Читать книгу Acht Bücher gegen Celsus, Band 2 - Origenes - Страница 5
Fünftes Buch
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1.
Nicht um der verpönten Geschwätzigkeit, bei der man „der Sünde“ nicht entfliehen kann1264 , zu dienen, beginnen wir, frommer Ambrosius, bereits das fünfte Buch unserer Entgegnung auf die Schrift des Celsus, sondern um nach Kräften zu versuchen, nichts von seinen Behauptungen, vor allem das nicht ungeprüft zu übergehen, worin er gegen Christen oder Juden nach der Ansicht mancher Leute verständige Anklage erhoben haben soll. Und wenn es uns möglich wäre, mit unseren Worten in die Einsicht eines jeden beliebigen Lesers der Schrift des Celsus einzudringen, und ein jedes Geschoß herauszuziehen, das den nicht ganz mit der „Waffenrüstung“ Gottes1265 geschützten Leser verwundet, und ein geistiges Heilmittel aufzulegen1266 , um die von Celsus geschlagene Wunde zu heilen, die nicht zuläßt, dass die Leute, die auf seine Worte hören, „den gesunden Glauben“ bewahren1267 , - so hätten wir dies gewiß getan. Aber es ist Gottes Werk, nach seinem Geiste mit dem Geiste Christi unsichtbar bei denen Wohnung zu nehmen, die er dessen für bedürftig hält; uns dagegen liegt es ob, wenn wir mit Wort und Schrift die Menschen gläubig machen wollen, alles aufzubieten, um uns „als Arbeiter“ zu erweisen, die „keine Scheu kennen und das Wort der Wahrheit scharf und richtig darbieten“1268 . Eine von allen diesen Aufgaben scheint uns aber zu sein, auch die Scheingründe des Celsus in treuer Ausführung deines Auftrags nach Möglichkeit zu entkräften.
Wir wollen also anführen, was auf die soeben bekämpften Worte des Celsus weiter folgt - ob wir sie wirklich widerlegt haben, wird der Leser entscheiden -, und dann angeben, was wir darauf zu erwidern haben. Gott aber möge geben, dass wir nicht mit einem der Göttlichkeit ganz baren Sinn und Wort an unser Vorhaben herantreten; damit „der Glaube“ derer, denen wir zu nützen wünschen, „nicht stehe auf Menschenweisheit“1269 , sondern dass wir „den Geist Christi“1270 von seinem Vater, der ihn allein verleihen kann, empfangen und zur Teilnahme an dem Worte Gottes unterstützt, „alle Überhebung, die sich wider die Erkenntnis Gottes erhebt“1271 , und ebenso den Wahn des Celsus, der sich wider uns und unsern Jesus und dann auch wider Moses und die Propheten erhebt, niederschlagen, damit in den Herzen aller, die unser Buch lesen, ein Glaube, gegründet im Wort und in der Kraft Gottes, geweckt werde, wenn der, welcher „das Wort den Verkündigern der frohen Botschaft mit großer Kraft“ verleiht1272 , auch uns dies gewährt und „die große Kraft“ schenkt.
2.
Wir haben also jetzt die Aufgabe, die Worte des Celsus zurückzuweisen, die so lauten: „ Ein Gott und ein Sohn Gottes, ihr Juden und Christen, ist niemals auf die Erde herabgekommen, noch dürfte er herabkommen. Wenn ihr aber von einige Engeln sprecht, wofür haltet ihr sie, für Götter oder für irgendein anderes Geschlecht? Für ein anderes Geschlecht, wie es scheint, für Dämonen1273 .“ Celsus wiederholt sich hier selbst, er hat diesen Einwurf oben bereits mehrmals vorgebracht; es ist daher nicht nötig, ausführlicher mit ihm darüber zu reden; denn was wir früher darauf entgegnet haben, wird genügen. Nur einige wenige Bemerkungen, die mit den früher gemachten nach unserer Meinung übereinstimmen, ohne jedoch ganz dasselbe zu besagen, wollen wir aus vielen1274 herausgreifen und vortragen. Wir werden hier darlegen, dass er mit seiner allgemeinen Behauptung, „kein Gott oder Sohn Gottes sei zu den Menschen herabgekommen“, auch die von der Mehrzahl der Menschen geteilte Ansicht von den Erscheinungen Gottes verwirft. Seine Behauptung ist auch mit der Meinung nicht vereinbar, die er selbst an früheren Stellen seines Buches vorgetragen hat. Denn wenn die allgemein gehaltene Behauptung des Celsus: „Ein Gott und ein Sohn Gottes ist niemals auf die Erde herabgekommen, noch dürfte er herabkommen“ wahr ist, so wird dadurch natürlich die Annahme unmöglich gemacht, dass es Götter auf Erden gibt, die vom Himmel herabgekommen sind, und entweder den Menschen die Zukunft zu enthüllen oder durch Orakelsprüche Kranke zu heilen.
Dann wäre wohl weder der pythische Apollo noch Asklepios noch ein anderer von denen, welchen der Glaube solche Dinge zuschreibt, „ein Gott“, der vom Himmel herabgestiegen ist; oder er wäre zwar ein Gott, hätte aber das Los gezogen, für immer die Erde zu bewohnen, und wäre gewissermaßen aus der Wohnung der Götter verbannt; oder er wäre einer von denen, die keine Erlaubnis hätten, mit den dort weilenden Gottheiten zusammen zu sein; oder Apollo und Asklepios und alle die, von denen man glaubt, dass sie auf Erden irgendeine Wirksamkeit ausüben, wären keine Götter, sondern gewisse Dämonen, viel geringer als jene Weisen unter den Menschen, die wegen ihrer Tugend bis zum Himmelsgewölbe emporsteigen.
3.
Man beachte nun, dass Celsus, der in seinem ganzen Buche sich nicht als Epikureer bekennt, in seiner Absicht, unsere Lehren zu vernichten, nachweisbar zu Epikur überläuft. Wenn du nun die Worte des Celsus liesest und seinen Aufstellungen zustimmst, so ist es nunmehr an der Zeit, entweder den Glauben an einen Gott aufzugebnen, der auf Erden Wohnung nimmt und für jeden einzelnen Menschen Sorge trägt, oder eine solche Ansicht gelten zu lassen und dann die Rede des Celsus für unwahr zu erklären. Wenn du nun eine Vorsehung ganz und gar leugnest, so wirst du seine Behauptungen, in denen er das Dasein von Göttern und von einer Vorsehung annimmt, als unwahr bezeichnen müssen, um an der Wahrheit deiner eigenen Ansicht festhalten zu können; wenn du aber nichtsdestoweniger eine Vorsehung gelten lässest, da du der Behauptung des Celsus, „es sei weder ein Gott noch ein Gottessohne jemals zu den Menschen herabgekommen oder käme herab“, nicht zustimmst; warum willst du dann nicht auf Grund dessen, was von uns über Jesus gesagt und was über ihn vorausverkündet worden ist, sorgfältig untersuchen, von welchem „Gott und Gottessohne“ man „die Herabkunft“ zu den Menschen eher annehmen muß, von Jesus, der so Großes angeordnet und vollbracht hat, oder von jenen, die durch ihre vorgeblichen Orakelsprüche und Weissagungen den sittlichen Wandel ihrer Verehrer nicht bessern, ja sie außerdem noch von der lauteren und reinen und heiligen Verehrung, die dem Schöpfer aller Dinge gebührt, abwendig machen und die Seelen derjenigen, die auf sie achten, anläßlich der Verehrung mehrerer Götter von dem einzigen und allein offenbaren und wahren Gott losreißen?
4.
Als ob nun Juden oder Christen über die zu den Menschen herabsteigenden Wesen geäußert hätten, dass es “Engel” seien, sagt Celsus hierauf: “Wenn ihr aber von einigen Engeln sprecht,” und stellt dann die Frage; “Wofür haltet ihr sie, für Götter oder für irgendein anderes Geschlecht?” und klagt uns dann, wie wenn wir geantwortet hätten, mit den Worten an: **" Für ein anderes Geschlecht, wie es scheint, für Dämonen1275 .“** Wir wollen auch diese Stelle betrachten. Denn bekanntlich”sprechen wir" auch “von Engeln”, welche dienstbare Geister" sind, “abgesandt zu Diensten um derer willen, die das Heil ererben sollen”1276 , und lehren, dass sie teils aufsteigen und die Anliegen der Menschen in den reinsten himmlischen Räumen der Welt oder in den noch reineren überhimmlischen zu Gott emportragen, teils wieder von dort herabsteigen und einem jeden nach seiner Würdigkeit etwas von den Wohltaten bringen, womit Gott den Menschen zu dienen befohlen hat. Diese nun, die wir nach ihrer Tätigkeit “Engel” zu nennen gewohnt sind, diese finden wir, weil sie göttlich sind, in den heiligen Schriften auch einmal als “Götter”1277 bezeichnet, aber nicht so, dass uns vorgeschrieben würde, die dienenden1278 , die uns die Aufträge Gottes überbringen, an Stelle Gottes zu verehren und anzubeten. Denn alle “Bitten, Gebete, Fürbitten und Danksagungen”1279 müssen dem allmächtigen Gott durch den über alle Engel erhabenen Hohenpriester1280 , der lebendiges Wort und Gott ist, dargebracht werden. Wir werden aber auch das Wort selbst bitten und ihm anliegen und danksagen und zu ihm beten, wenn wir zwischen dem rechtmäßigen Gebrauch und dem Mißbrauch des Gebetes richtig zu unterscheiden vermögen.
5.
Denn „Engel“ anzurufen, ohne die über Menschenkraft gehende Kenntnis von ihnen erlangt zu haben, würde der Vernunft widersprechen. Setzen wir aber auch den Fall, diese ganz wunderbare und geheimnisvolle Kenntnis wäre von uns gewonnen, so würde diese Kenntnis, die uns darlegt, wie jene Wesen beschaffen, und mit welchen Aufgaben die einzelnen betraut sind, nicht gestatten, an einen andern vertrauensvoll unsere Gebete zu richten als an den allmächtigen Gott, der alles gewähren kann, und zwar durch unsern Heiland, den Sohn Gottes, der das Wort1281 und die Weisheit1282 und die Wahrheit1283 und alles das ist, was die Schriften der Propheten Gottes und der Apostel Jesu sonst von ihm aussagen. Dazu aber, dass die heiligen Engel Gottes uns gnädig sind und alles für uns tun, genügt1284 unser Verhalten gegen Gott, wenn wir, soweit es menschlicher Natur möglich ist, das Beispiel nachahmen, das jene uns geben, die ihrerseits Gott zum Vorbild nehmen, und1285 - soweit dies für uns erreichbar ist - die richtige Stellung zu seinem Sohn, dem Wort, wenn sie der genaueren Auffassung der heiligen Engel über ihn nicht widerspricht, sondern ihr täglich an Genauigkeit und Klarheit näher zu kommen bestrebt ist. Weil aber Celsus unsere heiligen Schriften nicht gelesen hat, so gibt er sich an unserer Stelle diese Antwort: „Ein anderes Geschlecht“ seien nach unserer Angabe „die Engel“, welche von Gott herabsteigen, um den Menschen Gutes zu erweisen, und behauptet, dass diese, „wie es schiene“, von uns als „Dämonen“ bezeichnet werden würden. Es entgeht hier unserem Gegner, dass der Name „Dämonen“ gar nicht etwas Mittleres bezeichnet, wie der Name „Mensch“, von denen einige rechtschaffen sind und andere böse, noch auch etwas Gutes, wie das der Name „Götter“ ist, der nicht bösen Dämonen oder Götterbildern oder Tieren, sondern den wahrhaft göttlichen und seligen Wesen von denen beigelegt wird, welche eine Kenntnis von dem Wesen Gottes haben. Immer aber wird der Name „Dämonen“ auf jene bösen Mächte, die keinen so groben Leib haben, angewendet, auf jene Mächte, die die Menschen in die Irre führen und1286 abwendig machen und von Gott und den überhimmlischen Dingen zu den irdischen Angelegenheiten herabziehen.
6.
Celsus spricht sicht hierauf über die Juden in folgender Weise aus: „ Zuerst muß man sich nun über die Juden wundern, wenn sie zwar den Himmel und die Engel, die in diesem wohnen, verehren, dagegen die ehrwürdigsten und machtvollsten Teile des Himmels, nämlich die Sonne, den Mond und die andern Sterne, Fixsterne sowohl wie Planeten, übergehen: als ob es möglich wäre, dass das ganze ein Gott sei, seine Teile aber nicht göttlich, oder als ob es anginge, denjenigen ehrfurchtsvoll zu dienen, von denen man sagt, dass sie sich irgendwo im Dunkeln infolge von unrechtmäßiger Zauberei an Leute, die mit Blindheit geschlagen sind oder unklare Traumbilder haben, herandrängen, dagegen diese Wesen, die allen Menschen so klare und deutliche Prophezeiungen geben, unter deren Verwaltung Regen und Hitze und Wolken und der Donner, den sie anbeten, und Blitze und Früchte und alle Erzeugnisse stehen, diese Wesen, denen sie die Erkenntnis Gottes verdanken, diese offenbarsten Herolde der überirdischen Dinge, diese wahrhaft himmlischen Boten, diese für nichts zu halten.“ Wie mir scheint, ist Celsus hier ganz unklar und hat nur vom Hörensagen her Dinge, die er nicht wußte, aufgezeichnet. Denn wer die Lehren der Juden prüft und die der Christen mit jenen verbindet, dem ist es klar, dass die Juden, die dem Gesetze folgen, nichts anderes verehren als den allmächtigen Gott, der den Himmel und alle andern Dinge gemacht hat1287 .
Denn in diesem Gesetze spricht Gott also zu ihnen: „Du sollst keine andern Götter außer mir haben! Du sollst dir kein Bild machen noch irgendein Gleichnis von allem, was im Himmel oben und was auf der Erde unten und was unter der Erde im Wasser ist! Du sollst sie nicht anbeten noch ihnen dienen!“1288 . Es ist aber klar, dass die nach dem Gesetze lebenden Juden, wenn sie den Schöpfer des Himmels verehren, nicht mit Gott zugleich auch „den Himmel“ verehren wollen. Aber auch „die Engel, die in dem Himmel wohnen“, wird keiner anbeten, der dem mosaischen Gesetze dient. So wenig sie „die Sonne, den Mond und die Sterne“, „den Schmuck des Himmels“, anbeten, ebensowenig „beten sie den Himmel und die Engel, die in dem Himmel wohnen“, an, dem Gesetze gehorsam, welches sagt: „Und dass du nicht, wenn du deine Augen zum Himmel erhebest und die Sonne schauest und den Mond und die Sterne, den ganzen Schmuck des Himmels, dich irrest und sie anbetest und ihnen dienest, welche der Herr, dein Gott allen Völkern zugeteilt hat“1289 .
7.
Indessen nimmt Celsus auf eigene Faust als erwiesen an, dass die Juden „den Himmel für einen Gott“ hielten, tadelt sie, dass sie „den Himmel anbeten“, nicht aber auch „die Sonne, den Mond und die Sterne“, und fügt hinzu, es sei ungereimt, dass dies die Juden täten, „als ob es möglich wäre, dass das Ganze [ein Gott] sei, seine Teile aber nicht göttlich“. Unter dem Ganzen versteht er, wie es scheint, „den Himmel“, unter den Teilen des Ganzen aber „Sonne, Mond und Sterne“. Nun bezeichnen aber weder Juden noch Christen deutlich „den Himmel“ als „Gott“. Aber mag man auch zugeben, dass, wie er meint, von den Juden „der Himmel als Gott“ bezeichnet würde, mögen auch „Sonne, Mond und Sterne Teile des Himmels“ sein - was ja nicht ganz wahr ist; denn auch die Tiere und Pflanzen auf Erden sind nicht „Teile“ der Erde -; woher ist es nun auch nach Ansicht der Griechen wohlbegründet, dass, wenn ein Ganzes Gott ist, dann auch schon seine Teile göttlich sind? Offenbar ist es nun, dass die Griechen die Welt in ihrer Gesamtheit als „Gott“ bezeichnen, und zwar die Stoiker als den ersten Gott, die Platoniker als den zweiten, und wieder andere von ihnen als den dritten. Sind nun nach der Meinung solcher Philosophen, da das Ganze, die Welt, „Gott“ ist, auch schon ihre Teile göttlich, so dass nicht nur die Menschen, sondern auch alle die unvernünftigen Tiere und außer diesen selbst die Pflanzen als „Teile der Welt göttlich“ wären? Wenn nun aber auch die Berge und die Flüsse und die Meere Teile der Welt sind, müssen denn, weil die ganze Welt „Gott“ ist, auch schon die Flüsse und die Meere „Götter“ sein? Aber auch dies werden die Griechen nicht behaupten wollen, sondern sie dürften wohl die Aufseher über die Flüsse und Meere - wenn diese etwa Dämonen oder Götter sind, wie jene sie nennen - als „Götter“ bezeichnen.
Die allgemeine Behauptung des Celsus, „wenn ein Ganzes Gott sei, so seien durchaus auch dessen Teile göttlich“, ist auch nach der Ansicht jener Griechen, die die Lehre von der Vorsehung annehmen, falsch. Es ergibt sich aus den Worten des Celsus, dass, wenn die Welt „Gott“ ist, alle Dinge in ihr als Teile der Welt „göttlich“ seien. Nach dieser Ansicht wären dann auch die Tiere göttlichen Wesens, Fliegen und Holzwürmer und Regenwürmer und alle Arten von Schlangen, aber auch von Vögeln und Fischen; das werden nicht einmal diejenigen behaupten, nach deren Lehre die Welt „Gott“ ist. Die Juden [aber], die nach dem Gesetze des Moses leben, werden, wenn sie auch den in dunkle Worte gehüllten Sinn des Gesetzes, der etwas Geheimnisvolles anzeigt, nicht richtig aufzufassen vermögen, darum doch weder „den Himmel“ noch „die Engel“ für „Gott“ erklären.
8.
Wir behaupteten, Celsus sei hier ganz unklar, da er einige Dinge vom Hörensagen her falsch verstanden habe. Deshalb wollen wir nun die Dinge, so gut wir es könne, ergründen und dartun, dass, wenn Celsus „die Anbetung des Himmels und der in ihm wohnenden Engel“ für jüdischen Brauch hält, ein solcher Brauch nicht nur nicht jüdisch, sondern dem Judentum im Gegenteil ebenso zuwider ist, wie „die Anbetung von Sonne, Mond und Sternen“ und von Götterbildern. Man wird z.B., besonders bei Jeremia Stellen finden, wo der Geist Gottes durch den Propheten das jüdische Volk tadelt, dass es solche Dinge anbete und „der Königin des Himmels“ und „dem ganzen Heere des Himmels“ Opfer darbringe1290 . Aber auch die Schriften der Christen, welche die von den Juden begangenen Sünden erwähnen, berichten ganz klar, dass, als Gott jenes Volk wegen gewisser Sünden verlassen habe, auch solche Sünden von ihm begangen worden seien. In der Apostelgeschichte: „Gott aber wandte sich ab und gab sie dahin, dem Heere des Himmels zu dienen, wie geschrieben steht im Buche der Propheten1291 : Habt ihr denn mir Schlachttiere und Opfer gebracht in der Wüste vierzig Jahre, Haus Israel? Und ihr truget das Zelt des Moloch und den Stern des Gottes Romphan, die Bilder, die ihr gemacht, sie anzubeten“1292 . Bei Paulus aber, der in den jüdischen Gebräuchen gründlich unterrichtet und später durch eine wunderbare Erscheinung Jesu zum christlichen Glauben bekehrt worden war, liest man folgendes in seinem Briefe an die Kolosser: „Niemand soll euch um den Kampfpreis bringen, der es erstrebt mit Demut und Dienst der Engel, sich brüstend mit Dingen, die er geschaut hat, grundlos aufgeblasen von seines Fleisches Sinn, und nicht ergreift das Haupt, von dem aus der ganze Leib, durch die Gelenke und Bänder gestützt und zusammengehalten, vorwärts kommt im Wachstum Gottes“1293 . Dies hat Celsus weder gelesen noch kennen gelernt und kommt so merkwürdigerweise zu der Darstellung, „die Juden beteten den Himmel und die in ihm wohnenden Engel an“, ohne damit ihr Gesetz zu verletzten.
9.
In demselben Irrtum befangen und nicht bemüht, in die vorliegende Sache Einsicht zu gewinnen, kam Celsus zu seiner Meinung, die Juden seien von den Beschwörungsformeln bei Gaukeleien und Zaubereien veranlaßt worden, infolge einiger Erscheinungen, die die Beschwörer bei ihren Zaubersprüchen hatten, „die im Himmel wohnenden Engel anzubeten“. Es entging ihm, dass, wer dies tat, ebenfalls gegen das Gesetz verstieß, welches lautet: „Ihr sollt nicht Wahrsagern folgen, und den Beschwörern sollt ihr nicht anhangen, um nicht an ihnen verunreinigt zu werden! Ich bin der Herr, euer Gott!“1294 . Wenn Celsus also bemerkte, dass die Juden das Gesetz beobachteten, und wenn er ihnen das Zeugnis gab, dass sie nach dem Gesetze lebten, so durfte er entweder dies den Juden überhaupt nicht vorwerfen, oder wenn er diesen Vorwurf gegen sie erhob, so hätte er darlegen sollen, dass solches diejenigen Juden taten, die dem Gesetze zuwider handelten. Und ferner, wie diejenigen das Gesetz übertreten, „die den in der Finsternis wirkenden Wesen auch mittels Zauberei dienen, wobei sie mit Blindheit geschlagen sind und infolge von unklaren Erscheinungen träumen, indem sie die anbeten, die sich gerade an solche herandrängen sollen“: ebenso verletzen auch jene gar sehr das Gesetz, die „Sonne, Mond und Sterne“ mit Opfern ehren. Und so konnte eine und dieselbe Person gar nicht behaupten, die Juden hüteten sich davor, „Sonne, Mond und Sterne anzubeten“, und wieder, sie scheuten sich nicht, „Himmel und Engel“ göttlich zu verehren.
10.
Wenn wir uns aber, da wir nicht in gleicher Weise “Engel und Sonne und Mond und Sterne anbeten” gegen den Vorwurf verteidigen müssen, dass wir nicht einmal die von den Griechen als offenbare und sichtbare Götter bezeichneten Wesen anbeteten, so werden wir zur Antwort geben: Das Gesetz des Moses weiß, dass diese Wesen von Gott “allen Völkern unter dem Himmel” zugeteilt worden sind1295 , aber nicht auch denjenigen, die gegenüber allen Völkern auf Erden von Gott zu seinem auserwählten Erbe erkoren wurden1296 . Es steht nämlich in dem Buche Deuteronomium geschrieben: “Und dass du nicht, wenn du deine Augen zum Himmel erhebest und die Sonne schauest, und den Mond und die Sterne, den ganzen Schmuck des Himmels, dich irrest und sie anbetest und ihnen dienest, welche der Herr, dein Gott, allen Völkern, die unter dem ganzen Himmel sind, zugeteilt hat! Uns aber hat der Herr Gott genommen und hat uns herausgeführt aus dem eisernen Brennofen, aus Ägypten, dass wir ihm ein Volk seines Eigentums würden, wie es jetzt ist”1297 . Es ist also das hebräische Volk von Gott genannt ein “auserwähltes Geschlecht”, eine “königliche Priesterschaft”, ein “heiliger Stamm”, ein “Volk zum Eigentum”1298 , über das dem Abraham durch die Stimme des Herrn verkündigt wurde: “Schaue zum Himmel empor und zähle die Sterne, wenn du sie ganz zählen kannst. Und er sprach zu ihm: So soll dein Same sein”1299 . Dieses Volk, das die Hoffnung hatte, so zahlreich zu werden wie die Sterne am Himmel, war nicht in der Lage, die Geschöpfe anzubeten, denen es durch Verständnis und Beobachtung des Gesetzes Gottes1300 ähnlich werden sollte.
Denn es ist zu ihnen gesagt: “Der Herr, euer Gott, hat euch gemehret, und siehe, ihr seid nun an Menge wie die Sterne des Himmels”1301 . Und bei Daniel steht eine solche Weissagung über die Vorgänge bei der Auferstehung: “Und zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buche1302 aufgezeichnet sind. Und viele von denen, die im Schoß der Erde schlafen, werden aufgeweckt werden, diese zum ewigen Leben, jene zur ewigen Schmach und Schande. Die Weisen aber werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste, und von den vielen Gerechten1303 wie die Sterne auf immer und ewig”1304 . Diese Stelle hat Paulus in seinen Ausführungen über die Auferstehung benutzt, wo er sagt: “So gibt es himmlische Körper und irdische Körper; aber eine andere Herrlichkeit haben die himmlischen, eine andere die irdischen. Eine andere Herrlichkeit ist bei der Sonne, eine andere Herrlichkeit beim Monde, eine andere Herrlichkeit bei den Sternen, denn ein Stern ist von dem andern verschieden an Herrlichkeit. So ist es auch mit der Auferstehung der Toten”1305
Demnach lag kein Grund vor, dass Leute, die belehrt worden waren, sich über alle Geschöpfe gewaltig zu erheben und als Belohnung eines tugendhaften Wandels von Gott das Beste für sich zu erhoffen, dass Leute, die das Wort gehört hatten: “Ihr seid das Licht der Welt”1306 und wieder: “So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, auf dass sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen”1307 , dass Leute, die sich bemühten die strahlende und unbefleckte Weisheit1308 zu besitzen, oder sie bereits erlangt hatten “als Abglanz ewigen Lichtes”1309 , dass diese sich von dem sichtbaren Lichte der Sonne, des Mondes und der Sterne in solchem Grade hätten blenden lassen sollen, dass sie sich wegen des sichtbaren Lichtes jener trotz des Besitzes eines so großen geistigen “Lichtes der Erkenntnis”1310 , und des wahren Lichtes“1311 und”des Lichtes der Welt“1312 und”des Lichtes der Menschen“1313 für geringere Wesen hielten und jene anbeteten. Hätten diese wirklich angebetet werden müssen, so mußte das geschehen nicht wegen ihres sichtbaren Lichtes, das die große Menge anstaunt, sondern vielmehr wegen ihres geistigen und wahren Lichtes, wenn anders auch die Sterne am Himmel vernünftige und sittliche Wesen sind und erleuchtet mit”dem Lichte der Erkenntnis“1314 durch jene Weisheit, die”ein Abglanz ewigen Lichtes" ist1315 . Denn dieses ihr sichtbares Licht ist ein Werk des Schöpfers aller Dinge, während das geistige vielleicht ihr eigener Besitz ist und aus dem freien Willen stammt, der in ihnen wirksam ist.
11.
Aber nicht einmal dieses1316 Licht darf Gegenstand der Anbetung für denjenigen sein, der “das wahre Licht”1317 schaut und kennt, durch dessen Mitwirkung wohl auch diese Gestirne erleuchtet werden, noch auch für denjenigen, der Gott, den Vater des wahren Lichtes, schaut, von dem es in der Schrift so schön heißt: “Gott ist Licht und keine Finsternis ist in ihm”1318 . Und wie jene Leute, die “die Sonne und den Mond und die Sterne” deshalb “anbeten”, weil sie sichtbares und himmlisches Licht sind, einen Feuerfunken oder auch eine Lampe auf Erden nicht anbeten würden, da sie sähen, dass das Licht der Funken oder der Lampe mit dem Lichte jener herrlichen Gestirne, die sie für anbetungswürdig erachten, nicht verglichen werden können: so dürften wohl auch diejenigen, die eingesehen haben, wie “Gott das Licht ist”1319 , die begriffen haben, wie der Sohn Gottes “wahres Licht ist, das einen jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt”1320 , die es auch verstehen, wie dieser sagt: “Ich bin das Licht der Welt”1321 , nicht wohl mit Grund das Licht in “Sonne. Mond und Sternen” anbeten, das im Vergleich zu Gott, dem Licht, gleichsam nur einen kleinen Funken wahren Lichtes darstellt.
Wir wollen nun diese so herrlichen Werke Gottes nicht mißachten noch auch mit Anaxagoras behaupten, die Sonne, der Mond und die Sterne seien “eine feurige Masse”, wenn wir in solcher Weise von Sonne, Mond und Sternen reden; wir tun das vielmehr, weil wir empfinden, dass die unaussprechliche Erhabenheit und Hoheit Gottes und seines eingeborenen Sohnes alles andere übertrifft. Und überzeugt, dass die Sonne selbst und der Mond und die Sterne dem allmächtigen Gott durch seinen eingeborenen Sohn ihre Gebete darbringen, urteilen wir, dass man zu solchen Wesen nicht beten dürfe, die selbst Gebete darbringen. Denn sie wollen uns ebenfalls vielmehr zu Gott, zu dem sie beten, emporheben, als zu sich herabziehen oder unsere Gebetskraft von Gott abtrennen und an sich [reißen].
Hierfür möchte ich an dieser Stelle auch folgendes Beispiel anführen. Als unser Herr und Heiland einmal mit den Worten “Guter Lehrer”1322 angeredet wurde, da verwies er den, der dieses sagte, an seinen Vater und sprach: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut außer dem einen Gott, dem Vater“1323 . Wenn nun der Sohn”der Liebe" des Vaters1324 , der doch “das Ebenbild der Güte Gottes” ist1325 , dies mit Recht gesagt hat, sollte da nicht die Sonne mit noch größerem Rechte zu ihren Anbetern also sprechen: Was fällst du vor mir nieder? “Denn du sollst vor dem Herrn deinem Gott niederfallen und ihm allein dienen”1326 ; er wird auch von mir und allen meinen Genossen angebetet und verehrt. Und ist einer auch nicht so groß und erhaben, so muß ein solcher dennoch zu dem Worte Gottes beten, das ihn heilen kann, und noch vielmehr zu seinem Vater, der auch zu den Gerechten der Vorzeit “sein Wort aussandte und sie heilte und aus ihrem Verderben errettete”1327
12.
Wenn also Gott in seiner Güte zu den Menschen herabsteigt, so geschieht dieses nicht räumlich, sondern fürsorglich; und der Sohn Gottes war nicht nur damals1328 , sondern ist immerdar bei seinen Jüngern und erfüllt so seine Verheißung: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt“1329 . Und wie „die Ranke nicht Frucht bringen kann, wenn sie nicht am Weinstocke bleibt“ so können offenbar auch die Jünger des Wortes, die geistigen Ranken des wahren Weinstockes, nämlich des Wortes, die Früchte der Tugend nicht bringen, wenn sie nicht an dem wahren Weinstock bleiben1330 , dem Gesalbten Gottes, der bei uns, die wir räumlich unten auf Erden weilen, zugegen ist, der überall bei denen ist, die fest an ihm hangen, und auch schon überall bei denen, die ihn nicht kennen. Das sagt uns Johannes der Evangelist, wo er die Worte Johannes des Täufers anführt, welcher spricht: „Mitten unter euch steht er, den ihr nicht kennt, der nach mir kommt“1331 . Wenn also der, welcher den Himmel und die Erde erfüllt, welcher sagt: „Erfülle ich nicht den Himmel und die Erde? spricht der Herr“1332 , bei uns ist und in unserer Nähe weilt - denn ich glaube seinen Worten, wenn er sagt: „Ich bin ein Gott, der nahe, nicht ein Gott, der ferne ist, spricht der Herr“1333 -, so wäre es unvernünftig, wollten wir zu der Sonne beten, die nicht einmal überallhin dringt, oder zu dem Mond oder zu irgendeinem von den Sternen.
Es mag sein, dass „Sonne, Mond und Sterne“, um mich der eigenen Worte des Celsus zu bedienen, „Regen und Hitze und Wolken und Donner zum voraus verkünden“; muß man aber nicht dann, wenn sie solche Dinge voraussagen, Gott, in dessen Dienst sie es tun, eher und mehr anbeten und verehren als seine Propheten? Es mag auch wahr sein, dass sie „Blitze und Früchte und alle Erzeugnisse ankünden“,und dass sie alle solche Dinge „in ihrer Verwaltung haben“; wir werden sie aber deshalb doch nicht anbeten, sie, die selbst anbeten, auch nicht den Moses und die Propheten, die nach ihm von Gott gesandt, weit bessere Dinge voraussagten als „Regen und Hitze und Wolken und Donner und Blitze und Früchte und alle die ErzeuGenisse“, die unsere Sinne wahrnehmen. Aber wenn auch „Sonne, Mond und Sterne“ bessere Prophezeiungen zu verkündigen haben als „Regengüsse“, so werden wir auch so diese Gestirne nicht anbeten, sondern den Vater und Urheber ihrer Weissagungen und das Wort Gottes, das zu ihrer Vermittlung dient.
Gesetzt auch, sie seien Gottes „Herolde“ und „wahrhaft himmlische Boten“: sind wir denn nicht auch in diesem Falle verpflichtet, Gott allein, den sie verkünden und ankünden, eher anzubeten als seine „Herolde und Boten“?
13.
Willkürlich aber behauptet Celsus, dass wir „Sonne, Mond und Sterne für nichts achteten“. Denn was sie betrifft, so stimmen wir darin überein, dass auch sie „die Offenbarung der Söhne Gottes“ erwarten,„der Vergänglichkeit“ ihrer irdischen Körper in der Gegenwart unterworfen, „um deswillen, der sie auf Hoffnung hin unterworfen hat“1334 . Hätte Celsus von den unzähligen andern Stellen, die unsere Lehre von „Sonne, Mond und Sternen“ enthalten, auch diese gelesen: „Preiset ihn alle Gestirne und das Licht!“, und diese: „Preiset ihn, ihr Himmel der Himmel!“1335 , so würde er von uns nicht behauptet haben, wir lehrten, diese herrlichen Geschöpfe, von denen Gott in erhabener Weise gepriesen wird, seien „nichts“. Celsus kennt auch diese Stelle nicht: „Denn das sehnsüchtige Harren der Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes. Denn der Vergänglichkeit wurde die Schöpfung unterworfen, nicht freiwillig, sondern um deswillen, der sie unterwarf auf Hoffnung hin, dass auch die Schöpfung selbst von der Knechtschaft der Verwesung soll befreit werden zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“1336 .
Unsere Rechtfertigung gegenüber1337 , dass wir „Sonne, Mond und Sterne nicht verehrten“, mag hiermit abgeschlossen sein. Wir wollen aber auch seine folgenden Worte mitteilen, um dann hierauf, so Gott will, das zu erwidern, was uns von „dem Lichte der Wahrheit“1338 eingegeben werden wird.
14.
Die Worte des Celsus lauten also: **„ Töricht ist auch ihr Glaube, dass, wenn Gott einmal wie ein Koch das Feuer herangebracht hätte, das ganze übrige Menschengeschlecht ausgebrannt werden würde, sie dagegen allein fortbestehen würden, und zwar nicht nur die Lebenden, sondern auch die längst schon Gestorbenen; diese würden wieder aus der Erde hervorkommen, bekleidet mit dem nämlichen Fleische wie früher. Es ist das eine Hoffnung, die geradezu für Würmer passend ist. Denn welche menschliche Seele dürfte sich wohl noch nach einem verwesten Leibe sehnen? Ist doch diese Lehre nicht einmal bei einigen von euch1339 , auch nicht bei den Christen allgemein anerkannt; und wie sie ganz abscheulich und verwerflich ist, so kann sie auch unmöglich bewiesen werden. Denn welcher völlig zerstörte Leib wäre wohl imstande, zu seiner ursprünglichen Beschaffenheit und zu eben jenem ersten Zustand, aus dem er gelöst wurde, zurückzukehren? Da sie hierauf nichts zu antworten wissen, so behelfen sie sich mit der höchst abgeschmackten Ausflucht, dass für Gott alles möglich wäre1340 . Aber das Häßliche vermag Gott gar nicht zu tun, und das Naturwidrige will er nicht tun. Würdest du also auch in deiner Verworfenheit etwas Abscheuliches begehren, so wird Gott das nicht gewähren können, noch darf man glauben, dass der Wunsch sofort in Erfüllung gehen werde. Denn Gott ist nicht Urheber der lasterhaften Begierde, auch nicht der irreführenden Unsittlichkeit, sondern Urheber der wahren und gerechten Natur. Und für die Seele könnte er wohl ewiges Leben gewähren; ‘die Leichname aber’, sagt Heraklit, ‘sind eher wegzuwerfen als Mist’. Das Fleisch nun, voll von Dingen, die man anständigerweise nicht nennen kann, wider die Vernunft als ewig darzustellen, wird Gott weder willens noch imstande sein. Denn er selbst ist die Vernunft alles Seienden; er kann daher nichts tun, was der Vernunft oder seinem eigenen Wesen widerspricht“.
15.
Man beachte da zunächst, wie er hier die Lehre von einer Verbrennung der Welt verspottet und schmäht, die doch auch von einigen namhaften griechischen Philosophen verteidigt wird. Wir sollen nach ihm Gott gleichsam zu einem „Koche“ machen, wenn wir eine Weltverbrennung lehren. Er sieht dabei nicht, dass, wie einige Griechen annahmen - vielleicht hatten sie diese Meinung von dem uralten Volke der Hebräer entlehnt -, „das Feuer“ „zur Reinigung“ an die Welt gelegt wird, natürlich aber auch an jeden, der einer durch das Feuer zu vollziehenden Strafe und zugleich Heilung bedarf; ein Feuer, das diejenigen brennt, aber nicht verbrennt, an welchen kein Stoff mehr vorhanden ist, der von jenem Feuer verzehrt werden müßte, das aber diejenigen brennt und verbrennt, die das bildlich so genannte Gebäude ihrer Handlungen, Worte und Gedanken mit „Holz, Heu oder Stroh“ aufgeführt haben1341 . Es sagen aber die heiligen Schriften, dass der Herr „wie Feuer eines Schmelzofens und wie Kraut von Wäschern“1342 alle heimsuchen werde, die es nötig haben, da ihnen gleichsam ein schlechter Stoff, der aus ihrer Sündhaftigkeit herstammt, beigemischt ist, für die, sage ich, das Feuer nötig ist, das sie gleichsam von dem „Erz und Zinn und Blei“ reinigt1343 , das ihnen anhaftet. Und dies kann jeder, der will, von dem Propheten Ezechiel lernen1344
Dass wir aber nicht sagen, „Gott bringe das Feuer wie ein Koch heran“, sondern wie ein Gott, der denen wohltut, die der mühevollen Läuterung durch das Feuer bedürfen, das wird uns auch der Prophet Jesaja bezeugen, bei dem wir folgende Worte lesen, die an ein sündhaftes Volk gerichtet sind: „Denn du hast Feuerkohlen, um dich an ihnen niederzusetzen, sie werden dir Hilfe sein“1345 . Da aber der Geist das für die große Masse der künftigen Leser der Schrift Passende zubereiten will, so spricht er deshalb weise von furchtbaren Dingen in dunklen Ausdrücken, um diejenigen einzuschüchtern, die sich nicht anders von der Fülle ihrer Sünden befreien und bekehren können. Indessen wird der gute Beobachter auch so leicht den Zweck herausfinden, den diese furchtbaren und schrecklichen Dinge bei den davon betroffenen Menschen erreichen sollen. Es genügt für jetzt, wenn wir diese Stelle aus Jesaja anführen: „Meines Namens wegen will ich dir meinen Grimm zeigen und meinen Ruhm will ich über dich heranführen, dass ich dich nicht zerstöre“1346 . Wir waren genötigt, das für die einfacheren Gläubigen, die einer einfacheren Ausdrucksweise bedürfen, nicht Passende nur dunkel anzudeuten; wir wollen uns nämlich nicht den Anschein geben, als hätten wir die Anklage des Celsus: „Wenn Gott einmal wie ein Koch das Feuer heranbringt“ unwiderlegt gelassen.
16.
Aus dem Gesagten werden verständige Zuhörer klar erkennen, wie wir auch auf diese Worte zu erwidern haben: " Das ganze übrige Menschengeschlecht würde ausgebrannt werden, sie dagegen würden allein fortbestehen. Es darf nicht wundernehmen, wenn sich solche Ansichten bei denjenigen unter uns finden, die von der Schrift “das Törichte der Welt” genannt werden und “das Unedle, das Verachtete, das Nichtseiende”1347 , welche “Gott durch die Torheit der Verkündigung zu retten beschlossen hat als die an ihn Glaubenden, da in der Weisheit Gottes die Welt Gott nicht erkannte durch die Weisheit”1348 , Leute, die nicht imstande sind, den Sinn der Schriftstellen zu durchdringen, auch keine Mühe auf die Erforschung der Schrift verwenden wollen, obwohl doch Jesus sagt: “Forschet in den Schriften”1349 ;1350 wenn sie zu solchen Vorstellungen von “dem Feuer, das Gott herabbringt”, und von dem, was den Sündern droht, gekommen sind. Und wie es sich für die Kinder schickt, dass man ihnen nur Dinge sagt, die ihrem zarten Alter angemessen sind, um sie als ganz unmündige Kinder auf den Weg der Tugend zu bringen: so paßt wohl auch für die von der Schrift als “Törichte der Welt” und als “Unedle und Verachtete” bezeichneten Christen1351 die buchstäbliche Auffassung der von den Strafen handelnden Stellen, da sie sich nicht auf andere Weise zu bekehren und von den vielen Sünden zu befreien verstehen, als wenn sie durch Furcht und die Vorstellung von Strafen dazu veranlaßt sind.
Die Schrift sagt nun, dass nur diejenigen von dem Feuer und den Strafen verschont bleiben werden, die in ihrem Glauben, in ihrem Wandel und in ihrer Gesinnung im hohen Grade rein und lauter sind, während dagegen die anders Gearteten, die nach ihrem Verschulden der durch Feuerstrafen ausgeübten Zucht bedürfen, von diesen zu einem bestimmten Zweck betroffen werden, den Gott passenderweise bei denen verfolgt, die “nach seinem Bilde”1352 gemacht worden sind und doch wider den Plan der “nach seinem Bilde”1353 Natur gelebt haben. Das ist nun unsere Antwort auf die Behauptung des Celsus,1354 " dass das ganze übrige Menschengeschlecht ausgebrannt werden würde, sie dagegen allein fortbestehen würden".
17.
Celsus muß dann entweder die heiligen Schriften mißverstanden oder auf solche Leute gehört haben, die den Sinn der heiligen Schriften nicht verstehen, wenn er fortfährt: „Wir lehrten, dass wir zu der Zeit, wenn dereinst der Welt durch Feuer Reinigung gebracht würde, allein fortbestehen würden, und zwar nicht nur die Lebenden, sondern auch die längst schon Gestorbenen“. Er hat nicht bemerkt, dass eine gewisse geheimnisvolle Weisheit in diesen Worten des Apostels Jesu enthalten ist: „Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden in einem Nu, in einem Augenblick, bei dem letzten Trompetenstoß, denn die Trompete wird ertönen, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden“1355 . Celsus hätte erwägen sollen, mit welcher Absicht der Sprecher diese Worte, der doch nicht tot war, sich und die Lebenden von den Toten unterschied und deshalb den Worten: „und die Toten werden auferweckt werden unverweslich“ hinzufügte: „Und wir werden verwandelt werden“. Zur Bekräftigung meiner Behauptung aber, dass der Apostel ungefähr diese Gedanken gehabt habe, als er die von mir aus dem ersten Brief an die Korinther angeführten Worte niederschrieb, will ich auch noch die Stelle aus dem ersten Brief an die Thessalonicher mitteilen, in welcher Paulus von sich als von einem Lebenden und Wachenden spricht, der den Entschlafenen nicht angehört. Er schreibt da: „Denn das sagen wir euch mit einem Worte des Herrn, dass wir, die wir leben und übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen nicht zuvorkommen werden; denn der Herr selbst wird, sobald der Ruf ergeht und die Stimme des Erzengels und die Trompete Gottes ertönt, vom Himmel herabsteigen“1356 . Dann wiederum im folgenden fügt der Apostel, da er die Toten in Christus von sich und den ihm Gleichen unterscheidet, diese Worte hinzu: „Die Toten in Christus werden zuerst auferstehen, dann werden wir, die noch leben und übrig geblieben sind, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken, dem Herrn entgegen in die Luft“1357 .
18.
Celsus hält sich länger dabei auf, die Lehre von der Auferstehung des Fleisches, die in unsern Gemeinden verkündigt und von dem gebildeten Teile der Gläubigen mit tieferem Verständnis erfaßt wird, zu verspotten. Es ist nicht notwendig, seine Worte noch einmal anzuführen, da dies bereits geschehen ist. Da wir nun eine Verteidigungsschrift gegen einen Feind unseres Glaubens schreiben, so wollen wir wegen der noch “unmündigen” Christen, die “hin und her geschaukelt und von jedem Winde der Lehre hin und her getrieben werden im Trugspiel der Menschen zu dem Kunstgriff der Irrlehre”1358 , auch über diesen Punkt mit Rücksicht auf unsere künftigen Leser, soweit es unsere Kräfte erlauben, einige Gedanken anführen und darlegen. Weder wir selbst also noch die heiligen Schriften lehren, dass “die längst Gestorbenen aus der Erde wieder hervorkommen” und zu neuem Leben erstehen werden “in dem nämlichen Fleische”, ohne dass dieses eine Umwandlung in einen besseren Zustand erfahren hätte. Celsus aber behauptet das und verleumdet uns damit. Denn wir kennen gar viele Stellen der Schrift, die von der Auferstehung so reden, wie es Gottes würdig ist. Für jetzt genügt es, die Worte des Paulus, aus seinem ersten Brief an die Korinther anzuführen, die so lauten: “Aber, wird jemand sagen, wie sollen denn die Toten auferstehen? Mit welchem Leibe sollen sie denn kommen? Du Tor! Was du säest, wird nicht lebendig, wenn es nicht gestorben ist. Und was du auch säest, so säest du nicht den Körper, der werden soll, sondern ein bloßes Korn, etwa von Weizen oder von einer der übrigen1359 . Gott aber gibt ihm einen Körper, wie er gewollt hat, und einer jeden Samenart ihren besonderen Körper”1360 . Man beachte nämlich wohl, wie der Apostel mit diesen Worten sagt: “was gesät wird, sei nicht jener Körper, der werden soll”, sondern wie er betont, dass von dem gesäten und nackt auf die Erde geworfenen1361 , indem Gott einer jeden Samenart ihren besonderen Körper gibt", gleichsam eine Auferstehung erfolgt, so dass von dem auf die Erde geworfenen Samen bei solchen Pflanzen, wie beim Senf, ein Schößling ersteht oder ein noch größerer Baum beim Kern des Ölbaumes oder bei einem der1362 Fruchtbäume.
19.
“Gott gibt also einem jeden1363 einen Körper, wie er gewollt hat”1364 ; er tut das bei den ausgesäten Samen und ebenso bei den Menschen, die beim Sterben gleichsam ausgesät werden und zu geeigneter Zeit aus dem, was ausgesät wird, von Gott den Leib erhalten, der einem jeden nach seinem Verdienste gebührt. Wir hören aber auch, dass die Schrift uns ausführlich über den Unterschied belehrt, der zwischen dem gleichsam Gesäten und dem gleichsam aus ihm Auferweckten besteht, wenn sie sagt:“Es wird gesät in Vergänglichkeit, auferweckt in Unvergänglichkeit. Es wird gesät in Unehre, auferweckt in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit, auferweckt in Kraft. Es wird gesät ein seelischer Leib, auferweckt ein geistiger Leib”1365 . Wer es kann, mag ferner noch den Sinn dieser Worte erfassen: “Wie der Irdische ist, so sind auch die Irdischen; und wie der Himmlische, so auch die Himmlischen. Und wie wir das Bild des Irdischen getragen haben, so laßt uns auch das Bild des Himmlischen tragen!”1366 . Und obgleich der Apostel die Geheimnisse an dieser Stelle verbergen wollte, weil sie für die einfachen Gläubigen und das gemeine Verständnis derjenigen Leute ungeeignet sind, die1367 durch den Glauben zur Tugend geführt werden, so sah er sich doch später gezwungen, um zu verhindern, dass wir ihn mißverständen, seinen Worten: “Laßt uns das Bild des Himmlischen tragen”1368 noch die folgenden beizufügen: “Das aber sage ich, Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben kann, noch erbt die Vergänglichkeit die Unvergänglichkeit”1369 . Er wußte wohl, dass diese Stelle etwas Geheimnisvolles und Mystisches enthält, und fügte deshalb, wie es sich für einen Mann ziemte, der seine ausgesprochenen Gedanken der Nachwelt schriftlich hinterlassen wollte, dann noch die Worte hinzu: “Siehe, ich sage euch ein Geheimnis”1370 . Diese Worte werden gewohnheitsgemäß bei tieferen und geheimnisvolleren Stellen hinzugefügt, die vor der großen Menge mit Recht verborgen werden. So steht ja auch im Buche Tobias geschrieben: “Das Geheimnis eines Königs zu verbergen ist schön”, aber “die Werke Gottes ruhmvoll zu offenbaren”1371 ist auch schön mit Rücksicht auf die Ehre1372 und das allgemeine Wohl, wenn es wahrheitsgetreu und mit gehöriger Umsicht geschieht.
Unsere “Hoffnung” ist also nicht eine, die “für Würmer passend ist”; auch “sehnt sich unsere Seele” nicht “nach dem verwesten Leibe”. Wenn sie aber auch eines Leibes bedarf, um sich von einem Ort an einen anderen bewegen zu können, so kennt doch die um “Weisheit” bemühte Seele - nach dem Wort: “Der Mund des Gerechten wird um Weisheit bemüht sein”1373 - die Verschiedenheit des irdischen aufgelösten Hauses, in welchem die Hütte ist, und der Hütte, in der weilend die Gerechten bedrückt seufzen, indem sie nicht der Hütte entkleidet, sondern mit der Hütte überkleidet werden wollen, damit infolge der Überkleidung “das Sterbliche vom Leben verschlungen würde”1374 . Weil nämlich die ganze Natur des Leibes vergänglich ist, so “muß diese vergängliche Hütte Unvergänglichkeit anziehen”, und es muß der andere Teil von ihm, der “sterblich” ist und dem Tode, der eine Folge der Sünde ist, unterworfen, “Unsterblichkeit anziehen”, auf dass, wenn “das Vergängliche die Unvergänglichkeit, und das Sterbliche die Unsterblichkeit angezogen hat”, dann das eintritt, was von den Propheten längst vorausgesagt worden ist1375 , nämlich dass dem Tode der Sieg, den er über uns erfochten und durch den er uns unter seine Herrschaft gebracht hat, entrissen und sein “Stachel”" ihm genommen wird, mit welchem er die Seele verletzt, die nicht von allen Seiten geschützt ist, und ihr Wunden schlägt, die von der Sünde stammen.
20.
Unsere Ansichten über die Auferstehung sind hier, soweit es möglich war, wenigstens teilweise dargelegt worden; wir haben nämlich anderswo eine Schrift über die Auferstehung verfaßt und dort den Gegenstand ausführlicher untersucht. Jetzt ist es unsere Aufgabe, die Meinung des Celsus hierüber auf ihre Berechtigung zu prüfen. Unser Gegner hat nämlich weder unsere heiligen Schriften verstanden, noch kann er beurteilen, dass man von Leuten, die nichts weiter als ihren Glauben an die christliche Lehre zu verkündigen wissen, eine richtige Schätzung der Absicht jener heiligen Männer nicht erwarten darf. Wir wollen also zeigen, dass Männer, die wegen ihrer tüchtigen Kenntnis der Logik und ihrer dialektischen Untersuchungen berühmt sind, recht ungereimte Behauptungen aufgestellt haben. Und wenn es Lehren gibt, die man als armselig und altweibermäßig verlachen muß, so sind dies weit mehr jene als die unseren.
Die Stoiker behaupten, dass nach Ablauf einer gewissen Anzahl von Jahren eine Verbrennung des Weltalls, und darauf eine Neuordnung der Welt stattfinde, in der alles im Vergleich mit der früheren Ordnung unverändert sei. Alle aber von ihnen, die vor dieser Lehre eine gewisse Scheu hatten, äußerten die Ansicht, es würde eine geringe und ganz unbedeutende Veränderung in der folgenden Periode gegenüber den Verhältnissen in der früheren Periode eintreten. Die Stoiker sagen nun, es würde in der späteren Periode dieselben Dinge wiederkehren, und Sokrates würde wieder der Sohn des Sophroniskos und Athener, und Phänarete würde wieder, mit Sophroniskos ehelich verbunden, seine Mutter sein. Wenn sie nun auch das Wort „Auferstehung“ nicht gebrauchen, so lehren sie doch in der Tat, Sokrates würde aus dem Samen des Sophroniskos wieder erstehen und im Schoß der Phänarete gebildet werden, würde in Athen seine Erziehung erhalten und dort dem Studium der Philosophie obliegen; so würde die frühere Philosophie gewissermaßen wieder aufleben und in gleicher Weise unveränderlich wie die frühere blühen. Auch Anytos und Meletos würden wieder als Ankläger des Sokrates erstehen, und der Rat auf dem Areiopag würde den Sokrates wieder zum Tode verurteilen. Ferner würde, und das ist noch lächerlicher, Sokrates genau dieselben Kleider anziehen wie in der früheren Periode, und in ebenderselben Armut und in ebenderselben Stadt Athen wie in der früheren Periode leben. Auch Phalaris würde wieder den Tyrannen spielen, und sein ehener Stier würde, wenn dieselben Menschen wie in der vorhergehenden Periode zum Tode verurteilt wären, infolge des Wehgeschreies der Eingeschlossenen wieder brüllen. Auch Alexander von Pherai würde wieder den Tyrannen spielen und mit derselben Grausamkeit wie früher dieselben Menschen wie früher zum Tode verurteilen. Doch wozu sollte ich auf die von der stoischen Schule hierüber ausgebildete Lehre noch näher eingehen, die von Celsus nicht verspottet, sondern vielleicht sogar in Ehren gehalten wird, da Zeno in seinen Augen ein tieferes Wissen besitzt als Jesus?
21.
Ferner scheinen zwar die Anhänger des Pythagoras und des Plato die Unvergänglichkeit der Welt festhalten zu wollen, verfallen aber in ganz ähnliche Irrtümer. Da nämlich die Gestirne nach gewissen festgesetzten Perioden dieselben Lagen und Stellungen zueinander annehmen, so sagen sie, dass alle Dinge auf Erden sich in gleicher Weise verhielten wie damals, als die Gestirne dieselbe Lage und Stellung im Weltall einnahmen. Aus dieser Lehre folgt mit Notwendigkeit, dass, wenn die Gestirne nach einem langen Zeitabschnitt in dieselbe Stellung zueinander gekommen sind, die sie zu den Zeiten des Sokrates hatten, dann Sokrates wieder als Sohn derselben Eltern geboren werden und dasselbe erleiden wird, von Anytos und Meletos angeklagt und von dem Rat auf dem Areiopag zum Tode verurteilt. Auch die ägyptischen Gelehrten überliefern solche Ansichten, sind aber für Celsus und seine Genossen verehrungswürdig und nicht Gegenstand des Spottes. Wenn wir aber sagen, dass entsprechend dem Verhalten des freien Willens eines jeden alle Dinge von Gott regiert und immer nach Möglichkeit einem besseren Zustand zugeführt werden, und wenn wir anerkennen, dass die Natur des freien Willens gewisse Möglichkeiten zuläßt, da sie eben die vollkommene Unveränderlichkeit Gottes nicht fassen kann: scheint es da nicht, dass wir Dinge lehren, die der Prüfung und Untersuchung wert sind?
22.
Man soll aber nicht argwöhnen, dass wir, indem wir so reden, zu jenen gehören, die zwar den Namen von Christen tragen, aber die schriftgemäße Lehre von der Auferstehung verwerfen. Jene Leute können, wofern sie ihre Ansichten nicht verleugnen wollen, durchaus nicht erklären, wie von „dem Korn des Weizens oder einer der übrigen“1376 „ein Schößling oder Baum“ gewissermaßen ersteht1377 . Wir aber, in der Überzeugung, dass „das Gesäte nicht lebendig wird, wenn es nicht gestorben ist“, und dass „nicht der Körper, der werden soll“, gesät wird - denn „Gott gibt ihm einen Körper, so wie er gewollt hat“, nachdem „es gesät ist in Vergänglichkeit, es auferweckend in Unvergänglichkeit, und nachdem es gesät ist in Unehre, es auferweckend in Herrlichkeit, und nachdem es gesät ist in Schwachheit, es auferweckend in Kraft, und nachdem es als seelischer Leib gesät ist, es auferweckend als geistigen Leib“1378 -, wir bewahren die Lehre der Kirche Christi und die Größe der göttlichen Verheißung, indem wir auch die Möglichkeit der Sache nicht mit bloßer Behauptung, sondern mit Vernunftgründen beweisen. Denn wir wissen, wenn auch „Himmel und Erde“ mit allem, was darin ist, „vergehen“, so werden doch seine „Worte“, was immer sie betreffen mögen, als Äußerungen „des Wortes“, das „im Anfang bei Gott und Gott“ war1379 , keineswegs „vergehen“; denn sie verhalten sich zu ihm wie die Teile zum Ganzen oder wie die Arten zur Gattung. Er hat aber gesagt: „Der Himmel und die Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“1380 ; und wir wollen ihm unseren Glauben nicht versagen.
23.
Wir lehren also nicht, dass „der zerstörte Leib zu seiner ursprünglichen Beschaffenheit zurückkehre“, so wenig als wir behaupten, dass „das zerstörte Weizenkorn“ wieder „Weizenkorn“ werde1381 . Denn wir behaupten, dass wie aus „dem Weizenkorn“ ein Schößling ersteht, so in den Leib eine gewisse geistige Kraft gelegt ist, die nicht der Vernichtung anheimfällt, und von der aus der Leib „in Unvergänglichkeit aufersteht“1382 . Die Anhänger der stoischen Schule freilich meinen in Übereinstimmung mit ihrer Lehre von den nach Perioden unveränderlich wiederkehrenden Dingen, dass „der völlig zerstörte Leib zu seiner ursprünglichen Beschaffenheit zurückkehre“, und behaupten auch, dass „eben jener erste Zustand, aus dem er gelöst wurde“, sich wiederum bilden werde, und glauben dies mit zwingenden Gründen ihrer Dialektik beweisen zu können. Wir aber ziehen uns nicht „zu einer ganz abgeschmackten Ausflucht“ zurück mit der Behauptung, „dass für Gott alles möglich wäre“1383 , denn wir wissen, dass sich der Begriff „alles“ nicht auf Dinge bezieht, die nicht vorhanden oder undenkbar sind. Wir behaupten aber ebenfalls, dass „Gott Häßliches gar nicht zu tun vermag“, da Gott sonst in der Lage wäre, nicht „Gott“ zu sein. Denn „wenn Gott etwas Häßliches tut, so ist er nicht Gott“1384 .
Wenn aber Celsus bemerkt, dass „Gott das Naturwidrige nicht tun wolle“, so müssen wir bei dem Satz einen Unterschied machen. Versteht man unter „dem Naturwidrigen“, die Sündhaftigkeit, so lehren auch wir, dass Gott „das Naturwidrige nicht wolle“, weder das, was aus der Sünde stammt, noch das, was der Vernunft zuwider ist; versteht man aber darunter das, was nach dem Ratschluß und Willen Gottes geschieht, so haben wir sofort anzunehmen, dass es der natürlichen Ordnung nicht widerspreche; denn das, was Gott tut, ist nicht „gegen die Natur“, wenn es auch sonderbar ist oder manchem sonderbar vorkommen mag. Wird man aber gezwungen, diesen Ausdruck zu gebrauchen, dann sagen wir: Im Vergleich zu dem, was man gewöhnlich unter „Natur“ versteht, gibt es Dinge, die über die Natur hinausgehen, die aber Gott zuweilen vollbringt, wenn er den Menschen über die menschliche Natur erhebt und zu einer besseren und göttlicheren Natur umwandelt und so lange auf dieser Höhe erhält, als der Gegenstand dieser besonderen Fürsorge durch sein Handeln beweist, dass er es will.
24.
Wir haben bereits gesagt, dass Gott nichts wolle, was sich für ihn nicht geziemt, weil dies sein Gottsein aufheben würde; wir wollen auch betonen, dass, wenn irgendein Mensch „in seiner Verworfenheit etwas Abscheuliches will“, „Gott dies nicht wird1385 können“. Wir bekämpfen die Behauptungen des Celsus nicht aus Streitsucht; wir prüfen sie vielmehr aus Liebe zur Wahrheit und wollen ihm darin beistimmen, dass „Gott nicht [Urheber] der lasterhaften Begierde, auch nicht der irreführenden Unsittlichkeit, sondern Urheber der wahren und gerechten Natur“, als der Urgrund alles sittlich Guten, ist. Auch in einem andern Punkte stimmen wir unserm Gegner bei, dass Gott „ein ewiges Leben der Seele gewähren kann“, und nicht nur „kann“, sondern auch tatsächlich gewährt. Wegen unserer obigen Ausführungen aber beunruhigt uns das von Celsus angeführte Wort des Heraklit durchaus nicht, dass „Leichname eher wegzuwerfen seien als Mist“. Indessen könnte man hierüber bemerken, „der Mist“ verdiene allerdings nicht mehr, als dass er „hinausgeworfen werde“; der menschliche Leichnam aber verdiene das nicht, da ihn eine Seele bewohnt habe, besonders dann nicht, wenn diese feiner gebildet gewesen sei. Denn die Gesetze einer höheren Kulturstufe verlangen, dass die Leichen mit all den Ehren, die bei solchen Gelegenheiten üblich sind, bestattet werden, damit wir nicht der Seele nach unserem Vermögen einen Schimpf zufügen, wenn wir den von ihr bewohnten menschlichen Leib, nachdem sie ihn verlassen hat, ebenso wegwerfend behandeln, wie die Leichen der Tiere. Ausgeschlossen also soll es sein, dass „Gott wider die Vernunft“ ein „Weizenkorn“ oder „das, was in Vergänglichkeit gesät wird“ als „ewig darstellen wolle“; anders aber verhält es sich wohl mit dem Schößling, der aus dem Weizenkorn hervorgeht, und anders mit „dem in Unvergänglichkeit Auferweckten“1386 . Nach Celsus ist „Gott selbst die Vernunft alles Seienden“, nach uns aber ist es der Sohn Gottes; unsere Philosophie läßt uns von ihm sagen: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“1387 . Übrigens lehren auch wir wie Celsus, dass „Gott nichts tun kann, was der Vernunft oder seinem eigenen Wesen widerspricht“.
25.
Doch wir wollen auch die folgenden Worte des Celsus betrachten, die so lauten: “Die Juden nun, die ein besonderes Volk geworden sind und sich nach der Landessitte Gesetze gegeben haben und diese bei sich auch jetzt noch bewahren und einen Gottesdienst haben, der, wie er sonst auch immer beschaffen sein mag, doch von den Vätern ererbt ist, handeln ähnlich wie die andern Menschen; denn ein jedes Volk hält die von den Vorfahren überkommenen Gebräuche, von welcher Art sie auch sein mögen, in Ehren. Ein solches Verhalten scheint auch von Nutzen zu sein, nicht nur insofern, als die einen diese, die andern jene Bestimmungen zu treffen für gut fanden und man an den für die Gesamtheit gültigen Beschlüssen festhalten muß, sondern auch deshalb, weil es wahrscheinlich ist, dass die Teile der Erde von Anfang an teils diesen, teils jenen zur Aufsicht zugewiesen und in bestimmte Herrschergebiete geschieden sind und so auch verwaltet werden. Und so dürfte sich wohl das staatliche Leben bei den einzelnen Völkern richtig vollziehen, wenn es so geschieht, wie es jenen Herrschern lieb ist. Nicht gottgefällig aber scheint es zu sein, die Gebräuche abzuschaffen, die an den verschiedenen Orten von Anfang an eingeführt worden sind.” Celsus gibt mit diesen Worten zu verstehen, die Juden seien in alten Zeiten Ägyptier gewesen, seien aber später “ein besonderes Volk geworden und hätten sich Gesetze gegeben, die sie sorgfältig bewahren”. Und um nicht1388 die angeführten Worte des Celsus zu wiederholen, so behauptet er, dass es den Juden auch “von Nutzen sei, die ererbten Gebräuche zu pflegen”, ebenso wie “den andern Völkern, die das Eigene in Ehren hielten”. Und dafür, dass es den Juden “von Nutzen sei, die ererbten Gebräuche in Ehren zu halten”, führt er eine bestimmte tiefere Ursache an, indem er dunkel andeutet, dass von denjenigen, welche “die Aufsicht” über “das Land” der einzelnen Völker erhalten hätten, “die Gesetze” für diese im Zusammenwirken mit den Gesetzgebern “aufgestellt worden seien”. Er scheint damit anzudeuten, dass auch das Volk und Land der Juden unter der Aufsicht eines oder mehrerer1389 stehe, durch dessen oder durch deren Zusammenwirken mit Moses die Gesetze der Juden gegeben worden seien".
26.
“Man muß”, sagt Celsus, “die Gesetze halten " nicht nur insofern, als die einen diese, die andern jene Bestimmungen zu treffen für gut fanden, und weil man an den für die Gesamtheit gültigen Beschlüssen festhalten muß, sondern auch deshalb, weil es wahrscheinlich ist, dass die Teile der Erde von Anfang an teils diesen, teils jenen zur Aufsicht zugewiesen und in bestimmte Herrschergebiete geschieden sind und so auch verwaltet werden." Dann schließt Celsus, als ob er seine gegen die Juden ausgesprochenen Anklagen vergessen hätte, in das gemeinsame Lob aller derer, die an den ererbten Gebräuchen festhalten, auch jene mit ein, wenn er sagt: " Und so dürfte sich wohl das staatliche Leben bei den einzelnen Völkern richtig vollziehen, wenn es so geschieht, wie es jenen Herrschern lieb ist." Man urteile, ob er hier nicht für seine Person ganz offen den Wunsch ausspricht, die Juden möchten nach ihren eigenen Gesetzen leben und sollten nicht davon abfallen, da sie nicht fromm handeln würden, wenn sie es täten. Er sagt nämlich,”es sei nicht gottgefällig, die an den verschiedenen Orten von Anfang an eingeführten Gebräuche abzuschaffen".
Ich möchte mit Bezug darauf an ihn oder an diejenigen, welche seine Ansicht teilen, die Frage richten, wer denn jener wäre, der “die Teile der Erde von Anfang an teils diesen, teils jenen zur Aufsicht zugewiesen”, offenbar also auch das Land der Juden und die Juden selbst einem oder mehreren zur Verwaltung übergeben hat. Ist es denn etwa Zeus, wie Celsus sich ausdrücken könnte, der einem oder einigen das Volk der Juden und ihr Land zur Aufsicht zugewiesen hat, und war es sein Wille, dass der, welcher Judäa erhalten hatte, solche Gesetze bei den Juden aufstellte, oder ist solches wider seinen Willen geschehen? Seine Antwort mag ausfallen, wie sie will, man sieht, dass er mit seiner Rede in die Enge getrieben werden wird. Ist es aber nicht ein bestimmtes einzelnes Wesen, das “die Teile der Erde ihren Aufsehern zugewiesen hat”, dann muß also ein jeder derselben, so wie es gerade der Zufall wollte, und ohne dass eine leitende Macht vorhanden war, sich seinen Bezirk selber zugeeignet haben. Aber auch diese Ansicht ist widersinnig und hebt den Glauben an die Vorsehung Gottes, dem alle Dinge unterworfen sind, so ziemlich auf.
27.
Wie aber, und “nach welchen Herrschergebieten geschieden, die Teile der Erde von ihren Aufsehern verwaltet werden”, mag erklären, wer Lust dazu hat, und mag uns auch darüber belehren, wie es kommt, dass sich “das staatliche Leben bei den einzelnen Völkern richtig vollzieht, wenn es so geschieht, wie es den Aufsehern lieb ist”. Er möge uns zum Beispiel sagen, ob die Gesetze der Skythen gut sind, welche die Ermordung der Väter gestatten, oder die der Perser, welche die Ehe zwischen Sohn und Mutter und zwischen Vater und Tochter nicht untersagen! Doch wozu soll ich aus den Schriften jener Männer, die sich mit den bei den verschiedenen Völkern geltenden Gesetzen beschäftigt haben, eine Auswahl treffen und die zweifelnde Frage stellen, ob es “recht ist, die Gesetze bei den einzelnen Völkern so durchzuführen, wie es den Aufsehern lieb ist”? Celsus mag uns angeben, warum es “nicht gottgefällig” sein soll, “überkommene Gesetze abzuschaffen”, welche die Ehe mit Mutter oder Tochter gestatten oder den glücklich preisen, der seinem Leben mit dem Strang ein Ende macht, oder versichern, dass diejenigen vollkommene Reinigung fänden, die sich selbst dem Feuer preisgeben und in den Flammen ihr Leben aushauchen würden.
Und sollte es “nicht gottgefällig” sein, z.B. die bei den Taurern geltenden Gesetze zu beseitigen, welche gebieten, dass man die Fremden der Artemis als Opfer darbringe, oder diejenigen Gesetze, welche sich bei einigen Stämmen Libyens finden, wonach dem Kronos die Kinder geopfert werden müssen? Aus den Worten des Celsus ergibt sich übrigens die Folgerung, es sei “nicht gottgefällig”, wenn “die Juden die von den Vätern ererbten Gesetze abschaffen würden”, die einen andern Gott außer dem Schöpfer des Weltalls zu verehren untersagen. Auch wird man nach Celsus schließen müssen, dass “die Frömmigkeit” nicht von Natur, sondern nach bestimmter Festsetzung und Annahme eine göttliche Tugend sei. Denn bei dem einen Volk ist es “gottgefällig”, eine Krokodil zu verehren" und von dem zu essen, was von andern Völkern angebetet wird; für ein anderes Volk ist es “gottgefällig”, das Kalb “zu verehren”, und für ein drittes, den Bock für einen Gott zu halten. So würde sich ebendieselbe Person bei dem gleichen Tun nach diesen Gesetzen “gottgefällig”, nach andern Gesetzen aber gottlos erweisen; das wäre doch der aller größte Widersinn.
28.
Hierzu werden wahrscheinlich meine Gegner bemerken, der sei „gottgefällig“, der „die von den Vätern ererbten Gebräuche bewahre“, und keineswegs gottlos, wenn er auch die Gebräuche anderer nicht unbeachtet ließe. Andererseits sei der nicht gottlos, der bei diesen oder jenen Leuten für gottlos gelte, wenn er gemäß den vaterländischen Gebräuchen das Eigene verehre, dagegen das bekämpfe und verzehre, was sich bei einem Volk vorfände, das ganz andere Gesetze habe. Man sehe zu, ob dies nicht eine arge Verwirrung über die Begriffe Gerechtigkeit, Heiligkeit und Frömmigkeit darstellt. Denn die Frömmigkeit wäre gar nicht deutlich1390 abgetrennt und hätte keine eigene gewisse Art und würde auch die nicht als fromm kennzeichnen, die ihre Forderungen erfüllen. Wenn nun die Frömmigkeit und die Heiligkeit und die Gerechtigkeit zu den relativen Begriffen gehören sollen, so dass „heilig“ und „gottlos“ dasselbe wäre, je nachdem man diese oder jene Zustände und Gesetze zum Vergleich heranziehen würde, so erwäge man, ob nicht folgerichtig auch die Besonnenheit zu den relativen Begriffen gehören müßte und die Tapferkeit und die Einsicht und die Erkenntnis und die übrigen Tugenden. Das wäre aber doch das Widersinnigste, was es geben könnte.
Für diejenigen nun, die sich in einfacher Weise und nach gewöhnlichem Sprachgebrauche zu den angeführten Worten des Celsus stellen, wird das Gesagte genügen. Da wir aber glauben, dass auch solche Leute auf diese Schrift stoßen werden, die die Sache gründlicher prüfen können, so wollen wir es wagen, einige wenige tiefere Gedanken, die mit einer gewissen mystischen und geheimnisvollen Betrachtung verbunden sind, über die Worte des Celsus vorzubringen, „ dass von Anfang an“ die verschiedenen Orte auf Erden „teils diesen, teils jenen zur Aufsicht zugewiesen worden sind“. Wir wollen hierbei, so gut wir können, dartun, dass unsere Lehre von den Ungereimtheiten, die wir eben erwähnt haben, frei ist.
29.
Wie mir scheint, hat Celsus einige der tieferen Lehren von der Verteilung der irdischen Dinge mißverstanden, Lehren, an die wohl auch die griechische Geschichte anknüpft, wenn sie berichtet, dass einige der vermeintlichen Götter miteinander um den Besitz von Attika gestritten haben, und wenn sie bei den Dichtern einige der sogenannten Götter zugeben läßt, dass manche Orte ihnen lieber seien als andere. Auch die nichtgriechische Geschichte, besonders aber die ägyptische, enthält solche Andeutungen über die Verteilung der sogenannten Nomen1391 Ägyptens, indem sie sagt, dass dieselbe Athene, welcher Sais als Wohnort zugefallen sei, auch Attika bekommen habe. Die ägyptischen Gelehrte können unzählige solche Angaben machen, ob sie aber auch die Juden und deren Land in eine solche Verteilung miteinbegreifen, weiß ich nicht. Aber solcher ZeuGenisse, die sich außerhalb des göttlichen Wortes für den fraglichen Punkt finden, sind für jetzt genug angeführt.
Wir erwähnen jedoch, dass Moses, der nach unserer Überzeugung ein Prophet und ein treuer Diener Gottes gewesen ist, über die Teilung der irdischen Dinge im Deuteronomium, in seinem Liede, solche Andeutungen gibt. Er sagt: „Als der Höchste die Völker zerteilte, als er die Söhne Adams zerstreute, da setzte er die Grenzen der Völker nach der Zahl der Engel Gottes; und des Herrn Teil wurde sein Volk Jakob, und Israel das Ausmaß seines Erbes“1392 . Derselbe Moses gibt in seinem Buche, das den Titel „Genesis“ trägt, über die Teilung der Völker folgende geschichtliche Darstellung: „Und die ganze Erde hatte nur eine Sprache und nur eine Rede für alle. Und als sie vom Aufgange herzogen, fanden sie eine Ebene im Lande Sennaar und wohnten daselbst“1393 . Und bald darauf fährt er fort: „Der Herr stieg herab, um die Stadt und den Turm zu sehen, den die Söhne der Menschen gebaut hatten. Und der Herr sprach: Siehe, es ist ein Volk und eine Sprache aller; und dies haben sie begonnen zu tun, und nun wird ihnen der Erfolg nicht ausbleiben von allem, was sie sich vornehmen zu vollbringen. Wohlan, lasset uns herabsteigen und daselbst ihre Sprache verwirren, dass einer des andern Rede nicht versteht. Und der Herr zerstreute sie von da über die ganze Erde, und sie hörten auf, die Stadt zu bauen und den Turm. Deshalb hieß ihr Name “Verwirrung„1394 , weil daselbst Gott der Herr die Sprachen der ganzen Erde verwirrte; und von da zerstreute sie Gott der Herr über die ganze Erde“.1395 . Und in dem Buche, das die Weisheit Salomos heißt und von der Weisheit und von der Verwirrung der Sprachen handelt, bei welcher die Teilung der Länder auf der Erde erfolgte, wird solches über die Weisheit gesagt: „Sie erkannte auch, als sich die Völker ohne Unterschied der Bosheit hingaben, den Gerechten und bewahrt ihn untadelig vor Gott und erhielt ihm die Stärke bei dem Mitleiden über sein Kind“1396
Wir könnten über diesen Gegenstand viele und tiefe Gedanken äußern, doch es paßt auf ihn das Wort:„Das Geheimnis eines Königs zu verbergen ist schön“1397 . Sonst würde vielleicht die Lehre von der Bindung der Seele an den Leib, die nicht eine Wanderung derselben von einem Leib in einen andern voraussetzt, den ersten besten Leuten zu Ohren kommen, und so würde „das Heilige den Hunden gegeben“, und „die Perlen würden den Schweinen vorgeworfen werden“1398 . Ein solches Handeln wäre gottlos und würde Verrat an den geheimnisvollen Aussprüchen der göttlichen Weisheit in sich schließen, von der so schön geschrieben steht: „In eine Böses ersinnende Seele wird die Weisheit nicht eingehen, noch wird sie Wohnung nehmen in einem Leibe, der der Sünde verfallen ist“1399 . Es genügt aber, das mit verborgenem Sinn in der Form einer Erzählung Gesagte nach Art der Geschichte darzustellen, damit die Befähigten den Sinn der Stelle für sich selbst mit herausarbeiten können.
30.
Man denke also, dass alle Völker auf Erden sich einer bestimmten göttlichen Sprache bedienen und, soweit sie einig und gleichgesinnt bleiben, den Gebrauch dieser göttlichen Sprache behalten, und dass sie sich so lange nicht „von den Ländern des Aufgangs“1400 entfernen, als sie Gedanken des Lichts und „des Abglanzes vom ewigen Lichte“1401 haben. Sobald sie sich aber „von den Ländern des Aufgangs“1402 entfernen, da sie an Dinge denken, die „dem Aufgang“ fremd sind, so sollen sie „eine Ebene im Lande Sennaar finden“ - was als „Ausbrechen der Zähne“ erklärt wird, um anzudeuten, dass sie das, wodurch sie sich ernähren, einbüßen - und sollen dort wohnen. Als sie dann irdische Dinge zusammentragen und das, was seiner Natur nach mit dem Himmel nicht vereinbar ist, mit ihm vereinen wollen, um durch das Irdische das Nichtirdische anzugreifen, da mögen sie sagen: „Kommet, lasset uns Ziegel machen und sie im Feuer brennen!“1403
Wie sie nun diese Masse von Lehm und irdischen Dingen fest und hart machen und den Ziegel zum Stein und den Lehm zum Mörtel gestalten und damit „eine Stadt und einen Turm“ erbauen wollen, „dessen Haupt“ - wenigstens nach ihrer Ansicht - „bis zum Himmel reichen sollte“1404 , entsprechend „dem Hochmut, der sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt“1405 , da mögen sie, ein jeder nach dem Verhältnis seiner Entfernung „vom Aufgang“1406 , die für sie größer oder geringer geworden ist, und je nachdem sie mehr oder weniger Ziegel in Steine, und Lehm in Mörtel verwandelt und aus diesen den Bau hergestellt haben - da mögen sie Engeln übergeben werden, die mehr oder weniger streng und so oder so beschaffen sind, bis sie für ihre Freveltaten Strafe gebüßt haben. Und von den Engeln, die ihnen ihre Landessprache gaben, sollen die alle nach ihrem Verdienste zu den1407 Teilen der Erde geführt werden, die einen z.B. zu dem Lande, wo die Sonne drückend heiß scheint, andere aber zu dem Lande, das seine Bewohner durch Frieren straft, die einen zu dem Lande, das schwer zu bebauen ist, andere aber in eines, wo diese Arbeit weniger schwierig ist, und diese in ein Land, das voll ist von wilden Tieren, und jene in ein solches, das deren weniger hat. -
31.
Wenn dann jemand bei der Form des geschichtlichen Berichts, der auch an sich etwas Wahres enthält, zugleich aber noch etwas Geheimnisvolles aufweist, dazu imstande ist, der möge auch die Leute betrachten, die ihre ursprüngliche Sprache bewahrt haben, wie sie nämlich deshalb, weil sie sich nicht „vom Aufgang“ entfernten, im Aufgang und in der Sprache des Aufgangs verharren; er mag bedenken, dass diese allein geworden sind „der Teil des Herrn“ und „sein Volk, Jakob“ genannt, und dass auch „Israel das Ausmaß seines Erbes“ geworden ist1408 . Und diese allein sollten unter der Leitung eines Herrschers stehen, der seine Untergebenen nicht wie die andern Herrscher dazu bekommen hatte, dass er sie bestrafe. Man bemerke dann, soweit dies menschlicher Einsicht möglich ist, dass in der staatlichen Gemeinschaft dieses Volkes, das von dem Herrn zu seinem besonderen „Teil“ ausersehen war, Sünden begangen werden, zuerst solche, die erträglich und von der Art sind, dass die Sünder nicht gänzlich verlassen zu werden verdienen, später aber zahlreichere, jedoch immer noch erträgliche. Man bedenke, dass dieser Stand der Dinge längere Zeit fortdauert, und dass immer Heilmittel angewendet werden, und dass die Menschen von Zeit zu Zeit sich wieder bessern; man beachte, wie sie nach dem Verhältnis ihrer Sünden den Herren anderer Länder überlassen werden und anfangs eine gelindere Strafe erhalten und nach Abbüßung der Strafe gleichsam erzogen in ihre eigenen Wohnsitze wieder zurückkehren dürfen; man bemerke, dass sie später strengeren Herren, wie es die Schriften nennen könnten, übergeben werden, nämlich Assyriern und dann Babyloniern. Ferner wolle man beachten, dass sie trotz der angewandten Heilmittel nichtsdestoweniger das Maß ihrer Schuld vergrößern und deshalb von den Herrschern der übrigen Völker auseinandergerissen und in andere Länder verpflanzt werden.
Ihr eigener Schutzherr aber mag geflissentlich übersehen, wie sie von den Schutzherren der andern Völker unterdrückt werden, damit auch er mit gutem Grunde, gleichsam sich rächend, Vollmacht erhalte, von den übrigen Völkern abzutrennen, wen er könne, und dies auch ausführe und ihnen Gesetze gebe und den Lebenswandel, den sie führen müssen, anzeige, um sie dann zur Vollendung emporzuführen, der er von seinem früheren Volke diejenigen zuführe, welche nicht gesündigt hatten.
32.
Diejenigen Personen, welche die Fähigkeit haben, solche große Dinge zu erkennen, mögen hieraus lernen, dass viel mächtiger als die übrigen Herrscher der ist, dem jene anvertraut worden sind, die früher nicht gesündigt haben. Denn er kann Auserwählte von „dem Anteil“ aller nehmen und sie denen, die sie zur Bestrafung erhalten hatten, abtrünnig machen und zu Gesetzen und zu einer Lebensweise anleiten, die dazu beiträgt, ihre früher begangenen Sünden in Vergessenheit zu bringen. Aber dies soll von uns, wie wir oben bemerkt haben, mit verborgenem Sinne gesagt sein. Wir wollen nämlich die falsche Auffassung derjenigen darlegen, die gesagt haben, „dass die Teile der Erde von Anfang an teils diesen, teils jenen zur Aufsicht zugewiesen und in bestimmte Herrschergebiete geschieden sind, und so auch verwaltet werden“, Leute, von denen auch Celsus die angeführten Äußerungen entlehnt hat.
Da aber diejenigen, welche sich „vom Aufgang“1409 entfernt hatten, ihrer Sünden wegen „in verwerflichen Sinn“ und „in entehrende Leidenschaften“ und „in den Gelüsten ihrer Herzen zur Unreinigkeit“ dahingegeben wurden1410 , damit sie, ihrer Sünde satt geworden, sie verabscheuten, so können wir uns der Meinung des Celsus nicht anschließen, wenn er sagt, dass „wegen der den Teilen der Erde zugewiesenen Aufseher sich das staatliche Leben bei den einzelnen Völkern richtig vollzöge“ und wir wollen auch nicht, „wie es jenen lieb ist“, deren Anordnungen befolgen. Wir sehen nämlich, dass es „gottgefällig“ ist, „die an den verschiedenen Orten von Anfang an eingeführten Gebräuche“ gegen bessere und göttlichere Gesetze zu vertauschen, die Jesus, mit höherer Macht ausgerüstet, gegeben hat, indem er uns „von dieser gegenwärtigen bösen Welt“1411 und „von den Herrschern dieser Welt, die zunichte werden“1412 , befreite. Andererseits sehen wir, dass es gottlos ist, sich nicht dem hinzugeben, der im Vergleich mit allen Herrschern als reiner und mächtiger erschienen und bezeugt ist; denn Gott hat, wie die Propheten vor vielen Menschenaltern verkündigt hatten, so zu ihm gesprochen: „Fordere von mir, so will ich dir Völker zu deinem Erbe geben und zu deinem Besitz die Enden der Erde“1413 . Er ist in der Tat unsere „Erwartung“ geworden1414 , die wir aus dem Heidentum zum Glauben an ihn und an seinen Vater kamen, dem alles unterworfen ist.
33.
Diese Bemerkungen sind nicht nur eine Erwiderung auf die angeführten Worte des Celsus von „den Aufsehern“, sondern in gewisser Hinsicht auch die vorausgenommene Antwort auf das, was er weiter unten gegen uns vorbringt, wo er sagt: „ Es trete aber der zweite1415 auf. Ich will sie fragen, woher sie kommen, oder wen sie als Urheber ihrer väterlichen Gesetze betrachten. Sie werden keinen anzugeben wissen, da sie ebenfalls von dort1416 ausgegangen sind und ihren Lehrmeister und Chorführer nicht anderswoher nehmen: und doch sind sie von den Juden abgefallen.“ „Wir kommen“ also „in den letzten Tagen“, nachdem unser Jesus sichtbar unter uns erschienen ist, „zu dem hellstrahlenden Berge des Herrn“1417 , zum Worte, das aber jedes Wort erhaben ist, und zum „Hause Gottes“, „welches da ist die Gemeinde des lebendigen Gottes, Säule und Pfeiler der Wahrheit“1418 . Und wir sehen, auf welche Weise dieses Haus „auf den Spitzen der Berge“1419 erbaut wird, nämlich auf allen den prophetischen Worten, die seine Grundlage sind1420 . Erhöht wird aber dieses „Haus über den Hügeln“1421 , d.h. über denjenigen, die bei den Menschen etwas besonderes in Weisheit und Wahrheit zu verkündigen scheinen. Und wir, „alle Völker“, kommen zu ihm, und wir, „die vielen Völker“, brechen1422 auf und ermahnen einander, die „in den letzten Tagen“1423 durch Jesus Christus herrlich offenbarte Gottesverehrung anzunehmen, und rufen uns gegenseitig zu: „Kommet, lasset uns hinaufsteigen zu dem Berge des Herrn und zu dem Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seinen Weg, und dass wir wandeln auf ihm“1424 . Denn von denen in „Sion“ ist „das Gesetz“ ausgegangen und hat als geistiges Gesetz bei uns seine Stätte erhalten. Aber auch „das Wort des Herrn“ ist von jenem „Jerusalem“ ausgegangen, damit es sich nach allen Seiten hin verbreite und „unter den Völkern“ eine Entscheidung treffe, indem es diejenigen auswählt, die offenbar für Belehrung empfänglich sind, das ungehorsame „Volk“ aber, das „zahlreich“ ist, straft1425 .
Auf „die Frage“ aber, „woher wir kommen, oder wen wir als Stifter haben“ geben wir zur Antwort: Wir sind gekommen nach den Weisungen Jesu, um die geistigen „Schwerter“, mit denen wir unsere Meinungen verfochten und unsere Gegner angriffen, zusammenzuschlagen „zu Pflugscharen“, und „die Speere“, deren wir uns früher im Kampfe bedienten, umzuwandeln zu „Sicheln“1426 . Denn wir ergreifen nicht mehr „das Schwert gegen ein Volk“, und wir lernen nicht mehr „die Kriegskunst“1427 , da wir Kinder des Friedens geworden sind durch Jesus, der unser „Führer“ ist1428 . Denn anstatt „der väterlichen Gesetze“, bei denen wir „fremd den Bündnissen waren“1429 , haben wir ein „Gesetz“ empfangen, wofür wir dem, der uns von dem Irrtum befreit hat, Dank sagen, indem wir sprechen: „Wie trügerisch sind die Götzenbilder, die unsere Väter erwarben; und keines ist unter ihnen, das regnen läßt“1430 . Unser „Chorführer und Lehrer“ ist also von den Juden ausgegangen, leitet aber mit dem Worte seiner Lehre den ganzen Erdkreis. Mit diesen Bemerkungen, die wir vorwegnehmen, haben wir, so gut wir konnten, schon das zurückgewiesen, was Celsus unten weitläufig wider uns vorbringt, indem wir dies mit seinen bereits angeführten Worten hier verknüpften.
34.
Damit wir aber die dazwischenliegenden Einwürfe des Celsus nicht übergehen, wollen wir auch diese Worte anführen. Er sagt: **" Wir könnten uns hierfür auch auf das Zeugnis des Herodot berufen, der sich so äußert: ‘Denn die Bürger der Städte Marea und Apis, die die Grenzgebiete Ägyptens nach Libyien zu bewohnen, glaubten, sie wären Libyer und keine Ägyptier, fanden den Opferdienst lästig und wollten am Genuß des Kuhfleisches nicht gehindert sein. Sie sandten daher zum Ammon und behaupteten, sie hätten mit den Ägyptiern nichts gemein; denn sie wohnten außerhalb des Deltas und seien im Glauben von jenen ganz verschieden und wollten, dass ihnen von allem zu essen erlaubt wäre. Aber der Gott gestattete ihnen dies nicht, indem er sprach: Das wäre Ägypten, was der Nil überschwemme und bewässere, und das wären Ägyptier, die, unterhalb der Stadt Elephantine wohnend, aus diesem Flusse tränken’. So lautet der Bericht des Herodot. Ammon aber ist keineswegs weniger tüchtig, von den göttlichen Dingen Kunde zu geben, als die Engel der Juden. Daher ist es recht und billig, wenn jedes Volk die bei ihm üblichen religiösen Gebräuche beobachtet. Allerdings werden sie hierin bei den Völkern die größten Unterschiede finden; und trotzdem hält ein jedes seine Art der Gottesverehrung für die bei weitem beste. Von den Äthiopen verehren diejenigen, welche Meroe bewohnen, nur den Zeus und den Dionysos, die Araber nur die Urania und den Dionysos, alle Ägyptier den Osiris und die Isis, die Bewohner von Sais aber die Athene. Die Naukratiten fingen vor gar nicht langer Zeit an, den Sarapis anzurufen; auch die übrigen haben je nach den Gauen ihre besonderen Götter. Die einen enthalten sich der Schafe, da sie diese als heilig betrachten und verehren, andere der Ziegen, andere der Krokodile, andere der Kühe; von den Schweinen aber halten sie sich mit Abscheu fern. Den Skythen gilt es sogar als sittliche Pflicht, Menschen zu verzehren, und unter den Indern gibt es einige, die fromm zu handeln glauben, wenn sie ihre Väter verspeisen. Derselbe Herodot sagt irgendwo - damit man mir glaube, will ich seine eigenen Worte anführen -, er berichtet folgendermaßen: ’Wenn man allen Menschen freistellte, sie sollten sich aus den gesamten Gesetzen die besten aussuchen, so würden sie alle wohl nach genauer Untersuchung ein jeder seine eigenen wählen; so hält jeder einzelne seine Gesetze für die bei weitem besten von allen.
Es ist also unwahrscheinlich, dass ein anderer als ein rasender Mensch mit solchen Dingen seinen Scherz treiben würde. Dass aber die Gesamtheit der Menschen diese Ansicht über die Gesetze teilt, das kann man aus vielen andern Beweisen und auch hieraus schließen. Als Darius König war, berief er die Griechen, die bei ihm waren, und fragte sie, um welchen Preis sie ihre gestorbenen Väter verspeisen wollten. Die aber sagten, das würden sie um keinen Preis tun. Hierauf berief Darius die Kalatier, ein indisches Volk, die ihre eigenen Eltern verzehren, und fragte sie in Gegenwart der Griechen, denen ein Dolmetscher das Gesprochene erklärte, um welchen Preis sie sich wohl dazu verstehen würden, die Leichen ihrer Väter mit Feuer zu verbrennen. Die aber schrieen laut auf und sagten, er solle nicht so gottlos reden. So gelten nun diese Bräuche, und Pindar scheint mir Recht zu haben, wenn er sagt, dass das Gesetz als König über alle herrsche’ "
35.
Nach diesen Worten scheint dem Celsus die Sache darauf hinauszukommen, dass „alle Menschen nach den Sitten und Gebräuchen ihres Landes leben müßten und deshalb nicht getadelt werden dürften. Die Christen aber, die ihre vaterländischen Bräuche aufgegeben hätten und kein besonderes Volk bildeten wie die Juden, seien tadelnswert, da sie der Lehre Jesu zustimmten“. Celsus mag uns nun sagen, ob die Philosophen, die sich durch ihren Unterricht vom Aberglauben freigemacht haben, darin recht handeln, dass sie „ihre ererbten Bräuche aufgeben“, und Speisen essen, die in ihrem Vaterlande verboten sind, oder ob sie hierin unrecht handeln. Denn wenn sie auf Grund ihrer Philosophie und ihrer gegen den Aberglauben gerichteten Lehren die Gebräuche der Väter nicht beobachten und Speisen essen zu dürfen glauben, die von alters her in ihrem Lande verboten sind: warum sollten dann die Christen, denen die Vernunft gebietet, sich nicht um die Götterbilder und Göttersitze oder auch um die Geschöpfe Gottes emsig zu bemühen, sondern sich über diese Dinge zu erheben und ihre Seele dem Schöpfer zu weihen, - warum sollten sie unrecht handeln, wenn sie es ebenso machen wie die Philosophen? Wenn aber Celsus oder seine Gesinnungsgenossen, um an der aufgestellten Ansicht festzuhalten, behaupten wollten, auch ein Philosoph werde die altherkömmlichen Gebräuche beobachten, dann würden zum Beispiel die ägyptischen Philosophen sehr lächerlich handeln müssen; denn sie wären verpflichtet, keine Zwiebel zu essen, um die Gebräuche ihres Landes zu beobachten, und gewisse Teile des1431 Körpers, wie den Kopf und die Schulter, nicht zu genießen, um die von den Vätern überkommenen Gesetze nicht zu verletzen.
Von jenen Ägyptiern aber, die vor den Possen, die der Leib bei Blähungen treibt, heilige Scheu empfinden, will ich gar nicht reden. Wenn einer von solchen Leuten sich mit Philosophie befaßte, und die Gebräuche seines Landes beobachtete, der wäre ein lächerlicher Philosoph und sein Verhalten eines Philosophen nicht würdig. So würde also auch derjenige, der sich durch die christliche Lehre zur Verehrung des allmächtigen Gottes bestimmen ließe und doch aus Rücksicht auf die vaterländischen Gebräuche im Irdischen, bei den Götterbildern und den von Menschenhand errichteten Göttersitzen, haften bliebe und seine Seele nicht zum Schöpfer erheben wollte, jenen gleichen, die zwar die Lehren der Philosophie kennengelernt haben, aber sich trotzdem noch vor Dingen fürchten, die nicht fürchterlich sind, und das Verzehren solcher Dinge für eine Gottlosigkeit halten.
36.
Was für ein Wesen ist nun aber dieser „Ammon“ des Herodot, dessen Worte Celsus zum Beweise dfür angeführt hat, dass ein jeder die Gebräuche seines Landes beobachten müsse? Denn denjenigen von „den Bürgern der Städte Marea und Apis, welche die Grenzgebiete nach Libyen zu bewohnen“, gestattet ihr Ammon nicht, den Genuß von Kuhfleisch als etwas Gleichgültiges anzusehen; und dies ist doch eine Sache, die nicht nur an sich weder gut noch böse ist, sondern auch keinen daran hindert, gut und tugendhaft zu sein. Und wenn ihnen ihr Ammon den Genuß von Kuhfleisch deshalb untersagte, weil dieses Tier für den Landbau nützlich ist, und außerdem deshalb, weil vorzugsweise durch die weiblichen Tiere die Zahl der Rinder wächst, so würde das Verbot vielleicht Berechtigung haben. So aber will er einfach, dass sie die Gesetze der Ägyptier über die Kühe beobachten müßten, da sie „aus dem Nil tränken“. Und hierbei verhöhnt Celsus die Engel„, die nach der Lehre der Juden die Aufträge Gottes vermitteln, und behauptet, “Ammon sei nicht weniger tüchtig, von den göttlichen Dingen Kunde zu geben, als die Engel der Juden„. Welchen Sinn aber ihre Worte, und welchen Zweck ihre Erscheinungen haben, das hat er nicht untersucht. Er hätte sonst gefunden, dass “Gott sich da nicht um die Rinder kümmert”, wo er auch über Rinder oder [andere] unvernünftige Tiere Gesetze zu geben scheint, sondern dass dies vielmehr um der Menschen willen geschrieben ist und für sie unter dem Sinnbild unvernünftiger Tiere eine gewisse natürliche Wahrheit enthält.
Celsus behauptet ferner,„keiner begehe ein Unrecht, wenn er die religiösen Gebräuche seines Volkes beobachten wolle“. Hieraus folgt, dass nach ihm die Skythen nichts Unrechtes tun, wenn sie ihren Landessitten gemäß „Menschen verzehren“. Und wenn „die von den Indern, die ihre Väter verspeisen, fromm zu handeln“ oder wenigstens nichts „Unrechtes zu tun glauben, so ist auch Celsus dieser Ansicht. Er fügt jedenfalls eine Stelle des Herodot an, die darin mit ihm übereinstimmt, dass jeder recht daran tue, wenn er die Gebräuche seines Landes beobachte; und er scheint es zu billigen, dass zur Zeit des Darius “die Kalatier, ein indisches Volk, ihre eigenen Eltern verzehren„: als nämlich Darius sie befragte, “um welchen Preis sie wohl diese Sitte ablegen wollten, da schrieen sie laut auf und sagten, er solle nicht so gottlos reden”.
37.
Da es nun im allgemeinen zwei Gesetze1432 gibt, von denen das eine das Naturgesetz ist, das wohl von Gott herrührt, das andere aber das in den Staaten geltende geschriebene Gesetz, so ist es richtig, wo das geschriebene Gesetz mit dem Gesetze Gottes übereinstimmt, die Bürger nicht mit neuen Gesetzen zu beunruhigen. Wenn aber das Naturgesetz, das ist das Gesetz Gottes, etwas ganz anderes anordnet als das geschriebene Gesetz, so entsteht die Frage, ob es nicht eine Forderung der Vernunft sei, den geschriebenen Satzungen und dem Willen jener Gesetzgeber durchaus den Abschied zu geben und dagegen Gott als Gesetzgeber anzuerkennen und sein Wort zur Richtschnur des Lebens zu wählen, wenn man dies auch unter Gefahren und Schande tun muß. Denn wenn das, was dem Willen Gottes gemäß ist, von dem verschieden ist, was einige Staatsgesetze verlangen, und wenn es unmöglich ist, zugleich Gott und denen zu gefallen, die solche Gesetze ehren, so wäre es unvernünftig, Handlungen gering zu schätzen, durch welche man dem Schöpfer aller Dinge wohlgefällig werden kann, und dagegen jene zu wählen, durch die man bei Gott Mißbilligung finden, aber den Gesetzen, die keine Gesetze sind, genügen und ihren Freunden gefallen wird.
Wenn es aber in anderen Dingen wohlbegründet ist, das Naturgesetz, welches das Gesetz Gottes ist, höher zu stellen als das geschriebene, welches die Menschen im Gegensatz zu dem Gesetze Gottes gegeben haben, warum sollte man dies nicht noch mehr bei den Gesetzen, die Gott selbst betreffen, tun? Wir werden also nicht wie „die Äthiopen, die das Gebiet um Meroe bewohnen“, „nur den Zeus und Dionysos“, wie das ihnen gefällt, anbeten, aber auch überhaupt nicht äthiopische Götter nach äthiopischem Brauche verehren, auch nicht „wie die Araber nur die Urania und den Dionysos“ für Götter halten; wir werden überhaupt solche Wesen nicht als Gottheiten anerkennen, bei welchen das weibliche und das männliche Geschlecht angenommen wird - wie ja die Araber die Urania als eine weibliche und den Dionysos als eine männliche Gottheit anbeten -; wir werden auch nicht mit „allen Ägyptiern“ „den Osiris und die Isis“ für Götter annehmen und auch nicht mit diesen nach dem [Urteil] der Einwohner von Sais „die Athene“ zusammenstellen. Und wenn die alten Naukratiten es für gut fanden, andere Götter zu verehren, und wenn es ihren Nachkommen in jüngster Zeit einfiel, den Sarapis anzubeten, der vorher niemals ein Gott gewesen war, so werden wir uns dadurch nicht veranlaßt sehen, den, der früher kein Gott und als solcher auch den Menschen nicht bekannt war, als neuen Gott anzuerkennen. Wenn aber der Sohn Gottes, „der Erstgeborene aller Schöpfung“1433 , erst vor kurzer Zeit, wie wir glauben, Mensch geworden ist, so ist er doch deshalb durchaus nicht „neu“. Denn die heiligen Schriften kennen ihn als das älteste aller geschaffenen Wesen und wissen, dass zu ihm Gott, als er den Menschen schaffen wollte, die Worte gesprochen hat: „Lasset uns einen Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis“1434 .
38.
Ich will aber darlegen, wie Celsus ohne triftigen Grund behauptet, „jeder habe die in seiner Familie und in seinem Vaterland üblichen Gebräuche zu beobachten“. Er sagt nämlich, „die Äthiopen, welche Meroe bewohnen, wüßten nur von zwei Göttern, von Zeus und Dionysos, und verehrten diese allein; die Araber verehrten gleichfalls nur zwei, den Dionysos wie die Äthiopen, die Urania aber besonders“. Nach seiner Angabe verehren also weder die Äthiopen die Urania, noch die Araber den Zeus. Wenn nun ein Äthiope, der durch irgendeinen Zufall zu den Arabern gekommen ist, für gottlos gehalten würde, weil er die Urania nicht verehrt, und demzufolge in Todesgefahr käme, wird es da Pflicht des Äthiopen sein, die Todesstrafe zu erleiden, oder wider die vaterländischen Gebräuche zu handeln und die Urania anzubeten? Denn wenn es seine Pflicht sein wird, wider die vaterländischen Gebräuche zu handeln, wo wird er, soweit es auf die Worte des Celsus ankommt, die Frömmigkeit verletzen, wenn er sich aber zum Tode führen läßt, so möge Celsus dartun, dass die Wahl des Todes wohlbegründet sei. Vielleicht haben die Äthiopen eine Philosophie, welche sie anleitet, über die Unsterblichkeit der Seele nachzudenken und über die Ehre, die sie für ihre Frömmigkeit zu erwarten haben, wenn sie die vermeintlichen Götter nach den Gebräuchen ihres Landes verehren. Das gleiche kann man auch über die Araber sagen, die durch irgendeinen Zufall bei den Äthiopen um Meroe haben Wohnung nehmen müssen. Denn da sie belehrt sind, nur die Urania und den Dionysos zu verehren, so werden sie sich weigern, mit den Äthiopen auch den Zeus anzubeten; und wenn sie deshalb für gottlos gehalten und zum Tode geführt werden sollten, so mag uns Celsus sagen, was sie dann wohl vernünftigerweise tun würden.
Was aber die Sagen betrifft, die von Osiris und Isis erzählt werden, so halten wir es für überflüssig und unpassend, sie hier mitzuteilen. Werden aber diese Sagen sinnbildlich verstanden, so wollen sie uns lehren, dem leblosen Wasser und der Erde, die von den auf ihr lebenden Menschen und Tieren mit Füßen getreten wird, Verehrung zu erweisen. Denn so, glaube ich, fassen sie beide auf, den Osiris als Wasser und die Isis als Erde. Über den Sarapis aber gibt es eine reiche und sich widersprechende Überlieferung. Es ist noch gar nicht lange her, dass er infolge gewisser Zauberkünste des Ptolomaios in Erscheinung getreten ist, der an ihm den Einwohnern von Alexandria gleichsam einen leibhaftigen Gott zeigen wollte. Bei dem Pythagoreer Numenios haben wir über seine Beschaffenheit gelesen, dass er etwas von dem Wesen aller der Tiere und Pflanzen an sich habe, die von der Natur versorgt werden. Daher hat es den Anschein, dass er nicht nur von bildenden Künstlern in Verbindung mit den wirkungslosen Weihen und den zur Dämonenbeschwörung dienenden Zaubereien zum Gott gemacht wird, sondern auch von Gauklern und Giftmischern und den durch ihre Zaubersprüche angelockten Dämonen.
39.
Man muß nun untersuchen, was das vernünftige und gesittete Geschöpf, das nichts ohne vernünftige Überlegung ausführt, füglich essen oder nicht essen darf, und man soll nicht aufs Geratewohl „Schafe oder Ziegen oder Kühe verehren“. Von diesen sich zu enthalten, ginge noch an, da die Menschen von diesen Tieren großen Nutzen ziehen, aber auch die Krokodile zu schonen und [zu glauben], sie seien irgendeiner fabelhaften Gottheit heilig, wäre wohl das Albernste von der Welt. Denn nur ganz verrückte Leute können Tiere verschonen, die1435 nicht verschonen, und ein Tier in Ehren halten, das Menschen auffrißt. Doch Celsus findet Gefallen an Leuten, die nach gewissen „ererbten Gebräuchen Krokodile verehren und sorgsam pflegen“, und kein Wort hat er wider sie geschrieben; die Christen dagegen verdienen in seinen Augen Tadel, weil sie sich belehren lassen, die Schlechtigkeit zu verabscheuen und die aus ihr entspringenden Werke zu vermeiden, dagegen die Tugend zu ehren und hochzuhalten, da sie durch Gott geworden und Gottes Sohn ist. Man darf nämlich nicht glauben, die Weisheit und die Gerechtigkeit seien weibliche Wesen, weil ihre Namen1436 weiblichen Geschlechtes sind; denn die Weisheit und Gerechtigkeit ist ja nach unserer Auffassung der Sohn Gottes, wie sein wahrer Jünger dargelegt hat, wenn er von ihm sagt: „Der für uns Weisheit von Gott geworden ist und Gerechtigkeit und Heiligung und Erlösung“1437 . Und wenn wir nun auch von einem zweiten Gott reden, so möge man wissen. dass wir mit dem Ausdruck „zweiter Gott“ nichts anderes meinen als die Tugend, die alle Tugenden in sich begreift, und die Vernunft, die alle Vernunft in sich schließt, welche sich bei jedem einzelnen der nach den Gesetzen der Natur zu einem bestimmten Zweck und zum Nutzen des Ganzen geschaffenen Wesen vorfindet. Und diese Vernunft ist, so sagen wir, im Vergleich mit jeder anderen Seele vor allem in der Seele Jesu heimisch geworden und mit ihr aufs innigste verbunden; denn Jesus allein war imstande, diese hohe Teilnahme an der absoluten Vernunft und an der absoluten Weisheit und an der absoluten Gerechtigkeit1438 vollkommen zu gewinnen.
40.
Weil aber Celsus diesen Äußerungen über die verschiedenen Gesetze noch die Bemerkung beifügt; *Ü[„ Pindar scheint mir Recht zu haben, wenn er sagt, dass das Gesetz als König über alle herrsche,“** so wollen wir auch hierüber reden. Von welchem „Gesetz“ sagst du denn, mein Bester, dass es „als König über alle herrsche“? Meinst du die in den verschiedenen Staaten geltenden Gesetze, dann ist eine solche Behauptung nicht wahr, denn nicht von demselben Gesetze werden alle beherrscht. Die Behauptung hätte also wenigstens lauten sollen: „Die Gesetze herrschen als Könige über alle“; denn jedes Volk hat sein besonderes Gesetz, dem alle unterworfen sind. Wenn du aber das Wort Gesetz im eigentlichen Sinne verstehst, so ist dieses allerdings von Natur „der König aller“, wenn auch einige nach Art von Räubern, die von Gesetz abgefallen sind, dieses verleugnen und ein Leben wie die Räuber und Schurken führen. Was nun uns Christen betrifft, so sind wir zur Kenntnis des Gesetzes gelangt, welches nach seiner Natur „als König über alle herrscht“, da es dasselbe wie das Gesetz Gottes ist, und wollen uns bemühen, nach ihm zu leben; „den Gesetzen aber, die keine Gesetze sind“, geben wir auf immer den Abschied.
41.
Wir wollen nun auch die folgenden Ausführungen des Celsus betrachten, in denen sehr wenig von Christen, weitaus am meisten aber von Juden die Rede ist. Er sagt also: **„ Wenn nun hiernach die Juden treu an ihrem eigenen Gesetze festhalten, so sind sie deshalb nicht zu tadeln, weit mehr aber jene, die ihre eigenen Sitten und Gebräuche aufgeben und sich die der Juden aneignen. Wenn diese sich nun damit brüsten, dass sie eine Art von höherer Weisheit besäßen, und wenn sie die Gemeinschaft mit andern, als ob diese nicht so rein wären wie sie, verschmähen, so haben sie bereits gehört, dass nicht einmal ihre Lehre vom Himmel ihnen eigentümlich, sondern - um alles1439 beiseite zu lassen - auch von den Persern, wie Herodot irgendwo darlegt, seit alter Zeit angenommen ist. ‘Sie haben nämlich den Brauch’, sagt Herodot, ‘dem Zeus auf den höchsten Berggipfel Opfer darzubringen; denn Zeus heißt bei ihnen der ganze Himmelskreis’. Nach meiner Meinung nun“1440”macht es keinen Unterschied ob man den Zeus Hypsistos1441 nennt, pder Zen oder Adonaios oder Sabaoth oder Amun, wie die Ägyptier, oder Papaios, wie die Skythen. Auch dürften sie für wahr wohl nicht deshalb heiliger sein als die andern, weil sie sich beschneiden lassen; denn die Ägyptier und Kolcher hatten diesen Brauch schon früher; auch nicht deshalb, weil sie sich des Schweinefleisches enthalten; denn auch diese Sitte haben die Ägaptier und enthalten sich dazu noch des Fleisches von Ziegen, Schafen, Rindern und Fischen, während Pythagoras und seine Schüler weder Bohnen essen noch etwas von dem, was Leben gehabt hat. Es ist auch keineswegs wahrscheinlich, dass diese bei Gott größere Ehre genießen und etwas mehr als die andern geliebt werden, und dass allein zu ihnen Boten von dorther geschickt werden, gerade so, als hätten sie eine Art Land der Seligen durchs Los erhalten; denn wir sehen, womit sie und ihr Land beehrt worden sind.
Dieser Chor mag nun abtreten, nachdem er Strafe für seine Prahlerei empfangen hat; denn er besitzt keine Kenntnis von dem großen Gott, sondern ist von der Zauberei des Moses verführt und betrogen und nicht zu einem guten Ende ihr Schüler geworden"**
42.
Offenbar wirft Celsus mit diesen Worten den Juden vor, dass sie fälschlicherweise annähmen, sie seien das vor allen Völkern auserwählte „Erbteil“ des allmächtigen Gottes1442 . Er klagt also ihre „Prahlerei“ an, da sie sich zwar „des großen Gottes“ rühmten, aber „keine Kenntnis von ihm hätten, sondern durch die Zauberei des Moses verführt und von ihm betrogen, nicht zu einem guten Ende seine Schüler geworden seien“. Wir haben nun, wenigstens teilweise, schon oben davon gesprochen, wie ehrwürdig und vortrefflich die staatlichen Einrichtungen des jüdischen Volkes gewesen seien, als für sie noch das Sinnbild der Stadt Gottes und seines Tempels und des bei ihm und bei dem Opferaltar vollzogenen heiligen Gottesdienstes1443 bestand. Wenn aber jemand sein Nachdenken der Absicht des Gesetzgebers und seiner Verfassung zuwenden und die Zustände bei den Juden mit der jetzigen Lebensführung der übrigen Völker prüfend vergleichen wollte, so würde er kein Volk mehr bewundern1444 , die, soweit menschenmöglich, alles, was dem Menschengeschlecht schädlich ist, beseitigt und allein das Nützliche angenommen haben. Aus diesem Grunde gab es bei ihnen keine Ringkämpfe, keine Schauspiele, keine Wagenrennen; sie duldeten unter sich auch keine Weiber, die ihre Jugendblüte jedem Beliebigen verkaufen1445 , der nur seine niedrige Lust befriedigen will und die natürliche Ordnung der Fortpflanzung des Menschengeschlechtes freventlich verletzt.
Und wie segensreich war es bei ihnen, dass sie schon im zartesten Alter angeleitet wurden, sich über die ganze sichtbare Natur zu erheben und nicht zu glauben, Gott habe irgendwo in ihr seinen Sitz, sondern ihn in der Höhe und jenseits der Körperwelt zu suchen! Und wie bedeutsam war es, dass sie fast zugleich mit der Geburt und der Ausgestaltung ihrer Vernunft über die Unsterblichkeit der Seele und die unterirdischen Straforte und über die Ehren belehrt wurden, die für ein tugendhaftes Leben bestimmt sind! Diese Dinge wurden ihnen in der Kindheit, und solange sie wie Kinder dachten, noch in Gestalt der heiligen Geschichte verkündet; für die aber, die nach dem tieferen Sinne forschten und hierin Fortschritte machen wollten, wurden diese Legenden, wenn ich mich so ausdrücken darf, zu der in ihnen verborgenen Wahrheit umgewandelt. Meiner Meinung nach zeigten sie sich aber darin würdig des Namens eines „Erbteils Gottes“, dass sie alle Weissagung verachteten, weil sie die Menschen zwecklos bezaubere und eher von bösen Geistern als von einem besseren Wesen herkomme, und dass sie die Kenntnis der Zukunft nur in solchen Seelen suchten, die wegen ihrer hohen Reinheit den Geist des über allen waltenden Gottes empfangen hatten.
43.
Dass aber der Jude einen Glaubensgenossen nicht länger als sechs Jahre als Sklave dienen durfte1446 , was bedarf es der Worte, um darzutun, wie verständig erdacht die Bestimmung war und weder den Herrn noch den Sklaven schädigte! Nicht nach denselben Grundsätzen wie die übrigen Völker dürften also wohl die Juden „treu an ihrem eigenen Gesetze festhalten“. „Zu tadeln“ wären sie nämlich und verdienten den Vorwurf, dass sie den Vorrang ihrer Gesetze nicht bemerkt hätten, wenn sie glaubten, dass diese in gleicher Weise wie die andern, nämlich wie die heidnischen Gesetze aufgezeichnet seien. Und wenn es auch Celsus leugnen will, so „besitzen doch die Juden eine Art von höherer Weisheit“ nicht nur im Vergleich mit der großen Menge, sondern auch im Vergleich mit denjenigen, welche für Philosophen gelten. Denn diese Weltweisen kommen zwar zu vortrefflichen philosophischen Ergebnissen, fallen aber dann wieder in die Verehrung der Götterbilder und Dämonen zurück, während unter den Juden auch der geringste sein Auge nur auf den allmächtigen Gott richtet. Und sie handeln recht, wenigstens in diesem Punkte, wenn sie „sich damit brüsten“ und sich von „der Gemeinschaft mit andern“, die nach ihrer Überzeugung schuldbeladene und gottlose Leute sind, fernhalten. Wenn sie doch nicht wider das Gesetz gesündigt und nicht zuerst „die Propheten getötet“,1447 später aber auch Jesus nach dem Leben getrachtet hätten! Wir würden sonst das Musterbild jenes himmlischen Staates haben, den auch Plato zu beschreiben versucht hat; ich zweifle aber, ob dieser dazu so gut imstande gewesen ist wie Moses und die Männer, die nach Moses kamen, sie, die ein „auserwähltes Geschlecht“ und ein „heiliger“ und Gott geweihter „Stamm“1448 waren, in reinen Lehren und fern von allem Aberglauben erzogen.
44.
Da aber Celsus die ehrwürdigen Gebräuche der Juden den Gesetzen gewisser anderer Völker gleichstellen möchte, so wollen wir auch diese Behauptung einer Prüfung unterziehen. Er glaubt also, dass “die Lehre vom Himmel” sich gar nicht von der Lehre von Gott unterscheide, und sagt, dass ähnlich wie die Juden, “die Perser dem Zeus Opfer verrichteten, indem sie auf die höchsten Berggipfel [hinaufstiegen]. Er übersieht hierbei, dass die Juden, wie sie nur von einem Gott wußten, so auch nur ein einziges heiliges Gebetshaus und nur einen einzigen Opferaltar für die Ganzopfer und nur einen Räucheraltar für das Räucherwerk und nur einen einzigen Hohenpriester Gottes hatten. Die Juden haben also nichts mit den Persern gemein, die”auf die höchsten Berggipfel“, und deren gibt es mehrere,”hinaufsteigen" und dort ihre Opfer verrichten, die den Opfern gar nicht gleichen, die im Gesetze des Moses vorgeschrieben sind. Diesen gemäß feierten die Priester der Juden einen Gottesdienst, der “ein Abbild und Schatten der himmlischen Dinge” war1449 , indem sie im geheimen erklärten, welche Absicht das Gesetz mit den Opfern hatte, und wofür diese die Sinnbilder waren. Die Perser mögen also immerhin “dem ganzen Himmelskreis den Namen Zeus geben”; wir aber sagen, dass “der Himmel” weder “Zeus” noch Gott ist. Denn wir wissen, dass auch einige Wesen, die geringer als Gott sind, sich über die Himmel und über alle sichtbare Natur erhoben haben. So verstehen wir die Worte: “Preiset Gott ihr Himmel der Himmel, und das Wasser, das über den Himmeln ist; sie sollen den Namen des Herrn preisen”1450
45.
Da es aber “nach der Meinung des Celsus”keinen Unterschied macht, ob man den Zeus Hypsistos1451 nennt oder Zen oder Adonaios oder Sabaoth oder, wie die Ägyptier, Amun, oder, wie die Skythen, Papaios", so wollen wir auch diesen Punkt kurz besprechen und den Leser zugleich an das erinnern, was wir oben zu dieser Sache bemerkt haben, als uns die Äußerungen des Celsus hierzu veranlaßten. Jetzt behaupten wir nun, dass die Natur der Namen nicht, wie Aristoteles meint, von der Bestimmung derjenigen abhängt, die sie gegeben haben. Denn es haben ja auch die Sprachen, die es unter den Menschen gibt, ihren Ursprung nicht von Menschen. Das ist für jene klar, die in die Natur der Beschwörungsformeln einzudringen vermögen, die von den Urhebern der Sprachen so verfaßt wurden, wie es den verschiedenen Mundarten und der Aussprache der Namen in den verschiedenen Mundarten entsprach. Hierüber haben wir oben in Kürze gehandelt und gesagt, dass die Formeln, die ihrer Natur nach imstande sind, in der einen Mundart zu wirken, in eine andere Mundart übertragen keinen Erfolg mehr haben, wie sie in den eigenen Lauten Erfolg gehabt hatten. Eine solche Wahrnehmung läßt sich auch bei den Menschen machen. Wenn einer von seiner Geburt an einen Namen trägt, welcher der griechischen Sprache entnommen ist, so könnte man ihn wohl nicht, wenn man seinen Namen in die Sprache der Ägyptier, oder Römer, oder eines anderen Volkes übertrüge, dazu veranlassen, zu leiden oder zu tun, was er leiden oder tun würde, wenn man ihn mit dem Namen riefe, der ihm anfänglich beigelegt worden ist. Und wenn wir den ursprünglichen lateinischen Namen jemandes in die griechische Sprache übertragen würden, so würden wir auch nicht mehr die Wirkung hervorbringen, die eine Beschwörung zu erzielen verspricht, wenn sie die erste Benennung, die der betreffenden Persönlichkeit gegeben worden ist, beibehält.
Wenn aber diese Bemerkungen wahr sind, wo es sich um menschliche Namen handelt, was haben wir dann von jenen Namen zu halten, die man aus irgendeiner Ursache der Gottheit beilegt? Zum Beispiel kann etwas von dem Namen Abraham in die griechische Sprache übertragen und in dieser kann mit der Anrede Isaak etwas bezeichnet und mit dem Namen Jakob etwasklargemacht werden. Wenn nun jemand bei einer Beschwörung oder bei einem Eidschwur die Anrede gebraucht: “Gott Abrahams, und Gott Isaaks und Gott Jakobs”, so dürfte er wohl diesen oder jenen Erfolg erzielen, sei es wegen der natürlichen Beschaffenheit dieser Namen, sei es wegen der von ihnen ausgehenden Wirkung, da auch Dämonen von dem, der diese Worte ausspricht, besiegt und unterworfen werden. Würde man aber sagen: “Der Gott des auserwählten Vaters des Widerhalls und der Gott des Lachens und der Gott dessen, der mit der Ferse stößt”1452 ; so wäre die Aussprache dieser Namen ebenso wirkungslos wie die Aussprache anderer Namen, denen keine Kraft innewohnt. Wir werden auch keine Wirkung hervorbringen, wenn wir den Namen Israel in das Griechische oder in eine andere Sprache übersetzen. Wenn wir ihn aber lassen, wie er ist, und ihn mit jenen Ausdrücken verbinden, die in diesen Dingen bewandert sind, dann dürfte wohl die Aussprache des Wortes den Erfolg haben, den solche Beschwörungen in Aussicht stellen. Das gleiche werden wir auch von dem Worte Sabaoth sagen, das man bei Beschwörungen vielfach verwendet. Wenn wir diesen Namen übersetzen und sagen würden “Herr der Mächte” oder “Herr der Kriegsheere” oder “Allherrscher” - die Schriftsteller weichen nämlich in der Übersetzung dieses Namens voneinander ab -, so würden wir nach der Behauptung der Sachverständigen einen Erfolg erzielen. Das gleiche werden wir auch über Adonai sagen. Wenn nun weder “Sabaoth” noch “Adonai” eine Wirkung haben. Wenn sie durch Wörter der griechischen Sprache, die dasselbe zu bedeuten scheinen, übersetzt werden, um wieviel weniger wird dann irgendein Erfolg oder eine Wirkung bei denen eintreten, “nach deren Meinung es keinen Unterschied macht, ob man den Zeus Hypsistos1453 nennt oder Zen oder Adonaios oder Sabaoth”!
46.
Da nun Moses und die Propheten diese und ähnliche Geheimnisse kannten, so verbieten sie, dass „der Name anderer Götter“1454 von einem Munde ausgesprochen werde, der darauf bedacht ist, nur an den allmächtigen Gott Gebete zu richten, und wollen keine Erinnerung an jene in einem Herzen dulden, das unterwiesen wird, sich von allen törichten Gedanken1455 und Worten rein zu erhalten. Solcher Art sind die Gründe, die uns bestimmen, lieber alle Mißhandlung zu ertragen, als den Zeus für einen Gott zu erklären. Denn wir nehmen nicht an, dass Zeus und Sabaoth ein und dasselbe Wesen seien; ja, wir halten den Zeus überhaupt nicht für eine Gottheit, sondern glauben, dass irgendein Dämon sich freut, so genannt zu werden, der weder gegen die Menschen noch gegen den wahrhaften Gott freundlich gesinnt ist. Und wenn die Ägyptier uns unter Androhung von Strafe den Amun1456 zeigen, so werden wir eher sterben, als die Gottheit des Amun anerkennen, der, wie es scheint ein Dämon ist und in einige ägyptischen Beschwörungsformeln mit herangezogen wird. Mögen aber auch die Skythen behaupten, dass ihr Papaios der allmächtige Gott sei, wir werden es ihnen nicht glauben. Denn wir nehmen zwar den allmächtigen Gott an, geben ihm aber nicht den Namen Papaios, wie wenn dies sein eigentlicher Name wäre, mag es auch der Dämon, dem das wüste Skythenland mit seinem Volk und seiner Sprache zugefallen ist, so wünschen. Wenn aber jemand Gott mit einem Namen anruft, der in der ägyptischen oder skythischen Sprache, überhaupt in der Sprache seines Landes, dem Namen Gottes entspricht, so begeht er keine Sünde.
47.
Was die Beschneidung betrifft, so beruht diese bei „den Juden“ auf einer andern Ursache als die bei „den Ägyptiern“ oder „Kolchern“; deshalb dürfte wohl auch die Beschneidung nicht als dieselbe gelten. Und wie die Opfernden nicht derselben Gottheit ihre Opfer darbringen, wenn auch die Art und Weise ihrer Opferfeier ähnlich ist, und wie die Betenden sich nicht an denselben Gott wenden, wenn auch ihre Gebete den gleichen Inhalt haben: ebenso ist die Beschneidung, die an dem einen vorgenommen wird, durchaus nicht dieselbe, die an einem andern vollzogen wird. Denn die1457 Absicht, des Gesetzes und der Gesinnung dessen, der die Beschneidung vornimmt, macht die Handlung zu einer andern. Damit aber die vorliegende Sache noch besser verstanden werde, haben wir zu bemerken, dass das Wort „Gerechtigkeit“ bei allen Griechen dasselbe ist. Aber es läßt sich schon nachweisen, dass die Gerechtigkeit, wie sie Epikur lehrt, etwas anderes ist als die Gerechtigkeit, wie sie die Stoiker verstehen, welche die Dreiteilung der Seele leugnen, und wieder etwas anderes die Gerechtigkeit der Platoniker, die von der Gerechtigkeit sagen, dass sie das Handeln der Seelenteile aus eigenen Antrieb sei. So ist die Tapferkeit etwas anderes bei Epikur, der sich Anstrengungen nur deshalb unterziehen will, um größeren zu entgehen: und etwas anderes nach der Lehre der Stoa, die jegliche Tugend um ihrer selbst willen erstrebt; etwas anderes aber wieder bei dem Anhänger Platos, welcher behauptet, dass die Tapferkeit die Tugend des mutigen Teils der Seele sei und ihr als Sitz den Brustkorb zuweist. Und so dürfte die Beschneidung verschieden sein je nach den verschiedenen Ansichten derjenigen, die sich ihr unterziehen. Wir haben indessen in einer Schrift, wie die vorliegende ist, nicht nötig, darüber jetzt zu sprechen. Denn wer unsere Ansicht über diesen Punkt näher erfahren will, mag die Erklärung nachlesen, die wir hierüber in unserer Auslegung des Briefes des Paulus an die Römer gegeben haben.
48.
Wenn also die Juden “sich mit ihrer Beschneidung brüsten”, so werden sie diese nicht nur von der Beschneidung “der Kolcher und Ägyptier”, sondern auch von derjenigen der ismaelitischen Araber unterscheiden, obwohl doch Ismael der Sohn ihres Stammvaters Abraham gewesen ist und mit diesem die Beschneidung empfangen hat1458 . Die Juden sagen aber, die Beschneidung, die am achten Tage vorgenommen werde, sei die rechte1459 ; jene dagegen, die nicht an diesem Tage geschehe, verdanke ihre Entstehung nur einem Zufalle. Vielleicht wurde die Beschneidung durch einem dem Volke der Juden feindlich gesinnten Engel veranlaßt, der den Unbeschnittenen unter ihnen Böses zufügen, den Beschnittenen dagegen nichts anhaben konnte. Man wird sagen können, dies erhelle aus dem, was im Buch Exodus geschrieben steht, wonach der Engel vor der Beschneidung des Eliazar über Moses Gewalt hatte, nach der Beschneidung desselben aber nichts mehr über ihn vermochte1460 . Und in solcher Erkenntnis “nahm Sepphora einen Stein und beschnitt damit ihr Kind”1461 , wobei sie nach der gewöhnlichen Lesart der Handschriften gesagt haben soll: “Das Blut der Beschneidung meines Kindes ist zum Stehen gekommen”, nach dem hebräischen Texte selbst aber:“Ein Blutbräutigam bist du mir”1462 . Sie hatte nämlich Kunde von einem solchen Engel, der vor der Vergießung des Blutes Macht hatte, durch das Blut der Beschneidung aber kraftlos wurde; deswegen wurde ihm auch das Wort gesagt: “Ein Blutbräutigam bist du mir.”
Aber diese Dinge, die wohl überflüssig und für das Ohr der großen Menge nicht passend erscheinen, mögen so weit mit einiger Kühnheit erörtert sein. Nur eins will ich noch für einen Christen geziemend beifügen und dann zum folgenden übergehen. Dieser Engel hatte nämlich, wie ich glaube, Gewalt über jene Angehörigen des jüdischen Volkes, die nicht beschnitten waren, und überhaupt über alle diejenigen, die nur den Weltschöpfer verehren; und er hatte nur lange Gewalt, als Jesus nicht einen1463 Leib angenommen hatte. Seitdem er ihn aber angenommen hat und an seinem Leibe die Beschneidung vollzogen worden war1464 , da wurde jenem Engel alle Gewalt über diejenigen genommen, die in dieser Gottesverehrung [keine] Beschneidung erfahren; denn durch seine unsagbare Göttlichkeit stürzte Jesus jenen Engel. Deshalb ist es seinen Jüngern verboten, sich beschneiden zu lassen, und es wird ihnen gesagt: “Wenn ihr euch beschneiden lasset, so wird Christus euch nichts nützen”1465 .
49.
Aber auch damit „brüsten sich die Juden“ nicht, dass „sie sich des Schweinefleisches enthalten“, als ob dies etwas Großes wäre, sonder dass sie die Natur der reinen und unreinen Tiere wahrgenommen, die Ursache dieses Unterschiedes erkannt und das Schwein zu den unreinen Tieren gestellt haben. Dies waren aber Sinnbilder gewisser Dinge für die Zeit bis zur Ankunft Jesu; nach dieser wurde seinem Jünger, der den Sinn dieser Anordnung noch nicht verstand und betonte: „Nichts Gemeines oder Unreines ist in meinen Mund gekommen“, die Antwort gegeben: „Was Gott gereinigt hat, das erkläre du nicht für gemein“1466 .Es berührt also weder die Juden noch uns, wenn die Priester der Ägyptier sich nicht nur „des Schweinefleisches“, sondern „dazu noch des Fleisches von Ziegen, Schafen, Rindern und Fischen enthalten“. Aber da „nicht das, was in den Mund eingeht, den Menschen gemein macht“1467 , und da „Speise und nicht zu Gott führen wird“1468 , so bilden wir uns nichts darauf ein, wenn wir etwas nicht essen, wie wir auch nicht aus Lust an Völlerei zum Essen kommen. Deshalb mögen, soweit es uns betrifft, „die Pythagoreer“ immerhin „nichts Lebendiges genießen“. Man beachte aber, dass es nicht aus demselben Grunde geschieht, wenn „die Pythagoreer sich des Lebendigen enthalten“, und wenn unsere Asketen diese Enthaltung üben. Jene vermeiden es nämlich deshalb, „etwas von einem lebenden Wesen zu essen“, weil die Fabel von einer Wanderung der Seele von einem Leib in einen anderen redet. Und wer wird „den eigenen Sohn am Altare schlachten mit Opfergebeten, der Tor“? Wenn aber wir solche Enthaltung üben, so tun wir es, weil wir „unseren Leib quälen und knechten“1469 und töten wollen „die Glieder, die auf der Erde sind, Hurerei, Unreinigkeit, Lüsternheit, Leidenschaft, böse Begierde“1470 , und bieten alles auf, um „die Handlungen des Leibes“1471 zu töten.
50.
Ferner sagt Celsus in seiner Darlegung über die Juden: „ Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass diese bei Gott größere Ehre genießen und etwas mehr als die andern geliebt werden, und dass allein zu ihnen Boten von dorther geschickt werden, gerade so, als hätten sie eine Art Land der Seligen durchs Los erhalten; denn wir sehen, womit sie und ihr Land beehrt worden sind.“ Wir wollen auch diese Behauptung widerlegen, indem wir sagen: Dass dieses Volk „bei Gott größere Ehre genossen hat“, ersieht man auch daraus, dass der allmächtige Gott selbst von denen, die unserem Glauben fernstehen, der Gott der Hebräer genannt wird. Und da sie bei Gott in Ehren standen, solange sie von ihm nicht ganz verlassen wurden, so blieben sie, wenn auch gering an Zahl, doch beständig unter göttlichem Schutz. Und so geschah ihnen nicht einmal unter1472 Alexander von Makedonien etwas zuleide, obgleich sie wegen gewisser Verträge und Eide ablehnten, die Waffen gegen Darius zu ergreifen. Damals sagt man, sei auch der jüdische Hohepriester, bekleidet mit dem Priestergewand, von Alexander feierlich begrüßt worden, welcher erklärte, es sei ihm jemand, mit diesem Gewand angetan, im Traume erschienen und habe ihm die Unterwerfung von ganz Asien verheißen. Wir Christen sagen nun, dass das Glück, „bei Gott größere Ehre zu genießen und von ihm etwas mehr als die andern geliebt zu werden“, den Juden ganz besonders zuteil geworden, und dass diese Fürsorge und Gnade Gottes auf uns übergegangen ist, nachdem Jesus die unter den Juden wirksame Macht auf diejenigen von den Heiden übertragen hatte, die an ihn gläubig geworden waren. Deshalb haben die Römer, obwohl sie viele Anstrengungen machten, um das Weiterbestehen der Christen zu hindern, doch ihr Ziel nicht erreichen können. Denn für diese stritt eine göttliche Hand1473 , die das Wort Gottes von dem einen Winkel im jüdischen Land4 aus über das ganze Menschengeschlecht aussäen wollte1474 .
51.
Nachdem wir, so gut wir konnten, auf die Anklagen, die Celsus wider die Juden und ihre Lehre erhoben hat, geantwortet haben, wollen wir nun vorlegen. was weiter folgt, und dartun, dass es unsererseits nicht „leere Prahlerei“ ist, wenn wir verkündigen **„ wir besäßen Kenntnis von dem großen Gott“** , und zeigen, dass wir auch nicht, wie Celsus meint, „ von der Zauberei des Moses oder auch unseres Heilandes Jesus selbst “verführt worden sind„, sondern dass wir “zu einem guten Ende„ auch auf “den Gott hören, der durch Moses geredet hat„, und den von ihm als “Gott” bezeugten Jesus1475 als Sohn Gottes anerkennen, in der Hoffnung, den herrlichsten Lohn zu empfangen, wenn wir nach seiner Lehre leben.
Mit Absicht wollen wir übergehen, was wir in unserer Widerlegung schon vorweggenommen haben, als wir darlegten, „woher wir kommen“, und wen wir als Stifter haben„, und welcher Art “das Gesetz„ ist, das er gegeben hat. Und wenn Celsus behauptet, “es sei kein Unterschied zwischen uns und den Ägyptiern, die den Ziegenbock oder den Widder oder das Krokodil oder den Stier oder das Flußpferd oder den hundsköpfigen1476 oder die Katze verehren,” so mag er selbst das wissen und wenn sonst noch jemand seine Meinung hierüber teilt. Wir aber haben uns in dem Vorausgehenden weitläufig und nach besten Kräften wegen der Ehre gerechtfertigt, die wir unserem Jesus erweisen, und haben gezeigt, dass wir nichts Besseres finden konnten. Und wenn wir allein die reine und von allem Irrtum freie Wahrheit als in der Lehre Jesu Christi vorhanden erweisen, so erheben wir nicht uns selbst, sondern unseren Lehrmeister, der von dem über allen waltenden Gott und von den Propheten, die unter den Juden geweissagt haben, und von dem Augenschein der Sache selbst vielfach bezeugt worden ist; denn es zeigt sich deutlich, dass er ohne Gottes Hilfe nicht imstande gewesen wäre, so große Dinge zu vollbringen-
52.
Der Abschnitt des Celsus, den wir jetzt prüfen wollen, lautet so: „ Und nun lassen wir alle die unwiderleglichen Anklagen beiseite, die man wegen ihres Lehrers gegen sie erheben kann, und er mag als ein wahrhaftiger Bote angesehen werden. Ist dieser aber der erste und der einzige, der gekommen ist, oder sind auch andere früher gekommen? Werden sie antworten, er sei der einzige, so könnte ihnen nachgewiesen werden, dass sie lügen und sich selbst widersprechen. Denn sie sagen, es seien auch andere oft gekommen, ja ihrer sechzig oder siebenzig auf einmal. Diese seien böse geworden und zur Strafe unter der Erde in Fesseln gelegt; daher kämen auch die warmen Quellen, nämlich aus den Tränen jener Engel. Und fürwahr, auch zu dem Grabe eben dieses Jesus sei ein Engel gekommen, die einen sprechen nur von einem, die andern von zweien, die den Frauen antworteten, dass er auferstanden sei1477 . Denn der Sohn Gottes konnte, wie es scheint, das Grab nicht selber öffnen, sondern bedurfte eines andern, der den Stein entfernen mußte, Ferner kam wegen der Schwangerschaft Marias ein Engel zu dem Zimmermann, dann ein anderer, der ihm gebot, das Kind der Gefahr zu entreißen und1478 zu flüchten1479 . Und wozu braucht man alles sorgfältig zu prüfen und die Engel, die dem Moses und den andern unter ihnen geschickt sein sollen, aufzuzählen? Wenn also auch andere geschickt wurden, so ist es klar, dass auch dieser von demselben Gott geschickt worden ist wie jene. Es mag aber scheinen, dass er eine wichtigere Sendung gehabt hat, weil z.B. die Juden irgendwie sich vergangen oder den Glauben verfälscht oder gottlose Dinge verübt hätten. Denn dies deuten sie in dunklen Worten an“
53.
Das, was wir oben in den besonderer Erörterungen über unsern Heiland Jesus Christus auf die Worte des Celsus erwidert haben, würde nun genügen. Damit es aber nicht scheint, als ob wir irgendeinen Abschnitt seiner Schrift absichtlich übergehen wollten, weil wir nicht imstande wären, ihm zu antworten, so wollen wir, wenn wir auch im Begriffe sind, dasselbe nochmals zu sagen, dies doch tun, da uns Celsus hierzu herausfordert, und uns dabei der Kürze befleißigen. Vielleicht zeigt sich uns derselbe Gegenstand in einem helleren Lichte oder von einer neuen Seite, wenn wir ihn nochmals betrachten. Unser Gegner sagt zunächst, “er lasse alle die Anklagen beiseite, die man wider die Christen wegen ihres Lehrers erheben könnte”, läßt aber, wie sich aus seinen früheren Bemerkungen ergibt, nichts von dem beiseite, was er sagen konnte. Seine Bemerkung ist also nichts weiter als eine leere Redensart, wie sie die Rhetoren verwenden. Aber dass wir auch durch die Anklagen gegen unsern erhabenen Erlöser nicht “widerlegt werden”, wenn auch der Ankläger zu “widerlegen” glaubt, das wird denen klar sein, die mit Wahrheitsliebe und sorgfältiger Prüfung alle die Weissagungen und Aufzeichnungen über ihn lesen.
Im folgenden aber will Celsus, wie man glauben muß, ein Zugeständnis machen, wenn er über den Heiland sagt, dass “dieser als ein wahrhaftiger Bote angesehen werden möge”. Wir erklären, dass wir dies nicht als Zugeständnis von Celsus annehmen; denn wir brauchen nur das Wirken Jesu zu betrachten, der zu dem ganzen Menschengeschlechte gekommen ist mit seinem Wort und seiner Lehre, so wie es ein jeder von denen, die ihn aufnahmen, fassen konnte. Dieses Werk war nicht einfach das “eines Engels”, sondern, wie sich die Weissagung über ihn ausdrückt, das “des Engels des großen Rats”1480 . Denn er verkündete den Menschen “den großen Ratschluß” des Gottes und Vaters des Weltalls über sie, dass die Gläubigen, die ein Leben in reiner Gottesverehrung führten, durch ihre großen Werke sich zu Gott erheben würden, während jene, die [den Heiland] nicht bei sich aufnehmen, sich von Gott entfernen und durch ihren Unglauben Gott gegenüber zum Verderben gehen1481 .
Unser Gegner sagt dann im folgenden; Wenn auch “dieser Engel” zu den Menschen “gekommen ist”, ist er etwa “der erste und einzige, oder sind auch andere früher gekommen?” Auf beide Fragen glaubt er ausführlich entgegen zu müssen, obwohl doch kein wahrer Christ behauptet, dass nur Christus zu dem [Menschengeschlechte] gekommen sei“; auch”andere“,sagt Celsus, sind den Menschen erschienen,”wenn die Christen behaupten wollten, er sei der einzige".
54.
Darauf entgegnet sich Celsus nach Belieben selbst und sagt: **" Er ist so wenig der einzige, von dem man berichtet, dass er zu dem Menschengeschlechte gekommen sei, dass sogar diejenigen, die wegen der Lehre vom Namen Jesu den Schöpfergott als einen geringeren Gott verlassen, und den Vater dessen, der gekommen ist, als einen höheren Gott angenommen haben, behaupten, auch vor diesem seien einige zu dem Menschengeschlecht gekommen, von dem Schöpfergott gesendet.“** Da es uns bei der Prüfung dieser Sache nur um Feststellung der Wahrheit zu tun ist, so geben wir zu, dass Apelles, der berühmte Schüler des Markion, welcher der Stifter einer gewissen Sekte wurde und die Schriften der Juden für sagenhaft hielt, die Behauptung aufstellt,”Jesus sei der einzige, der zu dem Menschengeschlecht gekommen wäre“. Aber auch jenem gegenüber, der behauptete,”Jesus sei der einzige“, der, von Gott gesandt,”zu den Menschen gekommen wäre“, dürfte wohl Celsus nichts ausrichten, wenn er sagt, es seien auch andere gekommen”, da jener, wie wir vorher bemerkten, den Schriften der Juden mit ihren wunderbaren Berichten keinen Glauben schenkt; noch weit weniger aber würde jener wohl annehmen, was Celsus, wie es scheint, aus dem Buche Henoch anführt, ohne es verstanden zu haben. Niemand also kann uns “nachweisen”, dass wir “lügen” und uns in solche “Widersprüche” verwickeln: unser Heiland “sei allein gekommen”, und zwar nachdem viele “andere häufig gekommen sind”. In ganz verworrener Weise aber führt Celsus da, wo er die Engel mustert, die zu den Menschen gekommen sind, übel verstandene Stellen aus dem Buche Henoch an. Er scheint diese selbst gar nicht gelesen zu haben und auch nicht zu wissen, dass die dem Henoch beigelegten Schriften in den Gemeinden gar nicht als göttlich angesehen werden. Aus diesen dürfte er wohl seine Behauptung entnommen haben, dass “sechzig oder siebenzig auf einmal” herabgestiegen seien, die “böse geworden wären”.
55.
Aber selbst wenn wir ihm mit wohlwollender Beurteilung das zugute rechnen wollten, was in der Genesis geschrieben steht, ihm jedoch entgangen ist, nämlich dass die Söhne Gottes die Töchter der Menschen sahen, wie sie schön waren, und sich zu Weibern aus allen nahmen, die sie erwählten“1482 , so werden wir doch denjenigen, die den Gedanken des Propheten verstehen können, darlegen, dass auch schon einer vor uns dies auf die Lehre von den Seelen gedeutet hat, die von Begierde nach dem Leben in Menschenleibern ergriffen waren; denn dies, behauptete er, sei bildlich in den Worten”Töchter der Menschen" ausgedrückt. Indessen wie es sich auch mit den Göttersöhnen, die Verlangen nach Menschentöchtern hatten, verhalten mag, diese Stelle trägt nichts zur Stütze der Behauptung des Celsus bei, dass “Jesus nicht der einzige wäre, der als Gesandter zu den Menschen gekommen ist” und offenbar sich als Heiland und Wohltäter aller derer erwiesen hat, die sich von der Flut der Sünde abwenden wollen.
Indem Celsus dann alles zusammenführt und durcheinander bringt, was er irgendeinmal gehört oder irgendwo gelesen hat, ohne sich darum zu kümmern, ob die Schriften von den Christen als göttlich anerkannt werden oder nicht, fügt er die Bemerkung bei, “die sechzig oder siebenzig”, die “auf einmal” herabgestiegen seien, “wären zur Strafe unter der Erde in Fesseln gelegt”. Aus dem Buche Henoch führt er dann, ohne jedoch seine Quelle zu nennen, diese Worte an; “Daher kämen auch die warmen Quellen, nämlich aus den Tränen jener Engel”, eine Sache, von der man in den Gemeinden Gottes weder liest noch hört. Denn so unsinnig war niemand, dass er bei den vom Himmel herabgestiegenen Engeln an körperlich gestaltete Tränen, ähnlich denen der Menschen, gedacht hätte. Und dürften wir im Scherz auf das antworten, was Celsus im Ernste wider uns vorbringt, so wäre zu sagen: Niemand hätte wohl “die warmen Quellen”, deren Wasser größtenteils süß ist, als “Tränen der Engel” bezeichnet, da ja die Tränen von Natur salzig sind; es müßten denn die Engel des Celsus süße Tränen vergießen.
56.
Dann mischt Celsus im folgenden Dinge zusammen, die unvereinbar sind, und vergleicht das mit einander, was sich nicht vergleichen läßt. Zu seiner Äußerung über die, wie er sagt, herabgestiegenen „sechzig oder siebenzig Engel“, aus deren Tränen nach ihm „die warmen Quellen“ entstanden sind, fügt er noch hinzu, dass „zu dem Grabe Jesu selbst nach dem Berichte der einen zwei Engel gekommen seien, nach dem Berichte der andern aber nur einer“. Er hat, glaub’ ich, nicht beachtet, dass, wenn Matthäus und Markus von einem Engel, Lukas und Johannes aber von zweien berichten, dieses keinen Widerspruch bedeutet. Denn die, welche nur von einem berichtet haben, reden von dem Engel, der „den Stein von dem Grabe weg wälzte“1483 ; die aber von zweien sprechen, reden von denjenigen, die „in glänzendem Kleide“ bei den Frauen standen, die zum Grabe gekommen waren1484 , oder von jenen, die drinnen „in weißen Gewändern sitzend“ geschaut wurden1485 . Diese Dinge im einzelnen jetzt als möglich und wirklich nachzuweisen und in ihnen ein Sinnbild für die Erscheinungen zu sehen, die den für die tiefere Betrachtung der Auferstehung des Wortes Vorbereiteten zuteil werden, das gehört nicht in diese Darstellung, sondern ist vielmehr die Aufgabe der evangelischen Erklärungsschriften.
57.
Dass die Menschen zuweilen wunderbare Erscheinungen haben, berichten auch griechische Schriftsteller, und zwar nicht nur solche, von denen man wohl vermuten könnte, ihre Erzählungen seien erdichtete Fabeln, sondern auch solche, die vielfach gezeigt haben, dass sie wahrhaft Philosophen seien, und dass sie die Dinge, die ihnen begegnet sind, wahrheitsgetreu erzählen. Derartiges haben wir in den Schriften des Chrysippos von Soloi gelesen und ebenso einiges bei Pythagoras, ja selbst bei Schriftstellern aus der neueren und neuesten Zeit, wie zum Beispiel in der Abhandlung des Plutarch von Chäronea Über die Seele und in dem zweiten Buche des Pythagoreers Numenios Über die Unvergänglichkeit der Seele. Wenn die Griechen und besonders wenn die griechischen Philosophen solche Dinge erzählen, sind ihre Berichte dann nicht mit Spott und Hohn aufzunehmen, auch nicht als „Erfindungen und Märchen“ anzusehen? Wenn aber Männer, die dem allmächtigen Gott dienen und alle Schmach und Mißhandlung, ja selbst den Tod auf sich nehmen, um keine Lüge - wenn auch nur mit dem Munde - über Gott sagen zu müssen, wenn diese als Augenzeugen über Erscheinungen von Engeln berichten, soll man sie dann nicht für glaubwürdig und ihre Angaben nicht für wahrheitsgetreu halten?
Aber es ist gegen die gesunde Vernunft, in solcher Weise zu entscheiden, dass die Angaben der einen wahr, die der andern dagegen unwahr seien. Denn Leute, die nicht gern betrogen werden wollen, geben nur nach langer und sorgfältiger Forschung und Untersuchung der betreffenden Punkte mit Vorsicht und Bedacht ihr Urteil über Wunderberichte von Schriftstellern ab und erklären, dass diese hier die Wahrheit berichten, jene dort aber sich mit Lügen abgeben. Sie halten es deshalb so, weil weder alle ein Merkmal an sich tragen, an der sich ihre Glaubwürdigkeit erkennen läßt, noch alle klar und deutlich verraten, dass sie den Menschen nur „Erfindungen und Märchen“ berichtet haben. Ferner ist über die Auferstehung Jesu von den Toten auch dies zu sagen: Es darf nicht wundernehmen, wenn damals ein Engel oder ein zweiter erschienen ist, um zu verkünden, dass Jesus auferweckt sei und für das Wohl derer sorge, die zu ihrem Heil an ein solches Wunder glauben. Und mir scheint es nicht widersinnig, anzunehmen, dass, solche, die an die Auferweckung Jesu glauben und einen rechtschaffenen Wandel und die Abwendung von der Flut der Sünden als nicht zu verachtende Frucht ihres Glaubens an sich wahrnehmen lassen, stets Engel zur Seite haben, die ihnen bei ihrer Bekehrung zu Gott behilflich sind.
58.
Celsus klagt aber auch die Schrift an, weil sie behauptet, dass „ein Engel von dem Grabe“, wo der Leib Jesu lag, den Stein weggewälzt habe1486 . Er macht es gerade so wie ein Knabe, der in der Schule die Aufgabe erhält, jemanden nach dem Schema anzuklagen, und sagt nun, wie wenn er einen klugen Einwand gegen die Schrift gefunden hätte, folgendes: „ Der Sohn Gottes konnte, wie es scheint, das Grab nicht selbst öffnen, sondern bedurfte eines andern, der den Stein entfernen mußte“ Damit ich nun bei der Betrachtung dieser Stelle nichts Unnützes tue oder durch Anführung einer bildlichen Erklärung jetzt den Anschein erwecke, als wollte ich zur Unzeit hierüber philosophieren, so will ich nur über die Erzählung selbst die Bemerkung machen, dass es von vornherein als würdiger erscheint, wenn der Geringere und Diener „den Stein hinweggewälzt hat“, als wenn es der getan hätte, der zum Heil der Menschen auferstand. Ich will nicht davon reden, dass diejenigen, die dem Worte nachstellten, die es töten und allen zeigen wollten, dass es tot und vernichtet sei, keineswegs den Wunsch hegten, dass „sein Grab geöffnet werde“1487 , damit niemand sehen möchte, dass das Wort nach ihren Nachstellungen noch am Leben wäre. Aber der Engel Gottes, der zur Erlösung der Menschen in die Welt gekommen und stärker war als seine Feinde, wälzte mit Hilfe des andern Engels den schweren Stein hinweg, auf dass diejenigen, welche meinten, das Wort sei gestorben, die Überzeugung gewinnen könnten, dass es „sich nicht unter den Toten befinde“1488 , sondern lebe und denen „vorangehe“,die ihm folgen wollten1489 , damit es ihnen dann zu dem, was es ihnen schon früher mitgeteilt hatte, noch das Weitere mitteile, da sie in der früheren Zeit ihrer Einführung in die Lehre noch nicht imstande waren, die höheren Wahrheiten zu erfassen.
Hierauf wirft er dann, ich weiß nicht wie, dazwischen, ich weiß auch nicht, welchen Gewinn er sich davon für seinen Zweck verspricht, dass „wegen der Schwangerschaft Marias ein Engel zu dem Zimmermann gekommen sei“, und wiederum, dass „ein Engel den Eltern geboten habe, das neugeborene, mit dem Tode bedrohte Kind der Gefahr zu entreißen und mit ihm nach Ägypten zu flüchten“. Wir haben hierüber schon oben gesprochen und auf seine Einwürfe geantwortet. Was will aber Celsus mit der Bemerkung, nach der Angabe der Schrift würden „auch zu Moses und zu den andern Engel geschickt“? Denn dies scheint mir seiner Absicht gar nicht förderlich zu sein, um so weniger, da keiner dieser Engel darum gekämpft hat, das Menschengeschlecht, soweit es in seiner Macht stand, von seinen Sünden zu bekehren. Auch „andere“ nun „mögen von Gott geschickt worden sein“, und „dieser mag eine wichtigere Sendung gehabt“, und, „da die Juden sich vergangen und den Glauben verfälschten und gottlose Dinge verübten“, das Reich Gottes „andern Arbeitern“ übergeben haben1490 , die überall in den Gemeinden für ihr eigenes Seelenheil Sorge tragen und alles aufbieten, um auf Grund der Lehre Jesu durch ein reines Leben und durch Worte, die mit ihrem Leben übereinstimmen,[auch andere] zu dem allmächtigen Gott hinzuführen.
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Hierauf fährt Celsus fort: **" Also die Juden und diese “, nämlich die Christen,”haben denselben Gott.“Und indem er gleichsam das, was nicht zugegeben werden würde, bekräftigen will, fügt er bei:”Da die Mitglieder der großen Kirche dies ganz offenbar zugeben und die bei den Juden verbreitete Lehre von der Erschaffung der Welt als wahr annehmen, von den sechs Tagen und von dem siebenten Tage, an dem“, wie die Schrift sagt, ”Gott von seinen Werken ruhte“1491”indem er sich auf seine eigene Warte zurückzog“, während Celsus, der die Schrift nicht beachtet und auch nicht versteht, so sagt: ” Er erholte sich“** . welches Wort die Schrift an der betreffenden Stelle nicht gebraucht. Was übrigens die Weltschöpfung und”die Sabbatruhe" betrifft, welche darauf “dem Volke Gottes vorbehalten ist”1492 , so könnte hierüber “viel gesagt werden”, was geheimnisvoll und tief und schwer auszulegen ist"1493
Dann scheint mir Celsus in der Absicht, sein Buch auszufüllen und als recht umfangreich erscheinen zu lassen, aufs Geratewohl einiges hinzuzufügen. Von dieser Art ist auch seine Bemerkung über " den ersten Menschen“1494 , dass”wir keinen anderen annähmen als die Juden, und die Geschlechtsfolge von jenem aus in gleicher Weise wie sie darstellen“1495 . Aber von”gegenseitigen Nachstellungen von Brüdern" wissen wir nichts; wir wissen allerdings, dass Kain dem Abel1496 , und Esau dem Jakob1497 nachstellte; aber Abel stellte nicht dem Kain und Jakob nicht dem Esau nach, was doch hätte geschehen müssen, wenn die Behauptung des Celsus richtig wäre, dass wir von denselben “gegenseitigen Nachstellungen der Brüder” erzählten wie die Juden. Es mag auch sein, dass wir " von derselben Reise nach Ägypten wie jene reden" und “von derselben” Rückkehr “von dort” - nicht “Flucht”, wie Celsus meint -: was trägt dies zu der Anklage gegen uns oder gegen die Juden bei? Wo nun Celsus glaubte, er könne uns in seiner Erörterung über die Hebräer verspotten, da sprach er von “Flucht”, wo aber das Tatsächliche der in der Schrift aufgezeichneten Plagen, die von Gott über Ägypten verhängt worden sind1498 , zu untersuchen war, da hat er dies absichtlich mit Stillschweigen übergangen.
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Sollen wir aber unsere Antwort auf die Äußerung des Celsus, dass wir über die fraglichen Punkte die gleichen Ansichten wie die Juden hätten, genau und bestimmt fassen, so sagen wir; In dem Glauben, dass die1499 Bücher von göttlichem Geiste geschrieben seien, stimmen wir mit ihnen überein, in der Auslegung ihres Inhalts aber weichen wir von ihnen ab. Wir leben ja auch nicht so wie die Juden, weil wir der Ansicht sind, dass die buchstäbliche Auslegung der Gesetze den Sinn der Gesetzgebung nicht erfasse. Wir behaupten, dass „wenn Moses gelesen wird, ein Schleier auf ihrem Herzen liegt“1500 , weil der Sinn des mosaischen Gesetzes denen verborgen bleibt, die den durch Jesus Christus gezeigten Weg nicht wandeln wollen. Wir wissen aber auch, dass „wenn sich jemand zu dem Herrn bekehrt“1501 - „der Herr aber ist der Geist“1502 -, er entblößt von „dem Schleier“ „mit enthülltem Angesichte“die in den verborgenen Gedanken nach der Schrift1503 „Herrlichkeit des Herrn“ wie „in einem Spiegel schaut“1504 und zu seiner eigenen Herrlichkeit an der göttlichen Herrlichkeit Anteil hat. Was hier im Bilde als „Angesicht“ bezeichnet wird, ist, wenn man unverhüllter reden will, der Geist, in welchem sich „das Angesicht“ „nach dem innern Menschen“1505 befindet, erfüllt von Licht und „Herrlichkeit“, wenn er die wahre Bedeutung des Gesetzes erfaßt hat.
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Nach den angeführten Äußerungen fährt Celsus fort: **" Es möge niemand glauben, ich wisse nicht, dass die einen von ihnen feststellen werden, sie hätten denselben Gott wie die Juden, die andern dagegen, der ihrige sei ein anderer, dem der Gott der Juden feindlich gegenüberstehe, und von jenem sei der Sohn gekommen.“** Wenn er nun meint, das Vorhandensein mehrerer Sekten unter den Christen biete einen Grund zur Anklage des Christentums, warum dürfte dann nicht auch in gleicher Weise als Anklage der Philosophie die Tatsache gelten, dass die Sekten der Philosophie sich nicht in geringfügigen und unbedeutenden Punkten, sondern in Fragen von der höchsten Wichtigkeit widersprechen? Da wäre es an der Zeit auch die Heilkunde anzuklagen, weil ihre Lehrer in ihren Meinungen auseinander gehen. Man es nun unter uns auch Leute geben, die sich dagegen verwahren, dass unser Gott derselbe sei wie der Gott der Juden, so darf man doch deshalb nicht diejenigen anklagen, welche aus denselben Schriften nachweisen, dass der Gott der Juden und der Gott der Heiden ein und derselbe sei1506 , wie auch Paulus, der vom Judentum zum Christentum übertrat, dies in den Worten deutlich sage:”Ich danke meinem Gott, dem ich von den Vorfahren her mit reinem Gewissen diene"1507 .
Es mag aber " auch noch eine dritte Art" geben von denen, “die gewisse Leute als Psychiker und andere als Pneumatiker bezeichnen”; Celsus meint wahrscheinlich die Anhänger des Valentinus. Was geht das aber uns an, die wir zur Kirche gehören und die Ansicht derjenigen verwerfen, welche meinen, dass infolge ihrer natürlichen Beschaffenheit die einen gerettet und die andern verdammt werden? Es mögen auch einige vorhanden sein; " die sich als Gnostiker ausgeben“** gerade so, wie die Epikureer sich Philosophen nennen. Aber die Leugner der Vorsehung dürften in Wahrheit wohl ebensowenig Philosophen, wie diejenigen Christen sein, welche abgeschmackte Erdichtungen, die von den Anhängern Jesu verworfen werden, aufbringen. Es mag auch " einige"1508 geben, "die den Jesus anerkennen", indem sie sich deswegen Christen zu sein rühmen, "aber auch noch weiter nach dem jüdischen Gesetze wie die Masse der Juden leben wollen" - dies sind die beiden Gruppen der Ebionäer, die entweder wie wir bekennen, dass Jesus von einer Jungfrau geboren sei, oder dies nicht annehmen, sondern behaupten, er sei auf dieselbe Weise wie die übrigen Menschen in das Leben eingetreten -: aber wie läßt sich daraus ein Vorwurf gegen die Angehörigen der Kirche ableiten, die von Celsus als ” die vom großen Haufen" bezeichnet worden sind? " Einige aber1509 , sagt er, “seien auch Sibyllisten”** ; vielleicht hat er da den oder jenen nicht recht verstanden, wenn sie solche Leute, die die Sibylle für eine Prophetin halten, radelten und ihnen den Namen “Sibyllisten” gaben.
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Darauf schüttet er über uns einen Haufen von Namen aus und sagt, „ er kenne auch einige Simoniaber, die die Helena oder als Lehrer den Helenos verehrten und deshalb Helenianer genannt würden“. Es ist aber dem Celsus unbekannt, dass „die Simonianer“ Jesus durchaus nicht als Sohn Gottes anerkennen, sondern den Simon die Kraft Gottes nennen1510 . Sie erzählen einige wunderbare Geschichten von ihm, der sich eingebildet hatte, er werde denselben Einfluß bei den Menschen erlangen, den Jesus bei der Menge besaß, wenn er ebensolche Scheinwunder verrichtete, wie Jesus nach seiner Meinung vollbracht hatte1511 . Aber weder Celsus noch Simon konnten verstehen, wie Jesus als guter„Verwalter“1512 des Wortes Gottes vermocht hat, den größten Teil von Griechenland und den größten Teil der nichtgriechischen Gebiete mit seinen Worten zu besäen und zu erfüllen, durch die die Seele von allem Bösen abgezogen und zu dem Schöpfer des Weltalls hinaufgeführt wird. Celsus kennt dann noch „ Markellianer, die von Markellina, Harpokratianer, die von Salome, ferner andere, die von Mariamme, und wieder andere, die von Martha ihren Ursprung herleiten“ Wir sind diesen Sekten niemals begegnet, obgleich wir in unserer Wißbegierde uns alle mögliche Mühe gegeben haben, nicht nur die christliche Lehre und die verschiedenen Meinungen ihrer Bekenner zu untersuchen, sondern auch nach Kräften die Ansichten der Philosophen mit Wahrheitsliebe zu erforschen. Celsus erwähnt auch „Markioniten, die sich den Markion zum Führer nehmen“,
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Um sich dann den Anschein zu geben, als ob er auch noch andere außer den Genannten wüßte, fügt Celsus nach seiner Gewohnheit hinzu: **“Die einen haben diesen, die andern jenen Lehrer und Dämon [als Vorsteher gefunden]”, indem sie in übler Weise umherirren und sich in großer Finsternis herumwälzen, noch zuchtloser und verworfener als die Vereinsgenossen des Ägyptiers Antinoos.“** Celsus scheint mir, diese Dinge berührend, etwas Wahres gesagt zu haben, dass nämlich”gewisse Leute teils diesen, teils jenen Dämon, indem sie in übler Weise umherirren und sich in großer Finsternis der Unwissenheit herumwälzen, als Vorsteher gefunden haben“. Was nun” Antinoos" betrifft, der unserem Jesus hier an die Seite gestellt wird, so haben wir von ihm bereits oben gesprochen und wollen uns jetzt nicht wiederholen.
**" Diese greifen sich“, fährt unser Gegner fort.”gegenseitig mit den stärksten Lästerungen an, die sich kaum wiedergeben lassen; und sie dürften wohl um des Friedens willen einander nicht das geringste Zugeständnis machen, da sie sich durchaus verabscheuen.“** Dem gegenüber haben wir bereits bemerkt, dass man auch in der Philosophie und in der Heilkunst Schulen finden kann, die sich gegenseitig bekämpfen. Was indessen uns betrifft, die wir der Lehre Jesu folgen und seine Worte zu verstehen und zu reden und danach zu handeln bemüht sind,”wir werden geschmäht und segnen, wir werden verfolgt und halten aus, wir werden verleumdet und trösten“1513 . Daher dürften wir wohl nicht diejenigen”mit Lästerungen und Beschimpfungen" überhäufen, die andere Lehren für wahr halten, als die wir überkommen haben. Im Gegenteil, wenn wir können, dürften wir wohl nichts unterlassen, um sie auf bessere Wege zu führen und zu bestimmen, allein dem Schöpfer zu dienen und bei all ihrem Tun das künftige Gericht nicht zu vergessen. Wenn aber die Andersdenkenden sich nicht überzeugen lassen wollen, dann halten wir uns an das Schriftwort, das uns für sie folgende Anweisung gibt; “Einen ketzerischen Menschen meide nach einer einmaligen und zweimaligen Zurechtweisung; denn wisse, dass ein solcher verdreht ist und sündigt, durch sich selbst gerichtet”1514 . Ferner dürften wohl die Menschen, welche die Worte kennen und beherzigen: “Selig sind die Friedfertigen” und “Selig sind die Sanftmütigen”1515 , “die Verfälscher” der Lehren des Christentums nicht “verabscheuen” und auch die Irrenden nicht als “Kirken und listige Unruhestifter” bezeichnen.
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Falsch verstanden hat Celsus, wie mir scheint, jenen Ausspruch des Apostels, welcher lautet: “In künftigen Zeiten werden einige vom Glauben abfallen, die sich halten an irreführende Geister und Lehren von Dämonen, auf Grund der Heuchelei von Lügenrednern, die das Brandmal im eigenen Gewissen haben, die verbieten zu heiraten und Speisen zu genießen, welche Gott geschaffen hat zum Genuß mit Danksagung für die Gläubigen”1516 , falsch verstanden aber auch die Männer, die mit diesem Ausspruch des Apostels “die Verfälscher” der christlichen Lehre bekämpften. Deshalb sagt Celsus, bei den Christen " würden einige Brandmale der Ohren genannt“.”Andere" heißen nach seiner Angabe “Rätsel”“; woher er das weiß, haben wir nicht in Erfahrung gebracht. Was das Wort”Ärgernis" betrifft, so kommt es allerdings in diesen unseren Schriften häufig vor1517 ; es ist eine Bezeichnung, die wir bei denjenigen anzuwenden pflegen, welche die einfacheren und leicht zu täuschenden Leute von der gesunden Lehre abwendig machen. Dass aber " einige tanzende Sirenen und Aufschneiderinnen genannt würden, die die Ohren versiegelten und die Gläubigen mit einem Schweinskopf versähen"** - davon wissen wir nichts und, wie ich glaube, auch kein anderer Christ oder Irrgläubiger.
Aber unser Gegner, der sich rühmt “alles zu wissen”, macht auch folgende Bemerkung: “So weit sie aber auch auseinandergehen, und so schimpfliche Dinge sie sich in ihren Streitigkeiten auch nachsagen, so kann man doch von allen die Versicherung hören: Mir ist die Welt gekreuzigt, und ich der Welt.1518” Das ist, wie mir scheint, die einzige Stelle, die Celsus aus den Schriften des Apostels Paulus erwähnt. Weshalb sollten wir denn nicht noch tausend andere Stellen dieser Art aus der Schrift anführen, wie zum Beispiel diese: “Denn wir leben wohl im Fleische, führen aber den Kampf nicht nach dem Fleische. Denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig durch Gott zum Zerstören von Bollwerken, indem wir Anschläge zerstören und alle Überhebung, die sich wider die Erkenntnis Gottes erhebt”1519 .
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Was aber seine Behauptung betrifft: „So weit sie auch auseinandergehen, so kann man doch von allen die Versicherung hören: Mir ist die Welt gekreuzigt, und ich der Welt“, so wollen wir auch diese als unwahr nachweisen. Es gibt nämlich einige Sekten, welche die Briefe des Apostels Paulus nicht annehmen, wie zum Beispiel die beiden Gruppen der Ebionäer und die sogenannten Enkratiten. Wer also den Apostel nicht als feinen und weisen Mann anerkennt, dürfte wohl auch seinen Ausspruch: „Mir ist die Welt gekreuzigt, und ich der Welt“ nicht im Munde führen. Celsus macht sich also auch hier der Unwahrheit schuldig. Er hält sich nun lange dabei auf, die Verschiedenheit der Sekten zum Gegenstand seiner Anklage zu machen, scheint mir aber das, was er sagt, nicht deutlich zu gliedern und auch nicht sorgfältig durchschaut zu haben. Meines Erachtens hat er auch nicht gehörig verstanden, wie es kommt, dass „ die Christen, welche eine tiefere Erkenntnis ihres Glaubens gewonnen haben, ein größeres Wissen zu besitzen behaupten als die Juden“ , und ob dies der Fall ist, weil sie die Bücher der Juden annehmen, diese aber anders erklären, oder weil sie die Schriften jener verwerfen. Jede der beiden Möglichkeiten dürften wir nämlich bei den Sekten finden.
Unser Gegner fährt dann fort: „ Wohlan nun, wenn sie auch für ihren Glauben keine bestimmte Grundlage haben, so wollen wir doch die Lehre an sich prüfen. Vorher aber ist von allem dem zu reden, was sie falsch verstanden haben und in ihrer Unwissenheit verderben, wenn sich in taktloser Weise sofort bei Erörterung der Hauptpunkte über das, was sie nicht wissen, selbstgefällig verfügen. Es ist aber folgendes.“ Und sofort stellt er gewissen Aussprüchen, welche die gläubigen Christen stets im Munde führen, solche der Philosophen gegenüber. Er will nämlich nachweisen, dass dasjenige, was er an der christlichen Lehre „ schön und gut“ findet, „von den Philosophen noch besser und treffender gesagt worden sei“ , um diejenigen für die Philosophie zu gewinnen, die sich von den Lehrsätzen gefangennehmen lassen, deren Schönheit und Gottseligkeit einem jeden sofort in die Augen fällt. Wir beendigen nun hier das fünfte Buch und wollen das sechste mit dem, was folgt, beginnen.