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EIN LEUCHTTURM LÜGT NIE

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Er leuchtet, er blinkt, er strahlt – weiß oder rot oder grün: Wer die Signale vom Leuchtturm versteht, weiß sofort, wo es langgeht. Kapitän Gerald Immens erklärt, wie man das Feuer vom Turm deuten muss.

Das Licht vom Leuchtturm ist schon eine wunderbare Sache, es schenkt einem Sicherheit. Man dampft oder segelt durch die tintenschwarze Nacht, und dann erscheint am Horizont der Leitstrahl, der einen sicher durch die Finsternis führt. Die vollelektronische Navigation von heute braucht die Türme zwar eigentlich nicht mehr, aber dieses Heimleuchten durch die Leuchtfeuer will niemand aufgeben, und dafür gibt es auch gute Gründe.

Es gibt zwei verschiedene Arten von Leuchttürmen. Die einen haben ein starkes Licht von großer Tragweite, das sie in einem immergleichen Takt aussenden. Nehmen wir mal Norderney, ein wunderschöner Leuchtturm, 1874 auf einer Düne erbaut, fast sechzig Meter hoch. Den kann man nachts schon von Weitem sehen, unter normalen Bedingungen schon 23 Meilen vor der Küste, und er sendet in einer bestimmten Taktung von Hell- und Dunkelphasen sein Licht aus. Kennung sagen wir dazu, und die ist in der Seekarte verzeichnet.

Blz (3) W. 12 s. heißt es da, und das bedeutet: dreimal weißer Blitz, dann dunkel, und die Sequenz hat eine Wiederkehr von zwölf Sekunden. Wenn der Seemann draußen diesen Takt identifiziert, weiß er: Aha, dahinten ist Norderney, das kann ich als Fernansteuerung nehmen. Helgoland, auch ein schönes Beispiel, hat sogar eine Tragweite von 28 Seemeilen, ein unglaublich starkes Licht. Kennung: Blz W. 5s – also alle fünf Sekunden ein Blitz.

Neuwerk, an der Einfahrt zur Elbe hat F. W. – ein festes weißes Licht, keine Unterbrechungen, das strahlt permanent. Auch der Leuchtturm auf der Nordmole vor der Einfahrt zum Fischereihafen in Bremerhaven hat so ein Festfeuer, nur in Rot: F. R.

Sozusagen das Gegenteil vom Blitz ist das unterbrochene Feuer. Beim Leuchtturm Robbenplate steht in der Seekarte: Ubr. W. 6s. Ein weißes Licht, das einmal in sechs Sekunden von einer kurzen Dunkelphase unterbrochen wird. Der Leuchtturm Flügge im Südwesten von Fehmarn zeigt ein ähnliches Bild, nur wird der helle weiße Strahl in einem Zeitraum von 20 Sekunden gleich viermal hintereinander kurz unterbrochen. Die Schreibweise lautet dann: Ubr.(4) W. 20 s.

Die zweite Art von Leuchttürmen sind die Sektorenfeuer. Ein Leuchtturm kann an einer Stelle stehen, wo er auf bestimmte Gefahren hinweist. Bei der Ansteuerung der Kieler Förde etwa hält man auf den Kieler Leuchtturm zu, in dem auch unsere Lotsenstation untergebracht ist. Der Kieler Leuchtturm ist im Prinzip eine Mischform: hohe Tragweite, ein guter Orientierungspunkt für Schiffe, die in die Förde wollen. Kennung: Glt. WRG 6s. Glt. steht für Gleichtakt – Hell- und Dunkelphasen sind genau gleich lang.

Wenn man jetzt vom richtigen Kurs abkommt, sagen wir: ein Stück zu weit nach Norden lenkt, dann wechselt der Leuchtturm die Farbe. Weiß ist immer: sicher. Wenn der Seemann stattdessen plötzlich ein rotes Licht sieht, weiß er, dass er zu weit nach Backbord abgekommen ist, in einen Untiefenbereich, also nach Steuerbord lenken muss, um zurück in den sicheren weißen Sektor zu kommen. Wenn er den wieder hat, kann er geradeaus auf den großen Kieler Leuchtturm zuhalten, bis der Bülker Leuchtturm in Sicht kommt: Blz WRG 3s. Sobald er dessen weißes Licht sieht, kann er den Kurs ändern und auf Bülk zuhalten. Da bleibt er ebenfalls brav im weißen Sektor, bis er das Licht des Friedrichsorter Feuers sieht: Glt. WRG 4s. Und nächste Kursänderung, auf den nächsten Turm zu.

So kann man sich von Sektor zu Sektor und Turm zu Turm in die Förde leiten lassen und sehr genau navigieren. Viel genauer eigentlich als mit allen anderen Verfahren. Ein Leuchtturm lügt nie. Bei uns in Kiel merken wir das immer, wenn ein strenger Eiswinter kommt. Dann sind die Fahrwassertonnen nämlich nicht mehr da, wo sie hingehören, die werden vom Eis verschoben. Und dann sind die Nautiker auf den Schiffen froh, wenn sie nach den Sektoren der Leuchttürme fahren können. Deshalb gibt man die Türme trotz aller tollen elektronischen Helfer auch nicht auf. Sie werden noch gebraucht.


GERALD IMMENS,

geboren 1959 in Essen, machte nach dem Abitur die Ausbildung zum Matrosen auf einem Großtanker von Esso. Dann Studium an der Hochschule für Nautik in Bremen, 1984 Erwerb des Kapitänspatents. Bis 1992 als Offizier und später als Kapitän auf Chemikalientankern der Reederei Carl Büttner in Bremen. Ab 1993 Mitglied der Lotsenbrüderschaft Nordostseekanal II / Kiel / Lübeck Flensburg, seit 2005 auch Hochseelotse für den Bereich der Ostsee.

Das kleine Buch vom Meer: Leuchttürme

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