine Abfolge von permokarbonen Sedimenten, die in tektonischen Gräben abgelagert wurden. Die Gräben bildeten sich anlässlich einer kontinentalen Extensionstektonik im Jungpaläozoikum, welche den gesamten südlichen Teil des variszischen Gebirges erfasste. Die sedimentäre Abfolge setzt ein mit Arkosen (Verwitterungsprodukt der entblößten jüngeren Orthogneise), die in eine konglomeratisch-sandig-tonige fluvio-lakustrische Sequenz überleiten, welche ebenfalls Kohleflöze (bzw. Graphitlinsen) enthält. Feinklastische Sedimente, stellenweise als graphitische Phyllite ausgebildet, schließen die sedimentäre Abfolge ab. Die Mächtigkeiten der einzelnen Schichten sind ein Abbild der Extensionstektonik mit synsedimentären Abschiebungen und variieren deshalb seitlich enorm.

Eingeschaltet in diese permokarbonen Sedimente sind aber auch Vulkanite, die in drei Pulsen gefördert wurden. Der Vulkanismus war hauptsächlich explosiv. Im späten Karbon wurden Ignimbrite und trachyandesitische Pyroklastika gefördert, die Letzteren stellenweise mit shoshonitischer Zusammensetzung. Der dritte Puls im späten Perm förderte wiederum hauptsächlich Ignimbrite.

Aufgrund einer regionalen Synthese, unterstützt von einer eingehenden Analyse der Gerölle in den klastischen Sedimenten, konnten Cortesogno et al. (1993) die Entwicklungsgeschichte des prä-triadischen Grundgebirges in Form einer Reihe von Momentaufnahmen skizzieren. Abb. 2-9 beruht auf dieser Arbeit.

In einer prä-silurischen Phase von Rifting (? Proterozoikum bis Ordovizium) wurden in einem Becken Arkosen und Tone abgelagert. Das Rifting führte auch zur Intrusion von Graniten und granodioritisch-leukogranitischen Gängen und, untergeordnet, synsedimentärem saurem Vulkanismus. Wichtiger waren basaltische Eruptionen, die ebenfalls schichtparallel eingelagert wurden (Abb. 2-9).

Eine erste Orogenese erfasste diese Gesteine im Zeitraum Ordovizium-Silur und führte zu der Aufschmelzung, die die älteren Migmatite andeuten, zur Bildung von Eklogiten in den älteren Metabasiten und zur Deformation und Umwandlung der Granite in die älteren Orthogneise. Anschließend wurden die metamorphen Gesteine exhumiert.

Im Silur und Devon kam es alsdann zur Ablagerung von mächtigen feinklastischen Sedimenten (Abb. 2-9). In der Tiefe drangen monzogranitische Plutone und Gänge ein, lokal auch basaltische und gabbroide Gänge.

Eine zweite, die variszische Orogenese überprägte die Gesteine amphibolitfaziell. Aus den Monzograniten entstanden die jüngeren Orthogneise, aus den basaltischen und gabbroiden Gängen die jüngeren Metabasite. Letztere wurden lokal aufgeschmolzen (jüngere Migmatite). Die Sedimente des Silurs und Devons wurden gefaltet. Durch Erosion wurden diese Sedimente aber weitgehend abgetragen. Abb. 2-9 zeigt den entsprechenden Zustand im frühen Karbon.

Die Zeit des späten Karbons und des Perms (Abb. 2-9) war dann gekennzeichnet durch die Ablagerung von vulkanosedimentären Serien in subsidierenden kontinentalen Gräben. Zuerst lagerten sich in Depressionen Arkosen ab. Anschließend erfolgte die Graben- bzw. Riftbildung, die mit explosivem Vulkanismus einherging. Die Füllung der kontinentalen Becken mit zum Teil grobklastischen Sedimenten im frühen Karbon erfolgte zeitgleich mit der Absenkung der Beckenböden. Im Perm bedeckten mächtige Lagen von Rhyoliten, Ignimbriten und Daziten die Grabenfüllungen und die Grabenschultern.

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2-9 Die geologische Entwicklungsgeschichte des kristallinen Grundgebirges im Briançonnais der Ligurischen Alpen. Umgezeichnet nach Cortesogno et al. (1993).

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2.4 Das prä-triadische Grundgebirge des Ostalpins

Im Ostalpin liegen mehrere größere Decken aus prä-triadischem Grundgebirge vor. In der Silvretta-Decke ist das kristalline Grundgebirge besonders gut aufgeschlossen und intensiv untersucht worden. Seine Entwicklung soll hier exemplarisch näher diskutiert werden. Dabei wird auf die Kompilation von Maggetti & Flisch (1993) zurückgegriffen.

Die ältesten Gesteine im Grundgebirge der Silvretta-Decke, Paragneise und Glimmerschiefer, sind als ehemalige klastische Sedimente, hauptsächlich Grauwacken und Tone, zu deuten (Maggetti & Flisch 1993). Untergeordnet sind Kalke und Mergel, die heute als Marmore und Kalksilikatfelsen vorliegen. Eingelagert – und möglicherweise gleichaltrig – in diese Metasedimente sind ehemalige tholeiitische Basalte (heute Amphibolite), die möglicherweise auf eine Entstehung in einem „Back-arc“-Becken hindeuten (Abb. 2-10). Das Alter dieser Gesteine ist proterozoisch, eventuell sogar archaisch.

Subduktionsprozesse deformierten die Gesteine (Abb. 2-10) und führten zu einer amphibolitfaziellen, später sogar zu einer eklogitischen metamorphen Überprägung. Am Ende dieser Episode, im späten Proterozoikum, drangen granitische, granodioritische und gabbroide Schmelzen in die nun metamorphen Sedimente. Das Kristallisationsalter beträgt nach Maggetti & Flisch (1993) 895 Millionen Jahre.

Eine erneute Gebirgsbildung, die mit einer zweiten, druckbetonten Metamorphose verknüpft ist, transformierte die spätproterozoischen Intrusiva zu Orthogneisen, den sogenannten älteren Orthogneisen. Das Alter dieser Metamorphose ist schwierig zu bestimmen; es dürfte aber jünger als die Intrusion der älteren Orthogneise und älter als die Intrusion der jüngeren Orthogneise sein und könnte deshalb mit dem panafrikanischen orogenen Zyklus korreliert werden. In diesem Zyklus wurden vor zirka 870 bis 550 Millionen Jahren eine Reihe von Gebirgen im ehemaligen Kontinent Gondwana gebildet.

Im späten Ordovizium, vor 451 Millionen Jahren, drangen saure bis intermediäre Schmelzen in die älteren Krustengesteine. Teile davon dürften bis an die damalige Erdoberfläche gelangt sein (vgl. Maggetti & Flisch 1993). Derartige ordovizische Magmatika sind in den Decken des Ostalpins recht verbreitet und wurden – trotz Altersgleichheit mit den kaledonischen Intrusiva – mit kontinentalem Rifting erklärt. Dies würde darauf deuten, dass zu dieser Zeit in den Riften auch Sedimentation stattfand. Die in Abb. 2-10 angeführten Karbonate und Tone sind als solche ordovizische Trogfüllungen gedacht.

Im Verlauf der variszischen Gebirgsbildung wurden die ordovizischen Magmatika zu den jüngeren Orthogneisen umgewandelt. Aber auch die anderen Gesteine wurden deformiert und metamorph überprägt. Die Metamorphose erreichte in den Gesteinen der Silvretta-Decke Amphibolitfazies. Der Temperaturhöhepunkt (600–650 °C bei Drücken von 5,5–7,5 kbar) fand nach Maggetti & Flisch (1993) vor 370 Millionen Jahren (im späten Devon) statt. Eine anschließende Dekompression zeigt sich im Wachstum von Andalusit bei 550–600 °C und nur 2–3 kbar; es folgte eine Einengungstektonik, die zur Ausbildung von kilometergroßen Schlingenfalten führte. Das Alter dieser jüngeren variszischen Deformationsphase wird auf 340 bis 310 Millionen Jahre (frühes Karbon) geschätzt.

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2-10 Die geologische Entwicklungsgeschichte des kristallinen Grundgebirges der ostalpinen Silvretta-Decke. Umgezeichnet nach Maggetti & Flisch (1993).

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Im späten Karbon und im Perm ist auch im Umfeld der Silvretta-Decke eine kontinentale Dehnungstektonik festzustellen (Abb. 2-10). Auf den Grabenschultern wurden krustale Gesteine exhumiert und entblößt, in den Gräben wurden Pyroklastika, saure Vulkanoklastika und Ignimbrite abgelagert. Eine ganze Anzahl von tholeiitischen Diabasgängen, die auch im Zusammenhang mit der Dehnungstektonik zu sehen sind, durchschlug das kristalline Grundgebirge.

2.5 Das prä-triadische Grundgebirge des Südalpins

Das Grundgebirge im nordwestlichen Teil der Südalpen ist von besonderem Interesse, weil es ein nahezu vollständiges Profil durch die Unter- und Oberkruste aufgeschlossen zeigt. Zwei Großeinheiten sind zu unterscheiden: die Ivrea-Zone und die Strona-Ceneri-Zone. Letztere wird auch als „Serie dei Laghi“ bezeichnet. Die Insubrische Störung trennt dieses Grundgebirge von den ostalpinen Decken (im Westen) und vom Penninikum (im Norden). Die Pogallo-Störung ist die Grenze zwischen der nordwestlich gelegenen Ivrea-Zone und der Strona-Ceneri-Zone. Die geologische Karte in Abb. 2-11 zeigt den Rahmen und die innere Gliederung dieses Grundgebirgskomplexes.

Die Ivrea-Zone enthält eine Gesteinsabfolge der unteren Kruste, die durch eine Reihe tektonischer Vorgänge an die Oberfläche gelangte. Von unten nach oben folgen ultramafische Gesteine, der „Basische Hauptzug“ und Paragneise (vgl. Abb. 2-12).

Die ultramafischen Gesteine umfassen Peridotite und Pyroxenite und stehen, wie in Abb. 2-11 ersichtlich, vor allem als kleinere Körper und Linsen längs der Insubrischen Störung an. Von den Peridotiten sind die Spinell-Peridotite und Lherzolithe in den Körpern von Baldissero und Balmuccia als Mantelderivate zu deuten (Intrusion von Schmelzen des oberen Mantels in die unterste Kruste). Der eigentliche Erdmantel ist noch etwas tiefer gelegen und wird als Ivrea-Körper bezeichnet. Die dichten Mantelgesteine sind für eine ausgesprochen positive Schwereanomalie verantwortlich, die sich längs des Ostrands der Westalpen erstreckt (siehe unten).

Zur Nomenklatur der Ultramafika:

Peridotit:> 40 % Olivin, daneben Pyroxene
Lherzolith:Pyroxene sind Orthopyroxen und Klinopyroxen
Harzburgit:Pyroxene sind nur Orthopyroxen
Dunit:> 90 % Olivin
Gabbro:Olivin + Pyroxen + Ca-Plagioklas
Norit:Olivin-Gabbro

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2-11 Geologische Karte der Ivrea- und Strona-Ceneri-Zone der Südalpen. Überarbeiteter Ausschnitt der Geologischen Karte der Schweiz 1:500 000.

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Der „Mafische Hauptzug“ enthält unter anderem zwei lagige Komplexe mit Duniten, Harzburgiten, Noriten und Gabbros. Zwischengelagert finden sich ultramafische Linsen (z. B. Spinell-Peridotit von Balmuccia). Die beiden lagigen Komplexe stellen wahrscheinlich denselben tektonisch repetierten Horizont dar. Ihre Entstehung durch magmatische Differenziation in der Unterkruste könnte in Zusammenhang mit der permischen Degranitisierung stehen.

Die Paragneise enthalten Kinzigite, d. h. amphibolitfaziell überprägte Biotit-Sillimanit-Paragneise. Die Paragneise dürften als ehemalige Metapelite zu deuten sein, die durch Degranitisierung chemisch verändert wurden. Die ordovizische Degranitisierung würde auch die kleineren Granitkörper sowie die Aplit- und Pegmatitgänge in der Serie erklären. Schließlich sind auch Amphibolite und amphibolitische Gneise als Einlagerungen in den Paragneisen zu verzeichnen.

Die Strona-Ceneri-Zone (bzw. die „Serie dei Laghi“) umfasst Gesteine der mittleren Kruste, und zwar hauptsächlich polymetamorphe Metasedimente. Im Nordwesten sind es vor allem psammitische und granitische Gneise, die als metamorphe Sandsteine gedeutet werden, während im Südosten Schiefer vorherrschen (pelitische Glimmerschiefer). Die Metasedimente sind von ordovizischen Graniten (Alter 466 Millionen Jahre) intrudiert worden, die heute als Orthogneise vorliegen. Daneben kommen Amphibolite in Lagen und Linsen zwischen den Gneisen und Schiefern vor.

Die Strona-Ceneri-Zone enthält auch post-variszische Intrusiva. Bekannt sind die Granite von Baveno (Alter 276 Millionen Jahre, d. h. frühes Perm) und Mt. Orfano (283 Millionen Jahre, frühestes Perm), die als Baustein abgebaut werden (heller rosaroter Granit).

Bei Manno (nördlich Lugano) gibt es ein kleines Vorkommen spätpaläzoischer Sedimente; diese enthalten einzelne Kohleflöze, die altersmäßig ins späte Karbon zu stellen sind (Westphalian A und B). Jüngere permische Vulkanite sind südlich Lugano aufgeschlossen: der Luganeser Quarzporphyr (Rhyolithe), der als Pflastersteine abgebaut wird, und Porphyrite (bzw. Andesite) von (?früh-)permischem Alter.

Die Gesteine der Krustenabfolge in der Ivrea- und Strona-Ceneri-Zone zeigen eine Entwicklung, die von proterozoischer Sedimentation über ordovizischen Magmatismus zur variszischen Gebirgsbildung und schließlich zu post-variszischem Magmatismus und Sedimentation reichen. Die folgende Diskussion basiert auf einer Synthese von Schmid (1993) und ist in Abb. 2-13 illustriert.

Um die Entstehung der metamorphen Sandsteine und pelitischen Glimmerschiefer in der Strona-Ceneri- und der Ivrea-Zone zu erklären, ist nach Schmid (1993) folgendes Szenario denkbar. Im späten Proterozoikum oder frühen Paläozoikum wurde an einer Subduktionszone, bei der eine ozeanische Platte unter eine kontinentale Platte tauchte, durch frontale Akkretion von Sedimenten ein Akkretionsprisma aufgebaut. Ein weiterer Teil der Sedimente gelangte in größere Tiefe und wurde durch basale Akkretion unten an die kontinentale Platte angefügt. Bei den Sedimenten handelte es sich um Sandsteine und Tonsteine. Die basale Akkretion führte auch dazu, dass einzelne Fragmente von ozeanischer Kruste in die Sedimentabfolge eingeschuppt wurden (Abb. 2-13). Die Sedimente im Bereich der basalen Akkretion wurden durch eine druckbetonte Metamorphose überprägt.

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2-12 Gesteinsabfolge im Krustenprofil Ivrea-Zone (untere Kruste) – Strona-Ceneri-Zone (obere Kruste).

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Im Ordovizium wurde in der oberen Platte ein hoher geothermischer Gradient erreicht, wie das eine erste Aufschmelzung von Gneisen, die auf 478 Millionen Jahre datiert ist (vgl. Schmid 1993 und Referenzen dort), und die gleichzeitige Intrusion von Graniten vor 466 Millionen Jahren in die nun metamorphen Sedimente andeuten. Möglicherweise fanden in der unteren Kruste zu dieser Zeit auch mafische Intrusionen statt (Gabbros vom Typ von Anzola).

Im späten Devon bis frühen Karbon verursachte dann die variszische Gebirgsbildung eine intensive Zerscherung der Krustengesteine. Die ordovizischen Granite wurden dabei in Orthogneise umgewandelt, die heute in der Strona-Ceneri-Zone als Bänder mit riesigen engen Falten, den sogenannten Schlingen, zu beobachten sind. Das Ende der variszischen Gebirgsbildung, angedeutet durch Abkühlung der Gesteine infolge Exhumation, dürfte nach Schmid (1993) in das Zeitintervall von 325 bis 310 Millionen Jahren vor heute fallen (frühes Karbon). Durch diese Exhumation wurde eine bis zu 30 Kilometer mächtige Gesteinssäule abgetragen und die tieferen Krustenteile, die Strona-Ceneri-Zone, an der Erdoberfläche entblößt. Interessanterweise weist die metamorphe Entwicklung der Ivrea- und der Strona-Ceneri-Zone markante Unterschiede auf. Während in den Gesteinen der Strona-Ceneri-Zone infolge der raschen Exhumierung die druckbetonten Paragenesen der variszischen Orogenese erhalten blieben, erfuhren die Gesteine der Ivrea-Zone durch die andauernd hohen Temperaturen eine Umwandlung, sodass die neuen Paragenesen mäßig hohe Drücke anzeigen. Offenbar waren während der variszischen Orogenese die beiden Krustenblöcke bereits entkoppelt. Eine Zone von Hochtemperatur-Myloniten, die heute längs der Pogallo-Störung zu erkennen sind, trennte die Strona-Ceneri-Zone von der Ivrea-Zone. Erstere bewegte sich aufwärts Richtung Erdoberfläche (Exhumation) und kühlte sich ab, letztere verblieb in größerer Tiefe und wurde aufgewärmt.

Eine weitere Phase von Magmatismus erfasste sowohl die Ivrea- als auch die Strona-Ceneri-Zone im späten Karbon und frühen Perm (Abb. 2-12). Die Intrusion von mafischen Schmelzen in die Unterkruste, heute als mafischer Hauptzug in der Ivrea-Zone zu finden, verursachte dort die Aufschmelzung von Metasedimenten (eine zweite Anatexis). Diese Schmelzen stiegen auf und intrudierten in die Oberkruste, die Strona-Ceneri-Zone, oder erreichten gar die Erdoberfläche. Beispiele dieser magmatischen Gesteine sind die bereits erwähnten frühpermischen Baveno- und Mont-Orfano-Granite sowie der permische Luganeser Quarzporphyr. Die magmatische Aktivität, die die gesamte Kruste erfasste, muss durch tief greifende tektonische Prozesse erklärt werden, die ebenfalls vom Erdmantel bis an die Oberfläche reichen. Transtensive Seitenverschiebungen („wrench tectonics“ von Schmid 1993 und Referenzen dort) wären eine gute Erklärung hierfür und reihen sich lückenlos in das Konzept der post-variszischen kontinentalen Dehnungstektonik, die bereits im Zusammenhang mit dem Schwarzwald, den Externmassiven, dem Penninikum und Ostalpin erwähnt wurde.

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2-13 Die geologische Entwicklungsgeschichte des kristallinen Grundgebirges der südalpinen Ivrea- und Strona-Ceneri-Zone. Umgezeichnet nach Schmid (1993).

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2.6 Paläozoische Sedimente in den Ost- und Südalpen

In den Ostalpen und Südalpen sind an mehreren Stellen paläozoische Sedimente und Vulkanite aufgeschlossen, die von der variszischen (und früheren) Orogenese nicht oder nur schwach überprägt wurden. Die Mächtigkeiten dieser Abfolgen betragen zum Teil mehrere Kilometer, sind aber, wie auch die einzelnen Schichtabfolgen, großen örtlichen Schwankungen unterworfen. Als typische Beispiele sind das Paläozoikum der Karnischen Alpen, die Grauwackenzone und die Innsbrucker Quarzphyllite ausgewählt.

Paläozoikum der Karnischen Alpen

In den Karnischen Alpen, die südlich des periadriatischen Lineaments liegen, findet sich die vollständigste fossil belegte Abfolge. Das stratigrafische Kolonnenprofil in Abb. 2-14 basiert auf der Kompilation von Schönlaub & Heinisch (1993). Über mächtigen Grauwacken und Tonschiefern folgen Vulkanite, Sandsteine und Tone, die sich seitlich verzahnen und dann von Kalken überlagert sind. Die weltweite Regression Ende Ordovizium verursachte Erosion und einen Sedimentationsunterbruch, sodass die silurischen Sedimente den ordovizischen diskordant aufliegen. Im Silur können mehrere Fazieszonen unterschieden werden, die unterschiedlichen Ablagerungsbedingungen entsprechen. Unter seichtmarinen bis pelagischen Bedingungen wurden Kalke abgelagert, während in tiefen, stagnierenden Beckenteilen schwarze Tone zum Absatz gelangten. Im Devon etablierte sich dann eine Karbonatplattform; die Subsidenzgeschwindigkeit nahm zu, war lokal aber unterschiedlich. Verbreitet bildeten sich Riffe, die sich aber zeitlich und örtlich verlagerten. Diese Sedimentationsbedingungen setzten sich bis ins frühe Karbon fort. Ein wichtiger Wechsel erfolgte dann beim Übergang in die Hochwipfel-Formation. Über (paläo) verkarsteten Karbonaten folgen noch im frühen Karbon plötzlich flyschartige Klastika, die mit der variszischen Gebirgsbildung zusammenhängen (vgl. Schönlaub & Heinisch 1993 und Referenzen dort). Sandige und pelitische Turbidite wurden an einem aktiven Kontinentalrand vom entstehenden Gebirge in einen Flyschtrog geschüttet. Die Sedimentation in diesem Flyschtrog reichte bis in das Serpukhovian (326 bis 318 Millionen Jahre).

Diskordant über den ordovizischen bis frühkarbonen Sedimenten folgt eine post-variszische Serie mit einem Transgressionskonglomerat, der Waidegg-Formation, an der Basis. Das Alter dieses Konglomerats ist Moscovian (310 bis 307 Millionen Jahre). Damit kann die variszische Gebirgsbildung in dieser Region auf das Zeitintervall zwischen 318 und 310 Millionen Jahren eingegabelt werden.

Die Sedimente über dem Transgressionskonglomerat (Auernig-Formation) enthalten Küstenkonglomerate, kreuzgeschichtete Sandsteine, bioturbierte Schluffe und Tone sowie Kalke. Die ganze Abfolge wird auch als Molasse (im Sinne von „post-orogenen“ klastischen Sedimenten) gedeutet. Nach Krainer (1993) sind sie als klastisch-karbonatische transgressive und regressive Zyklen bzw. Zyklotheme zu deuten. Die einzelnen Zyklen dauerten jeweils etwa 100 000 Jahre und sind wahrscheinlich durch eustatische Meeresspiegelschwankungen im Gefolge von Vereisungen von Gondwana verursacht. Als Umfeld der Sedimentation kann ein intramontanes Becken angenommen werden, das mit Sedimenten und Vulkaniten unterschiedlicher Herkunft gefüllt wurde.

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2-14 Die paläozoische Gesteinsabfolge der Karnischen Alpen (Ostalpin). Die vereinfachte Schichtreihe ist eine Kompilation basierend auf Schönlaub & Heinisch (1993).

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Die nachfolgenden Klastika des Perms (Pseudoschwagerina-Formation) bestehen zum Teil aus aufgearbeiteten Sedimenten aus dem stratigrafisch Liegenden (der Auernig-Formation). Offenbar verursachten tektonische Bewegungen (die sogenannte saalische Phase) signifikante Hebungen und Erosion an den Beckenrändern (vgl. Krainer 1993). Die permischen Sedimente wurden ebenfalls in intramontanen Becken bzw. Gräben abgelagert, werden aber im Zusammenhang mit den Permokarbon-Trögen im Abschnitt 2.7 besprochen.

Paläozoikum der Grauwacken-Zone

Nach ihrem geografischen Vorkommen unterscheidet man eine östliche (Steiern) und eine westliche Grauwacken-Zone (Salzburg-Tirol). Abb. 2-15 zeigt die Abfolge der östlichen Grauwacken-Zone, zusammengefasst nach Schönlaub & Heinisch (1993).

Eine fossilfreie Abfolge von Schiefern, Phylliten und Metapyroklastika folgt über einem dem kristallinen Grundgebirge aufliegenden Konglomerat. Lokal enthält dieses Konglomerat Gerölle von Orthogneisen, deren Kristallisationsalter auf 500 Millionen Jahre bestimmt wurde (spätestes Kambrium), was den darüberfolgenden Metasedimenten möglicherweise ein ordovizisches Alter zuordnet. Es folgt eine Serie mit Vulkaniten (Ignimbriten, Tuffen, Pyroklastika), der sogenannte Blasseneck-„Porphyroid“. Dieser ist lokal mit Kalken verknüpft, deren spätordovizisches Alter gesichert ist. Eine mächtige Tonschieferabfolge (heute als Metapelite vorliegend) schließt das Ordovizium ab und reicht bis ins Silur. Die durchgehende Abfolge des Ordoviziums zeigt nach Schönlaub und Heinisch (1993) keine Einflüsse bzw. Anzeichen einer kaledonischen Gebirgsbildung. Die Vulkanite vom Typ Blasseneck-„Porphyroid“ könnten mit dem pan-afrikanischen orogenen Zyklus korreliert werden.

Die basischen Vulkanite des frühen Silurs sind aufgrund geochemischer Daten als Intraplatten-Vulkanite zu deuten. Die folgenden schwarzen Tone und Orthoceras-Kalke sind in einem tektonisch ruhigen Milieu abgelagert worden.

Einen abrupten Wechsel gibt es mit den diskordant darüberfolgenden Kalkbrekzien, die als Produkt einer Verkarstung im frühen Karbon gedeutet werden (Schönlaub & Heinisch 1993 und Referenzen dort). Eine solche Verkarstung ließe sich durch Emersion im Vorland des variszischen Gebirges erklären: Durch die Auflast der Decken im Gebirge selbst wird die subduzierende Platte, Gondwana in diesem Falle, niedergedrückt. Die so verbogene Platte besitzt aber eine gewisse elastische Steifheit, wodurch sich als Reaktion im Vorland eine Aufwölbung bildet. Die Aufwölbung würde die Emersion und Verkarstung hinreichend erklären. Jedenfalls zeigt die sedimentäre Abfolge der Grauwacken-Zone eindeutig Anzeichen der variszischen Gebirgsbildung.

Paläozoikum der Innsbruck-Quarzphyllite

An verschiedenen Orten in den Ostalpen und Südalpen ist das Paläozoikum von phyllitischen, insbesondere quarzphyllitischen Sedimentabfolgen dominiert. Stellvertretend sei hier die Abfolge der Innsbruck-Quarzphyllite kurz behandelt. Die Darstellung in Abb. 2-16 gründet auf der Arbeit von Neubauer & Sassi (1993).

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2-15 Die paläozoische Gesteinsabfolge der östlichen Grauwackenzone (Ostalpen), zusammengefasst nach Schönlaub & Heinisch (1993).

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Quarzphyllite und Serizitphyllite des Ordoviziums enthalten Lagen von mafischen und sauren Vulkaniten. Diese Abfolge kann als Füllung eines „Back-arc“-Beckens im pan-afrikanischen orogenen Zyklus angesehen werden. Die jüngeren Teile (Silur?) der Quarz- und Serizitphyllite weisen Lagen von Marmoren auf, zuoberst folgt eine mächtige Abfolge von Dolomiten, die sicher vom späten Silur ins mittlere Devon reicht. Neubauer & Sassi (1993) interpretieren diese Abfolge als Produkt von silurischem Rifting und dem Aufbau einer Karbonatplattform auf einer Schwelle.

Aufgrund einer Korrelation der vielen Vorkommen von Quarzphylliten konnten Neubauer & Sassi (1993) folgende generellen Aussagen machen:

Eine mächtige klastische Sequenz wurde im Ordovizium in einem „Backarc“ -Becken zum pan-afrikanischen Plattenrand abgelagert. Einsetzendes Rifting im Silur bewirkte lithologische Unterschiede in den jüngeren „Quarzphylliten“ (konglomeratisch-sandig im Süden, tonig im Norden). Rifting ist angedeutet durch die Art des Vulkanismus und die Aktivität von synsedimentären Brüchen. Das Becken füllte sich im späten Silur bis frühen Devon mit Klastika von Schuttfächern und Karbonat-Tempestiten. Die Reife der Klastika deutet auf einen langen Transportweg und ein kontinentales Liefergebiet hin. Ab dem mittleren Devon bis ins frühe Karbon etablierte sich eine Karbonatplattform, möglicherweise auf einer Schwelle innerhalb des Beckens. Ab dem frühen Karbon wurde das Becken durch die variszische Gebirgsbildung geschlossen.

2.7 Das variszische Gebirge im ausklingenden Paläozoikum

Wie in den vorangehenden Abschnitten erwähnt, sind in den Alpen und deren Vorland an mehreren Stellen spät- und post-variszische Intrusiva in die älteren Gesteine des kristallinen Grundgebirges eingedrungen bzw. jungpaläozoische Vulkanoklastika lagerten sich darüber ab. Besonders eindrücklich kann dies in den Externmassiven der Alpen beobachtet werden (vgl. Abb. 2-3 bis 2-8). An anderen Stellen wurden im gleichen Zeitraum unterschiedliche Sedimente abgelagert. Im Bereich der Alpen sind solche Sedimentabfolgen namentlich im Ostalpin und Südalpin aufgeschlossen (vgl. Abb. 2-14 bis 2-16). Beim Vergleich und bei der Gegenüberstellung dieser Gesteinsverbände wird man aber unweigerlich mit dem Problem konfrontiert, dass diese Vorkommen mehrheitlich von jüngeren Gesteinen bedeckt sind und damit nur isoliert in einzelnen Schollen aufgeschlossen sind. Zudem sind diese Schollen im Verlaufe des Mesozoikums beim Zerbrechen von Pangäa und anlässlich der späteren, alpinen Gebirgsbildung in unterschiedlichen Richtungen über größere Distanzen gegeneinander verschoben und überschoben worden. Wie können nun diese Schollen mit ihren verschiedenartigen Gesteinsverbänden zu einem Bild eines variszischen Gebirges zusammengefügt werden?

Um eine Gesamtschau dieser lokalen Verhältnisse zu erhalten, wurde eine sogenannte paläogeografische Karte für das ausklingende Paläozoikum konstruiert. Hierzu mussten die verschiedenen Schollen und Blöcke von Grundgebirge zuerst in ihre ursprüngliche gegenseitige Lage vor der alpinen Gebirgsbildung zurückgeschoben werden. Da wir die Richtungen und Transportweiten der alpinen Bewegungen aber nur lückenhaft kennen, ist die Rekonstruktion mit etlichen Unsicherheiten behaftet. Nach den alpinen Deckenbewegungen mussten anschließend auch die Plattenbewegungen beim Zerbrechen von Pangäa rückgängig gemacht werden. Damit wurde der Spielraum der Interpretation noch größer. Die resultierende paläogeografische Karte in Abb. 2-17 ist deshalb zwar im Detail mit einigen Unsicherheiten behaftet, aber was die größeren Zusammenhänge betrifft, sind einigermaßen gesicherte Aussagen möglich. Die Darstellung basiert teilweise auf den Kompilationen von Pfiffner (1993a), de Graciansky (1993) und Ratschbacher & Frisch (1993), wurde aber ergänzt.

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2-16 Die paläozoische Gesteinsabfolge der Innsbruck-Quarzphyllite (Ostalpen), zusammengefasst nach Neubauer & Sassi (1993).

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Auf der paläogeografischen Karte sind die Schollen von prä-triadischem Grundgebirge in ihren Umrissen, wie sie auf einer heutigen geologischen Karte erscheinen, dargestellt. Angegeben ist auch ihre „künftige“ Zugehörigkeit zu den mesozoischen Faziesräumen bzw. den alpinen Deckenkomplexen (Helvetikum, Penninikum, Ostalpin und Südalpin). Man erkennt unzweifelhaft, dass die Vorkommen von paläozoischen Sedimenten (Ordovizium bis Devon) eindeutig auf den Südosten des Ostalpins und das Südalpin beschränkt sind, während die zentralen Teile der künftigen Alpen (nordwestliches Ostalpin, Penninikum und Helvetikum) vorwiegend aus kristallinen Gesteinen bestehen. In diesen kristallinen Teilen ist vielerorts eine devonische bis frühkarbone Metamorphose zu beobachten (vgl. Kompilation von von Raumer & Neubauer 1993b). Offenbar stellen diese Teile den Kern des variszischen Gebirges dar, in dem der exhumierte kristalline Kern des Orogens entblößt war. Einschränkend ist zu sagen, dass der variszische Metamorphosegrad im zentralen Teil, insbesondere im Bereich des künftigen Penninikums, alpinmetamorph derart stark überprägt wurde, dass Aussagen über den variszischen Zustand sehr schwierig sind. Immerhin kann geschlossen werden, dass zwischen diesem kristallinen Kern des Orogens und den auf gleicher Höhe gelegenen paläozoischen Sedimenten im Südosten davon eine größere Überschiebung anzunehmen ist, wie sie in Abb. 2-17 skizziert ist. Analoge Überschiebungen sind zwischen dem Kristallin von Saualpe–Koralpe und dem Paläozoikum der Gurktal-Scholle bzw. Ötztal und Südalpin anzunehmen. Infolge der Unsicherheit, die der Rekonstruktion der paläogeografischen Karte inneliegt, sollten aber keine Schlüsse den genaueren Verlauf dieser Überschiebungen betreffend gezogen werden. Im nordalpinen Vorland (Schwarzwald und Vogesen) sind ebenfalls kleinere Vorkommen spät-devonischer bis früh-karboner Sedimente aufgeschlossen (beispielsweise in der Badenweiler-Lenzkirch-Zone südlich der Todtnau-Überschiebung in Abb. 2-2). Im Falle der Todtnau-Überschiebung ist aufgrund strukturgeologischer Befunde von SE-vergenter Deckenbewegung auszugehen (Eisbacher et al. 1989). Bei den paläozoischen Einheiten im Ost- und Südalpin ist anzunehmen, dass der ordovizisch-devonische Teil des Paläozoikums von Graz und der Gurktal-Decke den passiven Kontinentalrand des Gondwana-Kontinents darstellt, die Grauwacken-Zone und die Quarzphyllite demgegenüber einen mehr externen durch Dehnungstektonik charakterisierten Ablagerungsraum. Vulkanische Aktivität begleitete die Füllung des Beckens zu verschiedenen Zeiten. Ab dem mittleren Devon etablierte sich auch in der Zone der Quarzphyllite eine Karbonatplattform.

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Der Beckencharakter änderte sich im frühen Karbon. Mit der variszischen Gebirgsbildung wurde aus dem passiven Kontinentalrand eine synorogene Vorlandsenke mit lokaler Emersion und Verkarstung (Kalkbrekzien in der Grauwackenzone) und flyschartigen Ablagerungen (Hochwipfel-Formation in den Karnischen Alpen). Die Quarzphyllite wurden vielerorts im frühen Karbon (im Zeitintervall zwischen 350 und 320 Millionen Jahren) metamorph überprägt. Das Becken war offensichtlich geschlossen, die Beckenfüllung in den Deckenstapel des variszischen Gebirges einverleibt.

In der paläogeografischen Karte sind auch die granitoiden Körper innerhalb der Kristallinschollen ausgeschieden, gemäß ihrem karbonen oder permischen Alter getrennt. Die granitoiden Intrusiva im kristallinen Kern des variszischen Orogens sind im Nordwesten tendenziell älter. Es ist ein Granitgürtel mit spätkarbonen Intrusionsaltern im Vorland (Schwarzwald) und den Externmassiven auszumachen. Die meisten dieser Intrusionen sind postvariszisch, da sie eindeutig variszische Strukturen schneiden. Ausnahmen gibt es etwa im Schwarzwald (vgl. Abb. 2-2). Eine jüngere, permische Gruppe von Intrusiva konzentriert sich hauptsächlich in einem südlichen Gürtel (südwestliches und südöstliches Ostalpin sowie Südalpin). Im zentralen Bereich, aber auch im Aar- und Gotthard-Massiv, treten gemischte Intrusionen von spätkarbonem und permischem Alter auf. Wie am Beispiel des östlichen Aar-Massivs ausgeführt (vgl. Abb. 2-6), sind die post-variszischen Intrusionen häufig an die Vorkommen von karbonen Grabenstrukturen gebunden. Das Zusammenspiel von Intrusion und Einsenkung von Gräben mit klastischer und vulkanoklastischer Füllung deutet auf eine tief greifende Reorganisation der tektonischen Vorgänge mit einem Wechsel von Kollision zu Dehnungstektonik. Die Dehnung war mit großräumigen Seitenverschiebungen gekoppelt, hervorgerufen durch die Ostdrift von Eurasien relativ zu Gondwana. In Segmenten mit Transtension war dadurch möglicherweise der Magmaaufstieg erleichtert.

Die Bildung von Grabenstrukturen setzte sich im Perm fort und wird im nächsten Abschnitt näher behandelt. Die bekannten permischen Tröge sind in Abb. 2-17 aber ebenfalls eingezeichnet.

Eine Übersicht über die Bauteile des variszischen Gebirges im gesamten zentraleuropäischen Rahmen gibt die Arbeit von von Raumer et al. (2012). Abb. 2-18 zeigt die Situation im Perm (vor 290 Mio. Jahren). Der alpine Teil befand sich im Kern eines großen Gebirges zwischen Gondwana (Afrika) und Baltica und nördlich der Paläotethys.

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2-17 Paläogeografische Karte des künftigen alpinen Raumes zur Zeit Ende Paläozoikum. Als geografische Orientierung sind die Umrisse der Kristallinschollen mit einer Form, wie sie auf einer heutigen Karte erscheinen, dargestellt. Sie sind aber zurückverschoben in ihre frühere Lage durch Rückgängigmachung der alpinen Überschiebungen und der mesozoischen Bewegungen bei der Öffnung der Meeresbecken. Ebenso angegeben sind die künftigen Grenzen zwischen Vorland, Dauphinois-Helvetikum, Penninikum und Südalpin-Ostalpin.

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2-18 Das variszische Gebirge im Perm (vor 290 Mio Jahren). Die Grenze zur Paläotethys entspricht einer Subduktionszone. Der künftige alpine Teil liegt südlich der zentralböhmischen Scherzone, im Bereich, wo die Überschiebungen südvergent waren. Vereinfacht und ergänzt nach von Raumer et al. (2012).

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2.8 Post-variszische Sedimente und Vulkanite des Perms

Permische Sedimente und damit assoziierte Vulkanite sind aus vielen Stellen in den Alpen und ihrem Vorland bekannt. Flächenmäßig dominieren drei Trogsysteme (Abb. 2-17): eines im nordalpinen Vorland gerade südlich von Schwarzwald und Vogesen, eines im künftigen Penninikum (Zone Houillère) und eines im Südalpin bei Bozen. Daneben ist eine ganze Reihe von kleineren Trögen bekannt.

Einige dieser permischen Tröge bauen auf einem bereits im Karbon angelegten Trog auf. Andere sind erst im Perm entstanden, und umgekehrt haben nicht alle karbonen Tröge ihre Aktivität im Perm fortgesetzt. Während der alpinen Gebirgsbildung wurden manche dieser Tröge partiell oder ganz invertiert, d. h., die Grabenfüllung wurde durch Zusammenschieben der Grabenränder herausgestülpt. Die nachfolgenden Beispiele sollen das Spektrum der Prozesse von der Grabenanlage bis zur Invertierung abdecken.

Der Nordschweizer Permokarbon-Trog

Im Untergrund des östlichen Juras und des nördlichen Molassebeckens der Nordschweiz entdeckte man bei der Suche für Standorte radioaktiver Abfälle einen größeren, EW-streichenden Permokarbon-Trog. Abb. 2-19 zeigt einen Profilschnitt, der auf der Interpretation von reflexionsseismischen Linien und Tiefbohrungen beruht (Diebold et al. 1991, Naef 2007 und Naef & Madritsch 2014). Die Trogfüllung ist durch synsedimentäre Abschiebungen begrenzt. Der ältere Teil des Grabens (Karbon) war im Norden durch eine sehr tief reichende Abschiebung begrenzt. Im Perm verlagerte sich der Trog nach Norden.

Die Grabenfüllung selbst besteht aus fluviatilen, lakustrischen und Playa-Sedimenten (Matter 1987). Der ältere Teil konnte in einer anderen Tiefbohrung (Weiach) als spätes Karbon (Stephanian) datiert werden. Kleinzyklische Sandstein-Ton-Serien darin sind als Schwemmebenen zu interpretieren, feinkonglomeratisch-grobsandige Serien als Flussrinnen. Eingeschaltet darin finden sich dünne Kohle-Serien, die als Sumpfablagerungen in den Schwemmebenen zu deuten sind. Das Ganze stellt ein anastomosierendes fluviatiles System dar. Im Perm setzte sich dieses fluviatile System zunächst fort. Es wurde von Seeablagerungen überdeckt. Durch die Ausbreitung eines alluvialen Fächers verlandete der See. Der Abschluss dieses Fächers in der Tiefbohrung Weiach ist durch polymikte Kristallinbrekzien charakterisiert, die rasch überleiten in feinkörnige Rotschichten, die in einer Playa abgelagert wurden. Die Grenze Karbon-Perm in Abb. 2-19 ist nicht gesichert, da der tiefere Teil des Trogs nur von den seismischen Daten her bekannt ist. In der weiter östlich liegenden Bohrung Weiach, welche die ganze permokarbone Abfolge durchörterte, sind keine Diskordanzen erkennbar (Matter 1987).

Die mesozoischen Sedimente über dem Permokarbon-Trog sind anlässlich der Bildung des Juragebirges in der Anhydrit-Gruppe der Trias abgeschert und nordwärts schuppenartig aufgestapelt worden. Offenbar wurde der Permokarbon-Trog von dieser Deformation im Hangenden nicht wesentlich beeinflusst, das Grundgebirge verhielt sich starr.

Das Permokarbon im Helvetikum

Im Helvetikum sind permokarbone Abfolgen in kleineren Trögen |Seite 73| in den Externmassiven bekannt, und ein größerer Trog ist in den Deckenbau der helvetischen Decken involviert. Im Aiguilles Rouges-Massiv existiert eine Anzahl von älteren Trögen, die mit Sedimenten des Devons und Karbons gefüllt sind. Diese Tröge im südwestlichen Teil des Massivs verlaufen Nord-Süd, also schief zum alpinen Streichen. Der Trog von Dorénaz im nordöstlichen Aiguilles Rouges-Massiv ist mit karbonen Sedimenten gefüllt, verläuft parallel zum alpinen Streichen und wurde, wie Abb. 2-20 zeigt, bei der alpinen Gebirgsbildung partiell invertiert. Letzteres zeigt sich an der Aufwölbung des stratigrafischen Kontakts zwischen den karbonen und mesozoischen Sedimenten sowie der Aufwölbung der basalen Überschiebung der Morcles-Decke darüber. Am Südostrand des Trogs wurden die fluviatilen Sandsteine und Grauwacken des Karbons bei der Ausstülpung vertikal gestellt (Abb. 2-21A).


2-19 Geologischer Profilschnitt durch den Nordschweizerischen Permokarbon-Trog im Untergrund des Molassebeckens und des östlichsten Juragebirges. Umgezeichnet nach der Interpretation seismischer Daten von Diebold et al. (1991) und Naef (2007).

Die Trogfüllung selbst besteht aus alluvialen und fluvio-lakustrinen Sedimenten. Niklaus & Wetzel (1996) konnten zeigen, dass der älteste Teil der Trogfüllung Ablagerungen eines sanddominierten verzweigten Flusssystems sind, das quer über den Graben nach Südosten entwässerte. Mit zunehmender Subsidenz entwickelte sich dann ein beckenaxiales Entwässerungssystem, das vorwiegend pelitische Sedimente hinterließ. Von den Grabenrändern her wurden in alluvialen Fächern Sandsteine geschüttet, die oxidiert wurden und heute eine auffallend weinrote Färbung besitzen. Durch Abnahme des beckenaxialen Gefälles gelangten palustrine Sedimente zum Absatz, die auch Kohlelagen enthalten. Schließlich nahm durch weitere Einsenkung des Grabens das Axialgefälle wieder zu und die Ablagerungen deuten auf ein mäandrierendes, nach Südwesten entwässerndes Flusssystem. Offenbar spiegelt die Sedimentfüllung die tektonische Subsidenzgeschichte des Grabens wider. Die retrodeformierte Geometrie des Karbon-Trogs in Abb. 2-20 beruht auf der Arbeit von Pilloud (1991). Einen Eindruck der Art der Sedimente geben die Fotos in Abb. 2-21 A und B).

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2-20 Geologischer Profilschnitt und retrodeformierter Profilschnitt durch den Karbon-Trog von Dorénaz (Aiguilles Rouges-Massiv). Umgezeichnet und ergänzt nach Pilloud (1991).

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2-21 Die Karbonsedimente von Dorénaz. A) Steil stehende fluviale Abfolge mit kreuzgeschichteten Sandsteinen und Konglomeratschnüren. B) Detailaufnahme eines Konglomerates mit gerundeten und kantengerundeten Geröllen von Quarz, Feldspat und Anthrazit.

In der Ostschweiz liegt beim Permokarbon-Trog des Glarner Verrucanos der Fall einer völligen Invertierung vor: Bei der Deckenbildung wurde die gesamte Trogfüllung abgeschert und über mehr als 30 Kilometer nach Norden geschoben. Frontale Teile der altkristallinen Unterlage (Paragneise und Schiefer) des Tavetscher Zwischenmassivs wurden von dieser Bewegung ebenfalls erfasst (vgl. Pfiffner 1980) und liegen heute als großräumige Verkehrtserie vor. Die dislozierte Trogfüllung kam auf eine viel jüngere Unterlage aus mesozoisch-känozoischen Sedimenten zu liegen. Das Profil in Abb. 2-22 A zeigt eine Rekonstruktion des Trogs zur Zeit des Mesozoikums. Die synsedimentären Abschiebungen an den Trogrändern sind im Gelände nicht mehr erkennbar, da sie bei der Ausstülpung anlässlich der alpinen Deckenbildung als seitliche Rampen benutzt und dann durch interne Deformation völlig zerschert wurden. Sie sind heute in Teilen der basalen Überschiebung der helvetischen Decken (der Glarner Hauptüberschiebung) zu suchen. Abb. 2-22B veranschaulicht den Prozess der Ausstülpung des Permokarbon-Trogs. Die Trogfüllung liegt auf einer ausgeglätteten Überschiebungsfläche. Die ehemaligen Trogränder liegen als Falten vor, deren Achsen einen Bogen von 180° rund um die ausgestülpte Trogfüllung machen. Die mesozoischen Sedimente im Hangenden der Trogfüllung liegen höher als jene östlich und westlich des Trogs. Als Folge davon zeigen die Faltenachsen im Mesozoikum ein markantes Axialgefälle nach Osten und Westen.

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2-22 Der Permokarbon-Trog des Glarner Verrucanos. A) Der retrodeformierte Profilschnitt zeigt die ursprüngliche Grabenstruktur. B) Schematische Blockdiagramme illustrieren die Ausstülpung des Permokarbon-Troges.

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Die Trogfüllung (vgl. Abb. 2-22A) enthält sehr geringmächtige schwarze Phyllite und Grauwacken an der Basis, die dem datierten Karbon im Aar-Massiv nicht unähnlich sind. Die permische Füllung ist von roten Brekzien (bzw. Fanglomeraten), Sandsteinen und feinkörnigen Rotschichten dominiert. Die Rotfärbung ist durch die alpine, grünschieferfazielle Metamorphose lokal völlig überprägt. Die grobklastischen Sedimente (lokal als Sernifite bezeichnet) sind als proximale Schuttfächer bevorzugt an den Trogrändern vorhanden, während die feinkörnigeren Klastika mehr das Troginnere ausmachen. Die feinkörnigen Rotschichten (lokal als Schönbüel-Schiefer bezeichnet) stellen den jüngeren Teil dar und können wohl mit jenen des Nordschweizerischen Permokarbon-Trogs korreliert werden. Eingelagert in die Sedimente finden sich Lagen von sauren und basischen Vulkaniten (Rhyolite, Dacite bzw. Basalte, heute als Spilite vorliegend).

Der Begriff „Verrucano“ hat sich für die roten Klastika des Glarner Verrucanos eingebürgert, obschon, wie Trümpy (1980) bemerkt, diese Sedimente wenig mit den triadischen Konglomeraten, Sandsteinen und Tonsteinen von Verruca bei Pisa zu tun haben.


2-23 Glarner Verrucano. Grobklastische Varietät mit eckigen Komponenten unterschiedlicher Zusammensetzung. Sernftal (Kt. Glarus, Schweiz).

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2-24 Retrodeformierter Proflischnitt durch die Briançon-Schwelle mit den Permokarbon-Trögen der Zone Houillère und des Mont Fort (mittelpenninische Decken der West- und Zentralalpen). Zu den mit den Sedimenten assoziierten Magmatika zählen subalkaline Granitoide und rhyolitische und basaltische Vulkanite. Umgezeichnet nach Thélin et al. (1993).

Das Permokarbon im Penninikum

Im Penninikum sind an vielen Stellen wenig mächtige permische Sedimente zu beobachten. Ein größerer Komplex ist aber im Briançonnais der Westalpen und Zentralalpen auszumachen (Zone Houillère in Frankreich und Mont Fort-Digitation des Bernhard-Deckenkomplexes in der Schweiz). Nach Thélin et al. (1993) handelt es sich um zwei (eventuell mehrere) parallel verlaufende Tröge, die mit spätkarbonen bis permo-triadischen fluviatilen Sedimenten gefüllt sind. In den älteren Serien kommen graphitführende Metapelite und -grauwacken vor, die ein karbones Alter suggerieren. Quarzite bilden den Abschluss der jüngeren, permischen Trogfüllung und gehen übergangslos in Quarzite über, für die ein triadisches Alter angenommen wird. Wie Abb. 2-24 andeutet, sind die Trogfüllungen auch in diesem Falle von einem bimodalen Vulkanismus begleitet. Permische Gabbros und Granitoide intrudieren das Altkristallin und die Sedimente als Lakkolithe bzw. als Lagergänge. Die Vulkanite sind im Mont-Fort-Becken viel zahlreicher, was Thélin et al. (1993) als Indiz für ein Pull-apart-Becken deuten (transtensives tektonisches Regime). Die Orientierung der Becken würde auf eine großräumig dextrale Scherung hindeuten, ähnlich wie im Falle des Nordschweizerischen Permokarbon-Trogs.

Das Permokarbon im Ostalpin

Auch im Ostalpin der Ostalpen finden sich verbreitet permische Sedimente. Sie wurden nach Krainer (1993) in EW- bis NE-SW-verlaufenden Trögen abgelagert, deren Öffnung mit |Seite 79| der großräumigen dextralen Scherung erklärt wird, die mit der Ostdrift von Eurasien relativ zu Gondwana zu dieser Zeit zusammenhängt.

Stellvertretend für die vielen Vorkommen soll das Spätpaläozoikum der Gurktal-Decke kurz diskutiert werden. Die stratigrafische Abfolge ist in Abb. 2-25 zusammengefasst und basiert, wie die nachfolgende Diskussion, im Wesentlichen auf Krainer (1993).

Die Serie beginnt mit einem polymikten Basiskonglomerat, das diskordant den variszisch gefalteten, devonischen bis frühkarbonen Sedimenten aufliegt. Die darüber folgende Stangnock-Formation ist als fluviatile Abfolge in einem intramontanen Becken gedeutet, aufgebaut aus mehreren Megazyklen. Diese Megazyklen enthalten jeweils an der Basis Konglomerate (mit erosiver Auflage) eines gezopften bzw. verwilderten Flusssystems, darüber kreuzgeschichtete Konglomerat-Sandstein-Assoziationen eines mehr mäandrierenden Flusses. Den Abschluss machen dunkle anthrazitische Schiefer mit Pflanzenhäckseln, die als Ablagerung auf der Überschwemmungsebene und in Seen von verlassenen Mäanderschlingen zu deuten sind. Diese Abfolge ähnelt auffallend jener im älteren Teil des Nordschweizerischen Permokarbon-Trogs.

Mit dem Übergang zu den Sedimenten des Perms erfolgt ein Farbwechsel auf Rot, der klimatisch bedingt sein dürfte. Die Werchzirm-Formation des frühen Perms besteht aus roten Konglomeraten/Brekzien, unreifen Sandsteinen und feinkörnigen Rotschichten. Sie wird als Ablagerung eines proximalen bis distalen alluvialen Fächers und eines Playa-Komplexes gedeutet. Rhylolitische Vulkanite (Ignimbrite und Pyroklastika) schließen oft die Formation ab.

Der Übergang zur Gröden-Formation des späten Perms ist durch einen Hiatus gekennzeichnet, der durch Bruchschollen-Tektonik verursacht wurde. Diese sogenannte saalische Phase dürfte auf transpressive und transtensive Bewegungen an den bereits existierenden Gräben zurückzuführen sein. Möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit der Deformation der älteren Trogfüllung im Nordschweizerischen Permokarbon-Trog (Abb. 2-19). Ansonsten handelt es sich bei der Gröden-Formation wiederum um Ablagerungen eines proximalen bis distalen alluvialen Fächers, der oben in einen Playa-Komplex mündet. Allerdings enthalten die grobklastischen Sedimente sehr viel aufgearbeitetes Material frühpermischer Vulkanite. Die Gröden-Formation ähnelt ebenfalls auffallend dem Perm des Nordschweizerischen Permokarbon-Trogs und dem Sedimentanteil des Glarner Verrucanos.

Nach oben setzt sich die Sedimentation ohne Unterbrechung, aber mit einem abrupten Wechsel in den Ablagerungsbedingungen und der Zusammensetzung der Sedimente in den Alpinen Buntsandstein fort (Abb. 2-24). Der Wechsel wird nach Krainer (1993) durch eine rasche Klimaänderung zu mehr humiden Bedingungen erklärt. Im Alpinen Buntsandstein und der darüber folgenden Werfen-Formation können drei Megazyklen unterschieden werden. Jeder Zyklus beginnt mit proximalen Konglomeraten eines gezopften Flusssystems, das zu mehr distalen Sandsteinen überleitet. Den Abschluss bilden jeweilen feinklastische seichtmarine Sedimente. Im Falle der Werfen-Formation liegen anstelle der fluviatilen Sedimente Sturmablagerungen vor, und den Abschluss der Serie bilden Evaporite, die allmählich in den alpinen Muschelkalk übergehen.

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2-25 Die spätpaläozoischen Sedimente der Gurktal-Decke (Ostalpin), zusammengefasst nach Krainer (1993).

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2-26 Die vulkano-sedimentäre, spätpaläozoische Abfolge der Südalpen (Lombardei und Dolomiten). Zusammengefasst nach Schaltegger & Brack (2007) und Krainer (1993).

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Das Permokarbon im Südalpin

Im Südalpin folgt das Perm auf teilweise metamorph überprägte Serien, beispielsweise Quarzphylliten. Im frühen Perm bildeten sich zahlreiche Gräben, welche von magmatischer Aktivität begleitet waren. Die Sedimente des späten Perms lagerten sich diskordant darüber ab. Die magmatische Aktivität im frühen Perm scheint in zwei Schüben, von 283–280 und 277–275 Millionen Jahren, stattgefunden zu haben. In Abb. 2-26 werden die Abfolgen in der Lombardei und den Dolomiten verglichen (vgl. Krainer 1993 und Schaltegger & Brack 2007).

Das Ponte-Gardena-Konglomerat an der Basis der Serie zeigt beträchtliche Mächtigkeitsschwankungen, was auf die synsedimentäre Tektonik beim Einbrechen des Sedimentbeckens zurückzuführen ist. Der Bozen-Vulkanitkomplex besteht aus Laven, Ignimbriten und Tuffen, die mit fluviatilen und lakustrischen Sedimenten wechsellagern. Die lakustrischen Sedimente werden als Ablagerungen in Seen innerhalb des aktiven vulkanischen Komplexes, aber innerhalb Pausen in der vulkanische Aktivität, gedeutet. Die Klastika über den Vulkaniten folgen leicht diskordant, was auf die Blockrotationen der „saalischen Phase“ zurückzuführen sein dürfte. Die Gröden-Formation entspricht dem Verrucano Lombardo. Altersmäßig sind beide Formationen dem späten Perm zuzuordnen. Im Osten, den Dolomiten und den Karnischen Alpen, wird die klastische Sedimentation durch seichtmarine Ablagerungen (unter anderem Dolomit und Evaporite) der Bellerophon-Formation abgelöst. Diese marinen Sedimente, wie auch jene der triadischen Werfen-Formation bzw. Servino-Formation, sind Zeugen einer Transgression von Südosten her.

Die permokarbonen Gesteine im gesamten Gebiet der (künftigen) Alpen sind kontinental-klastischer und vulkanoklastischer Art und in intramontanen Trögen abgelagert. Diese Tröge sind Grabenstrukturen, die durch Ausdünnung der warmen verdickten Kruste des variszischen Gebirges und durch rechtssinnige Verschiebung zwischen Eurasien und Gondwana entstanden sind. Die ältesten Tröge wurden schon im späten Karbon angelegt, ihre Füllung wurde bereits als „Molasse“ bezeichnet. Diese Bezeichnung widerspricht aber der heute verwendeten Definition, laut welcher Molassesedimentation sich auf eine Vorlandsenke bezieht und nicht a priori post-orogen ist. Auch beim Begriff „Verrucano“ ist Vorsicht angebracht. Wie Krainer (1993) bemerkt, kann im geodynamischen Umfeld kaum zwischen den frühpermischen und spätpermischen Grabenbildungen unterschieden werden. Der Übergang von der dextralen Scherung zwischen Eurasien (Baltica) und Gondwana (Afrika) einerseits und das Zerbrechen von Pangäa und die damit assoziierte Öffnung der Tethys andererseits, dürften ähnliche lokale Effekte bewirkt haben. Zudem ist nicht klar ob, die Öffnung des Tethysarms von Südosten her im Perm oder erst in der Trias einsetzte.

Geologie der Alpen

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