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JVA, Schildhauer und Bachler im Besucherraum. Schildhauers Krücke lehnt am Stuhl, man sitzt sich angespannt gegenüber – Schildhauer deutlich mehr als Bachler.

SCHILDHAUER Ich. Also. Geht’s Ihnen gut? Entschuldigung, die Frage ist vielleicht …

BACHLER

SCHILDHAUER Ich habe veranlasst, dass wir hier kein Wachpersonal … Kameras ja, da war nichts zu machen. Aber keine Wachen. Und auch keine, also, Handschellen. Ich hielt das für unnötig. Richtig? Ich meine lacht nervös, nach unseren Briefen – Sie werden mich schon nicht anfallen, nicht wahr? Dachte ich. … fast ängstlich Richtig?

BACHLER „Veranlasst“. Sie „veranlassen“ also schon.

SCHILDHAUER Bitte? Ach. Ja, Sie haben recht: die falsche Vokabel. A-Amtssprache, das Rülpsen der Macht. Dabei lacht, also ich hab ja selbst ei-eingesessen. Und nicht nur einmal, nicht nur einmal. Da sollte mir bei so was die Zunge … Aber mit der Wortfindung da hapert’s eben noch und … - gleich mal prophylaktisch - wenn ich stottere, dann ist das nicht etwa das kultivierte Stottern des Akademikers. Ich will mich hier nicht vor Ihnen aufspielen, keine Spur. Und ich stottere auch nicht, weil ich nervös bin. Es ist weil … Also Sie haben mich … Also das Projektil hat mich … 47% Grad Eintrittswinkel, das Sprachzentrum wurde leicht geschrammt. Aber wird besser. Wird besser. Hin und wieder noch so eine Art epileptische … wie sagen die?: „Episoden“. lacht Wenn ich was hasse, dann sind es Geschichten, Histörchen. Und jetzt hat mich selbst eine erwischt, eine „Episode“. stammelt Aber, ich trainiere. Ich übe beispielsweise mit … Egal, was rede ich. Ja freilich bin ich auch, viele Fragen, ja, ich bin auch nervös! Sie hätten mich immerhin u-umbringen können. Aber waren wir nicht beim Du? Mir ist so, die Briefe –

BACHLER Ich wollte Sie u-umbringen, will ich no-noch. persifliert ihn also Und, ja, Sie waren beim Du. „Lieber Stefan! – muss man sich mal vorstellen: ich schieß Ihnen in die Birne und Sie: „Lieber Stefan“ – Lieber Stefan also: „Pass auf, Du brauchst nicht nervös zu werden, lies diesen Brief durch oder schmeiß ihn weg. Du wolltest mich fertigmachen. Aber auch, wenn Du es geschafft hättest, hätte die herrschende neoliberale Mafia DICH fertig gemacht.“ – Du, zweite Person singular eindeutig. Aber Sie duzen ja alle. Ist in Ihren Kreisen eben so.

SCHILDHAUER Und das ist Ihnen unangenehm.

BACHLER Es ist mir so was von wumpe.

l ängeres Schweigen zwischen beiden

SCHILDHAUER Immer noch? Sie wollen mich immer noch … Aber: wa-rum! Stefan, du bist … Sie sind kein Killer. Sie sind auch nicht verwirrt und keine faschistische Schlammbirne, da mögen die Zeitungen rätseln deuten schreiben, was sie wollen. Aber … also jeder Mensch hat eine Na-Nahtötungshemmschwelle. Du kannst eine Bombe aus dreitausend Meter Höhe auf eine Stadt werfen, aber keinen auf Armlänge killen. So einfach jedenfalls nicht. Es sei denn, du bist darauf trainiert. Sind Sie aber nicht, Stefan, und geistig gestört eben auch nicht, kein Soziopath, ich kenne die Akten. Trotzdem haben Sie wie einer auf mich geschossen: aus nächster Nähe. „Aufgesetzt“, wie es heißt. WARUM?! Womit hab ich Sie so verärgert … entschuldigen Sie, wieder ein Fehlgriff: „verärgert“ ist hier wohl kaum das richtige Wort. Also: so viel Wut, dieser Hass – warum? Was habe ich Ihnen getan, Stefan Bachler?

Bachler schweigt, Schildhauer wirkt schon erschöpft und muss sich den Schweiß wischen.

SCHILDHAUER Eine Glaubensfrage? Hat es mit etwas Religiösem zu tun?

BACHLER Gott?

Lacht kurz vergnügt und freundlich. Schweigt dann wieder.

SCHILDHAUER Na, immerhin sind Sie blendender Laune, ich scheine Sie zu amüsieren.

Bachler schweigt. Schildhauer kämpft weiter mit dem Schweißausbruch.

BACHLER Sie können nach einem Glas Wasser bimmeln.

SCHILDHAUER Bitte?

BACHLER Der Notknopp.

SCHILDHAUER Ich bin in Not?

BACHLER Mann, Wasser, ein einfaches Glas Wasser! Nicht waffenfähig.

SCHILDHAUER Ach lacht erleichtert … Nein. Danke. Geht schon. Meine Kondition ist nur noch nicht … Wissen Sie, mir wurde ja von einem solchen Te-Treffen abgeraten. Heftig abgeraten! Würde nichts bringen, Sie und mich nur überfordern, öffentlich seltsam wirken, pipapo. Ich kann mir vorstellen, Ihre A-Anwälte oder der Knastpsychologe sehen das nicht viel anders. Wir sind aber trotzdem hier. Beide. Nur … Sie wollen nicht reden.

BACHLER

SCHILDHAUER Ich will reden. Meine Frage ist also: Warum sind Sie hier?

BACHLER zuckt mit den Schultern Zuviel Zeit?

SCHILDHAUER Zuviel Zeit? Das ist alles? plötzlicher Wutausbruch, lässt die Handflächen auf den Tisch krachen Bachler, Sie feige Sau, Sie können auf mich schießen aber nicht mit mir reden???

Bachler schweigt. Schildhauer stiert ihn an. Bachler weicht dem Blick nicht aus. Sehr ruhig.

SCHILDHAUER Also? … Tja - Also dann!

Steht auf, nimmt die Krücke und hinkt zur Tür.

Kurz bevor er nach dem Personal klingelt :

BACHLER Womit üben Sie?

Schildhauer dreht sich um.

SCHILDHAUER Was?

BACHLER Sie haben gesagt, Sie üben gegen das Stottern und wegen der Wörter.

SCHILDHAUER Das interessiert Sie? Wie ich … Moment, vorhin schon: das Gehör für den Stil, für meine Worte … Ist es das? Lag es daran, dass ich damals was Falsches gesagt habe? Ne Rede, irgendeine blöde Formulierung. Bin ich bei Ihnen wo drangekommen, dass Sie so wütend …

BACHLER … nein, Mann! Hat nicht gleich jeder Scheiß damit zu tun.

SCHILDHAUER Ja, WELCHER SCHEISS HAT DENN DAMIT ZU TUN, „MANN“?!

Bachler schweigt wieder.

Schildhauer wartet noch einen Moment und schlägt dann gegen die Tür.

SCHILDHAUER Hallo? Wir sind hier fertig.

Die Tür wird aufgeschlossen; er geht, ohne sich noch einmal umzudrehen.

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