Читать книгу Die dreißig tolldreisten Geschichten - Оноре де Бальзак - Страница 11

Das Königsliebchen

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War da in dieser Zeit ein Goldschmied bei der Brücke zu den Wechselbänken, dessen Tochter in ganz Paris als eine außerordentliche Schönheit galt und die mit ihrer anstelligen Art jedermann entzückte. Es wurde ihr darum hofiert von allen Seiten, und manch einer hätte dem Vater noch Geld gegeben, um das hübsche Kind zur rechtmäßigen Frau zu bekommen, was den guten Mann hochmütiger machte, als ich sagen kann.

In der Nachbarschaft wohnte ein Advokat beim Oberhofgericht, der schon soviel Maulgedresch und Geträtsch um gutes Geld verkauft hatte, dass er Landgüter besaß wie ein junger Hund Flöhe. Dieser hatte den Einfall, dem Goldschmied gleich ein ganzes Stadthaus anzubieten, wenn er ihm sein schönes Töchterlein zur Ehe geben wollte. Der Vater willigte in den Handel ein, ohne sich weiter drum zu bekümmern, was für ein Affengesicht unter dem Pelzbarett stak, sowenig wie darum, dass das ganze Gefräß des Aktenwurms nur noch aus zwei Zähnen bestand, die längst wackelten; willigte ein, auch ohne den Paragraphendrescher weiter zu beschnüffeln, der stinkend war wie alle seinesgleichen, die ein Leben lang im Staub modriger Akten und im Unrat schmutziger Prozesse gewühlt haben.

Eine feinere Nase hatte das hübsche Töchterchen.

»Na, ich danke für Obst und Gemüse«, sagte sie, als sie ihn kaum erblickt hatte, und rümpfte ihr zierliches Näschen.

»Papperlapapp!« antwortete der Vater, dem das schöne Haus in die Augen stach. »Er wird dein Mann sein; wie er dir gefallen mag, das ist seine Sache.«

»Steht es so?« erwiderte die Tochter; »nun, er soll noch vorher von mir etwas zu hören bekommen.«

Und noch am nämlichen Abend, nach dem Nachtmahl, als der Freier anfing, sie mit seinen Liebesversicherungen zu bestürmen, und ihr versprach, dass sie ein Leben voll Überfluss haben solle, entgegnete sie ihm kurz und bündig:

»Mein Vater hat Euch meinen Leib verkauft; wenn Ihr den Handel eingeht, werdet Ihr aus mir eine Hure machen. Denn lieber als Euch will ich dem ersten besten angehören, und wie andre ihrem Bräutigam Treue, so schwöre ich Euch Untreue, als welcher nur der Tod ein Ende machen soll – der meine oder der Eurige.«

Dann fing sie an zu weinen und zu schluchzen, zu weinen wie alle Mädchen, die die Liebe noch nicht kennen, denn anders weinen sie nachher.

Der Mann vom Oberhofgericht nahm das für Komödienspiel und Getue, womit hübsche junge Dinger das Feuer ihrer Anbeter noch heftiger anzuschüren und aus der Liebe Münze zu schlagen gedenken in Form von Leibgedingen und andern Garantien und Verschreibungen ehefraulicher Rechte. Er nahm sich also ihr Geheul und Gerede nicht weiter zu Herzen, sondern lachte und fragte nur, wann sie wünschte, dass die Hochzeit sei.

»Meinetwegen morgen«, antwortete sie; »um so eher werde ich frei sein, um mir Liebhaber zu nehmen, soviel ich will, und das lustige Leben derer zu führen, die die Liebe aufheben, wo sie sie finden.«

Und der verliebte Gimpel von Advokat hat nichts eiliger zu tun, als sich zu verabschieden und alle Vorbereitungen zur Hochzeit zu treffen. Er unternimmt die nötigen Schritte vor Gericht, verhandelt in den Sakristeien, kauft die erforderlichen Dispense, verfolgt seine Sache mit einer Eile und Hast, wie er in seinem Leben keinen Prozess verfolgt hatte, und träumt Tag und Nacht von seiner Schönen.

Unterdessen hörte der König, der von einer langen Reise zurückgekehrt war, an seinem Hofe von nichts reden als von dem schönen Goldschmiedstöchterlein, das dem einen ein Brautgeschenk von Hunderttausend vor die Füße geworfen, einen andern mit Hohnreden heimgeschickt hatte, kurz, keinen haben wollte von all den hübschen Burschen, die gern dem lieben Gott ihren Anteil an der ewigen Seligkeit geschenkt hätten, um das schöne Ungeheuerchen auch nur für einen Tag in ihre Gewalt und ihre Arme zu bekommen.

Solcherlei Reden reizten die Neugierde des Königs, der selber kein Kostverächter war. Er verließ, ohne ein Wort zu sagen, seinen Palast, kam an den Wechselbänken vorüber und trat bei dem Goldschmied ein, um für die Dame seines Herzens ein schönes Juwel zu kaufen, item ein Juwel zu erhandeln, das alle überstrahlte, so nur in der Bude zu finden sein mochten. Er fand aber nichts von all dem Kram nach seinem Geschmack. Und während der Meister aus einer kleinen Lade einen dicken Diamanten hervorsuchte, um ihn dem König zu zeigen, sagte dieser zur Tochter:

»Mein Schätzchen, du bist nicht gemacht, um Juwelen zu verkaufen, sondern um solche geschenkt zu erhalten, und wenn du mir von allen Ringlein hier die Wahl lassen willst, so weiß ich darunter eins, in das alle Welt vernarrt ist, das mir wohlgefällt, dessen Diener und Untertan ich sein möchte und das um ein Königreich, wenn es auch das von Frankreich wäre, nicht zu bezahlen ist.«

»Oh, Herr König«, antwortete das schöne Mädchen, »ich soll morgen heiraten; aber wenn Ihr mir den Dolch da in Eurem Gürtel schenken wollt, so will ich das Ringlein, von dem Ihr spracht, herzhaft verteidigen und es für Euch aufheben nach den Worten des Evangeliums: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist!« Der König gab ihr unverzüglich den zierlichen Hirschfänger. Ihre Rede aber hatte ihm so gut gefallen, dass er, verliebt bis über die königlichen Ohren, bei sich beschloss, dem neuen Liebchen das hübsche Haus zu schenken, das er erst neulich in der Rue de l'Hirondelle erworben hatte. Und so schied er von dem schönen Kinde.

»Unser Meister Prozesshaspier verlor auch keinen Augenblick und führte am anderen Morgen zum großen Leidwesen der abgeschobenen Mitbewerber unter Musik und dem Geläute der Glocken seine Braut zur Kirche, ließ dann auftragen, dass sich die Tische bogen, und am Abend nach dem letzten Tanz und Kehraus schlich er sich nach der Schlafkammer seines Fräulein Frau, die, das Bett des Advokaten verschmähend und mehr böser Kobold und wütende Teufelin als Fräulein, ihn in einem Sessel am Herdfeuer sitzend erwartete, während höher als das Feuer im Herd die Zornesflamme in ihrem Herzen loderte.

Erstaunt hierüber ließ sich der neugebackene Ehemann vor ihr auf ein Knie nieder und wollte mit leichten Plänkeleien die Entscheidungsschlacht einleiten; sie jedoch blieb stumm und unbeweglich. Als er sich aber dann mit ihren Röcken zu schaffen machte, um ein wenig von dem zu sehen, was er so teuer gekauft hatte, versetzte sie ihm eine Ohrfeige, dass ihm der Kopf dröhnte, und blieb im übrigen stumm wie ein Fisch.

Das Spiel gefiel dem Advokaten nicht übel, er glaubte sich Manns genug, um früher oder später an das Ziel zu gelangen, und tat, wie wenn ihre Klapse Liebkosungen gewesen wären. Es könnte auch nicht fehlen, dass er, ausdauernd in seinem Scharmützel, mit List und Gewalt bald dieses, bald jenes erreichte, jetzt ihr Leibchen aufhäkelte, jetzt ihr den Rock zerriss und wenigstens mit der Hand an den niedlichen kleinen Ort gelangte, wonach seine heißesten Wünsche zielten.

Die Schöne aber zog da plötzlich andre Saiten auf, sie sprang in die Höhe, und indem sie den Dolch des Königs in der erhobenen Rechten zückte, rief sie:

»Was wollt Ihr von mir?«

»Alles!« antwortete er.

»Ah, ich wäre eine große Hure, mich hinzugeben, wo ich hasse. Ihr habt Euch geirrt, wenn Ihr meine Jungfernschaft unbewaffnet glaubtet. Dieser Dolch kommt vom König, ich werde Euch damit töten, wenn Ihr noch einmal die geringste Miene macht, mir nahe zu kommen.«

Sie ergriff bei diesen Worten, ohne den Advokaten aus den Augen zu lassen, im Kamin ein Stückchen Kohle und machte damit einen Strich auf dem Fußboden:

»Das ist die Grenze der königlichen Domäne«, sagte sie; »und nun hütet Euch wohl, sie zu überschreiten, wenn Euch Euer Leben lieb ist!«

Der obergerichtliche Rechtsverdreher, dem die Liebe mit solcher Waffe für zu gefährlich schien, wich scheu zurück. Aber während er das grausame Urteil anhören musste, dessen Kosten er schon zum voraus bezahlt hatte, sah der arme Ehemann durch die zerrissenen Kleider so verführerische Formen schimmern und sah Rundungen, Grübchen usw. blinken und winken, bei deren Versprechungen der Tod seine Schrecken verlor.

»Und wenn es den Tod kostet!« rief er aus, indem er über die Grenze der königlichen Domäne hinwegsprang, sich auf seine Beute stürzte und sie wie ein Schlachtopfer auf das Lager zwang. Aber dieser Teufel in Unterröcken war nicht so leicht kleinzukriegen, und der Advokat, wie er auch das Tier an den Zotteln packte, erreichte doch nichts weiter und erwischte obendrein einen Dolchstich in seine Speckschwarten auf dem Rücken, der ihn jedoch nicht allzuschwer verwundete und für den gewaltsamen Einfall in königlichen Besitz als eine verhältnismäßig gelinde Buße gelten durfte.

Der Mann aber war von dem gewonnenen kleinen Vorteil wie berauscht.

»Ich mag nicht leben«, rief er, »ohne diesen herrlichen Körper, dieses Wunderwerk der Liebe, genossen zu haben; töte mich denn!«

Und er versuchte einen neuen Angriff auf königliche Rechte. Das schöne Mädchen aber, dem der König im Kopf spukte, war nicht im geringsten gerührt von dieser großen Liebe.

»Wenn Ihr noch einmal beginnt«, rief sie mit schrecklichem Ernst, »werde ich nicht Euch, sondern mich töten.«

Ihre Augen funkelten ihn bei diesen Worten so wild an, dass der arme Mann sich entsetzte.

Voll Jammer über sein Missgeschick sank er auf einen Stuhl nieder und verbrachte die Nacht, sonst für Liebende die glücklichste der Nächte, unter Seufzen und Bitten, Lamentationen und Versprechungen: wie sie es so gut bei ihm haben solle, wie sie aus goldenen Schüsseln essen und Herrin über alles sein solle, wie er eine große Dame aus ihr machen und ihr Schlösser und Herrschaften kaufen wolle.

Zuletzt bot er ihr einen Pakt an: wenn sie ihm erlaubte, auch nur eine einzige Lanze zur Ehre des Gottes Amor zu brechen, wolle er sie aller weiteren Verpflichtungen frei und ledig geben und für sie in den Tod gehen, auf welche Weise sie es ihm befehlen würde.

Sie aber – es war schon gegen den Morgen – antwortete frischweg, dass sie ihm gern erlaube, für sie zu sterben, das sei aber alles, was sie für ihn tun könne.

»Ich war aufrichtig und loyal gegen Euch«, sagte sie; »ich habe Euch gedroht, eine Straßenhure zu werden und Euch jeden Karrenschieber und Hausknecht vorzuziehen: wenn ich mich nun auf den König beschränke, so könnt Ihr Euch wahrlich nicht beklagen.«

Als dann der helle Morgen kam,, kleidete sie sich festlich an, schmückte sich recht wie eine Braut und wartete geduldig, bis der saubere Herr Gemahl sich entschloss, seinen gewinnbringenden Geschäften nachzugehen; dann brach sie selber auf, und wie eine Braut dem Bräutigam ging sie dem König entgegen.

Sie brauchte kaum so weit zu gehen, als ein Wurfspieß trägt; der vorsorgliche König hatte einen Diener auf die Lauer gestellt.

»Sucht Ihr nicht den König?« fragte dieser die jungfräuliche Ehefrau.

»Ja«, antwortete sie.

»Nun, so bin ich Euer bester Freund«, erwiderte der geriebene Höfling, »der Euch seinen Schutz verspricht und sich selber Eurer Huld und Gnade empfiehlt.«

Dann sagte er ihr, was der König für ein Mensch und wie er zu nehmen und anzugreifen sei, wie er einen Tag wüte und wettere und den andern nicht piepse; kurz, wie es mit dem sei und jenem, dass sie mit allem wohlversorgt sein werde und dass es nur an ihr liege, den König am Bändel zu haben.

Er gab ihr mit einem Wort soviel weise Reden und Ratschläge auf den Weg, dass sie als vollendete höhere Buhlerin in dem besagten Schwalbennest ankam, das seither durch die Herzogin von Estampes berühmt geworden ist.

Der gute Ehemann aber heulte wie ein Schlosshund, als er nach Hause kam und seine liebe Frau nicht mehr fand. Er verfiel in Melancholie, und seine Amtsgenossen überschütteten ihn mit mehr Spott und Hohn, als der heilige Herr Jakobus in seiner Stadt Compostella je mit Gebeten und Anliegen überschüttet worden ist.

Der Arme nahm es sich auch so zu Herzen, dass er ganz vom Fleisch fiel und sich sogar die Spötter bewogen fanden, ihn wieder ein wenig aufzuheitern. Diese Pelzbarette erklärten – und man sieht daraus, was es für Tüftelmeier waren –, dass der beklagenswerte Mann keineswegs ein Hahnrei genannt werden dürfe; aus dem einfachen Grund, weil er nie ein rechter Ehemann gewesen war, und wenn der erlauchte Hörnerlieferant nicht gerade der König gewesen wäre, würden sie, wenn man sie reden hörte, den Antrag gestellt haben, dass die Ehe in aller Form rechtens für null und nichtig zu erklären sei.

Aber der Ehemann war zum Sterben verliebt in das Weibsen. Er ließ sie einstweilen dem König, weil er nicht anders konnte; aber er hoffte sicher, sie auch noch einmal zu bekommen. Eine Nacht mit ihr dünkte ihn um ein ganzes Leben voll Schande nicht zu teuer bezahlt ... Nun, das heiß ich noch verliebt sein, was meint ihr? Oder sollte es euch etwa einfallen, darüber die Nase zu rümpfen?

Der arme Mann dachte an nichts anderes als an sie. Er vergaß darüber seine Prozesse, seine Klienten, seinen Geldwucher, kurz, alles. Er ging nach dem Gericht wie ein Geiziger, der einen verlorenen Groschen sucht, wie ein Nachtwandler und Somnambulerich, und einmal passierte es ihm, dass er den Talar eines Amtsgenossen anpisste, weil er ihn für die schwarze Mauer hielt, wo sich die Advokaten gewöhnlich hinzustellen pflegten.

Das schöne Goldschmiedstöchterlein aber war in all dieser Zeit vom König geliebt bei Tag und bei Nacht. Er bekam sie nie satt; denn sie war eine echte Meisterin in ihrem Handwerk, kannte das Trick und Track der Liebe aus dem Effeff und wusste das Feuer ebensogut anzuzünden wie auszulöschen. Sie schmollte heut mit dem König und überhäufte ihn morgen mit Zärtlichkeiten; nie aber mit denselben, denn ihre Phantasie war voller Erfindungen. Und war bei alldem ein gutes Ding, immer heiterer Laune und wohlaufgelegt, aufgelegt, sooft er es nur haben wollte, ganz erfüllt von närrischen Einfällen, stets bereit zu Tollheiten und lustigen Streichen.

Ein Herr von Bridoré tötete sich ihretwegen, weil sie ihn verschmähte, obwohl er ihr seine Herrschaft in der Touraine zu Füßen gelegt hatte. Aber so gute alte Tourainer, die für ein lustiges Lanzenstechen Landgüter darangeben, findet man heute nicht mehr.

Dieser Tod ging aber dem guten Weibchen zu Herzen, und da auch ihr Beichtiger ihr deshalb ernstlichen Vorhalt machte, beschloss sie bei sich, in Zukunft, und wenn sie nun auch zehnmal Königsliebchen war, angebotene Schlösser und Rittergüter nicht mehr so leichter Hand abzuweisen, zum Schaden ihrer Seele und zum Nachteil ihres Vergnügens.

Wirklich legte sie von da an den Grund zu dem großen Reichtum, dessentwegen sie später in der Stadt eine so hohe Achtung genoss. Sie verhinderte eine ganze Menge Edelleute, sich in den Tod zu stürzen, und befolgte übrigens dabei mit so viel Meisterschaft die Gesetze der hohen Politik, dass sie in Beglückung der Untertanen dem König eine nicht unerhebliche Konkurrenz machte, ohne dass diesem auch nur eine Ahnung dämmerte. Er war übrigens so närrisch in sie verliebt, er würde ihr geglaubt haben, wenn sie ihm den Fußboden für die Decke und die Zimmerdecke für den Boden ausgegeben hätte, um so mehr, als der gute König, solang er sich überhaupt in dem mehrfach genannten Schwalbennest aufhielt, fast ausschließlich in der horizontalen Lage verharrte, wobei dann die besagte Verwechslung nicht allzu schwerfiel, und in welcher interessanten und echt königlichen Haltung er nichts andres tat, als immer und immer wieder zu probieren, ob der zarte Stoff unter ihm sich auch wirklich nicht abnütze; aber der gute Mann nützte nur sich selber ab, starb schließlich an den Folgen der Liebe.

Obgleich die Schöne darauf dachte, ihre Gunst nur ganz Vornehmen zu schenken, deren Gewicht bei Hof etwas galt, und ihre Gunstbezeigungen sich wie Wunder so rar machten, gab es doch Neidhammel und abgewiesene Rivalen, die die Behauptung ausstreuten, dass für zehntausend Taler ein simpler Edelmann das Beste haben könne, was nur der König selber habe. Das war aber so falsch und unwahr, als etwas falsch und unwahr sein kann, denn in ihrem Zank mit dem obengenannten Tourainer, der ihr eben dieses Gerede vorhielt, hatte sie mit Verachtung geantwortet, dass er denen, die ihm einen solchen Bären aufgebunden, sagen könne, es seien nichts als Scheißkerle, sie habe es gesagt, und sie habe nie jemand bei sich empfangen, der nicht vorher dreißigtausend hinterlegt hatte.

Der König selber war über das Gerede nicht wenig ärgerlich; aber über diese Verteidigung musste er doch lächeln und behielt die allzu Billige und Willige noch eine kurze Zeit, um den giftigen Sticheleien die Spitze abzubrechen.

Aber das Fräulein von Pisseleu ruhte nicht, bis sie ihre Rivalin gestürzt sah.

Viele wären übrigens mit diesem Sturz sehr zufrieden gewesen. Sie wurde an einen jungen Edelmann verheiratet, den sie sehr glücklich machte; denn also unerschöpflich loderte das Feuer ihrer Liebe, dass sie mancher kalten noch genug davon hätte abgeben können.

Doch damit habe ich dem Gang der Erzählung vorgegriffen. Als sie aber noch das Königsliebchen war und sich eines Tages in ihrer Sänfte durch die Straßen der Stadt tragen ließ, um Bänder und Schnüre, Halskrausen und Pantöffelchen, Spezereien und güldne Haften und andere Liebesmunition einzukaufen, sah sie in ihrer Schönheit und ihrem Schmuck so verführerisch aus, dass jedermann, insbesondere die Kleriker, bei ihrem Anblick nichts anderes meinten, als den Himmel offen zu sehen, da muss ihr zufällig und nach langer Zeit am Kreuz von Trahoir – was meint ihr, wer, begegnen?

Ihr armer Ehemann. Sie fuhr bei diesem Anblick zurück, wie wenn sie eine Viper gestochen hätte. Und seht, das heiße ich mir eine gute Ehefrau; eine andere hätte wahrlich den Kopf erst recht hoch getragen und weit hervorgestreckt, um Seiner Majestät von Ehemann ihre ganze Verachtung an den Tag zu legen.

»Was ist Euch, schöne Frau?« fragte der Graf von Lannoy, der sie aus Verehrung begleitete.

»Nichts Wichtiges«, antwortete sie leise; »aber da ist just mein Mann vorübergegangen, der Arme hat sich sehr verändert. Ehemals sah er aufs Haar einem Affen ähnlich, heute, scheint mir, gleicht er dem Bild des Hiob in seinem tiefsten Jammer.«

Der beklagenswerte Makler in dem Handelsgeschäft um Recht und Gerechtigkeit stand da wie versteinert; seine Frau hatte verführerisch ihren kleinen Fuß ein wenig aus der Sänfte hervorlugen lassen, und sein Herz war erbebt bei diesem Anblick. Er liebte seine Frau heftiger als je.

»Der Umstand, dass er Euer Ehemann ist«, sagte der Graf von Lannoy als echter Höfling, »nimmt ihm ja nicht das Recht, Euch auf der Straße zu begegnen.«

Da musste sie laut herauslachen. Ihr Mann aber, statt ihr einen Dolch in den Hals zu stoßen, brach bei diesem Lachen in bittre Tränen aus, und so schwer wurde ihm das Herz und so sehr verlor er alle Besinnung, dass er fast einen armen Teufel über den Haufen gerannt hätte, der sich von der vorübergetragenen königlichen Schönheit kitzeln ließ wie von den wärmenden Strahlen der Frühlingssonne.

Der Anblick dieser wunderbaren Blume, die man ihm ehemals als Knospe unter die Nase gehalten und die nun aufgeblüht war zu berauschendem Duft und Glanz gleich einer Märchenfee, machte den armen reichen Advokaten krank vor Schmerz und verliebter, als es menschliche Worte aussprechen können. Man muss einmal von einer Geliebten bis zur Tollheit berauscht gewesen sein, ohne sie zu besitzen, um zu begreifen, was in der Seele dieses Mannes vor sich ging; doch wird eine so heiße Leidenschaft wie die seinige zu aller Zeit eine seltene Sache sein.

Er tat also bei sich einen heiligen Schwur, dass er Leben und Reichtum und Ehre darangeben wolle, um wenigstens einmal in den unverkürzten Besitz seines rechtmäßigen Eheweibs zu gelangen, und gründlich wolle er sie dann besitzen und ganz aus dem Effeff und wenn ihm darüber der Atem ausgehen sollte für immer.

Die ganze Nacht tat er kein Auge zu, und tausendmal sagte er sich's vor: »Ja, ich werde sie haben, ich bin ihr Ehemann! Bei allen Teufeln! Bei allen Engeln Gottes!« Und er schlug sich vor die Stirn und wälzte sich auf seinem Lager.

Es gibt aber in dieser Welt Zufälle, die von kleinen Geistern nicht geglaubt werden, weil sie fast wunderbar scheinen; indes die starken Köpfe keineswegs daran zweifeln, weil sie wissen, dass man dergleichen nicht erfinden könnte. Einen solchen wunderbaren Zufall erlebte unser Advokat just am andern Morgen nach der eben besprochenen Nacht und seinem einsamen Liebesjammer. Da trat in seine Schreibstube einer seiner Klienten, der ein vornehmer und mächtiger Mann bei Hofe war und Zutritt zum König hatte, sooft er wollte; dieser erklärte dem Advokaten, dass er ohne Aufschub zwölftausend Dukaten brauche, worauf der Mann im Pelzbarett zur Antwort gab, dass man zwölftausend Dukaten nicht eben auf der Straße auflesen könne, dass es nötig wäre, außer Bürgschaft und Sicherheit für die Interessen einen Mann zu finden, bei dem die genannten zwölftausend Dukaten mit gekreuzten Armen gerade müßig säßen, dass einem ein solcher Mann nicht an jeder Straßenecke begegne und was sonst die Herren Geldverleiher bei derartigen Gelegenheiten für ein Geschmus zu machen pflegen.

»Ihr habt also wohl, gnädiger Herr«, forschte der Advokat, »einen unbequemen Gläubiger, der Euch in die Enge treibt?«

»Gewiss, gewiss«, antwortete der andere. »Und es ist niemand anders – aber dass Ihr mir kein Wort darüber verliert – als die Geliebte des Königs; für nur zwölftausend Dukaten und mein Gut in Brie will ich ihr heute Abend Maß nehmen.«

Bei diesen Worten erbleichte der Anwalt. In dem Höfling stieg eine Ahnung auf, dass er sich verplappert haben könne; er war erst aus dem Kriege zurückgekehrt und wusste nicht, dass das Königsliebchen einen Herrn Gemahl hatte.

»Was ist Euch?« fragte er den Advokaten.

»Ich habe ein wenig Fieber«, antwortete der Wucherer; »aber sagt mir, wem habt Ihr das Geld und den Kontrakt zu übergeben, doch nicht ihr in Person?«

»Ihr ganz allein.«

»Und Ihr habt keinen Unterhändler?«

»O doch«, antwortete der Edelmann; »solche Kleinigkeiten und Bagatellen werden durch eine Zofe besorgt, die das geriebenste Kammerkätzchen ist, das man sich denken kann. Oh, die ist durch wie ein Sieb, und es wird schon etwas an ihren feinen Fingern hängenbleiben von dem Kaufpreis der Nächte, um die sie den König betrügt.«

»Ich weiß einen befreundeten Wechsler«, erwiderte der Anwalt, »durch den Euch wohl geholfen werden könnte; aber keinen Finger will ich rühren, und von den zwölftausend Dukaten sollt Ihr nicht einen roten Heller bekommen, außer Ihr sorgt dafür, dass die genannte Kammerzofe selber hierherkommt und den Preis für die wundersame alchimistische Retorte, die Blut in Gold verwandelt, selber in Empfang nimmt.«

»So recht«, sprach lachend der Edelmann; »Ihr werdet nicht vergessen, Euch die Quittung von ihr geben zu lassen.«

Die Zofe kam zur festgesetzten Stunde und fand bei unserm Advokaten die Herren Dukaten bereits auf sie warten; in kleinen Säulen aufgereiht, schön geordnet wie Nonnen, die zur Vesper gehen, blinkten sie ihr entgegen auf dem Tisch des Anwalts. Selbst ein verprügelter Esel hätte ihnen ein freundliches Gesicht gemacht, so schön und leuchtend waren sie, diese braven, edlen, jungen Gesellen.

Aber der Anwalt hatte dieses Schauspiel nicht für einen alten Esel berechnet, und das Kammerkätzchen – er hatte es so vorausgesehen – leckte sich bei ihrem Anblick die Lippen, war mehr Kätzchen in diesem Augenblick als je und sah das Gold mit Augen an – ihr könnt euch denken, mit was für Augen!

»Das soll alles Euch gehören!« flüsterte ihr der betrogene Ehemann ins Ohr.

»Ah«, wispelte sie, »so teuer bin ich noch nie bezahlt worden.«

»Mein Schätzchen«, sprach der Mann, »Ihr sollt die gelben Vögel haben ohne das, was Ihr meint. Einstweilen sagt mir eins. Euer Auftraggeber hat Euch wohl nicht meinen Namen genannt? So wisst, ich bin der richtige und wahrhaftige Ehemann der Dame, die sich der König zu seinem Vergnügen hält und die Eure Herrin ist. Bringt ihr diese Dukaten und kommt hierauf zurück, so will ich Euch zwölftausend andere vorzählen, und Ihr sollt mit meiner Bedingung dafür zufrieden sein.«

Die Zofe erholte sich rasch von ihrem ersten Erstaunen; sie war nur zum Sterben begierig, wie sie die zwölftausend Dukaten verdienen könne, ohne den Geldmenschen auch nur zu berühren, und ließ also mit ihrer Rückkunft nicht lange auf sich warten.

»Nun gib acht, mein Schätzchen«, sprach der Ehemann, »hier sind zwölftausend Dukaten. Mit zwölftausend Dukaten aber, musst du wissen, kauft man Landgüter, Menschen, Weiber und das Gewissen von wenigstens drei Pfaffen; so zweifle ich nicht, dass ich für diese zwölftausend Dukaten auch dich kaufen kann mit Leib, Seele, Eingeweiden und was dazu gehört. Und ich habe Vertrauen in dich, das Vertrauen eines Wucherers, der gibt, um zu erhalten. Höre also, was ich von dir verlange. Du wirst ohne Aufschub zu dem Edelmann gehen, der glaubt, dass er diese Nacht von meiner Frau erwartet wird, und wirst ihm weismachen, dass er sich diesen Gedanken für heute Abend aus dem Kopf schlagen und sein Pferd für diesmal in Gottes Namen in einem andern Stall einstellen müsse, da in letzter Stunde der König sein Nachtmahl bei der Dame bestellt habe ... Dann wirst du dafür sorgen, dass ich die Nacht an seiner und des Königs Stelle sei.«

»Aber wie?« fragte das Mädchen.

»Oh«, antwortete er, »ich habe dich gekauft, dich und deinen Witz. Ich bin auch überzeugt, dass du die Dukaten nicht zweimal zu betrachten brauchst, ohne den Weg zu entdecken, der mich zu meiner Frau führt. Du wirst ohnedies dabei deine Seele nicht mit der geringsten Sünde belasten. Vielmehr wird es ein gottgefälliges Werk sein, zwei Eheleute zusammenzubringen, die sich ihre Hand gegeben haben vor dem Priester.«

»Bei meiner Kleinen«, sagte sie, »Ihr sollt Euch nicht geirrt haben. Kommt heute Abend, nachdem alle Lichter ausgelöscht sind, und Ihr sollt Eures Weibes froh werden, vorausgesetzt, dass Ihr den Schnabel halten könnt, solang Ihr bei ihr seid. Sie selber pflegt bei solchen Gelegenheiten mehr zu kreischen als zu reden und alle Fragen mit ihrem Körper, der von großer Eloquenz ist, zu beantworten. Denn sie ist sehr schamhaft und hasst unsaubere Reden, die sonst bei den Damen vom Hof so beliebt sind ...«

»Brav«, sagte der Advokat; »nimm diese zwölftausend Dukaten, und ich verspreche dir noch einmal doppelt soviel, wenn ich wie ein Dieb in der Nacht mir nehmen kann, was mir gehört vor Gott und den Menschen.«

Sie besprachen dann miteinander genau die Stunde, die Gelegenheit des Ortes, was sie ihm für ein Zeichen geben wolle und alles; dann machte sich die Zofe auf den Weg, begleitet von den lustigen goldenen Groschen, die, einer nach dem andern, den Witwen, Waisen und auch andern Leuten mit den bekannten Advokatenkniffen aus der Tasche gelockt waren und die nun alle in die besagte alchimistische Retorte wanderten, in der alles, selbst euer Leben, schmilzt und sich verzehrt, wie es auch davon hergekommen ist.

Der Anwalt aber beginnt unverweilt seine Vorbereitungen, schabt sich den Bart, parfümiert und frisiert sich, zieht feine Wäsche an, enthält sich des Knoblauchs, um seinen Atem nicht zu verstänkern, stellt sich siebenundzwanzigmal vor den Spiegel und zupft an der Halskrause, kurz, tut alles, was so ein oberhofgerichtlicher Aktenmensch und Staubfresser nur tun kann, um sich das Äußere eines feinen Hofmanns zu geben. Er sucht die Allüren eines jungen Lebemannes nachzumachen, studiert einen leichten, tänzelnden Gang und sucht seinem scheußlichen Gesicht eine liebenswürdige Miene abzugewinnen. Aber es war vergebliche Liebesmüh, er war und blieb der Mann der schmutzigen Prozesse. Er war nicht so gewitzigt wie die schöne Wäscherin von Portillon, die eines Sonntags, als sie sich für ihren Geliebten schön machen wollte, ihr Geheimfach einer sorgfältigen Waschung unterzog und dann mit dem Finger ein wenig hineintunkend und daran riechend sagte: »Oho, Kleine, du unterstehst dich, noch immer zu stinken! Gib acht, ich werde dir mit Lauge zu Leibe rücken.« Und erfüllte ohne Umstände ihre Drohung.

Unser Aktenritter hielt sich aber für den schönsten Knaben der Welt, obgleich er selber schlimmer stank als seine schlimmsten Salbereien; mit einem Wort, er zog sich an wie der Frühling, obgleich es draußen Stein und Bein zusammenfror, und machte sich auf den Weg nach der genannten Gasse zu den Schwalbennestern.

Man ließ ihn eine hübsche Zeit warten; doch als er schon dachte, dass er auf den Leim gegangen wäre wie ein rechter Gimpel – es war unterdessen vollends Nacht geworden –, kam die Zofe und öffnete endlich dem beglückten Ehemann das Haus des Königs. Oben angelangt, schob sie ihn hinter eine Tapetentür nahe bei dem Bett seiner Frau, die bald darauf erschien, vor dem Feuer des Herdes den ganzen Schmuck des Tages ablegte und sich mit einem Nachtgewand bekleidete, das mehr sehen ließ, als es verhüllte. Ein klaffender Spalt in seiner Tapetentür machte den Ehemann zum Zuschauer bei dieser geheimen weiblichen Operation. Die Dame aber, die sich mit ihrer Zofe allein glaubte, hatte tausend übermütige kleine Reden, wie sie bei solcher Gelegenheit den Damen über die Lippen kommen.

»Bin ich heut nicht zwanzigtausend Dukaten wert, ist das nicht gerade gut genug bezahlt für Schloss Brie?«

Sie wies bei diesen Worten auf ihre Vorwerke, die wie zwei Bastionen starrten und noch manchen Sturm aushalten konnten, wie sie schon tausendmal furchtbar angegriffen worden waren, ohne etwas von ihrer stolzen Aufrechtheit zu verlieren.

»Meine Schultern allein sind ein Königreich wert«, sagte sie.

»Ich zweifle, ob der König ein paar so machen könnte. Aber, bei Gott, mein Handwerk fängt an, mir langweilig zu werden. Was zuviel ist, ist kein Vergnügen mehr.«

Das Zöfchen lächelte. »Beim König«, sagte die Dame, »ich wollte, du wärst an meiner Stelle!«

Da lachte die Zofe laut heraus.

»Sprecht nicht so laut, er ist da.«

»Wer er?«

»Euer Gemahl.«

»Welcher?«

»Euer Ehegemahl.«

Und das Kammerkätzchen, das gern die zwölftausend Dukaten gewann, aber auch die Gunst ihrer Herrin nicht verlieren wollte, erzählte ihr kichernd das ganze Abenteuer ins Ohr.

»Nun denn«, antwortete leise die Frau Advokatin, »er soll was haben für sein Geld. Mag er festgefrieren hinter seiner Tapete. Wenn er mich aber nur mit dem kleinen Finger anrühren darf, will ich meine ganze Schönheit verlieren und hässlich werden wie ein Nussknacker. Du musst dich an meiner Stelle in mein Bett legen, und es mag deine Sache sein, wie du die zwölftausend Dukaten verdienen willst. Sage ihm aber, dass er sich morgen früh beizeiten aus dem Staube mache, damit ich deinen Betrug nicht merke. Um ihn in seiner Täuschung zu erhalten, werde ich kurz vor Tagesanbruch den Platz mit dir tauschen.«

Der arme Ehemann fror, dass ihm die Zähne klapperten. Unter dem Vorwand, ein Stück Wäsche zu suchen, machte sich die Zofe in seinem Verschlag zu schaffen.

»Ihr müsst Euch schon ein wenig an Euren Aussichten erwärmen«, sagte sie. »Die Gnädige legt sich für heute Abend in Gala, Ihr sollt Euer Geld nicht zum Fenster hinausgeschmissen haben. Aber beißt die Zähne aufeinander und muckst mir nicht! Ich wäre verloren.«

Endlich, als der Mann glücklich steifgefroren war, wurden die Lichter ausgelöscht, dann in wenigen Minuten erschien von neuem die Zofe, um der königlichen Geliebten zu melden, dass der Edelmann warte. Dann hüpfte sie in das königliche Bett, die Dame aber, wie wenn es die Zofe wäre, entfernte sich aus dem Gemach.

Nun zögerte der Anwalt nicht, aus seinem kalten Loch hervorzutreten und unverweilt unter die Bett-Tücher zu kriechen, wo er sich in allen Himmeln fühlte. Die Kammerfrau knickerte nicht für die zwölftausend Dukaten, und der gute Advokat war ganz erstaunt über den Überfluss in einem königlichen Hause zum Unterschied der kleinen und ängstlichen Ausgaben einer Bürgersfrau. Sie spielte ihre Rolle gut, die verschmitzte Zofe, sie regalierte den Federfuchser mit kleinen unterdrückten Schreien, die echt klangen, wenn sie's auch nicht waren, wand und bäumte sich wie ein Karpfen auf dem Stroh und machte von Zeit zu Zeit ihr ›ah, ah‹, was sie jeder andern Rede überhob. Sie gab ihrem Advokaten so viele Fragen auf, und er blieb auf keine einzige die Antwort schuldig, also dass er bald einschlief und dalag wie ein Sack. Er hatte übrigens vorher, um ein Andenken an diese Liebesnacht mit sich zu nehmen, seiner Frau, wie er meinte, in der Hitze des Geraufs und sonstiger Katzbalgerei ein Büschelchen Haare geraubt, ich weiß nicht von welchem Ort, da ich nicht dabei war, und dieses kostbare Pfand kammerzöfischer Tugend hielt er krampfhaft zwischen den Fingern.

Am andern Morgen beim ersten Hahnenschrei vertauschte die Frau mit der Kammerfrau den Platz und stellte sich wie im tiefsten Schlaf, die Zofe aber gab dem Advokaten einen gelinden Nasenstüber:

»Es ist Zeit«, tuschelte sie ihm ins Ohr, »nehmt Eure Siebensachen zusammen, schon blickt der Tag zum Fenster herein.«

Mit schmerzlichem Bedauern hörte der Advokat diese Aufforderung. Ehe er sich endgültig zurückzog, wollte er wenigstens das Feld seiner Kämpfe und Siege noch inspizieren. Er staunte.

»Seht doch«, sprach er, indem er seine Beute von der verflossenen Nacht hochhielt, »wie kann Blondes von Schwarzem kommen?«

»Bösewicht!« entgegnete die Zofe, »die Gnädige wird darüber sehr ungnädig auf Euch sein.«

»Aber, seht doch nur ...«

»Was ist da zu verwundern!« antwortete das Mädchen; »Ihr seid so gescheit und wisst alles, und nun wisst Ihr nicht einmal, dass ausgerissene Pflanzen welken und sich entfärben.«

Mit diesen Worten schob sie ihn zur Tür hinaus, und im Konzert mit ihrer Herrin lachte sie hinter ihm drein wie eine Tolle.

Die ganze Geschichte blieb nicht lange geheim, und der arme Advokat, Féron hieß er mit Namen, starb aus Kummer darüber, dass seine Frau, die so vielen gehörte, ihm allein unerreichbar war; sie aber, die man nur die schöne Féronnière nannte, verließ nicht lange danach den König und heiratete den obbemeldeten jungen Edelmann, einen Grafen von Buzançois. In ihren alten Tagen erzählte sie oft den Streich, den sie dem Advokaten gespielt hat, aus keinem andern Grund, wie sie lachend sagte, weil sie ihn nun eben einmal nicht riechen konnte.

Daraus können wir lernen, uns nicht an die Röcke einer Frau zu hängen, die nichts von uns wissen will.

Die dreißig tolldreisten Geschichten

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