Читать книгу Das Tagebuch des Piratenkapitäns Sir Oliver of Disasterbird - Oliver Peters - Страница 6
ОглавлениеProlog
Im Jahre 1953 entdeckte der Schatzsucher und Abenteurer Lord Montgomery Smithson auf einer Tauchfahrt ein Wrack aus dem 16. Jahrhundert.
Nach langen Mühen konnte der Name des Schiffes herausgefunden werden; Es handelte sich um die »Disasterbird«. Jedoch war in keinem aus jener Zeit erhaltenen Register der Name des Schiffes zu finden. Man vergaß diesen Vorfall bald, zumal keine archäologisch bemerkenswerten Besonderheiten auf dem Schiff zu finden waren.
15 Jahre später entdeckte der Sohn jenes Smithson, nachdem sein Vater gestorben war, auf dem Boden des Stammhauses zu Sterling die wenigen Aufzeichnungen seines Vorfahrens und damit auch sein Interesse für die Geschichte des Wracks. Obwohl es auch ihm nicht möglich war, eine urkundliche Erwähnung des Schiffs zu finden, vermochte er durch Zufall einen Teil des Rätsels um das Schiff zu lösen.
Ein Freund, dem er die wenigen Ergebnisse seiner Forschungen mitgeteilt hatte, berichtete ihm, dass er bei den Eingeborenen im Pazifik bei der zufälligen Erwähnung des Namens des Schiffes unerhörten Schrecken beobachten konnte. Sie fielen oftmals auf die Knie, um Gnade vor dem »bösen Geist« zu erflehen. Viel wurde dem Gast die Frage gestellt, ob er Engländer sei. Als er die Frage bejahte, wurde er mit den Seinen von der Insel gejagt, was auch mit jenem mysteriösen »bösen Geist« zu tun zu haben schien. Smithson jr. startete sofort eine Expedition auf die Insel, auf der sein Freund sein seltsames Abenteuer erlebt hatte.
Nach zwei Monaten fand er heraus, dass die Eingeborenen wohl einen Menschen fürchteten, der den gleichen Namen trug wie das vor Jahren gefundene Wrack. Mit ihm verbanden sie Grausamkeit, Wut und Angst. Der Träger des Namens stand zudem in enger Beziehung zu den Engländern, die - so eine der ersten Theorien Smithsons jr. - diesen Mann gejagt hatten, ohne große Rücksicht auf die Inselbevölkerung zu nehmen.
Noch während dieser Untersuchung erreichte ihn eine Depesche des Inhalts, dass man ein grönländisches Dorf gefunden habe, das ebenfalls mit Schrecken des bewussten Namens gedachte.
Kurz entschlossen brach Smithson jr. seine Untersuchungen im Pazifik ab und begab sich für weitere Studien nach Grönland, wo man neben sensationellen Parallelen zu den Pazifikfischern weitere Entdeckungen machte, die im Detail hier aufzuführen recht mühselig wären.
Smithson jr. erkannte jedoch, dass die Figur, deren Leben er zu rekonstruieren begann, offenbar Weltenfahrer war und an verschiedenen Orten der Erde einen so nachhaltigen Eindruck hinterlassen hatte, dass sich allerorten bis heute Riten ihn betreffend erhalten haben. Und das nicht nur bei den Naturvölkern.
Sein Forschungsdrang brachte ihn auf bis dahin unsichtbare Spuren in Japan, London (gerade in London), Pazifik, Grönland, Kap Horn, Feuerland, im Golf von Mexiko und tausendfach woanders.
Jedoch blieb es schwierig, die Figur historisch einzukreisen; da sammelten sich Legenden um verschollene Schätze und an unglaubliche Geschehnisse. Bruchstücke seiner Identität wie Säbel, Holzbeine und andere Gebrauchsgegenstände, die auf ihre authentische Eindeutigkeit nur mühselig geprüft werden konnten, erschwerten die Arbeit zusätzlich.
Doch eines Tages gab es eine jähe Wendung in den Forschungen des Smithsons jr. Es wurde ein weiteres Schiff des gleichen Namens wie das erste gefunden und sofort wurde es auf das genaueste geprüft. Man fand endlich Dokumente, jedoch immer noch keine Schätze.
Diese Dokumente sind die Tagebücher des Kapitäns Sir Oliver of Disasterbird, die glücklicherweise wasserdicht verschlossen die Jahrhunderte im Meer zu überleben. Sie gaben nach erster Durchsicht Zeugnis ab über die eigenwillige Lebensführung des »Disasterbird«, das in die Kulturkreise diverser Erdteile eingedrungen war und sie prägte.
Den Schriften war weiterhin in weiten Strecken exemplarisch zu entnehmen, wie sich sein Schicksal abspielte und wie abenteuerlich er und seine Männer einen heroischen Kampf gegen die Fährnisse der See führten. Einige andere Teile scheinen unreal und es wäre wahrscheinlich Aufgabe der Wissenschaft, die oftmals hohe Symbolkraft seiner Worte aufzuschlüsseln.
Smithson jr. allerdings ereilte selbst schicksalhaftes Unglück, was Nährboden für das schnell in diesen Kreisen rankende Gerücht um einen Fluch der Tagebücher gab. Er versuchte, die fünf Schiffe des Disasterbird zu finden, die in den Tagebüchern erwähnt wurden. Nachdem er aber die dritte »Disasterbird« entdeckte und wiederum keine Schätze darauf waren, schickten ihn die Finanziers und Gläubiger die ersten Geldeintreiber. Smithson jr. verlor sein Gut in Sterling und floh ins damalige Westdeutschland, wohl zu Verwandten.
Dieser Vorfall ist umso dramatischer, als dass in den Büchern immer wieder die Armut des Kapitäns Sir Oliver of Disasterbird Ausdruck findet. Die Suche des Smithson jr. ist wohl aber ein weiteres Beispiel für den klassischen Fauxpas der freiberuflichen Piratenforschung: Die meisten sind immer getrieben von der Gier nach Profit und der Suche nach Gold. Smithson erwähnte einmal zu diesem Thema, er habe die Feststellung gemacht, der Kapitän schriebe nicht immer die Wahrheit in seine Tagebücher und er wolle dem raffgierigen Piraten unterstellen, er würde seinen Reichtum selbst den Tagebüchern vorenthalten - für den Fall, dass sie in die falschen Hände kämen. Wie sich bis heute zeigte, ist diese Auslegung der Schriften des Piraten ein Fehlurteil gewesen und aus heutiger Sicht Kapitän Disasterbird auch nicht das Talent zuzusprechen, so geschickt in seinen Aufzeichnungen verfahren zu haben.
Smithson rettete trotz der plötzlichen Flucht aus England die originalen Tagebücher. Wie sie schließlich in die Hände meines Großonkels Hubertus Blaschke gerieten, ist unklar. Und besonders unklar, ist mir, dass mein Großonkel überhaupt diese Bücher aufhob, sie auswertete, ihre Geschichte notierte und zuletzt sogar einen Übersetzer beauftragte, sie zu bearbeiten. Denn Hubertus Blaschke war kein Literaturwissenschaftler oder Gelehrter, er war ein Schnüffler, ein Privatdetektiv, der die meiste Zeit wartend in einem Versteck Objekte observierte oder im Müll anderer Menschen wühlte. Dieser Umstand lässt den Schluss zu, dass die Bücher einen sehr verwinkelten und dunklen Weg hinter sich gebracht haben mussten, bis sie in seine Hände gerieten.
Soweit ich weiß, wäre eigentlich der direkte Weg der Bücher nach Großbritannien geebnet gewesen, wenn Blaschke sich mit der Familie Smithsons über seine Honorarvorstellungen hätte einigen können. Er behielt bis zum Eintreffen der Summe, die er haben wollte, das Paket mit den Tagebüchern als Pfand und spekulierte darauf, dass die Smithsons früher oder später das Lebenswerk ihres verstorbenen Ahnen in den Besitz nehmen wollten. Dem war letztlich nicht so.
Ob es ein Fluch ist, der den Büchern anhaftet oder Blaschke die Bedeutung der Manuskripte einfach falsch bewertete, bleibt Spekulation. Tatsache ist, dass ich bis heute auch keinen Historiker oder Verlag gefunden haben, der Interesse an der Veröffentlichung dieser Aufzeichnungen gehabt hätte, um der lesenden Bevölkerung einen Einblick in das Piratenleben des ausklingenden 16. Jahrhunderts zu geben. Dagegen boomt das Filmgeschäft gewaltig und phantasiereich.
Mit der Zeit fand ich Unterstützung durch meinen Freund und Mitstreiter André Bödecker, der mit speziellen chemischen Prozessen zum Erhalt der Papiere einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Wir sind der Überzeugung, dass angesichts der detaillierten Beschreibungen des Alltags eine Veröffentlichung in Hinblick auf eine spätere sachgerechte Auswertung des Werkes notwendig sei. Außerdem fühlen wir uns verpflichtet, die jahrelange und genaue Forschung Smithsons und meines Großonkels mit dieser Veröffentlichung zu würdigen. Dazu haben wir in einem der teuersten Studios der Welt den Text bearbeiten lassen und machen ihn hiermit zugänglich - in memorium Smithsons sen. et jr. et Blaschke.
Aus Kostengründen kann im Moment nur ein Teil der Tagebücher angeboten werden. Inhaltlich hat sich bei den Vorabdrucken und Probelesern ergeben, dass sinnverwirrende Zeitsprünge den Text kennzeichnen. Dies ist so zu erklären, dass Disasterbird nach der Schlacht um London einfach anfing zu schreiben. Die Schlacht wird einführend beschrieben, dem folgt dann die Vorgeschichte, woraufhin der Kapitän - einer dramaturgischen Linie sorglos enthoben – ungeordnet weiter seine Erlebnisse aufschrieb. Typisch für Tagebücher eben und in der Qualität von der Tagesform und Gelegenheit des Autors abhängig. Wenn er überhaupt selber geschrieben hat und dies nicht diktierte Protokolle seiner Fahrten sind, die durch einen Sekretär wiederum überarbeitet worden sind.
Dies alles mag dem geneigten Leser unbequem erscheinen, aber wir wollen die chronologische Abfolge der Niederschrift nicht durcheinanderbringen.
Möge die Nachwelt über die Bücher urteilen.