Читать книгу Das Dunkel der Hölle - Orelinde Hays - Страница 4

Kapitel 1

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Es klopfte energisch an der Tür seines kleinen Büros und Brandon fuhr erschrocken zusammen, denn er war völlig in neue Unterlagen vertieft gewesen. Aufgescheucht nahm er seine Lesebrille ab und sah auf die Uhr: 18:30... Ach herrje, das hatte er ja völlig vergessen, wahrscheinlich war es der Cop vom Drogendezernat.

Irritiert sah Nathan Wallace sich um, nachdem er eingetreten war. "Entschuldigung... ich suche Doktor Lennard?"

Brandon musste schmunzeln. "Ich bin Doktor Lennard, nehmen Sie doch bitte Platz!"

Wallace zeigte Brandon vorschriftsmäßig seinen Dienstausweis und stellte sich vor:

"Agent Nathan Wallace, Drug Enforcement Administration."

Sie schüttelten sich die Hände und waren sich gleich sympathisch.

Nathan Wallace wurde ziemlich schnell klar, dass sein Gegenüber gewillt war, sich ernsthaft und mit allen Konsequenzen für seine Studenten einzusetzen.

Brandon hatte ebenfalls sofort das Gefühl, mit Nathan an den richtigen Mann geraten zu sein. Dieser burschikose, drahtige Typ, der ihm nun gegenüber saß, machte einen entschlossenen Eindruck. Mit der Materie schien er sich ebenfalls bestens auszukennen, hatte unter anderem Undercover–Erfahrung. Sehr schnell waren sie in ein intensives Gespräch verwickelt. In dessen Verlauf stellte sich auch heraus, dass Brandons Verdacht keineswegs unbegründet war. Bereits seit geraumer Zeit hatte die DEA seine Uni im Auge, man hatte sogar schon daran gedacht, einen verdeckten Ermittler einzusetzen. Natürlich war es in diesem Fall ideal, wenn man mit Brandon einen Kontaktmann hatte, dem die Studenten vertrauten. Bei ihm würde sicherlich niemand Verdacht schöpfen.

Sie hatten sich schon fast eine Stunde unterhalten, als Nathan meinte, ob Brandon nicht vielleicht Lust habe, noch auf ein Bier mitzukommen. Er wolle sich sowieso noch mit seinen Kollegen Eddy und Ben treffen.

"Dann könnten Sie sich gleich kennen lernen, wie wär's?"

Brandon nickte. "Ja, warum nicht! Ist das weit weg von hier?"

"Nein. Wir wollen uns im Skylab treffen, kennen Sie das?"

"Ja, klar! Liegt noch im Uni-Viertel, da bin ich manchmal."

"Wollen Sie selber fahren oder kann ich Sie mitnehmen?"

"Ach, ich werde mit dem Rad hinfahren - ich habe nämlich kein Auto!" grinste Brandon.

Nathan war erstaunt. "Kein Auto? Gibt's so was auch?... Sind Sie 'n Öko-Freak oder so?"

Ein amüsiertes Lachen war die Antwort. "Keine Bange. Ich werde Sie nicht zum Körnerfressen überreden!"

Nathan lachte ebenfalls. "Na, dann bin ich ja beruhigt! Also, dann treffen wir uns dort in... sagen wir einer viertel Stunde?"

"Abgemacht! Ich packe meine Sachen zusammen und mache mich auf den Weg!"

"Okay - wir treffen uns an der Theke, ja?"

"Alles klar! Bis gleich!"

"Wo bleibt Nat denn so lange?"

"Na, vielleicht unterhält er sich immer noch mit diesem Archo-Doc?"

Eduardo Nuriega und Benjamin Thomas warteten im Skylab bereits an der Theke. Als das nächste Mal die Kneipentür aufging, wurden sie anscheinend wieder enttäuscht.

"Nur 'n Student...", murmelte Eddy und bestellte sich noch ein Bier.

Fünf Minuten später öffnete sich die Tür erneut und die beiden staunten nicht schlecht, als Nat hereinkam, auf den "Studenten" zuging und ihn mit herübernahm.

"Jungs! Darf ich euch Doktor Lennard vorstellen! Und das hier sind also meine weltbesten Kollegen und Freunde Eddy und Ben!"

Es wurde noch ein längerer Abend, nachdem sie in Fahrt gekommen waren. Der förmliche Umgangston zwischen ihnen war schnell ad acta gelegt. Brandon hatte sofort seinen Spitznamen weg:

"Also, Lenny!", klopfte Eddy ihm auf die Schulter, "Dann werden wir mal einen Schlachtplan austüfteln, wie wir die Jungs hochnehmen!"

Aber Brandon gähnte müde: "Seid mir nicht böse, Leute - heute nicht mehr; ist schon spät! Ich muss jetzt wirklich nach Hause, morgen früh um zehn habe ich Vorlesung!"

"Ja, und?", wunderte sich Eddy, "Dann kannst du doch länger schlafen als wir!"

"Eigentlich nicht. Ich bin immer schon früh unterwegs, weil ich vorher erst noch Papierkram erledige!"

Er tauschte noch seine Handy-Nummer mit Nat aus, verabschiedete sich von seinen neuen Bekannten und radelte davon.

"Scheint ja ein ausgeschlafener Bursche zu sein!", meinte Eddy.

"Das kannst du laut sagen!", stimmte Nat ihm zu, "Ich glaube, der hat einiges auf dem Kasten!"

"Zuerst wirkt er ja wie so ein Studenten-Jüngelchen", sinnierte Ben vor sich hin, "aber wenn man sich näher mit ihm unterhält, merkt man, was für einen hellwachen Verstand er hat. Na, dann... auf unseren neuen Mitarbeiter!"

"Oh jaaa... weißt du, Nat, reifere Semester haben einen geschulten Blick dafür!", witzelte Eddy herum und spielte damit auf Bens Alter an. Mit seinen 37 Jahren war er der Älteste von ihnen dreien, während Nat mit seinen 28 und er selbst mit seinen 29 Jahren fast die Jüngsten ihrer DEA-Einheit waren.

Ben drohte ihnen lachend mit dem Zeigefinger. "Na ist ja gut, wenn die "reiferen Semester" euch Jüngelchen auf die Finger schauen!"

"Immerhin habe ich "Jüngelchen" schon 'ne fast vierjährige Tochter!", brüstete sich Nat, "ich habe schon damit angefangen, da hast du noch in die Windeln geschissen!"

"Angefangen...?" Eddy konnte es ebenfalls nicht lassen. "Ich glaube, unser Benny-Boy hat den Sexualkundeunterricht in der Schule wohl verpennt, oder? Aber wir sind ja nicht so, Alter", klopfte er Ben dann "mitfühlend" auf die Schulter, "wir erklären dir natürlich gerne, wie es geht...!"

"Oh Gott, hör sich einer diesen Kindergarten an!", tat Ben entnervt und alle drei lachten.

Ihr lockeres Miteinander hatte ihnen schon oft geholfen, über erlebte Dinge hinweg-zukommen. Ernst genug war ihr Job leider allzu oft. Darüber hinaus waren sie wirklich gute Freunde geworden. In ihrer Dienststelle hatten sie schon einen Spitznamen, weil sie auch privat ständig zusammen hockten: Die drei Musketiere, denn sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel.

Jedenfalls waren sie sich einig an diesem Abend: Mit Lenny hatten sie einen guten Verbindungsmann an der Uni.

Die interne Einsatzbesprechung der DEA erfolgte zwei Tage später. Man hatte einen jungen Kollegen aus der Sitte hinzugezogen, der sowieso für einen Wechsel zur DEA vorgesehen war. Gerald Foster sollte undercover als Student im zweiten Semester an Brandons Uni eingeschleust werden. Angeblich von seiner alten Universität verwiesen, hatte man ihm jedenfalls eine lupenreine Vergangenheit verschafft und einen erstklassigen schlechten Ruf.

Nat, Eddy und Ben wurden für den Fall als zuständig erklärt und kontaktierten Brandon, der dann zu einer internen Besprechung mit ihrem Vorgesetzten gebeten wurde. Er bekam einen Sonderberater-Ausweis, damit er sich bei der DEA und bei einem eventuellen Einsatz frei bewegen konnte. Einige Formalitäten folgten noch, dann sollte er auf weitere Anweisungen von den drei Musketieren warten.

"Herrje, Nat...", schüttelte Brandon den Kopf, als Nathan ihn anschließend im Wagen mit nach Hause nahm. "Wie könnt ihr bei so viel Bürokrimskrams noch die ganzen bösen Jungs fangen, sag' mal?"

Nat lachte und grinste ihn an: "Ach, sowas machen wir mal so eben nebenbei, weißt du!"

"Haha... schon klar!", meinte Brandon, dann schüttelte er plötzlich mit dem Kopf und schmunzelte vor sich hin.

"Hey, was ist so lustig?", wollte Nat sofort wissen.

"Ach, ich dachte nur gerade, hätte ich Eddy und Ben so getroffen, ich hätte nie vermutet, dass die beiden Cops sind."

"Wieso das?" Nat runzelte seine Stirn.

"Also, ich finde, Eddy sieht aus wie der "Latinlover" schlechthin, so als sei er gerade aus einem Model-Katalog entsprungen..."

Nat lachte sich ins Fäustchen. "Na, sage ihm das bloß nicht. Genauso benimmt er sich nämlich auch, sobald die holde Weiblichkeit aufkreuzt!"

"Tja, und Ben ist einfach so der Typ biederer Familienvater, oder?"

"Genau das", wurde Nat jetzt ein wenig nachdenklich, "wäre er gerne. Ich glaube, seine Frau und er haben ungefähr zehn Jahre versucht, Kinder zu bekommen und haben inzwischen ihren Traum von einer Familie begraben..."

"Oh, das tut mir leid für ihn", meinte Brandon mitfühlend. "Ist ein netter Kerl, ich mag ihn gerne!"

"Ja, da kann ich dir nur beipflichten. Aber sag mal, Lenny, hast du noch was vor heute Abend?"

"Nee, eigentlich nicht, wieso?"

"Komm doch mit zu mir zum Abendessen, wie wär's? Dann kannst du mal meine Familie kennen lernen, ja?"

"Ach... ich weiß nicht... Deine Frau rechnet doch bestimmt nicht mit Besuch und ich will bei euch nicht so unerwartet hereinplatzen."

"Blödsinn! Carol kennt das. Eddy und Ben, die kommen auch öfters hereingeschneit. Also: Du fährst mit, keine Widerrede!"

Brandon schmunzelte, leicht überrumpelt, und sah ihn von der Seite an. "Kriege ich jetzt noch Handschellen verpasst oder hast du mich schon adoptiert?", kam es dann ganz trocken.

Nat lachte lauthals los. "Na, ich sehe schon, du passt gut in unser Team!"

Somit stand Brandon einige Minuten später in Nats Haus.

"Carol? Wo bist du?", rief Nathan nach seiner Frau.

"Hier! In der Küche!"

"Hi, Schatz!" Er gab ihr einen Begrüßungskuss. "Ich habe Lenny mitgebracht!"

Ein sympathisches Gesicht, umrahmt von kastanienbraunem, schulterlangem Haar, lachte Brandon an und er wurde aufs Herzlichste von Carol begrüßt: "Wie schön! Lerne ich also den berühmten "Archo-Doc" endlich mal kennen! Grüß dich! Ihr kommt ja gerade passend. Setz dich doch, Lenny! Dann können wir gleich zusammen Abendessen, ja? Du bleibst doch noch, oder?"

Nat grinste: "Er hat keine Wahl. Ich habe ihn adoptiert!"

"Okay, dann sind die Familienverhältnisse ja schon geklärt...", schmunzelte Carol.

"Sag mal, Schatz, wo ist denn unsere kleine Kröte?", suchte Nat nach seiner Tochter.

"Lucy ist hinten im Garten - holst du sie eben?"

Brandon zog seine Jacke aus und hängte sie über eine Stuhllehne. Dann nahm er Carol die Teller aus der Hand. "Warte - ich helfe dir mit dem Tischdecken."

"Daddy... wie heißt der?"

Nat stand mit der kleinen Lucy in der Tür. Wem sie ähnelte, war nicht zu übersehen, nur, dass ihre Haare noch ein wenig rötlicher leuchteten als die ihrer Mutter. Aufmerksam wurde Brandon von oben bis unten gemustert.

Er ging in die Hocke und reichte der Kleinen seine Hand: "Ich heiße Brandon. Aber du kannst auch Lenny sagen. Hi, Lucy!"

"Hi!" Lucy zog ihre Stirn kraus und mit einem kritischen Blick beäugte sie Brandons Haare.

"Du... bist du ein Mädchen?"

"Aber Lucy! Wie kommst du denn darauf?", wunderte sich Nat.

Brandon hockte immer noch vor ihr. "Ja, sag mal, warum meinst du das denn?"

"Nur Mädchen haben so lange Haare!"

"Tja, da hast du sicherlich Recht. Die meisten Jungs haben nicht ganz so lange Haare... Ich glaube, ich muss sie mir mal wieder schneiden lassen", gab Brandon ihr recht.

Vorsichtig fuhr Lucy mit ihrer Hand über seine Backe und stellte fachkundig fest: "Aber einen Kratzebart hast du, wie Daddy... Du bist doch ein Junge! Und außerdem", fügte sie hinzu, "hast du keinen Busen."

Carol lachte: "Nachdem ihr die anatomische Seite abgecheckt habt, könnten wir ja jetzt essen, oder?"

Brandon fühlte sich wohl in der lockeren Stimmung und nahm gerne Platz. Verschmitzt sah er Nat an. "Na, ich hoffe, bei einem halben Mädchen machst du die Adoption jetzt nicht wieder rückgängig!"

Nat lachte: "Na gut, ist genehmigt."

Schon meldete sich Lucy kauend zu Wort: "Du, Lenny... spielst du gleich mit mir?"

"Oh, oh", grinste Nat verstohlen, "der Härtetest!"

Brandon schmunzelte: "Du, ich denke, Lucy, ich muss erst mal fragen, ob das noch geht. Ich weiß ja gar nicht, wann du ins Bett musst."

Prompt schmollte die Kleine schon, während Carol meinte: "Na ja, eigentlich gleich, gegen sieben... Aber ich denke, heute machen wir mal eine Ausnahme, weil du Lenny ja gerade erst kennen gelernt hast. Heute darfst du mal bis halb acht, ja?"

Schon wollte Lucy vom Stuhl aufspringen, aber Carol ermahnte sie: "Halt, halt, Miss Ungeduldig! Schau mal, Lenny ist ja noch gar nicht fertig mit dem Essen und du auch nicht!"

Prompt stopfte Lucy sich ihre restliche Schnitte in den Mund und kaute mit vollen Backen was das Zeug hielt. Auffordernd sah sie Brandon mit noch vollem Mund an:

"Kannzunichschnellerkaun?"

Der hatte Mühe ernst zu bleiben und tat so, als habe er sie nicht verstanden. "Du, ich kann dich so schlecht verstehen, wenn du den Mund voll hast. Weißt du, eigentlich esse ich nämlich lieber langsam, weil ich sonst Bauchschmerzen kriege..."

Dankbar für die Schützenhilfe kniff Carol ihm ein Auge zu und meinte zu ihrer Tochter: "Hey... ihr habt gleich noch genug Zeit, okay?", während Lucy, immer noch mit vollen Backen, vor sich hin seufzte.

"Ja, ja...", stellte Nat fest, "das Leben kann schon hart sein!"

Später, nachdem die kleine Lucy im Bett war, saßen sie noch gemütlich zusammen und unterhielten sich.

"Sag mal, Lenny", überlegte Carol, "wie bist du denn eigentlich ausgerechnet auf Archäologie gekommen? Also, ein ganz normaler Berufswunsch ist das ja nun nicht unbedingt, oder?"

"Hmm...", zuckte Brandon mit den Schultern, "weiß ich auch nicht so genau. Irgendwie habe ich mich immer schon für Geschichte und so was interessiert, habe dann ein Stipendium bekommen..." Schmunzelnd erinnerte er sich: "Als Kind habe ich meine Mum schon ständig mit meinem Schatzsuche-Tick genervt. Ich glaube, ich war zehn, als Indiana Jones in die Kinos kam. Ab da war's dann völlig vorbei! Sie musste mit mir die Bibel durchforsten, weil ich mir einbildete, ausgerechnet ich könnte herausfinden, wo die Bundeslade geblieben sei. Na ja, hat sich dann von selbst erledigt." Er lächelte. "Sie hat immer gerne die Geschichte von dem vergrabenen Schatz im Garten zum Besten gegeben..."

"Erzähl doch mal!", bat Carol.

"Ich war ihr mal wieder auf den Wecker gefallen, wo man denn wohl einen Schatz finden könnte und so. Daraufhin kam sie auf die Idee, hinterm Haus, dort, wo sie ihre Blumen pflanzen wollte, einige alte Sachen zu vergraben, damit ich endlich mal was entdecken konnte. Jedenfalls hat sie dann ganz listig Rückenschmerzen vorgetäuscht und bat mich, ihr beim Umgraben zu helfen. Na ja, Lust hatte ich keine, das weiß ich noch ganz genau. Also habe ich ziemlich widerwillig zum Spaten gegriffen. Kurze Zeit später stieß ich dann auf etwas und muss wohl ganz hektisch angefangen haben zu schaufeln. Total aufgeregt hätte ich die Sachen ausgebuddelt und die wildesten Vermutungen angestellt, wie alt die wohl sein könnten und so..."

"Wie lieb von deiner Mum!", fand Carol. "Ich kann mir direkt vorstellen, wie schwer es ihr gefallen sein muss, sich nicht zu verraten."

"Allerdings!", lachte Brandon vor sich hin. "Sie amüsiert sich heute noch königlich, wenn sie sich daran erinnert. Und ihr werdet es nicht glauben: Die kleine Tonvase, die ich damals ausgegraben habe, die habe ich immer noch. War schließlich mein erster "archäologischer" Fund! Das Teil ist irgendwie so was wie mein Talisman geworden."

"Und dein Vater, was hat der dazu gesagt?", wollte Carol wissen.

Brandon zuckte mit den Schultern. "Meinen Vater habe ich leider nie kennen gelernt."

"Oh, tut mir leid, das wusste ich nicht!", entschuldigte sich Carol.

"Ach, macht doch nichts."

"Deine Mutter weiß aber schon, wer dein Vater ist?", hakte Nat nun nach.

"Jetzt lässt er wieder den Cop raushängen!", wies Carol ihren Mann zurecht und stupste ihn in die Seite. Nat schien die Stichelei gewöhnt zu sein.

"Doch, das weiß sie natürlich!", ging Brandon bereitwillig auf seine Frage ein. "Ganz genau sogar, hat sie gesagt, weil nur ein Einziger in Frage käme. Wie auch immer: Jedenfalls war sie keine, die mit vielen rumgemacht hat. Im Gegenteil, sie muss wegen mir ganz schöne Schwierigkeiten auf sich genommen haben, weil sie zu ihrer Schwangerschaft stand. Sie war damals gerade mal zwanzig, aber sie wollte mich unbedingt und ist dafür von ihren Eltern rausgeschmissen worden..."

Das machte Carol neugierig. "Und später, hat sie sich wieder mit ihren Eltern versöhnt?"

"Nein, ich habe sie leider nie kennen gelernt. Es gab immer nur Mum und mich. Na ja, und manchmal einen Freund, den sie hatte..."

"Lebt sie auch hier, in San Francisco?"

"Nein, sie ist nach Atlanta gezogen, konnte dort einen besseren Job bekommen..."

Es war noch etwas später geworden, sie hatten sich über alles Mögliche unterhalten. Brandon hatte sich wirklich wohl gefühlt bei Nats Familie, dachte lächelnd an die kleine Lucy, die ihm noch eine Gute-Nacht-Geschichte abgerungen hatte.

Als er an diesem Abend im Bett lag, hatte Brandon zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl, an einem Ort zu Hause zu sein und richtige Freunde gefunden zu haben.

"Ach, der ist aber sooo süüüß!"

Die junge Dame am anderen Ende der Theke schien schon reichlich getankt zu haben und kicherte noch ausgelassener als ihre beiden Freundinnen. Diese ermahnten sie bereits: "Sarah! Sei ruhig, er guckt schon!"

Brandon hatte natürlich längst mitbekommen, dass sich das Gespräch der drei Ladies dort um ihn drehte und schmunzelte amüsiert. Er wartete im Skylab auf Nat, der sich zu verspäten schien.

Plötzlich stand besagte Sarah auf wackeligen Füßen neben ihm und zwei unternehmungslustige Augen funkelten ihn an: "Hi!"

"Hi", erwiderte er höflich, während er versuchte, nicht zu grinsen.

Schon kam ihre Frage: "Was macht denn ein so netter Mensch wie du ganz alleine hier an der Theke?"

"Ach, das ist einfach: Ich warte auf meinen Freund!", erklärte er ihr vertrauensvoll mit freundlicher Miene, worauf ihr prompt herausrutschte:

"Och, schade... Bist du schwul?"

Jetzt konnte er sich ein amüsiertes Grinsen aber doch nicht mehr verkneifen: "Nee... nur verabredet!"

Ihre Freundinnen hatten mittlerweile schon beschlossen, dieser "Romanze" ein Ende zu setzen.

"Sarah, jetzt komm! Du hast genug für heute!... Entschuldige, sie hat ihren Einstand etwas zu ausgiebig gefeiert!"

"Schon gut!", lächelte Brandon ihnen hinterher. "Hauptsache, ihr bringt sie heil nach Hause!"

Kurz bevor die Frauen die Kneipe verlassen hatten, war Nat hereingekommen.

"Hi, Lenny! Was waren das denn für drei Grazien?", fragte er neugierig nach.

Brandon erzählte ihm amüsiert, was passiert war.

Dass die Geschichte noch nicht zu Ende war, konnte er in diesem Augenblick nicht wissen. Und so betrat er am nächsten Morgen ahnungslos das Einführungsseminar für die Erstsemestler, das sie ihm mal wieder aufgebrummt hatten.

"Einen wunderschönen guten Morgen! Mein Name ist Dr. Brandon Lennard. Ich bin Ihr Dozent für den Fachbereich Archäologie und speziell für den südamerikanischen Kulturraum..."

Sein Blick ging durch die Runde und prompt entdeckte er ein bekanntes Gesicht. Freundlich nickte er Sarah zu und fuhr mit seiner Einführung fort.

Sie saß unten in der ersten Reihe des Hörsaals und war puterrot angelaufen. Am liebsten wäre Sarah Burns an diesem Morgen im Erdboden versunken. Da war der Typ, mit dem sie im Skylab geflirtet hatte, auch noch ausgerechnet ihr Dozent! Na, das fing ja gut an! Gott, war das peinlich!

Im Stillen amüsierte Brandon sich königlich. Doch er war einfach nicht der Typ, der jemanden vor versammelter Mannschaft durch den Kakao zog.

"Sag mal", wurde Sarah prompt von ihrer Banknachbarin angesprochen, "kennst du den Typen etwa? Und woher?"

Sarahs Gesicht hatte inzwischen wieder normale Farbe angenommen. "Ach, was heißt kennen... Der war gestern Abend in derselben Kneipe wie ich, daher kennt er mich."

"Ach, der ist süß, oder? Ich meine, so einen Dozenten kann man sich doch nur wünschen, habe ich Recht? Ich heiße übrigens Angie... Angie Chang!"

"Sarah Burns. Und du hast Recht. Ach", seufzte Sarah still vor sich hin, "der ist wirklich süß!"

Angie erkannte gleich die Lage. "Dich hat's ja richtig erwischt, was?"

"Hey!", zischte ihr Nachbar ärgerlich. "Seid mal ruhig, man kriegt ja gar nichts mit!"

So vertagten die beiden ihr Gespräch auf später.

Am nächsten Morgen lag ein Zettel in Brandons Postfach. Er war vom Direktor, der ihn um 15 Uhr zu einer Besprechung bat.

"Hi, Mrs. Marshall! Ist er da?"

Miles Farnhams Sekretärin begrüßte ihn: "Ja! Er erwartet Sie schon. Gehen Sie ruhig durch, Dr. Lennard!"

Er klopfte höflich, dann betrat er das Zimmer des Direktors. Dort saß bereits ein junger Mann. Brandon konnte sich direkt denken, wer es war.

"Dr. Lennard! Schön..." Farnham schüttelte ihm die Hand und deutete auf den anderen Gast. "Darf ich Sie mit Gerald Foster bekannt machen?"

Foster begrüßte Brandon und der fügte hinzu: "Alias Eugene Tyler, nehme ich an!"

Sein Gegenüber lachte und antwortete: "Ich sehe schon: Die drei Musketiere haben ganze Arbeit geleistet."

Der Direktor war offensichtlich verdutzt und so klärte Brandon ihn auf. "Ich wurde bereits von der DEA instruiert über die verdeckte Ermittlung, die Mr. Foster hier durchführen soll."

"Tja, meine Herren, dann bleibt in der Angelegenheit wohl nicht mehr viel zu sagen für mich!" Farnham erhob sich und reichte Gerald Foster die Hand. "Mr. Foster, ich wünsche Ihnen viel Glück für Ihr Unterfangen, hoffen wir, dass es in unser aller Sinn gelingen möge! Dr. Lennard wird sicher jederzeit für Sie da sein, denke ich. Wenn Sie uns dann wohl entschuldigen, ich habe noch kurz etwas mit ihm zu besprechen."

"Ja, natürlich! Auf Wiedersehen, Direktor Farnham!"

"Wie wär's", schlug Brandon Foster vor, "wenn du schon mal zu meinem Büro gehst, da vorne, am Anfang des Flurs. Dann könnten wir uns gleich noch kurzschließen, ja?"

"Okay, bis gleich - ich warte dort!"

"So, wie ich sehe, scheint Ihre Zusammenarbeit mit der DEA ja gut zu klappen...", meinte Direktor Farnham anschließend.

"Ja! Ich hatte die Angelegenheit gestern Abend mit Agent Wallace besprochen, von daher war ich natürlich schon vor informiert. Tut mir leid, wenn Sie sich vielleicht übergangen fühlten..."

Abwehrend hielt Farnham seine Hände hoch. "Oh, nein, nein! Ich bin eigentlich froh, wenn ich mit dem Ganzen nichts zu tun habe, ehrlich gesagt... Aber was anderes, weswegen ich noch mit Ihnen sprechen wollte: Sie haben doch noch Kontakt mit Direktor Ramirez in Cuzco?"

"Ja... wir schicken uns öfters eine E-Mail mit den neuesten Nachrichten, warum? Hat er jetzt etwa endlich seine Mittel bewilligt bekommen?"

"Sie meinen bezüglich der alten Inka-Straße? Leider nein. Aber er hat mich um einen Gefallen gebeten und ich wüsste ehrlich gesagt niemanden, der dafür besser geeignet wäre als Sie."

"Worum geht es?"

"Sie waren ja selber ein Jahr in Cuzco, im Rahmen dieses Austauschprogramms, nicht wahr?"

"Ja, und später noch wegen meiner Doktorarbeit."

"Nun, es geht um eine junge Studentin aus Cuzco... warten Sie, wo habe ich den Namen... ah, hier: Tatika Ramos, eine Ecuadorianerin. Die junge Dame kommt im Rahmen des internationalen Austauschprogramms für ein Jahr zu uns. Ich würde Sie bitten, dass Sie sozusagen als ihr Mentor fungieren und sie unter Ihre Fittiche nehmen, wenn Sie einverstanden sind!"

"Ja, natürlich. Vielleicht kann ich sie einfach zu meiner Assistentin machen? Die Stelle ist ja noch nicht besetzt. Dann hätte sie die beste Möglichkeit, alles ganz direkt mitzubekommen und außerdem ein Einkommen. Ist das in Ordnung?"

"Wunderbar! Ich sehe, Sie machen das schon, Lennard. Ich werde Mrs. Marshall Bescheid sagen, dass sie den Vertrag gleich aufsetzen soll."

"In Ordnung! Wann kommt die junge Dame?"

"Ach, ja... Moment... hier: Sie reist diese Woche an. Ich lasse Ihnen die Unterlagen von Frau Ramos noch in Ihr Fach legen. Wir hatten vereinbart, dass Sie Ramirez eine E-Mail schicken, wann und wo sie sich bei Ihnen melden soll... wäre das in ihrem Sinne?"

"Kein Problem, die Nachricht geht heute noch raus!... Das wäre es dann?"

"Ja! Und vielen Dank!"

"Schon gut, gern geschehen!"

"Auf Wiedersehen und halten Sie mich bezüglich Mr. Foster auf dem laufenden, ja?"

Sie schüttelten sich die Hände: "Das werde ich - bis dann!"

Brandon kehrte in sein Büro zurück.

"So, da bin ich. Ich hoffe, es hat nicht allzu lange gedauert. Komm, lass uns reingehen!"

"Ach wo...", meinte Gerald Foster. "Sehr viel Zeit habe ich allerdings nicht mehr, wir haben nachher noch eine Einsatzbesprechung."

"Gut, fassen wir uns kurz: Nat hat mir im Wesentlichen schon erzählt, wie die Sache ablaufen soll..."

"Hat er den Codenamen genannt?"

"Den... ach so, ja: Codename ist "Operation Uni", richtig?"

"Ja, richtig und ich soll noch mal klar machen, wie wichtig es ist, dass wir zu jeder Zeit meinen Decknamen verwenden..."

Beschwichtigend hob Brandon seine Hände: "Natürlich ist mir klar, dass es hier nicht um irgendwelche Kinderspielchen geht - macht euch bitte keine Sorgen deswegen! Im Übrigen denke ich, wir behalten einfach den formalen Umgangston miteinander bei, oder? Ich werde dich immer mit Mr. Tyler ansprechen, ziemlich autoritär außerdem in Bezug auf die Vorgeschichte und den Wechsel an diese Uni..." Brandon schmunzelte. "Damit auch alle mitbekommen, was für ein Flegel du bist!"

Gerald Foster musste lachen und salutierte vor Brandon: "Ja, Sir!"

"Gut!... Ich glaube, dann sind wir klar soweit?"

"Eine Sache noch: Deine private Handy-Nummer und meine... und dann gebe ich dir noch eine Nummer zu einem Verbindungsmann bei der DEA, bei dem du Tag und Nacht eine Nachricht hinterlassen kannst. Das muss ich noch erklären: Unter meinem Decknamen, dem aktuellen Tagesdatum und der Uhrzeit, worauf dann nach dem Codenamen gefragt werden wird... Mensch, ich muss los!"

"Also, Mr. Tyler: Noch irgendwelche Fragen?" Brandon legte augenzwinkernd einen ernsten Ton an den Tag und geleitete ihn an die Tür. Als er diese öffnete, lief zufällig Angie Chang mit zwei anderen Studenten über den Flur und in ziemlich barschem Ton wies er Eugene Tyler zurecht:

"So, ich hoffe, wir haben uns verstanden, Mr. Tyler! Sehen Sie dieses als Ihre letzte Chance an und machen Sie etwas daraus!"

In einem frechen Tonfall bekam er ein: "Ja, Sir! Natürlich Sir!" zurück und Tyler verschwand.

"Oops!", bemerkte Angie zu ihren Kommilitonen, "auf wen ist unser Doc denn da so sauer? Habt ihr den schon mal hier gesehen? Wer war das wohl?"

"Keine Ahnung... den kenne ich nicht..."

Das Dunkel der Hölle

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