Читать книгу Perry Rhodan 3149: Der Preis des Entkommens - Oliver Fröhlich - Страница 6
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Eine Tür im Schnee
Die Welt stand still.
Dunkelgraue Wolkenmassen türmten sich am Himmel, ebenso in der Bewegung verharrt wie die Myriaden Schneeflocken, die in der Luft hingen, als wäre ein Blizzard unter seiner eigenen klirrenden Kälte eingefroren. Selbst das Glitzern der Lichtreflexe auf der unendlichen Ebene hätte an zahllose erstarrte Sterne in einem Universum aus Eis und Schnee erinnert, wenn es in dieser im Augenblick gefangenen Welt jemanden gegeben hätte, der diesen Vergleich anstellen könnte. Jemanden, der seine Umwelt bewusst wahrnehmen und über sie nachdenken konnte.
Doch dazu war Anzu Gotjian nicht fähig. Zwar spürte sie die beißende Kälte auf der Haut und in ihrem Inneren, fragte sich aber nicht, wie sie an diesen Ort gekommen, wie sie in diese Situation geraten war. Und schon gar nicht überlegte sie, wie sie sich daraus befreien sollte, ehe sie erfror.
Der allgegenwärtige Frost war nicht das Einzige, was sie fühlte, ja, nicht einmal das Vorherrschende. Den weitaus größten Raum nahm eine ungekannte ... Offenheit ein. Auch sie hinterfragte Anzu nicht. Hätte sie es getan, wäre sie vermutlich in Panik verfallen, denn sie hätte sie als das Ergebnis ihres daueraktivierten Fernblicks identifiziert. Anders als sonst fixierte er nicht ein entferntes Ziel, sondern wies gleichzeitig in viele Richtungen.
Da sie jedoch keines bewussten Gedankens fähig war, flossen die Bilder, die Eiseskälte und die damit verbundenen Emotionen in sie ein, durchströmten sie – und traten wieder aus, ohne Erinnerungen zu hinterlassen. Kenntnisse über den Aufbau des Chaoporters bis in den kleinsten Winkel, sonst gut verborgene Geheimnisse über dessen Stärken und Schwächen, über die Besatzung, die ihn bewohnenden Völker, über vergangene und künftige Zertifikate und sogar über Daten und Details, die den Chaotarchen vorbehalten waren. Aber auch Kosmokratenwissen durchfloss sie, Wissen über das kobaltblaue Walzenschiff und dessen Historie, den Bordrechner, den Kommandanten.
Anzu war eins mit FENERIK und der LEUCHTKRAFT, eins mit der Kluft, dem Limbus und dem Bathos – und konnte doch keinen Profit daraus schlagen. Sie versuchte es nicht einmal. Freilich hätte sie selbst unter normalen Umständen keinen Nutzen daraus ziehen können, denn die Fülle an Informationen und einem menschlichen Geist unbegreiflichen Bildern hätte ihr binnen Sekunden den Verstand geraubt. Ihre vermeintliche Schwäche schützte sie, und sie wusste es nicht einmal.
So verging die Zeit in einer zeitlosen Welt. Ungemessen, unbemerkt. Bis eine Schneeflocke auf Anzus Augapfel landete. Und noch eine.
Ein erster Gedanke stemmte sich gegen die Erstarrung und schob sich träge in Anzus erwachendes Bewusstsein.
Wo?
Ein zweiter folgte ...
Was?
... während der erste anwuchs.
Wo bin ich?
Sie blinzelte die Schneeflocken weg.
Die gefrorene Welt geriet in Bewegung, taute allmählich auf. Immer mehr Flocken fielen, berührten Anzus nackte Haut, ließen sie erschaudern.
Für einen kaum wahrnehmbaren Moment bemerkte sie den allumfassenden Fernblick, sah das Bild zweier verschränkter Hände, da erlosch er auch schon und hinterließ Erleichterung in ihr, aber zugleich den schalen Geschmack einer verpassten Chance.
Warum bin ich nackt?
Sie sah an sich hinab. Als wohnte Frage und Blick eine schöpferische Kraft inne, verschwammen die Konturen ihres Körpers. Weiche, natürliche Formen wichen den kantigeren eines SERUNS. Das Gefühl von Schneeflocken auf der Haut verschwand, das von Kälte und Schutzlosigkeit hingegen blieb.
Sie begriff. Die Welt, die sie umgab, entsprang dem hilflosen Versuch ihres Geistes, die wirklichen Gegebenheiten in interpretierbare Bilder zu übersetzen. Nichts davon war real. Weder die unendliche Ebene, der erwachende und immer kälter beißende Sturm, die nun umherwirbelnden Flocken noch die Tür inmitten des Schneegestöbers.
»Suu ...«, hauchte der Wind.
Anzu stapfte los, auf die Tür zu, doch mit jedem Schritt rückte diese ein Stück weg, als entzöge sie sich Anzus Zugriff. Sie bestand lediglich aus einem schlichten, unverzierten Türblatt, hellbraun, womöglich Holz, mit einem metallisch schimmernden Drehknauf. Keine Türangel, keine Zarge und erst recht keine Wand hielten sie aufrecht, und so gab es keinen Raum oder Gang, den sie abschloss oder verbarg. Dahinter konnte nichts anderes liegen als weiteres Schneegestöber und die unendliche eisige Ebene.
Dennoch wusste Anzu, dass das nicht zutraf. Auf eine ihr unverständliche Weise begriff sie die Tür als verschlossen, und wenn es ihr gelang, sie zu öffnen, würde sie ...
»Aa ...«, drängte der Wind. »Suu ...«
Doch war das überhaupt der Wind, der zu ihr sprach? War es nicht vielmehr eine Stimme, die er mit sich trug? Eine vertraute, lieb gewonnene Stimme?
»Aasuu ...«
Sie blieb stehen, warf der Tür und den Antworten, die sie dahinter vermutete, einen sehnsuchtsvollen Blick zu und wandte sich von ihr ab. Hin zu der Stimme, die zwar von überall gleichzeitig zu kommen schien, die sie trotzdem hinter sich verortete.
Aber da war niemand. Nur der Schnee, der stöberte, wirbelte, wild tanzte – und Formen bildete. Erst glaubte sie an eine Täuschung, dann jedoch ballten sich die Flocken an verschiedenen Stellen, modellierten Ohren, Augen, eine vorspringende Schnauze.
»Aannssuu«, wehte es ihr entgegen. Schließlich deutlicher: »Anzu!«
Die Schneeaugen und -ohren entfernten sich voneinander, als sich eine senkrechte Kluft in dem Gesicht auftat und die beiden Hälften wie ein sich öffnender Vorhang auseinandertrieben. In dem neu entstandenen, schneefreien Spalt stand eine Gestalt. Klein, pelzig, mit vorspringender Schnauze und einem Nagezahn.
»Anzu«, sagte der Wind mit Guckys Stimme. »Wach auf! Komm zurück!«
Und das tat sie.
*
Es dauerte zehn Minuten, bis Anzu mehr zustande brachte als ein schmerzhaftes, unverständliches Krächzen.
»Danke«, sagte sie zu Gucky, als es ihr endlich gelang. Ein winziges Wort, das sich unzureichend für das anfühlte, was sie ausdrücken wollte.
Danke, dass du mich vor dem geistigen Erfrieren gerettet hast. Dass du mit deinen Gedanken in meine eingedrungen bist und mich herausgeholt hast. Danke für die Befreiung aus der kalten Ebene. Dafür, dass du eine stillstehende Welt wieder in Gang gesetzt hast. Und vor allem dafür, dass ihr auf die LEUCHTKRAFT zurückgekehrt seid.
Doch es war gar nicht nötig, all das zu formulieren. Gucky verstand es auch so. Dazu musste er nicht einmal ihre Gedanken lesen.
»Immer wieder gerne«, sagte der Ilt. »Der Retter des Universums und in Not geratener Freunde ist stets zu Diensten.«
Anzu sah sich in der sonderbaren Umgebung um, die nicht minder bizarr ausfiel als die eisige Ebene und die frei stehende Tür, wenngleich auf andere Weise: Sie war in einem Park erwacht. Allerdings in keinem, der Ausgelassenheit verströmte und die freudige Aussicht auf unbeschwerte Stunden versprach. Gewiss, es gab ein Karussell, Bäume, Seen, doch all das wirkte überlebensgroß, einschüchternd und verzerrt; es befand sich in einem Zustand des merkwürdigen Verfalls.
Das Karussell drehte sich irrsinnig schnell, seine Fahrzeuge – Space-Jets, winzig riesige Kugelraumer, fremdartige Kreaturen – sahen unförmig aus, als verlören sie an Stabilität und Substanz. Die Bäume ragten bis in den Himmel, doch ihre Stämme wirkten löchrig, porös und verblüffend detailarm. Der nächstgelegene See erschien ihr schwarz, unauslotbar tief – und wie geronnen.
Unweit des Karussells lagen die Überreste eines zertrümmerten Eisblocks, die allmählich schmolzen. Genauso wie der Park schmolz.
Anzu fühlte sich unwohl unter den Blicken der Anwesenden. Neben Gucky blickten Perry Rhodan, Vetris-Molaud, Lousha Hatmoon, Vimuin Lichtschlag und Gry O'Shannon unverwandt zu ihr. Ebenso wie ein groß gewachsener, hagerer Mann, von dessen Gesicht sie hinter einer schlicht wirkenden Kunststoffmaske nur die braunen Augen und den Mund sah. Alaska Saedelaere. Der Mann, den sie mit dem Zwergandroiden Kano Blautvind hatte suchen wollen.
Hatten sie ihn gefunden? Anzu konnte sich nicht erinnern.
Das war zugleich der Grund, warum ihr die geballten Blicke Unbehagen bereiteten. Denn in ihnen las sie die Aufforderung zu berichten, wie es ihr und Blautvind ergangen war, nachdem der Rest des Teams sie auf der LEUCHTKRAFT zurückgelassen hatte. Zu schildern, wie sie in jene Situation geraten war, aus der Gucky sie befreit hatte.
Nur: Sie wusste es nicht mehr. Ihr Gedächtnis ließ sie nicht darauf zugreifen, als wären die vergangenen Erlebnisse in ihrem Geist verschüttet. Oder verborgen. Weggesperrt hinter einer Tür im Schnee.
Erneut blickte sie zu den Resten des Eisblocks. »Darin habt ihr mich also gefunden.«
»So ist es«, sagte Rhodan.
»Wie lange war ich ... gefangen?«
»Das wissen wir nicht. Höchstens elf Tage, wahrscheinlich weniger. Heute ist der 27. August. Die LEUCHTKRAFT haben wir am 16. verlassen. Wenn du und Blautvind also nicht sofort in die Schwierigkeiten geraten seid, die ...« Er deutete auf die Eisreste. »... die hierzu geführt haben ...« Den Rest des Satzes ließ er unausgesprochen.
»Mir ist klar, dass ihr Fragen habt. Geht mir genauso.« Sie schilderte ihre spärlichen Eindrücke von den wenigen bewussten Augenblicken auf der kalten Ebene und verschwieg auch die Tür nicht. »Vielleicht würde es meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen, wenn ihr mir von euren Erlebnissen berichtet. Insbesondere, was es mit diesem einschüchternden Park auf sich hat.«
»Dieser einschüchternde Park, wie du ihn nennst«, sagte Saedelaere, »ist eine Landschaft meiner frühen Kindheit.« Es waren die ersten Worte, die sie von ihm hörte. Oder? Seine Stimme klang dumpf hinter der Maske, zugleich weich und bestimmt. »Der Gobi-Park, wie ich ihn durch Kinderaugen gesehen habe.«
Das erklärte immerhin die Größe und die verzerrte Perspektive der Anlage.
Anzu erfuhr, dass Alaska Saedelaere nur kurz vor ihr ebenfalls einem Gefängnis entkommen war, in seinem Fall ein dem Aussehen nach kartonähnlichem Gebilde. Sie verstand die Zusammenhänge der stark verkürzten Erzählung nicht in allen Einzelheiten, aber offenbar hatte dieses Konstrukt Alaska eine Welt vorgegaukelt, die sich aus seinen Erinnerungen und Erlebnissen vor seiner Zeit als Maskenträger genährt hatte. Auf diese Weise sollte ihm ein Code entlockt werden, der die LEUCHTKRAFT dem Chaoporter auslieferte und sie FENERIK unterstellte.
»Irgendwie muss es dem Audh gelungen sein, mich in dem Karton gefangen zu setzen und ...«
»Dem Audh?«, echote Anzu.
Der Begriff kam ihr bekannt vor. Hatte nicht der Zwergandroid Blautvind ihn erwähnt, bevor ... Bevor was? Sie kam nicht darauf. Ein paar Tage schockgefrostet auf Eis zu liegen, war offenbar nicht allzu förderlich fürs Gedächtnis.
»Ein Wesen aus FENERIKS Gefolge«, half Rhodan ihr auf die Sprünge. »Eine Art Kundschafter. Nach derzeitigem Kenntnisstand können die Audh in Chaoversen vordringen und haben im Gegensatz zu anderen Wesen eine gute Chance, den Aufenthalt dort zu überstehen. Sie transportieren Objekte dorthin, setzen sie aus und ernten sie später wieder, wenn ...«
Illustration: Dirk Schulz
»... wenn sie zu einem Chaofaktum geworden sind«, vollendete Anzu. Davon zumindest hatte sie bei ihrem unfreiwilligen Besuch des Chaoporters erfahren. Und allmählich kehrte auch die Erinnerung an das zurück, was Blautvind gesagt hatte. Es war eine Warnung gewesen. Eine düstere Prognose.
»Richtig«, bestätigte Saedelaere. »Mein Gefängnis war genauso ein Chaofaktum.«
»Wie ist es dem Audh gelungen, dich dort festzusetzen?«
»Ich weiß es nicht. Ich entsinne mich dunkel, dass ich mich hier aufgehalten habe.« Er machte eine allumfassende Geste mit beiden Armen. Hinter der Maske irrlichterte es etwas stärker. »Allerdings war dieser Ort zu der Zeit noch nicht der verzerrte Pseudo-Gobi-Park, den ihr nun seht. Dann ... kam jemand. Vermutlich der Audh. Und danach? Filmriss. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll.«
»Als würde man morgens nach dem Erwachen versuchen, sich an den unmittelbaren Moment vor dem Einschlafen zu erinnern?«, schlug Anzu vor.
»Genau. Oder an den letzten Augenblick eines Traums«, sagte Saedelaere, und Sehnsucht lag in seiner Stimme.
»Und ich ...«
»Du warst Teil meines Gefängnisses. Der Audh ... nun, es mag skurril klingen, aber er war ständig in Bewegung. Wie ein Eistänzer zog er seine Kreise auf dem Block, in den du eingeschlossen warst.«
»Wir konnten«, ergänzte Gucky, »dich und Alaska dem Karton entreißen. Daraufhin hat sich der Audh mitsamt seinem Chaofaktum aus dem Staub gemacht. Anschließend haben wir dich aufgetaut.«
»Als wir auf die LEUCHTKRAFT zurückkehrten«, sagte Rhodan, »war es kalt an Bord. Schnee, Blizzards, wirklich ungemütlich. Seit dem Rückzug des Audh hat sich das wieder normalisiert.«
Anzu betrachtete kurz das Karussell und wandte den Blick ab, weil sie das Vorbeihuschen der unförmigen Fahrzeuge schwindeln ließ. »Und auch diese Interpretation des Gobi-Parks löst sich allmählich auf. Heißt das, der Eistänzer hat das Schiff verlassen und sich nicht nur in einen entlegenen Winkel zurückgezogen?«
»Wir gehen davon aus. Sicher können wir uns allerdings nicht sein.«
»Müsste der Bordrechner es nicht wissen?«
»Müsste er«, bestätigte Saedelaere. »Wenn er nicht jede sinnvolle Kommunikation mit uns verweigern würde.«
Sie dachte nach, und die Worte des Zwergandroiden kehrten in ihr Gedächtnis zurück. »Ich kann nachvollziehen«, sagte sie zu Saedelaere, »warum der Audh über dich Zugriff auf die LEUCHTKRAFT bekommen wollte. Auf dieses Szenario hat uns Blautvind nach unserer Ankunft hingewiesen.
FENERIK wird die LEUCHTKRAFT übernehmen, wenn eine Flucht nicht gelingt. Der Audh wird das Schiff in ein Chaoversum versetzen, damit es sich dort in ein Chaofaktum verwandelt. Dies war offenbar der erste Versuch.
Ich verstehe nur nicht, warum der Audh auch mich gefangen genommen und nicht einfach getötet hat. Nicht, dass ich mich darüber beschweren möchte. Ich lebe ja ganz gerne weiter. Aber wie hätte ich ihm bei seinen Plänen helfen können?«
»Du erinnerst dich an die Gefangennahme?«, fragte Vimuin Lichtschlag.
»Nein.«
»Vielleicht war es gar nicht der Audh, der dich ...«
»Hallo? Ihr habt gesagt, mein Gefängnis steckte ebenfalls in dem Kartongebilde, und der Audh hätte darauf ein paar Runden gedreht. Wer sonst als dieser Eistänzer sollte mich dorthin verfrachtet haben?«
»Was ist das Letzte, was du noch weißt?«, fragte Gucky.
Anzu wollte gerade zu einer nicht allzu ausführlichen Antwort ansetzen, da sagte Vetris-Molaud: »Entschuldigt bitte, dass ich euren besinnlichen Austausch von Geschichten unterbreche. Aber ist es wirklich wichtig, wie du in diesen Eisblock geraten bist? Haben wir nicht drängendere Aufgaben zu erledigen? Sollten wir uns nicht beispielsweise um das Problem mit dem Bordrechner kümmern? Oder herausfinden, was es mit der binärrealen Verschränkung auf sich hat und wie wir die LEUCHTKRAFT nötigenfalls daraus lösen können? Sollten wir nicht in erster Linie endlich versuchen, das Schiff aus der Kluft zu bergen?«
»Ich stimme zu«, sagte Lousha Hatmoon, was Anzu nicht verwunderte. »Wenn Anzus oder Alaskas Erinnerungen zurückkehren, können sie uns immer noch davon erzählen. Falls sie für unsere aktuelle Lage überhaupt von Bedeutung sind. Bis dahin allerdings ...«
»Sie sind von Bedeutung«, fiel Lichtschlag ihr ins Wort. »Sie müssen es sein. Denn Anzu hat recht. Logisch wäre es gewesen, hätte der Audh sie schlicht in Ruhe gelassen – oder sie beseitigt. Es muss einen Grund dafür geben, dass er sie ... konserviert hat. Und es beunruhigt mich, diesen Grund nicht zu kennen.«
»Einverstanden«, sagte Vetris-Molaud. »Trotzdem können wir nicht darauf warten, bis ...«
Binärreale Verschränkung, hallte es in Anzus Bewusstsein wider. Sie hatte keine Ahnung, was dieser Begriff bedeutete, dennoch rief er ihr ein Bild ins Gedächtnis, das auf der eisigen Ebene nur an ihr vorbeigehuscht war: zwei Hände mit verschränkten Fingern.
»Wir gingen durch einen schummrig erhellten Korridor«, unterbrach sie Vetris-Molaud. »Bis zu einer Weggabelung.« Immer mehr Erinnerungen tauchten aus dem Schneegestöber auf. »Du hast dein Versprechen eingehalten, Gucky.«
»Welches Versprechen?«, fragte der Mausbiber.
»Im Notfall hole ich dich raus. Das hast du gesagt, ehe wir uns getrennt haben.«
»So bin ich nun einmal. Ein Ilt, ein Wort. Obwohl manche behaupten, es müsste heißen: ein Ilt, ein Wörterbuch. Egal. Du erinnerst dich?«
»Vage. Ich folgte Blautvind in einen Gang, während ihr den anderen Korridor genommen habt.«
Das Bild der verschränkten Hände vor dem inneren Auge kratzte an den Verkrustungen ihres Gedächtnisses. Die Tür im Schnee öffnete sich einen Spalt.
»Der Zwergandroide zog eine Energiewaffe aus seinem kobaltblauen Anzug und sagte ...«
*
Der Zwergandroide zog eine Energiewaffe aus seinem kobaltblauen Anzug und sagte: »Uns erwarten nicht nur die Chaogramme.«
»Sehr beruhigend«, gab ich zurück.
»Ich kann daran nichts Beruhigendes erkennen.«
Und ich kann an dir keinen Sinn für Sarkasmus erkennen. Ich verkniff es mir, den Gedanken auszusprechen.
Blautvind war nur unwesentlich größer als Gucky. Ich empfand ihn als ein Wesen voller Widersprüche. In seinem greisenhaften, von Falten durchfurchten Gesicht saßen zwei riesengroße Kinderaugen. Sie sorgten dafür, dass er unendlich traurig aussah. Wenn er mit seiner etwas schleifend klingenden Stimme sprach, konnte ich jedoch weder aus dem Tonfall noch aus den Worten Emotionen heraushören. Sein knochendürres, zerbrechliches Erscheinungsbild weckte in mir einen nie gekannten Mutter- und Beschützerinstinkt, obwohl vermutlich eher ich seinen Schutz brauchte.
Als spürbarsten Widerspruch empfand ich im Moment allerdings, dass er auf seinen dünnen, kurzen Beinchen ein Tempo vorlegte wie ein langbeiniger, durchtrainierter Läufer. Ich hatte Mühe, ihm zu folgen. Und das Flugaggregat meines SERUNS wollte ich in dem engen Gang nicht aktivieren.
Der Korridor führte ohne weitere Abzweigungen schnurgerade voran. Oder anders gesagt: ohne potenziellen Fluchtweg.
Ich dachte an den bisherigen Weg durch die LEUCHTKRAFT. An das Chaofaktum, das nach Vimuin Lichtschlags Analyse die Hülle des Schiffs befallen hatte. An die Chaophotonen, die bewegliche Zonen der Dunkelheit schufen. Nein, nicht der Dunkelheit, sondern der Nicht-Existenz, des Nichts. Regionen – Lichtschlag nannte sie Blindung –, die alles in sich hineinfraßen, was ihren Weg kreuzte. Und an die Auswirkungen der Blindung: Schattenrisse in annähernd humanoider Form, die uns wie bewusste Lebewesen gezielt attackiert hatten und gegen die kein Kraut gewachsen war. Wenigstens nicht in meinem Kräutergarten. Lichtschlag bezeichnete sie als Chaogramme. Gucky hatte den eingängigeren Begriff Schattenkobolde für sie geprägt. Auf sie zu schießen, brachte nichts ein, und sie körperlich anzugreifen, kam Selbstmord gleich. Zumindest vermutete ich das. Versucht hatten wir es nicht.
Wenn man den Chaogrammen begegnete, gab es nur eine sinnvolle Verhaltensweise: Flucht. Etwas, das in diesem mir immer länger erscheinenden Korridor unmöglich war.
Ob ich den Zwergandroiden fragen sollte, was er für den Fall plante, dass diese Kreaturen plötzlich vor und hinter uns auftauchten? Oder was er mit seiner Ankündigung meinte, dass uns nicht nur sie erwarteten?
Warum versuchst du es stattdessen nicht damit, dass du aufhörst, dich selbst verrückt zu machen?
»Wie lebt es sich an Bord eines solchen Schiffs eigentlich?«, fragte ich.
»Wie kommst du darauf, dass ich lebe? Wir Zwergandroiden besitzen nicht einmal eine dauerhafte materielle Identität. Wir sind temporäre Manifestationen der LEUCHTKRAFT.«
»Oh.«
Na schön. Mich mit Small Talk abzulenken, funktionierte also nicht sonderlich gut. Ich verkniff mir die Frage, ob temporäre Manifestationen der LEUCHTKRAFT gelegentlich etwas aßen. Ich zumindest bekam langsam Hunger.
Allmählich bereute ich, das Einverständnis gegeben zu haben, an Bord zu bleiben. Ohne Vimuin Lichtschlag, der uns mit technischen Mitteln durch das Schiff geführt und mehrmals vor dem Zugriff der Schattenkobolde bewahrt hatte. Und ohne Gucky, der das Gleiche durch Teleportationssprünge geschafft hatte und mich zwischendurch mit seiner lebhaften Art immer wieder hatte aufmuntern können.
Das alles nur, weil Blautvind glaubte, Alaska Saedelaere könnte sich für mich interessieren? Prinzipiell keine schlechte Sache, aber so dringend war ich auf Männerbekanntschaften nicht angewiesen. Und wenn es endete wie die letzten Male, konnte ich darauf ohnehin dankend verzichten. Da musste ich nur an Sylvan denken, den ich auf der Abschlussfeier des ...
»Beeil dich!«, riss mich die Stimme des Zwergandroiden aus den fruchtlosen Gedanken. »Wir müssen aus dem Gang heraus sein, ehe uns die Chaogramme einholen.«
»Einholen?«
Unwillkürlich drehte ich mich um, konnte aber keinen der Schattenkobolde entdecken. Andererseits hatte das nichts zu bedeuten. Schließlich war es mir zuvor schon schwergefallen, diese Kreaturen wahrzunehmen oder gar den Blick auf sie zu richten. Erst wenn sie sich von der Vitalenergie der LEUCHTKRAFT nährten und sich zu Leben simulierenden Geschöpfen aufblähten, war das möglich.
»Sie sind hinter uns?«, fragte ich. »Bist du dir sicher?«
»Nein. Aber ich stehe in einem brüchigen Kontakt mit den Bordsystemen. DAN sagt ...«
»DAN?«
»Der Bordrechner. Er hat mir mitgeteilt, dass seine Sensoren eine unidentifizierbare Präsenz zweihundert Meter hinter uns anmessen. Womöglich handelt es sich um einen Messfehler. Wegen der Chaoradiation ist auf DAN derzeit nur bedingt Verlass. Ich könnte ihn wegen der instabilen Verbindung auch falsch verstanden haben. Aber willst du auf womöglich und könnte bauen?«
»Will ich nicht.« Ich beschleunigte den Schritt. »Wie weit ist es bis zum Ausgang?«
»Ich weiß es nicht. Wir sollten ihn längst erreicht haben. Doch seit die LEUCHTKRAFT in der Kluft havariert ist, verändert sie sich manchmal auf unvorhersehbare Weise.«
Ich dachte an den Anblick, den die Kosmokratenwalze von außen geboten hatte, und konnte mir vorstellen, was Blautvind meinte. Die Walzenform war in dem verdrehten, verbeulten Etwas kaum noch zu erahnen gewesen. Die Chaoradiation hatte die Schiffshülle porös werden lassen. Dass dieser Verfall allerdings weiterhin anhielt und sich in den Tiefen des Schiffs fortsetzte, erschütterte mich.
Stießen Perry Rhodan, Gucky und die weiteren Teammitglieder auf dem Rückweg zur STATOR-FE auf ähnliche Probleme? Würden sie das Beiboot überhaupt erreichen und die Kluft verlassen können? Anders gefragt: Saß ich für den Rest meines Lebens in diesem Wrack fest? Die Tatsache, dass dieser Rest nicht allzu lange dauern würde, falls die STATOR-FE nicht entkam, trug nicht unbedingt zu meiner Beruhigung bei.
Ich schob die Befürchtungen zur Seite. Natürlich würden sie es schaffen. Bisher hatten sie es immer geschafft.
Bisher ...
Ein Kratzen und Schaben erklang hinter mir. Meine Nackenhaare stellten sich auf.
Erneut wandte ich mich um. Doch da war nichts. Nur der nackte, schummrige Gang, der in die Unendlichkeit zu führen schien. Hätte ich nicht wenigstens jene Abzweigung sehen müssen, an der wir uns von Rhodan getrennt hatten? Oder lag sie bereits so weit zurück, dass sie mit dem Rest des gleichförmigen Korridors in der Düsternis verschwamm?
Aber handelte es sich tatsächlich um Düsternis? Waren es nicht vielmehr Schatten, die sich bewegten und auf uns zuwehten?
Ich starrte so angestrengt in den hinter uns liegenden Gang, dass meine Augen brannten. Ich blinzelte. Hastig, aus Angst, in dem Sekundenbruchteil der Blindheit etwas Entscheidendes zu verpassen.
»Wieso bleibst du stehen?«, fragte Blautvind.
Seine Worte drangen kaum in mein Bewusstsein vor. Irgendetwas, irgendjemand war da in dem Korridor. Vielleicht auch knapp außerhalb davon. Über der Decke, jenseits der Wände. Etwas, das schabte und kratzte. Etwas viel Schlimmeres als die Schattenkobolde.
So ist es, bestätigte eine leise Stimme in mir, die ich nur mühsam als die Stimme der Vernunft erkannte. Es ist ein Monster mit spitzen Zähnen und scharfen Krallen. Aber es lauert nicht im Gang, sondern es sitzt dir im Nacken. Sein Name lautet Panik.
Doch dieses Wissen nützte mir nichts. Mein Herz wummerte, der Korridor schien sich zu verengen und von allen Seiten auf mich einzudrängen.
»Anzu!«, hörte ich Blautvind wie aus großer Ferne sagen. »Wir müssen weiter!«
Etwas beobachtete mich. Lauerte jenseits des Wahrnehmbaren darauf, sich auf mich zu stürzen und ...
Ohne mein bewusstes Zutun – und ohne es auch nur zu wollen – verschob sich die Perspektive. Der Korridor zog sich in die Länge, weiter, immer weiter, bis über die Grenzen der LEUCHTKRAFT hinaus in die Unendlichkeit. Obwohl meine einzige Bewegung darin bestand, zur Seite zu taumeln und mich an der Gangwand abzustützen, fühlte es sich an, als raste ich durch unseren Fluchttunnel. Ich jagte einem Ziel entgegen, das ich winzig klein vor mir sah.
Ein Mensch, der wie verloren weit vor mir im Korridor stand und ...
Nein!, schrie alles in mir. Das ist unmöglich!
... und sich an der Wand abstützte.
Dieser Mensch, den ich – wie ich begriff – mit dem Parablick wahrnahm, war ich selbst.
Ich schoss auf mich zu. Bald sah ich die verkrampfte Körperhaltung, dann meine entsetzt aufgerissenen Augen, schließlich eine geplatzte Ader in einem davon. Ich stieß mit mir zusammen, tauchte in mich ein und verstand mit einem Mal, was gerade geschah.
Bouner Haad hatte mich vor einiger Zeit gelehrt, mir den Parablick wie einen unter Druck stehenden Schlauch vorzustellen, den ich mit der nötigen Kraft festhalten und auf ein Ziel richten konnte. Doch nun hatte jemand – etwas – das andere Ende des Schlauchs gepackt und ihn mir entrissen. Anstatt dass ich sah, wer oder was sich dort befand, wendete der Fremde meine Fähigkeit gegen mich selbst. Er war es, der wie durch ein umgedrehtes Teleskop auf mich starrte. Nein: in mich hinein!
Er wühlte und stöberte, grub und tastete, kratzte und schabte. Er erforschte mich. Und ich konnte nichts dagegen unternehmen.
War es die LEUCHTKRAFT selbst, die ihren neuen Passagier sezierte? Die mich prüfte, die untersuchte, ob ich Freund oder Feind war?
Oder – mich fröstelte bei dem Gedanken – hatte der Chaoporter bemerkt, dass ich ihn in der Vergangenheit mit meiner Gabe ausspioniert hatte? Ergriff er nun die Chance, die ihm die unbewusste Aktivierung meiner Fähigkeit bot? Und falls es so war, beschränkte er sich aufs Beobachten? Oder gelang es ihm, durch den Schlauch etwas in mich einzuleiten? Den Druck umzudrehen und mich mit sinnbildlichem stinkendem, öligem, verschmutztem Wasser zu verseuchen – mit realen und nicht nur sinnbildlichen Folgen?
Übelkeit stieg in mir auf. Ich fühlte mich besudelt.
Ich packte den mentalen Schlauch fester, riss daran, wollte ihn zurückholen und die Verbindung unterbrechen, doch ...
Was mir aus eigener Kraft nicht gelang, vollbrachte ein plötzliches Ziehen am Arm. Es holte mich in die Realität zurück. Die geistige Brücke über den Parablick zu wem auch immer brach zusammen.
»Was ist los mit dir?«, fragte Blautvind.
Der Zwergandroide stand neben mir, ruckelte und zerrte an meinem Arm wie ein quengeliges Kind.
»Danke«, brachte ich hervor.
»Wofür?« Nun, da ich auf ihn reagierte, ließ er mich los.
»Für ...«
Ich zögerte. Er wollte mich zu Alaska Saedelaere bringen, weil er glaubte, der Kommandant der LEUCHTKRAFT würde sich für meine Gabe interessieren. Eine Gabe, dir mir plötzlich entglitten war, ohne dass ich wusste, warum. Lag es nur an dem beengten Korridor? Schlummerte in mir eine Klaustrophobie, von der ich bisher nichts geahnt hatte und die nun ausgebrochen war? Hatte das Gefühl, in dem Gang festzusitzen und den Chaogrammen ausgeliefert zu sein, eine irrationale Panik ausgelöst, die wiederum für die ... Entführung meiner Parasicht verantwortlich war?
War es überhaupt wirklich geschehen? Hatte ich es mir nicht vielleicht nur eingebildet? Eine Folge der plötzlichen Angstattacke?
Ich würde darüber nachdenken müssen. Und solange ich zu keinem Ergebnis gekommen war, hielt ich es für klüger, nichts von dem zu erzählen, was ich gerade erlebt hatte. Oder glaubte, erlebt zu haben.
Nun ja, vielleicht nicht unbedingt klüger, aber auf jeden Fall einfacher. Und sicherer. Schließlich hatte ich Blautvind erst vor kurzer Zeit kennengelernt. Ich konnte nicht abschätzen, was er tat, wenn ich ihm mein Herz ausschüttete.
Würde er Verständnis oder gar Sorge zeigen – Emotionen, zu denen ich ihn eigentlich nicht für fähig hielt – und mich dennoch zu Saedelaere bringen? Oder würde er seine Meinung über das Interesse des Kommandanten revidieren, mich für die LEUCHTKRAFT als wertlos einstufen und zurücklassen? Oder würde er mich gar als potenzielle Gefahr beseitigen wollen?
Einmal mehr wurde mir bewusst, dass ich mich nie darum gerissen hatte, in kosmische Ereignisse hineingezogen zu werden, dass ich im Gegenteil lieber weit, weit weg davon ein unbekümmertes Leben führen würde. Ich war keine Kämpferin, keine Heldin.
Sicherlich, das hatte sich inzwischen geändert und ich hatte einiges an Erfahrung gesammelt. Wenn man vom Kampf gegen das Zyu absah, war ich dabei jedoch nie allein gewesen. Stets hatte ich einen verlässlichen und deutlich erfahreneren Partner an meiner Seite gewusst, ob nun Bouner Haad, Perry Rhodan oder Gucky, denen mein Wohl am Herzen lag.
Nun hingegen befand ich mich in der Gesellschaft eines nach eigener Aussage nicht lebenden Greises von der Größe und mit den Augen eines Kindes. Es war eben so eine Sache mit temporären Manifestation. Man wusste nicht, woran man mit ihnen war. Aber vermutlich galt sein Hauptinteresse – womöglich sogar sein einziges – dem Schiff.
»Nicht so wichtig«, beantwortete ich also seine Frage.
»Wenn es nicht so wichtig ist, haben wir unnütz Zeit verschwendet. Wir sollten weitergehen. Es gibt gute Nachrichten. Ich hatte erneut kurzen Kontakt zu DAN. Wir halten uns allein in dem Korridor auf. Bei den befürchteten Chaogrammen handelte es sich tatsächlich um einen Messfehler.«
Großartig. Und deshalb war ich in Panik verfallen? Wegen eines Messfehlers?
Schweigend und in meinen Gedanken gefangen folgte ich dem Zwergandroiden weiter durch den Korridor. Ich widerstand dem Verlangen, mich umzudrehen. Meistens jedenfalls.
Eine Stunde verging, bis wir endlich das Ende des Gangs erreichten. Eine schlichte graue Fläche, die auf mich wie Beton wirkte.
»Und nun?«, fragte ich.
Anstatt eine Antwort zu geben, fummelte Blautvind an seinem Anzug herum. Wirbel bildeten sich in der bisher stabil aussehenden Abschlusswand. Das Grau hellte auf, wurde zu Weiß und schließlich zu Blau. Kobaltblau.
»Nach dir«, sagte der Zwergandroid. »Unmittelbar, nachdem ich hindurchgetreten sein werde, wird sich das Tor schließen.«
»Wie du meinst«, entgegnete ich im Tonfall größerer Zuversicht, als ich sie empfand.
Ich ging einen Schritt, dann einen zweiten, durchstieß die wirbelnde Fläche und fand mich übergangslos auf einer weitläufigen Grasebene. Am Horizont ragte eine Gebirgskette mit schneebedeckten Gipfeln in den Himmel.
»Was hat euch so lange aufgehalten?«, fragte eine schleifende Stimme.
Ich fuhr herum und sah mich zwei Gestalten gegenüber, die Blautvind bis zum Verlauf der Gesichtsfalten glichen. Zumindest soweit ich das beurteilen konnte.
Wie aus dem Nichts erschien zwischen ihnen eine dritte Kopie.
Bau- und gedächtnisgleiche Zwergandroiden, erinnerte ich mich. Sie hatten an anderen Stellen der LEUCHTKRAFT auf Rhodans Ankunft gewartet.
Und nun mussten sie stattdessen mit mir vorliebnehmen. »Übrigens, ich bin nicht Perry Rhodan«, sagte ich.
»Das wissen wir«, sagte der Rechte ohne erkennbare Regung wie beispielsweise ein Lächeln.
Ich korrigierte auf bau-, gedächtnis- und humorgleich.
»Das ist Anzu«, sagte das neu hinzugekommene Wesen, das ich erst in diesem Moment als meinen Blautvind erkannte. »Wir bringen sie zum Kommandanten. Er wird sich für sie interessieren.«
»Gut«, gab der Linke zurück. »Lasst uns keine Zeit verlieren.«
»Und ihr seid?«, fragte ich.
»Die einzigen Verbliebenen eines einst großen Empfangskommandos aus Blautvinds. Der Rest ist den Chaogrammen zum Opfer gefallen. Genug der Freundlichkeiten. Brechen wir auf.«
Und so stapfte ich nun dreien, statt bisher einem Blautvind nach. Bald wusste ich nicht mehr, welcher von ihnen mich durch den Korridor geführt hatte, weil sie gelegentlich die Position wechselten. Die kosmokratische Version des Hütchenspiels.
Die Luft auf der Grasebene roch frisch. Ich konnte keine Hinweise auf Schattenkobolde entdecken. Zum ersten Mal fühlte ich so etwas wie Sicherheit.
Ich beschloss, es zu genießen, solange es anhielt.
*
»Und dann?«, erkundigte sich Gucky.
Weitere Fragen prasselten auf Anzu ein.
»Was wurde aus den Blautvinds?«
»Hat tatsächlich jemand deinen Parablick umgedreht?«
»Oder hast du es dir wirklich nur eingebildet?«
»Wie lange wart ihr unterwegs?«
Und so weiter.
»Ich weiß es nicht«, gestand sie schließlich. Sie hatte auf mehr, vielleicht sogar auf die gesamte Erinnerung gehofft, doch der Rest lag weiterhin hinter der Tür im Schnee verborgen.
»Das war nicht allzu ergiebig«, sagte Lousha Hatmoon.
»Tut mir leid. Ich bin sicher, dass ich mich nach und nach auch noch an mehr erinnern kann.«
»Das sollte kein Vorwurf sein. Lediglich eine Feststellung. Können wir uns nun um die aktuellen Probleme kümmern?«