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Einleitung – Leyla Zana und die kurdische Frage in der Türkei
ОглавлениеAls die kurdische Politikerin Leyla Zana nach ihrem Einzug in das türkische Parlament am 6. November 1991 ihren Amtseid zunächst auf Türkisch beginnt, ihn aber mit dem kurdischen Satz beschließt: „Diesen Eid lege ich im Namen der Verbrüderung des türkischen und kurdischen Volkes ab“, erntet sie lauthals Kritik von den anderen Parlamentsmitgliedern. Drei Jahre später wird sie aufgrund einer Rede, die sie in den USA gehalten hat, verhaftet. Zana wird zu 15 Jahren Haft verurteilt mit dem Vorwurf, sie sei Mitglied in einer illegalen Vereinigung. Die kurdische Politikerin wird bis heute von der kurdischen Bevölkerung als „Märtyrerin“ und Vorbild gesehen.
Ethnische Minderheiten kämpften nicht nur in der Türkei, sondern auf der ganzen Welt um Anerkennung. Vor allem nach dem Holocaust drängten die Europäer darauf, dass ein Gesetz zum Schutze von Völkern erlassen wird. Die Vereinten Nationen verabschiedeten am 26. Juni 1945 ihre Charta und einigten sich darin auf das heute noch geltende Völkerrecht. In diesem wird unter anderem das Staatsvolk als konstitutiver Bestandteil eines Staates angesehen. Aber: Woraus besteht das Staatsvolk und was ist mit den Menschen, die sich nicht als Teil von diesem sehen? Was ist mit ethnischen Minderheiten? Besonders schwierig ist es für diejenigen, die sich über Staatsgrenzen und Herrschaftsterritorien hinweg zusammengehörig fühlen.
Der Konflikt zwischen der Türkei und den kurdischen Minderheiten in den Kurdengebieten ist ein anschauliches Beispiel für die Definitionsschwierigkeiten eines „Volkes“ und die Anerkennungsproblematik einer ethnischen Minorität. Vor allem seit dem Beginn der Verhandlungen zu einer möglichen EU-Beitrittskandidatur der türkischen Republik verursacht gerader dieser Konflikt die größten politischen Probleme seit der Gründung der Republik 1923. Noch immer beherrscht der Konflikt die aktuelle Tagespolitik. Die so genannte „Kurdenfrage“ wird mittlerweile seit Jahren auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern heiß diskutiert – und führt nicht zuletzt auch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Türkei. Vor diesem Hintergrund wird die provozierende Wirkung der von Leyla Zana bei ihrem Amtsantritt gesprochenen Worte fassbar.
Auch in den Wahlen zum türkischen Parlament im Juli 2011 hat sich die kurdische Frage innerhalb der Bevölkerung derart polarisiert, dass Kurden auf der einen, und türkische Nationalisten auf der anderen Seite fast täglich Kundgebungen abhielten.
Aber worum geht es bei diesem Konflikt und was bietet diese kurze Geschichte der Kurden?
Verhandelt wird vor allem die Stellung der Kurden in den von ihnen besiedelten Gebieten (vor allem in der Türkei). Um die Dimension dieser bloßen Tatsache zu fassen, ist es sinnvoll, sich zunächst der Vergangenheit der Kurden und ihrer Volksdefinition zu vergegenwärtigen.
Die Beziehungen mit dem Osmanischen Reich, dem Reich der Sultane und prachtvollen Paläste, spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Da Geschichte selbstverständlich nicht für sich selbst spricht, wird in einem weiteren Abschnitt überblicksartig die Kultur und Gesellschaft der Kurden erläutert, um schließlich ihre Lage in der Türkei und den Bürgerkriegszuständen der 1990erJahre sowie die aktuellen Geschehnissen besser verstehen zu können.
Weitere wichtige Fragen des Autors sind: Läuft die Türkei einem erneuten Bürgerkrieg entgegen oder ist dies nur eine weitere, äußerst hitzig geführte politische Debatte? Und wie ist die Haltung Deutschlands und der EU gegenüber diesen Geschehnissen, vor allem im Hinblick auf einen möglichen EU-Beitritt des Landes?