Читать книгу Zwischen Bewegung und Ruhe - Бхагаван Шри Раджниш (Ошо), Osho, Osho . - Страница 6
VERFOLGT KEINE ZIELE
ОглавлениеES GIBT VIELE SCHÖNE DINGE IN DIESEM SUTRA – UND FÜR DEN, der sucht, nicht nur schöne, sondern auch grundlegende und wesentliche! Sosan ist nämlich kein Dichter, sondern ein Seher. Alles, was er sagt, duftet nach der Poesie des Unendlichen … doch darum geht es gar nicht.
Wenn ein Erleuchteter spricht, ist alles, was er sagt, poetisch und schön. Einfach weil er so ist, wie er ist, duftet alles, was er sagt, nach seinem Wesen. Aber darum geht es nicht. Verliert euch nicht in seiner Poesie, denn Poesie hat mit Form zu tun, die Wahrheit aber hat keine Form.
Die Art, wie Sosan sich ausdrückt, ist zwar schön und poetisch, aber lasst euch davon nicht ablenken. Lasst euch nicht von der Poesie der Bhagvadgita, der Upanishaden, der Gleichnisse Jesu ablenken. Richtig, sie haben eine wunderschöne Form, aber auf die kommt es gar nicht an. Befasst euch mit dem Inhalt, nicht mit dem Gefäß.
Für den Suchenden zählt nur der Inhalt, und den Inhalt verstehen heißt, mit ihm eins zu werden. Denn es gibt keine Wahrheit jenseits des Verstehens. Genau genommen ist bereits das Verstehen die Wahrheit. Man darf also nicht sagen, durch das Verstehen gelange man zur Wahrheit; denn außer dem Verstehen gibt es keine Wahrheit.
Das Verstehen ist mit der Wahrheit identisch. Wer versteht, ist zur Wahrheit geworden. Die Wahrheit wartet nirgendwo auf dich; vielmehr offenbart sie sich dir, indem du sie verstehst.
Diese Anweisungen Sosans gelten dem Sucher – und jedes Wort ist ausgesprochen bedeutsam.
Der große Weg ist weder leicht noch schwer
Gleich welches Ziel man sich setzt, es kann entweder leicht oder schwer sein. Es kommt darauf an, wo man ist, wie weit man es noch bis zum Ziel hat, ob eine Autobahn oder ein Trampelpfad hinführt. Ist der Weg auf der Landkarte ausgewiesen, oder muss man sich seinen eigenen Weg suchen?
Wenn es ein Ziel gibt, kann es leicht oder schwer sein – je nachdem, ob man den Weg etwa schon kennt. Kennt man ihn, ist es leicht. Kennt man ihn nicht, wird es schwer. Ist man gut zu Fuß? Ob es einem leicht oder schwer fallen wird, hängt von der eigenen Kondition ab, körperlich wie geistig.
Die Wahrheit ist aber überhaupt kein Ziel, wie also kann es leicht oder schwer sein?
Manche sagen, die Wahrheit sei sehr, sehr schwer. Damit sagen sie etwas absolut Dummes. Ihre Gegner sagen das Gegenteil: „Die Wahrheit ist leicht – völlig problemlos. Man braucht sie nur zu verstehen, und das ist ganz leicht.“ Sie sagen ebenfalls etwas Verkehrtes. Aber beide Standpunkte leuchten dem Verstand ein. Schwer? – Der Verstand ist gerissen: Er kann Mittel und Schleichwege ausfindig machen, die es einem erleichtern.
Vor dreitausend Jahren war das Reisen beschwerlich. Heute ist es kinderleicht: Man steigt einfach nur in ein Flugzeug und dann darf man ausruhen. Und kaum hat man seinen Tee getrunken, ist man schon da. Wenn das Ziel schwer ist, kann man es sich halt leicht machen …
Genau das lehrt Maharishi im Westen: Er habe eine Überschallgeschwindigkeits-Technik entdeckt. Wenn es also ein schwieriges Ziel ist, dann ist es mit einem Ochsenkarren nur unter größten Schwierigkeiten zu erreichen, aber mit einem Jumbojet ist es ein Klacks!
Aber gibt es überhaupt ein Ziel? Das ist ausschlaggebend. Wenn es ein Ziel gibt, irgendwo in weiter Ferne, kann man leichtere Verkehrsmittel, Fahrzeuge konstruieren, um hinzugelangen. Nur: Gibt es ein Ziel?
Sosan verneint diese Frage – wie also kann es ohne ein Ziel schwer oder leicht sein? Und wie könnte ein Weg zu einem nicht vorhandenen Ziel führen? Und wie kann es, wenn es kein Ziel gibt, Methoden und Techniken geben, um hinzugelangen? Ausgeschlossen! Seine Aussage, dass es weder leicht noch schwer sei, heißt: Es gibt gar kein Ziel: Der große Weg ist weder leicht noch schwer … Was meint er dann aber mit großem Weg?
Dieser große Weg ist euer Wesen – und das ist bereits da! Daher ist es kein Ziel – nichts Zukünftiges. Es ist keine Zeit erforderlich, um hinzugelangen. So seid ihr seit jeher gewesen, es ist längst da. Ihr seid am Ziel, ihr lebt im Ziel. Ihr könnt nur in ihm existieren, ihr könnt unmöglich aus ihm aussteigen.
Soviel ihr auch wandern mögt, ihr könnt es nicht abschütteln. Wohin ihr auch geht – euer Tao kommt mit. Es ist euer eigentliches Wesen. Es ist unentbehrlich, ihr könnt es nicht ablegen und vergessen. Ihr seid bereits da, denn dieses da ist hier. Ihr braucht es nicht in der Zukunft zu suchen – seid einfach nur hier und ihr findet es.
Sucht es, und ihr werdet es verfehlen. Sucht nicht, seid einfach, und es ist da. Und ihr werdet lachen, denn es ist seit jeher da gewesen – nur weil ihr es gesucht habt, war es nirgends zu finden. Nur weil ihr es immer so eilig hattet, konntet ihr nie nach innen schauen.
Der große Weg ist weder leicht noch schwer,
doch die Einfältigen sind ängstlich und unschlüssig:
Je schneller sie rennen, je mehr erlahmen sie und
greifen nach jedem Strohhalm.
Wer unbedingt erleuchtet werden will, ist auf dem Holzweg.
Lasst einfach den Dingen ihren Lauf
dann hört das ewige Hin und Her auf.
Du bist der Weg und du bist das Ziel, und zwischen dir und dem Ziel ist kein Abstand. Du bist der Sucher und du bist das Gesuchte; es ist kein Abstand zwischen dem Sucher und dem Gesuchten. Du bist der Anbeter und du bist das Angebetete. Du bist der Jünger und du bist der Meister. Du bist das Mittel und du bist der Zweck: Dies ist der große Weg. Er war seit jeher in Reichweite. In diesem Moment seid ihr in ihm. Wacht auf, und ihr seid drin. Selbst im Schlaf bleibt ihr drin. Aber weil ihr schlaft, könnt ihr das nicht erkennen. Und dann fangt ihr an zu suchen.
Ihr seid wie ein Säufer, der vor seiner Haustür steht und sich nach etwas erkundigt, was direkt vor ihm ist. Denn eure Augen sind benebelt – sie sind zu voll von Meinungen und Wertungen, von Begriffen und Theorien. Darum ist eure Sicht verschwommen, denn bei genauerem Hinsehen habt ihr das Gesuchte direkt vor euch.
Die Hindus kennen da eine Methode: der Blick auf die eigene Nasenspitze! Setz dich einfach nur still hin und schau auf deine Nasenspitze. Die Leute werden dich auslachen und fragen: „Was soll der Unsinn? Wozu soll das gut sein?“ Aber sie wissen halt nichts. Den Hindus zufolge ist euch die Wahrheit so nah wie eure eigene Nasenspitze! Seid still und seht auf eure Nasenspitze und verliert euch nicht in Gedanken. Und plötzlich ist sie da – so wie die eigene Nasenspitze: immer direkt vor euch.
Und das ist das Schöne an der Nasenspitze: Wohin man auch geht, sie ist immer vorne. Egal ob du auf dem richtigen oder falschen Weg bist, sie ist immer da. Ob du ein Sünder oder ein Heiliger bist: Sie ist immer vorne. Man kann machen, was man will – etwa einen Kopfstand wie die Yogastellung Sirshasan – die Nasenspitze ist immer vorne. Schlaf ein, sie ist da; wach auf, sie ist da. Darum der Blick auf die eigene Nasenspitze. Denn egal was man macht, man kann sie nirgendwo anders hintun als da vorne. Bei jeder Bewegung geht sie mit. Der Blick auf die eigene Nase bedeutet: Begreife, dass du die Wahrheit direkt vor der Nase hast. Wohin du auch gehst, sie kommt mit. Da du sie nicht verlieren kannst, brauchst du sie auch nicht zu suchen. Um dich zu vergewissern, dass sie noch da ist, sieh einfach hin. Normalerweise sieht niemand auf seine Nasenspitze, da man immer woandershin sieht, sich für andere Dinge interessiert; wer will schon wissen, ob seine Nasenspitze da ist!
Die Hindus haben da noch eine andere schöne Theorie: Ihnen zufolge muss jemand, der anfängt, immerzu seine Nasenspitze zu sehen, bald sterben; er wird binnen sechs Monaten sterben. Wem seine eigene Nasenspitze ständig die Sicht versperrt – bei allem, was er tut, gerät sie ihm in den Blick! –, der wird binnen sechs Monaten sterben.
Das kommt nicht von ungefähr; denn man bemerkt seine Nasenspitze erst, wenn alle Wünsche, alle Wunschobjekte sinnlos geworden sind. Man hat keine Energie für Wunschdenken mehr, denn der Tod rückt näher. Man ist völlig schlapp, alle Vitalität ist verebbt. Die Augen werden langsam starr, man kann keinen Wünschen und Zielen mehr nachrennen. Im letzten Moment bleibt einem nur noch der Blick auf die Nasenspitze. Dies ist die eine Bedeutung.
Und die andere, tiefere Bedeutung ist: Sobald man die eigene Nasenspitze sieht, ist man für diese Welt gestorben. Eine neue Geburt steht an, denn jetzt steht ihm klar vor Augen, was mit Händen zu greifen war: Diese Welt, dieses Leben ist vergänglich. Für sein altes Dasein ist er schon tot. Er ist ein neues Wesen – wiedergeboren. Jetzt hat das Hin und Her ein Ende.
Wie? Er ist angekommen… einfach indem er auf seine Nasenspitze geblickt hat? Ja, schließlich geht es nur darum, nach vorn zu blicken statt wegzusehen. Denn die Wahrheit steht vor dir, es kann gar nicht anders sein!
Sie ist weder leicht noch schwer. Dazu ist keine Mühe erforderlich, wie also kann sie leicht oder schwer sein? Es kommt aufs Erwachen an, nicht auf Mühe. Dazu braucht man keinen Finger zu rühren.
Wer etwas macht, verfehlt es, denn dann ist er ein Macher. Und was immer man auch macht, ist entweder leicht oder schwer. Es kommt darauf an, gar nichts zu machen; und das kann weder leicht noch schwer sein, damit betritt man eine vollkommen andere Welt, in der man nur ist! Wie kann das Sein leicht oder schwer sein? Da ist man halt. Das ist der große Lebensweg. Es geht einzig und allein darum, endlich zu erkennen und die eigene Nasenspitze zu sehen – einfach nur mit klaren Augen nach vorn zu sehen.
… doch die Einfältigen sind ängstlich und unschlüssig:
Je schneller sie rennen, je mehr erlahmen sie …
Es mag widersprüchlich klingen, aber das trifft auf jeden zu. Das trifft auch auf euch zu. Je eiliger ihr es habt, desto langsamer kommt ihr voran. Warum? Weil ihr nicht nach vorne schaut… dorthin, wo das Ziel liegt! Je schneller ihr rennt, desto schneller verirrt ihr euch.
Was eure Geschwindigkeit betrifft, seid ihr schnell; aber was das betrifft, was euch dabei entgeht, seid ihr langsam. Je schneller ihr seid, desto langsamer. Bleibt einfach dort, wo ihr seid – genau hier. Und schon seid ihr am Ziel. Ihr braucht weder Raum noch Zeit zu überwinden. Bleibt einfach hier. „Hier und Jetzt“ sei euer Mantra, und sonst braucht ihr nichts. Seid jetzt und hier. Geht nirgendwohin, ob schnell oder langsam.
Folgende Geschichte…
Ein kleiner Junge kommt wie immer viel zu spät zur Schule. Die Lehrerin schimpft ihn aus: „Was! Schon wieder? Und heute sogar noch später als sonst! Wie oft hab ich dich schon ermahnt, aber du hörst ja nicht zu!“
Der Junge erwidert: „Wenn Sie wüssten, wie es da draußen regnet! Die Straße ist schon so rutschig, dass man bei jedem Schritt vorwärts zwei Schritte zurückrutscht. Je schneller ich rannte, desto später wurde es. Es ging mehr rückwärts als vorwärts!“
Die Lehrerin kontert: „Du bist sehr clever! Nur: wie hast du es dann bis hierher geschafft?“
Der Junge darauf: „Ich bin einfach wieder nach Hause gegangen. So ging’s dann.“
Ihr seid ebenfalls auf einer rutschigen Straße unterwegs. Denn je schneller ihr rennt, desto langsamer kommt ihr voran – weil ihr weggeht. Was das Ziel betrifft, könnt ihr noch so schell rennen, ihr entfernt euch von ihm. Euer Tempo ist gefährlich: Es führt weg vom Ziel. Außerdem braucht ihr euch gar nicht so zu beeilen: Haltet einfach an und öffnet die Augen!
Es kommen Leute zu mir, die fragen: „Wann werden wir endlich erleuchtet? Wann?“ Wenn ich sage: „Jetzt!“, sehen sie mich ungläubig an. Ich wiederhole: Jetzt.
Falls ihr dieses Jetzt verpasst, dann eben ein anderes – aber immer jetzt. Es gibt keine andere Zeit. Wann immer es geschieht, wird es im Jetzt geschehen, und wann immer es geschieht, es wird im Hier geschehen. Hier und jetzt sind nicht zwei Wörter, so wie Raum und Zeit nicht zwei Wörter sind. Einstein prägte einen neuen Begriff: Raumzeit. Er machte ein Wort aus zweien: Raumzeit, denn er bewies wissenschaftlich, dass die Zeit nur die vierte Dimension des Raums ist und folglich nicht zwei Wörter nötig waren.
Genauso wenig, wie hier und jetzt nicht zwei Wörter sind. Jahrtausende vor Einstein haben Mystiker wie Sosan dies bereits gewusst. Es muss now-here heißen. Man muss aus beiden Wörtern eines machen; denn sie sind eins: Das now ist nur eine Dimension des here, seine vierte Dimension. Nowhere ist ein Wort – und es bedeutet nirgendwo! Und egal wann es geschieht: Es wird im Jetzthier geschehen, im now-here, also im nowhere, im Nirgendwo. Und wozu warten, wenn es jetzt gleich geschehen kann? Doch ihr seid unschlüssig und ängstlich – daher das Problem.
Was bedeutet Ängstlichkeit? Was spielt sich in einem ängstlichen Menschen ab? – Er will es wohl, aber will es auch nicht. So ergeht es dem Ängstlichen: Einerseits will er aufbrechen, andererseits will er nicht aufbrechen, weil er Angst hat. Er möchte zwar, ist sich aber nicht sicher… unschlüssig.
Jesus spricht immer wieder von Angst – als Gegenteil des Glaubens. Er benutzte nie Unglaube oder Misstrauen als Gegenteil von Glaube. Für ihn war das Gegenteil von Glaube die Angst. Er sagte: „Nur wer keine Angst hat, wird zum Glauben finden.“ Denn Glaube ist ein Entschluss. Glaube ist eine Entscheidung, und zwar eine endgültige Entscheidung. Man lässt sich rückhaltlos auf ihn ein, man vertraut ohne Vorbehalt, bedingungslos. Das ist unwiderruflich. Wer soll es widerrufen, wenn man sich restlos drauf eingelassen hat?
Ein Glaube ist absolut: Wer sich drauf einlässt, lässt sich drauf ein. Man kann es nicht rückgängig machen – wie soll das gehen? Wer einmal drin bist, für den gibt es kein Zurück. Wer soll zurückkommen? Es steht keiner hinter dir, der dich zurückholen kann. Es ist ein Sprung in den Abgrund, und Jesus trifft es genau, wenn er die Angst als das Gegenteil des Glaubens identifiziert. Niemand anders hat das je getan. Doch er hat absolut recht; denn er spricht nicht die Sprache der Welt, sondern die Sprache des Wesentlichen.
Es ist also die Angst, die euch nicht erlaubt, euch auf den Glauben einzulassen – und wohlgemerkt kein Unglaube. Nicht der Unglaube hindert euch daran, euch auf den Glauben einzulassen, sondern die Angst. Ihr rationalisiert freilich euren Unglauben, eure Angst; ihr vertuscht sie mit schönen Worten und sagt: „Da bin ich skeptisch, ich bezweifle das. Wie kann ich diesen Schritt tun, wenn ich nicht restlos überzeugt bin?“
Doch seht mal tief in euer Inneres, und ihr werdet auf Angst stoßen. Angst heißt: Zur Hälfte willst du es wagen, aber die andere Hälfte will es nicht. Die eine Hälfte fühlt sich vom Unbekannten angezogen, hat seinen Ruf, seinen Lockruf vernommen, und die andere Hälfte hat Angst vorm Unbekannten und klammert sich ans Bekannte. Denn das Bekannte kennt man, es macht keine Angst.
Man hat einen Job; damit kennt man sich aus. Wenn man sich aber verändern will – in einen neuen Job, eine neue Lebensweise, neue Gewohnheiten wechseln will, sich neu erfinden möchte, klammert sich die eine Hälfte ans Bekannte und sagt: „Bleib, wo du bist! Wer weiß, es mag auch schlimmer werden. Und wenn du’s getan hast, gibt’s kein Zurück.“
Diese Hälfte sagt also: „Halt fest!“
Diese Hälfte gehört der Vergangenheit an, denn die ist bekannt – als Erinnerung. Doch die andere Hälfte ist immer auf dem Sprung, fühlt sich berufen, zu neuen Ufern aufzubrechen, sich ins Unerforschte zu wagen – denn alles Neue verheißt Ekstase. Daher die Angst. Man ist gespalten. Angst spaltet euch, und wer gespalten ist, weiß nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. Man setzt einen Fuß ins Unbekannte, der andere Fuß bleibt im Vergangenen, im Grab der Vergangenheit. Und dann steckt man fest, denn mit nur einem Bein, einem Fuß kommt niemand weiter. Dazu sind alle beide nötig – deine beiden Flügel, deine beiden Seiten. Nur so kommst du voran.
Wer unschlüssig ist, steckt fest – und alle stecken fest. Das ist das Problem, daher die Angst. Wer feststeckt, kommt nicht voran, aber der Strom des Lebens geht weiter. Du aber bist wie versteinert, gelähmt, ein Gefangener der Vergangenheit …
… doch die Einfältigen sind ängstlich und unschlüssig:
Je schneller sie rennen, je mehr erlahmen sie …
Ihr ganzes Leben ist widersprüchlich. Was die eine Hand tut, macht die andere Hand gleich wieder kaputt – unschlüssig. Einerseits liebt man jemanden, doch andererseits hasst man ihn auch. Einerseits weckt man Liebe, andererseits sät man den Hass. Und nie kommt man sich auf die Schliche.
Erst gestern Abend sprach ich mit jemandem über ein verborgenes Kloster in Bokhara. In diesem Kloster hat Gurdjieff mindestens sechs Jahre verbracht. Viele von seinen Techniken gehen auf diesen Sufi-Orden zurück. Eine dieser Sufi-Techniken wird dort noch heute benutzt. Es ist eine sehr schöne Technik: Jeder, der in dieses Kloster eintritt, dort Schüler wird, bekommt ein Täfelchen um den Hals gehängt, auf dem steht: „Ich bin negativ, nimm mich bitte nicht ernst…“ Mit anderen Worten: Wenn ich etwas Falsches sage, meine ich nicht dich. Denn ich bin negativ, bis oben hin voller Hass, Wut, Depressionen. Und alles, was ich mache, entspringt meiner Negativität… hat also nichts mit dir zu tun. Auf der Rückseite des Täfelchens steht: „Ich bin positiv, ich bin liebevoll, anhänglich: Nimm mich bitte nicht ernst…“ Wenn ich sage, dass du schön bist, meine ich nicht dich – ich bin einfach nur high.
Und jedes Mal, wenn seine Stimmung umschlägt, dreht er das Täfelchen um, damit die richtige Seite vorn ist – je nachdem, wie er sich gerade fühlt. Und das bewirkt vieles, weil keiner ihn ernst nimmt! Wenn er negativ ist, lachen alle nur.
Wenn irgendwem übel wird und er sich erbricht, na und? Er besudelt euch ja nicht, er tut euch damit ja nichts an. Er muss etwas ausspucken – etwas, was ihm zu schaffen macht.
Und sobald der Novize nicht mehr gespalten ist und er zum Meister kommt und sagt: „Ich bin weder das eine noch das andere; ich bin weder negativ noch positiv… Das war einmal, jetzt aber setze ich alle beiden Flügel zum Fliegen ein – jetzt bin ich aus einem Guss!“ Und erst dann wird ihm das Täfelchen abgenommen.
Sobald ihm das Täfelchen abgenommen wird, ist er erleuchtet. Dann ist er heil und ganz. Bis dahin widerspricht er sich ständig und ist todunglücklich und fragt sich: „Was ist nur mit mir los?“ Gar nichts ist mit dir los! Mit der einen Hand tust du Gutes, und im selben Moment machst du es mit der anderen Hand wieder kaputt – zerstörst du augenblicklich das Gute, womit die andere Hand vorgeprescht war. Und warum? Weil du unschlüssig bist, gespalten bist.
Eine Seite von euch klammert sich an die alten Gewohnheiten, eine andere Seite will ins Unbekannte aufbrechen. Einerseits wollt ihr an der Welt festhalten, andererseits wollt ihr sein wie ein Vogel, der sich zum unbekannten Himmel des Göttlichen aufschwingt oder zum göttlichen Kern der Schöpfung. Dann steckt ihr fest.
Versucht, dies zu erkennen.
Das fällt euch nur darum so schwer, weil ihr noch nie versucht habt, es zu erkennen – denn an sich ist das keineswegs schwer. Es ist weder schwer noch leicht. Erkennt einfach, was ihr euch selbst und anderen antut. Alles Halbherzige stürzt euch ins Unglück. Wer feststeckt, der stürzt, und zwar in die Hölle. Die Hölle ist ein Ort für Steckengebliebene, und der Himmel ist ein Ort für alle, die sich bewegen, die nicht tiefgefroren sind. Die Hölle ist ein Ort ohne Freiheit; im Himmel herrscht Freiheit.
Die Hindus nennen das Allerhöchste Moksha – was „absolute Freiheit“ heißt. Niemand steckt fest, egal wo: frei dahintreibend wie ein Fluss, ein Vogel im Flug, ringsumher der endlose Himmel, an nichts gebunden …
Je schneller sie rennen, je mehr erlahmen sie
und greifen nach jedem Strohhalm.
Und vergesst nicht: Sobald ihr euch an etwas klammert, ist das ein großes Problem. Es kommt nicht darauf an, woran ihr euch klammert. Daher sagt Sosan: Ihr Klammern kennt keine Grenzen. Es beschränkt sich nicht nur auf diese Welt, auf diesen Köper und seine Sinne und Freuden. Man kann sich auch an die Erleuchtung, an Gott klammern, man kann sich an die Liebe, an Meditation und ans Beten klammern. Und wer klammert, steckt wieder fest.
Klammert euch an gar nichts, bleibt frei und beweglich. Je mehr ihr euch bewegt, desto näher kommt ihr euch selbst. Wenn ihr euch nur noch bewegt, eure Energie nirgends mehr feststeckt, klopft die Wahrheit an eure Tür. Sie hat seit jeher angeklopft, ihr aber stecktet fest und habt nichts gehört. Dabei sitzt sie direkt vor euch, auf der eigenen Nasenspitze!
Selbst wer erleuchtet werden will, ist auf dem Holzweg.
Dann wird das zum Problem. Wer immerzu denkt: „Ich muss unbedingt zur Erleuchtung gelangen!“, der hat ein Problem. Man kann gar nicht zur Erleuchtung gelangen, sie kommt von sich aus. Sie ist keine Leistung, und dem Ehrgeiz wird sie allemal verwehrt.
Man mag anfangs nach weltlicher Macht streben und danach Macht im Jenseits anstreben. Man mag erst weltlichen Reichtum anstreben und dann jenseitigen Reichtum anstreben – aber man bleibt derselbe, und alles, was man denkt, ja die ganze Grundeinstellung bleibt dieselbe: Erlangen! Erreichen! Derselbe Ego-Tripp. Ehrgeiz und Ego sind dasselbe.
Ankommen wird nur, wer nichts leisten will, wer einfach nur mit dem zufrieden ist, was da ist, egal wo, wer einfach nur selig ist, so zu sein, wie er ist. Er hat kein Ziel. Er will nirgendwohin. Er bewegt sich zwar, aber nicht auf ein Ziel zu. Er bewegt sich, weil er Soviel Energie hat, und nicht, weil er auf etwas aus ist – er bewegt sich unmotiviert. Freilich, er kommt ans Ziel – doch das steht auf einem anderen Blatt, das spielt keine Rolle.
Ein Fluss entspringt im Himalaja: Er will nicht zum Meer, er kennt das Meer nicht, weiß nicht, wo es ist, und so ist ihm das Meer völlig egal. Einfach nur dies Plätschern durch den Himalaja ist ein so herrliches Lied, an Gipfeln und Schluchten vorbei, an all den Bäumen vorbei, hinab zur Ebene, zu den Menschen. Einfach so dahinzuströmen ist herrlich! Und jeder Augenblick dieser Bewegung ist herrlich – denn das ist sein Leben.
Und der Fluss hat keinerlei Ahnung von einem Ziel oder einem Meer – darum geht es ihm gar nicht. Und ginge es ihm darum, wäre der Fluss im selben Schlamassel wie ihr. Dann würde er überall anhalten und nachfragen: „In welche Richtung? Nach Norden oder Süden? Oder besser nach Osten oder Westen? Wo muss ich hin?“
Und wohlgemerkt: Das Meer ist überall. Es ist völlig egal, ob man nach Norden oder Osten oder Westen geht: Das Meer ist überall, das Meer umschließt euch. Wohin ihr auch geht, es liegt immer vor euch; geht hin, wo ihr wollt – es spielt keine Rolle.
Fragt nicht nach dem Weg, fragt lieber, wie man sich erst mal in Bewegung setzt. Fragt nicht nach dem Ziel, denn das steht nicht fest. Aber egal wo ihr hingeht, geht tanzend! Ihr werdet ganz von selbst zum Meer finden. Das gilt für kleine Flüsse, das gilt für große Flüsse, sie alle finden hin. Ein kleiner Bach – man kann sich nicht vorstellen, wie ein so winziges Bächlein zum Meer finden soll –, aber es findet hin.
Klein oder groß, das spielt gar keine Rolle. Die Existenz ist jedem grenzenlos zugeneigt, egal ob er groß oder klein ist. Kleine Bäume blühen, große Bäume blühen. Auf das Blühen kommt’s an! Und wenn ein kleiner Baum aufblüht, freut der sich genauso sehr wie ein großer Baum, wenn er aufblüht. Beide empfinden genau dasselbe Glück. Das Glück richtet sich weder nach der Größe noch nach der Menge. Es ist eine Eigenschaft deines Seins. Ein kleiner Fluss ergießt sich ebenso tanzend ins Meer wie ein großer Fluss.
Macht einfach daraus kein Ziel; sonst geht es, je eiliger ihr es habt, desto langsamer voran. Und je mehr ihr es erreichen wollt, desto mehr steckt ihr fest: denn desto ängstlicher werdet ihr. Dann packt euch die Angst, das Ziel zu verfehlen, verkrüppelt euch die Angst, es nicht zu erreichen, lähmt euch die Angst, euch zu verirren. Ohne Ziel gibt es auch keine Angst.
Vergesst nicht: Angst ist zielgerichtet. Wenn es nirgendwo hingeht, habt ihr auch keine Angst. Ihr könnt nichts verfehlen, ihr könnt nicht scheitern – wovor also Angst haben? Angst ist die Möglichkeit, ein Versager zu sein. Worauf beruht denn diese Möglichkeit zu scheitern? Doch darauf, dass man ein Ziel verfolgt – dass man immer sein Ziel vor Augen hat!
Es kommen Leute zu mir und sagen: „Seit drei Monaten meditieren wir nun schon, aber es ist nichts passiert.“ Woher denn auch – denn ihr wartet ja drauf! Ihr könnt nicht warten, bis es so weit ist, weil euch schon das Warten innerlich überfordert: Ihr seid angespannt.
Entspannt euch! Wenn ihr nicht mehr da seid, ist es so weit. Es wird nie und nimmer euch geschehen – da es erst dann geschieht, wenn euer Boot leer ist, wenn euer Haus geräumt ist. Denn es geschieht erst dann, wenn ihr tanzt, aber kein Tänzer da ist. Erst wenn ihr beobachtet, aber kein Beobachter da ist, wenn ihr liebt, aber kein Liebender da ist, wenn ihr spazieren geht, aber kein Spaziergänger da ist, dann geschieht es.
Ihr dürft nicht warten, euch nicht anstrengen, euch kein Ziel setzen, sonst wird sogar noch die Erleuchtung zur Knechtschaft! So ist es unzähligen Menschen im Osten ergangen. Millionen von Menschen nehmen Sannyas – sie werden buddhistische Bhikkhus oder hinduistische Sannyasins, sie ziehen sich in die Klöster zurück und stecken dort dann fest. Das ist der einzige Unterschied. Wenn sie dann zu mir kommen, sind sie genau wie alle anderen auf der Welt. Ob sie nun in der Marktwirtschaft oder in einem Kloster festsitzen, ob man draußen in der Welt scheitert oder im Kloster scheitert, ist völlig egal. Nur fragt sich niemand, wieso sie gescheitert sind. Jeder führt sein Scheitern selbst herbei: Wer sich ein Ziel setzt, ist zum Scheitern verurteilt.
Letzten Endes ist der Ehrgeiz das Hindernis – das größte Hindernis überhaupt. Seid einfach nur da: Dann offenbart sich das Allerhöchste von selbst. Die Entscheidung liegt beim Allerhöchsten … es ist sein Problem, nicht eures. Überlasst es ihm, er weiß es am besten. Lasst es Gottes Problem sein, mag er sich den Kopf darüber zerbrechen! Macht euch keine Sorgen – genießt euer Leben, solange es währt. Tanzt und singt und seid ekstatisch und überlasst Gott die Sorgen. Wieso macht ihr euch Sorgen?
Seid einfach unbesorgt. Und seid nicht ehrgeizig, denn der Ehrgeiz ist der größte Krampf, der dem menschlichen Geist blühen kann. Dann könnt ihr nicht mehr das Hierjetzt erkennen, dann schaut ihr nur noch ins weit Entfernte, in die Zukunft – dort ist das Ziel, die Utopie, die goldene Stadt oder Shamabala … dort! Da geht es hin, also rennt ihr. Wo rennt ihr hin? Shambala ist hierjetzt, die Utopie ist längst da.
Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Auf wen wartet ihr? Ich bin hier!“ Selbst seine eigenen Jünger fragten: „Wann kommt der Messias? Wann?“ – Denn die Juden warteten seit Urzeiten auf den kommenden Messias, und als er kam, waren sie nicht bereit, ihn willkommen zu heißen. Sie warten noch heute. Dabei ist Jesus gekommen! Sie aber warten weiter. Selbst als Jesus noch nicht da war, gab es viele andere Jesusse – es gab sie immer.
Gott fließt immerzu über. Mal als ein Mohammed, mal als ein Jesus, mal als ein Buddha, mal als ein Sosan oder ein Tschuangtse. Er geizt nie, er ist immer unter euch, er kann gar nicht anders! Er ist kein Geizkragen. Doch die Christen behaupten, er hätte nur einen Sohn. Ist er impotent?
Wurde er nach Jesu Geburt impotent? Das klingt absurd: „Der eingeborene Sohn Gottes“. Das ist gar nicht möglich, oder euer Gott ist überhaupt kein Gott – taugt nicht dafür.
Ein Maler malt immerzu weiter und übertrifft sich immer selbst. Van Gogh wurde einmal gefragt: „Welches deiner Gemälde ist das beste?“
Er erwiderte: „Dieses, das ich gerade male.“
Ein paar Tage drauf stellte ihm der Mann dieselbe Frage noch einmal.
Van Gogh sagte: „Wie gesagt: Dieses!“ – Dabei malte er bereits ein anderes Bild. „Immer das Bild, das ich gerade male, ist mein bestes.“
Gott fließt über, fließt bis in alle Ewigkeit über.
Wenn Mo-hammed kommt, ist Mohammed der Beste, wenn Buddha kommt, ist Buddha der Beste. Tatsächlich erschafft Gott nie etwas Zweitklassiges. Er erschafft immer nur das Allerbeste, Unvergleichliche. Aber die Leute warten lieber. Seinen Boten vor ihrer Tür können sie nicht erkennen, weil ihre Augen woanders hinschauen, wie gebannt auf etwas anderes, auf irgendeine Utopie starren. Sie sind gar nicht da, sie sind nicht zu Hause. Ihr seid nie da, wo ihr seid. Dabei steht er vor euch und klopft, nur ihr seid nicht da.
Lasst es seine Sorge sein, ihr aber dürft unbesorgt sein. Ihr könnt zwischen zwei Zuständen wählen: Entweder seid ihr besorgt oder ihr seid ekstatisch; doch beides zusammen geht nicht. Wenn ihr ekstatisch seid, dann bis zum Wahnsinn. Wenn ihr besorgt seid, dann bis zum Wahnsinn. Es gibt zwei Arten von Wahnsinnigen: der eine, weil er sich zu viele Sorgen macht, und der andere, weil er einfach nur da ist, sein Wesen überschäumend ist.
Ihr habt die Wahl: Entweder wird aus dir ein tief besorgter Wahnsinniger auf der Couch irgendeines Psychiaters oder aber ein von Gott begeisterter Wahnsinniger, ein „Tor Gottes“ wie der heilige Franziskus oder Sosan. Dann wird dein ganzes Leben zum Tanz, zur nie endenden Ekstase, zum immerwährenden Segen, der ständig weitergeht und zunimmt, noch mehr zunimmt und zunimmt – da ist kein Ende abzusehen. Er beginnt, aber endet nie.
Lasst einfach den Dingen ihren Lauf,
dann hört das ewige Hin und Her auf.
Unendliche Gnade; kein Hin und Her. Ihr braucht alles einfach nur so zu lassen, wie es ist – mischt euch nicht ein, versucht nichts zu ändern. Aber dies will dem Verstand einfach nicht in den Kopf. Denn der Verstand möchte gern alles ändern: Wenn du ein Sünder bist, sollst du heilig werden; wenn du hässlich bist, sollst du schön werden, wenn du böse bist, sollst du gut werden.
Der Verstand will immer alles verändern – versucht es zumindest, und das findet Anklang, da jeder weiß: „Richtig, du kannst dich bessern, also versuch dich zu ändern!“ Und wenn’s nicht klappt, steckt man fest – denn man ist längst besser! Man braucht sich nur keine Sorgen mehr zu machen und endlich anfangen zu leben. Sei einer, der lebt, und lass alles so, wie es ist.
Akzeptiert! Wer seid ihr schon, euch Sorgen zu machen? Ihr wurdet geboren – niemand hat euch gefragt, ob ihr geboren werden wolltet. Sonst wärt ihr von Anfang an stecken geblieben, weil ihr unfähig seid, euch zu entscheiden: Ihr seid unschlüssig.
Wärt ihr gefragt worden… hätte Gott euch höchstpersönlich gefragt – gut, dass er diesen Fehler nicht begangen hat, denn er weiß, was ihr sonst bis in alle Ewigkeit nicht gewusst hättet – ihr hättet hin und her überlegt, ob ihr zur Welt kommen wollt oder nicht. Also hat er euch kurzerhand reingeworfen, ohne euch um Erlaubnis zu bitten – sonst gäb es euch gar nicht. Und wenn er euch dereinst fragen würde, ob ihr sterben wollt, würdet ihr wieder feststecken. Er holt euch einfach wieder raus, ohne zu fragen. Er kennt euch zu gut: Ihr könnt euch nicht entscheiden.
Bäte er euch zu entscheiden: „Wann willst du sterben?“ – was würdet ihr dann sagen? „Samstagmorgen? Sonntag?“ Nein!
Die Woche hat zwar nur sieben Tage, aber ihr könntet euch nicht entscheiden. Also muss er kommen, ohne euch zu fragen.
Wenn sich euer Leben ohne euch abspielt – eure Geburt, euer Tod, eure Liebe spielt sich ohne euch ab –, warum solltet ihr euch dann den Kopf zerbrechen? Wer auch immer am Hebel sitzt: Wenn er euch das Leben schenken kann, euch sterben lassen kann, euch erschaffen und entsorgen kann, dann soll er sich halt auch über alles andere den Kopf zerbrechen. Ihr aber freut euch des Lebens, solange es währt. Und wenn ihr es schafft, euer Leben restlos auszukosten, geht euch plötzlich auf: „Darauf kommt’s an!“ Dann wird euch das ewige Leben zuteil …
Jesus sagt: „Ich bin gekommen, um euch das ewige Leben zu schenken – das Reich Gottes.“ Und der Weg dorthin ist, alles geschehen zu lassen. Mischt euch nicht ein, verstellt euch nicht selbst den Weg. Lasst eurem Tao freien Lauf, lasst eurem Wesen freien Lauf, egal, wo es hinwill!
Achtet das Wesen von allem (eure eigene Natur),
dann könnt ihr euch frei und ungehindert bewegen.
Wenn Gedanken geknechtet werden,
bleibt die Wahrheit verborgen, alles ist trübe und unklar.
Die Unart, alles beurteilen zu müssen,
erzeugt nur Ärger und Erschöpfung.
Welche Vorteile sollen sich durch Unterscheidungen
und Spaltungen ergeben?
Wenn ihr voller Gedanken seid, werdet ihr trübsinnig, könnt ihr nicht mehr klar sehen. Was also tun? Die Gedanken sind da. Lasst sie gewähren – sie gehen euch nichts an. Lasst sie gewähren – lasst sie in Ruhe. Sie gehen auch wieder: lasst sie ziehen.
Wozu sich einmischen und sie stören? Sie plätschern dahin wie ein Bach – lasst sie fließen. Ihr sitzt einfach am Ufer. Sagt zu euren Gedanken: „Okay, wenn am Himmel die Wolken ziehen und es auf der Erde Bäume und Flüsse und Meere gibt, warum dann nicht auch Gedanken in meinem Kopf?“ Akzeptiert sie: Okay! Wenn ihr sie akzeptiert und Okay sagt, spürt ihr, wie sich plötzlich etwas verändert – denn ohne eure Energie kommen diese Gedankengänge erst gar nicht in Gang.
Und wenn ihr unbeteiligt bleibt, zieht sich ihre Energie allmählich zurück. Sie werden immer weniger. Dann kommt ein Augenblick, da sich Gedanken nur noch dann bilden, wenn sie gebraucht werden. Gedanken sind keine Last. Unnötige Gedanken sind eine Last: Sie trüben eure Sicht. Die Trübung kommt durch überflüssigen Gedanken zustande.
Um laufen zu können, benutzt man seine Beine; wer denken möchte, setzt seine Gedanken in Gang, wer kommunizieren will, braucht seinen Verstand. Doch warum strampelt man, wenn man unter einem Baum sitzt, mit den Beinen? Das wirkt verrückt. Euer Verstand jedoch steht nie still! Der Verstand hat zwar seine Aufgaben, die fallen aber nur ab und zu an.
Wenn er gebraucht wird, erfüllt der Verstand seine Aufgabe. Im Moment spreche ich zu euch: Mein Verstand funktioniert, wie sonst könnte ich zu euch sprechen? Wenn Sosan etwas zu sagen hat, könnte er es nicht ohne seinen Verstand sagen. Aber sobald ich zu sprechen aufgehört habe, hat er seine Aufgabe erfüllt; dann tritt er ab – so wie die Beine ruhen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden: Sie sind nicht da.
Wenn man hungrig ist, isst man. Wenn man kommunizieren will, braucht man Gedanken. Ist der Hunger gestillt, isst man nicht weiter. Aber es gibt Leute, die kauen Kaugummi, sind Kettenraucher. Dann sind Kaugummi und Rauch Ersatz fürs Essen: Am liebsten würden sie immerzu essen; da das aber nicht möglich ist, weil der Körper es nicht ertragen würde, stecken sie einfach nur irgendetwas in den Mund – ob Kaugummi oder Pan oder eine Zigarette, oder machen sonst was. Oder wenn sie gar nichts machen können…
Früher durften die Frauen in aller Welt zum Beispiel den Männern nicht ihre Dummheiten nachmachen: Sie durften nicht rauchen, auch Kaugummi oder dergleichen war verboten; andernfalls waren sie verrucht oder geschmacklos. Was also taten sie? Sie fingen an zu reden. Deswegen reden Mädchen mehr als Jungs – weil sie einen Ersatz brauchen. Der Mund muss weiterplappern: Also reden sie.
Hat man je zwei Frauen zusammen gesehen, die sich nicht unterhielten? Mal abgesehen von Engländerinnen… die ohnehin keine Frauen sind. Sie mussten Sovieles verdrängen, dass sie genau wie Zombies geworden sind. Alle anderen Frauen aber plappern immerzu – wie Vögel, die in den Bäumen zwitschern. Erst gestern arbeiteten ein paar Frauen hier vor meinem Fenster. Den ganzen Tag lang haben sie geschnattert – von früh bis spät! Sie hatten zwar nichts zu besprechen, aber sie mussten schnattern – der Mund will einfach ununterbrochen essen.
Seht euch ein Theaterpublikum an: Die Leute bewegen immerzu ihre Beine. Warum sitzen sie dort? Sie sollten spazieren gehen! Sie tun beides. Sie können nicht stillsitzen – und genauso ergeht es eurem Verstand.
An sich ist der Verstand gut. Alles ist an sich gut – wo es hingehört. Dann passt alles. Wenn alles an seinem Platz ist, „passt der Schuh“ – wie Tschuangtse sagt. Wenn der Verstand gebraucht wird, benutzt ihn; wenn er nicht gebraucht wird, lasst ihn ruhen. Bleibt Herr im Hause, und alle tun ihre Pflicht. Aber der Verstand hat die Macht ergriffen. Egal was man tut, er macht einfach immer weiter – so als könnte man das Radio nicht ausschalten, weil der Schalter kaputt ist: Es läuft einfach immer weiter. Ob man schläft oder isst oder Liebe macht – das Radio plärrt einfach immer weiter. Und man muss damit leben. Mit der Zeit vergisst man, dass es weiterläuft; man hört halt nicht mehr hin.
Genauso ist es euch mit eurem Verstand ergangen: Er macht einfach immerzu weiter; ihr wisst nicht, wo man ihn abstellen kann. Also hört ihr nicht hin, erduldet ihn einfach, ignoriert ihn. Ihr habt euch halt damit abgefunden, so als wäre da nichts zu machen… Dem ist aber nicht so; andernfalls gäbe es keine Buddhas. Und wenn ich dies sage, dann sage ich es aufgrund meiner eigenen Erfahrung: Dem ist nicht so. Man kann das Radio reparieren. Nichts anderes machen sämtliche Meditationen. Sie führen euch zwar nicht zur Erleuchtung, sondern reparieren einfach das Radio; was immer darin kaputtgegangen sein mag – es ist noch da, ihr müsst nur lernen, es richtig zu bedienen. Meditation ist eine Technik, die eine Funktion wiederherstellen kann, nicht euer Dasein.
Folglich führt keine Meditation direkt zum Sein, sondern repariert lediglich eine Funktion, stellt euch wieder her – bis der Schuh passt und ihr erleuchtet seid. Tschuangtse hat recht: „Wenn der Schuh passt, ist der Fuß vergessen.“ Wenn der Körper vollständig funktioniert, denkt man nicht mehr an ihn; wenn alles richtig funktioniert, hört unsere Scheinwelt auf: Du bist erleuchtet, und alles wird hell – so wie es ist!
Wer dem einen Weg folgen will,
darf nichts gegen die Welt der Sinne und Ideen haben;
Dies ist herrlich. Er sagt: … darfst du nichts gegen die Welt der Sinne und Ideen haben.
Es gibt zwei Arten von Menschen. Die einen bekämpfen immerzu ihre Sinne: „Wie töte ich meinen Körper ab? Wie entsage ich allen körperlichen Genüssen? Wie vermeide ich es, mich zu verlieben? Wie esse ich, ohne Geschmack zu empfinden?“ Kurz, sie haben ihren Sinnen den Kampf angesagt, sie werden zu großen Asketen.
Im Grunde sind sie Masochisten, die sich mit Freude selbst quälen. Aber sie sind respektiert, angesehen, und dieses Ansehen ist sehr verführerisch. Man hält sie für große Menschen, weil sie ihre Sinne übergehen. Dabei können sie gar nicht groß sein, denn ausgerechnet die Sinne öffnen die Tore zum Unendlichen, das uns umgibt. Die Sinne sind die Tore; durch diese Tore dringt das Unendliche in euer Inneres und ihr dringt zur Unendlichkeit vor. Was aber tun sie? Sie verrammeln ihre Tore. Dann werden ihre Häuser, ihre Körper, zu Gefängnissen, in denen sie leiden. Und je mehr sie leiden, desto angesehener werden sie, ja desto mehr werden sie angebetet. Denn die Leute glauben, sie voll brächten damit, dass sie ihren Körper überwinden, ein Wunder.
Ihr braucht euren Körper nicht zu überwinden. Es kommt einzig und allein darauf an, dafür zu sorgen, dass euer Körper richtig und ohne Einschränkungen funktioniert. Das ist eine Kunst und keine Entsagung. Ihr braucht eurem Körper nicht zu entsagen. Ihr müsst ihn nicht bekämpfen, sondern lediglich verstehen. Der Körper ist ausgesprochen weise, bei Weitem weiser als euer Verstand, denn der Körper existiert schon viel länger als der Verstand. Der Verstand ist dagegen ein ausgesprochener Neuling, nur ein Kind.
Den Körper gibt es schon seit Äonen. Denn als ihr noch ein Stein wart, gab es euren Körper zwar schon, aber euer Verstand schlief noch tief. Dann wurdet ihr zum Baum; euer Körper stand bereits da, voll belaubt und voller Blüten. Der Verstand schlief immer noch tief, zwar nicht mehr so tief wie der Stein, aber noch lange nicht wach. Dann wart ihr ein Tier, ein Tiger. Euer Körper war ein quicklebendiges Energiebündel, aber vom Verstand noch keine Spur. Danach wurdet ihr zum Vogel … und schließlich zum Menschen.
Da hatte euer Körper bereits Jahrmillionen hinter sich. Im Körper hat sich viel Weisheit angesammelt; der Körper ist sehr weise. Wenn ihr z.B. zu viel esst, sagt der Körper: „Halt!“
Der Verstand ist nicht so weise. Der Verstand sagt: „Wie gut das schmeckt! Nur noch einen Happen!“ Wenn ihr auf den Verstand hört, beginnt er, den Körper zu zerstören, damit kennt er sich aus… Zuerst sagt er dann: „Iss ruhig weiter“ – denn der Verstand ist ein törichtes Kind. Er weiß gar nicht, was er sagt. Er ist ein Anfänger, der noch nichts begriffen hat. Er ist nicht weise, er ist noch ein Narr. Hört auf den Körper. Esst, wenn der Körper sagt „Jetzt!“; und wenn der Körper „Genug!“ sagt, hört auf.
Wenn ihr auf den Verstand hört, ist das, als ob ein Kleinkind einen alten Mann führt – sie fallen beide in den Graben. Und wenn ihr zu sehr auf den Verstand hört, dann überreizt ihr zunächst eure Sinne, bis ihr irgendwann die Nase voll habt. Und jeder Sinn wird euch Unglück bereiten, und jeder Sinn bereitet euch noch mehr Angst, Streit und Schmerz.
Wer zu viel isst, muss leiden und sich erbrechen; dann ist der ganze Körper verstört. Dann sagt der Verstand: „Essen ist nicht gut, faste mal.“ Dabei ist das genauso schädlich. Wer auf den Körper hört, wird nie zu viel und nie zu wenig essen. Er folgt einfach dem Tao.
Wissenschaftler haben dies Problem erforscht und dabei eine wunderbare Entdeckung gemacht: Kleine Kinder essen, wenn sie hungrig sind, und gehen ins Bett, wenn sie müde werden… sie hören auf ihren Körper. Doch die Eltern bringen alles durcheinander, sie zwingen sie: „Jetzt ist Zeit für das Abendbrot oder das Mittagessen!“, oder: Ab ins Bett!“ Sie dürfen nicht auf ihren Körper hören. Also probierte einer der Forscher aus, Kinder mal selbst entscheiden zu lassen: Eine Gruppe von fünfundzwanzig Kindern durfte ins Bett gehen und aufstehen, wann immer sie wollten. Während des halbjährigen Experiments übte man auf sie keinen Druck aus. Das führte zu einer Offenbarung…
Sie schliefen ausgezeichnet, träumten weniger, hatten keine Albträume, denn ihre Eltern durften keinen Druck auf sie ausüben. Sie aßen gut, aber nie zu viel; nie mehr oder weniger als nötig. Sie aßen gern, nur manchmal aßen sie gar nichts. Wenn dem Körper nicht danach war, aßen sie halt nicht, und nie verdarben sie sich den Magen.
Und noch etwas kam ans Licht – etwas, was niemand vermutet hatte und was einem Wunder glich … Etwas, das nur ein Sosan oder Laotse oder Tschuangtse verstehen kann … allesamt taoistische Meister. Was für eine Entdeckung! Es stellte sich heraus, dass ein krankes Kind bestimmte Speisen ablehnte. Als man untersuchte, woran das liegen konnte, ergab die Nahrungsmittelanalyse, dass ausgerechnet diese Speise die Krankheit verursacht hatte. Wie konnte das Kind das wissen? – Sein Körper halt… Und als dieses Kind älter wurde, aß es mehr von allem, was es für sein Wachstum brauchte. Die Analyse ergab, dass ihm diese Zutaten auf die Beine halfen. Und das waren ganz verschiedene Nahrungsmittel, da sich seine Bedürfnisse ständig änderten: Was ein Kind heute aß, rührte es morgen nicht an. Daraus schlossen die Forscher, dass der Körper offenbar seine eigene Weisheit habe.
Wer seinen Körper entscheiden lässt, ist auf dem richtigen Weg. Sosan nennt sie den großen Weg. Und dies gilt nicht nur für die Ernährung, sondern für das ganze Leben. Euer Sex geht schief, weil ihr auf euren Verstand hört. Ihr verkorkst euren Magen, weil ihr auf euren Verstand hört. Ihr überlasst nichts dem Körper. Macht das nicht! Mischt euch drei Monate lang mal nicht ein, und auf einmal werdet ihr vor Gesundheit strotzen und euch pudelwohl fühlen. Alles fühlt sich gut an: Der Schuh passt. Nur der Verstand legt sich quer! Die Aufgabe des Verstandes besteht darin, die Kommunikation mit anderen zu regeln, damit man sich auf der Welt zurechtfindet, wo soviele Menschen zusammenleben. Oder das Autofahren, damit man sich an die Regeln und Verkehrsvorschriften hält und andere nicht gefährdet; oder vorausschauend zu planen. Der Verstand ist wie ein Radargerät, das alles im Blick hat – wo es langgeht, wie man hinkommt… aber der Körper ist und bleibt das Fundament.
Diese Leute, die gegen den Körper sind und ihre Sinne abtöten, verpassen ihre Erleuchtung eher als diejenigen, die auf ihre Sinne hören und deren Rat befolgen. Wer auf seine Sinne hört, wird anspruchslos. Freilich bekommt man dann keinen Respekt, eher heißt es: „Der da ist ein sinnlicher Mensch!“ Dabei ist ein sinnlicher Mensch viel lebendiger als ein unsinnlicher Mensch.
Doch niemand ist am Leben interessiert; alle interessieren sich für irgendwelche toten Dinge und beten sie an. Erwartet nicht, dass die Leute euch achten, sonst verirrt ihr euch. Und eines Tages mögen euch alle achten, nur ihr selbst verachtest euch – weil ihr euch völlig verirrt habt: Nichts passt mehr, alles läuft schief. Hört auf den Körper – denn ihr seid hier, um diesen Augenblick zu genießen… diesen Augenblick der Gnade, diese Glückseligkeit, die euch zuteilgeworden ist. Ihr seid lebendig, bewusst, in einer so unendlichen Welt! Dass es auf diesem kleinen, ganz kleinen, ja winzigen Planeten Menschen gibt, ist ein Wunder! Die Sonne ist tausendmal größer als diese Erde, dabei ist diese Sonne eher durchschnittlich. Es gibt Sonnen, die sind millionenmal größer als diese, und es gibt Millionen von Sonnen und Millionen von Welten und Millionen von Universen. Und bisher scheint es, sagt die Wissenschaft, nur auf dieser Erde Leben und Bewusstsein zu geben.
Diese Erde ist gesegnet.
Ihr habt keine Ahnung, was euch da in den Schoß gefallen ist. Wenn euch klar wäre, was für ein Glück ihr habt, würdet ihr um nichts weiter bitten. Du hättest ein Stein sein und es nicht ändern können. Du bist ein Mensch – aber da du leidest, da du Probleme hast, weißt du das überhaupt nicht zu schätzen! Genieße diesen Augenblick, denn es könnte dein letzter sein.
Die Hindus haben diese Meinung: Ihnen zufolge kann man auch wieder zum Stein werden. Wer dies Leben nicht genießt und es nicht zu seinem Wachstum nutzt, fällt zurück, kann wieder zum Tier werden. Mit anderen Worten: Vergesst nie, was für ein enormer Gipfel euer Bewusstsein ist – wer es nicht genießt und mit ihm eins wird, der stürzt ab.
Gurdjieff hat immer gesagt, ihr hättet noch gar keine Seele; das Leben biete euch nur die Gelegenheit, sie zu erwerben, zur Seele zu werden. Ihr dürft also keine Zeit und Energie vertun, denn wer stirbt, ohne sich kristallisiert zu haben, verschwindet einfach. Und wer weiß, ob ihr die Chance je wiederbekommt. Das kann niemand wissen; es gibt keinen, der etwas darüber sagen kann.
Soviel steht fest: Im Augenblick habt ihr diese Gelegenheit. Wen ihr sie genießt, kann sie sich kristallisieren – wenn sie euch begeistert und ihr für sie dankbar seid. Seid vor allem dankbar – mehr ist wohlgemerkt nicht nötig. Ihr habt so schon mehr als genug, um dafür dankbar und erkenntlich zu sein. Verlangt von der Existenz nicht noch mehr. Genießt einfach nur, was ihr von ihr bekommen habt. Und je mehr ihr genießt, desto mehr werdet ihr bekommen.
Jesus sagt etwas sehr Paradoxes: „Wer schon hat, dem wird noch mehr gegeben werden, und wer gar nichts hat, dem wird auch das noch genommen werden.“ Klingt nicht gerade kommunistisch. Klingt absurd. Was für eine Mathematik soll das sein? „Je mehr du hast, desto mehr bekommst du. Und wer gar nichts hat, dem wird auch noch das wenige, das er hat, wieder weggenommen!“ Jesus scheint für die Reichen und gegen die Armen zu sein. Mit der üblichen Ökonomie hat das nichts zu tun: Er spricht von der ultimativen Ökonomie des Lebens.
Nur die, die schon haben, werden noch mehr bekommen; und zwar weil es umso mehr zunehmen wird, je mehr sie es genießen. Das Leben wächst durch Freude, Freude ist das Sutra. Freut euch, seid dankbar für alles, was ihr habt. Was immer es ist! Seid ekstatisch darüber und werdet offener. Umso mehr wird euch zuteil, umso gesegneter werdet ihr sein. Wer aber undankbar ist, wird auch das, was er hat, noch verlieren. Wer dankbar ist, dem verhilft die ganze Existenz zu mehr Wachstum; denn er ist würdig und weiß das, was er hat, zu schätzen.
Je liebevoller ihr seid, desto mehr Liebe bekommt ihr zurück. Je friedlicher, desto mehr Frieden wird euch zuteil. Je mehr ihr gebt, desto mehr werdet ihr bekommen, um es zu verschenken. Je mehr ihr mit anderen teilt, desto mehr dehnt ihr euch aus.
Aber ihr schenkt nicht, ihr liebt nicht, ihr teilt nicht. Ja, ihr wisst nicht einmal, dass ihr überhaupt etwas habt. Ihr erwartet einfach nur, dass irgendwo irgendetwas geschieht. Es ist längst geschehen! Macht einfach die Augen auf: Der Schatz ist in euch drin! Und ihr rückt nur deshalb nichts raus, weil ihr weder wisst, dass ihr einen Schatz habt, noch, dass ihr wachsen werdet, wenn ihr ihn mit vollen Händen verschenkt.
Folgendes ist in einer jüdischen Gemeinde geschehen:
Ein Heiliger lag im Sterben. Er war bettelarm, und doch
überreich – reich an Sein, reich an Ekstase. Er war ein
Mystiker. Und seine Gemeinde war zutiefst besorgt.
Allerlei Ärzte wurden herangezogen, aber sie konnten nichts
ausrichten, und mit jeder Sekunde rückte der Tod näher.
Zuletzt versammelte sich die ganze Gemeinde zum Gebet.
Aber selbst das schien keine Wirkung zu haben.
Also sagte der Rabbi: „Jetzt bleibt uns nur noch eines, und
Gott wird nicht eher helfen, als bis wir es tun. Jeder von
uns sollte ihm etwas von seinem Leben abtreten. Jeder von
euch spende also diesem sterbenden Heiligen ein Stück
von seinem Leben, ein paar Tage, ein paar Jahre.“
Dazu waren alle bereit, denn sie liebten ihn.
Einer sagte: „Fünf Jahre“, ein anderer: „Ein Jahr.“
Irgendwer sagte: „Einen Monat.“
Und der Nächste sagte nur: „Einen Tag.“
Ein Geizhals sagte: „Eine Minute.“
Aber selbst das – selbst das, überlegt nur mal, lacht nicht –
selbst eine Minute Leben ist nicht zu verachten.
Wenn man stirbt, ringt man um jede einzelne Minute.
Dann trat Mulla Nasruddin vor, der auch da war. Er war
zwar kein Jude, aber auch er liebte jenen Mystiker.
Und er sagte: „Zwanzig Jahre!“ Keiner konnte das glauben.
Ein Jude, der direkt hinter ihm saß, zupfte ihn am Ärmel
und fragte: „Was machst du da, Nasruddin? Bist du von
Sinnen? Zwanzig Jahre! Ist das dein Ernst? Viel zu viel!
Bist du wahnsinnig? Dabei bist du noch nicht mal ein Jude!“
Nasruddin erwiderte: „Vom Leben meiner Frau!“
Niemand will etwas abgeben. Und solange man nichts abgeben kann, bekommt man auch selbst nichts mehr – weil man gar nicht fähig ist, es zu empfangen, weil man es gar nicht wert ist. Wer fordert, der verliert; wer gibt, dem wird gegeben.
Dieses Leben ist so schon mehr als genug. Freut euch ekstatisch, selbst über Winzigkeiten. Erhebt selbst eure Mahlzeit zum Sakrament. Selbst anderen die Hand zu geben sollte ein frommer Akt sein, sollte ein Geschenk sein. Schon mit anderen zusammen zu sein sollte euch zutiefst beglücken – denn das, was euch geboten wird, gibt es sonst nirgendwo.
Sosan sagt:
Wer dem einen Weg folgen will,
darf nichts gegen die Welt der Sinne und Ideen haben;
Ihr dürft die Welt der Sinne nicht ablehnen, so wenig wie die Welt der Ideen und Vorstellungen; denn die haben ihre ganz eigene Schönheit. Darf man denn eine Idee ablehnen, nur weil man nichts mit ihr anfangen kann? Sie ist eine wunderschöne Blume. Der Verstand kann durchaus auch seine guten Seiten haben.
Gurdjieff lehrt – und das trifft vor allem auf den heutigen Menschen zu –, dass all eure Energiezentren durcheinandergeraten sind. Ihre Reinheit ist verloren gegangen; jedes kommt mit allen anderen ins Gehege. Und damit hat er recht. Wenn ihr euch liebt, wird der Verstand nicht gebraucht, doch der Verstand redet euch ständig drein. Im Grunde liebt ihr euch mit dem Verstand, nicht mit dem Sexzentrum.
Sex ist nicht schlecht; der Sex hat eine ganz eigene Schönheit – er ist ein Aufblühen, ein tiefes Teilen, eine tiefe Begegnung von zwei Menschen. Doch der Verstand geht ständig dazwischen. Dann wird er abstoßend, denn der Verstand ist ein Störenfried. Dafür wird sich das Sexzentrum auf seine Art rächen… Wenn ihr euch in die Bhagvadgita, den Koran oder die Bibel vertiefen wollt, macht euch der Sex einen Strich durch die Rechnung, denn ihr denkt ständig an Sex. Ihr habt dem Sexzentrum dreingeredet, deswegen stört es euch; es will sich irgendwann rächen. Schaut euch eure Werbung an: Wenn ihr eine Ware anbietet, muss man ihr erst mal Sexappeal verpassen. Egal ob Auto oder Zahnpasta – es muss eine nackte Frau dabei sein. Ohne eine nackte Frau läuft nichts. Egal was! Als ginge es gar nicht um die Zahnpasta – nein, was zählt, ist die nackte Frau, der Sex. Wer Seife verkaufen will, wird sie ohne einen schönen nackten Körper nicht los.
Ich habe gehört:
Ein italienisches Model, eine Frau, die jahrelang für Seifen geworben hatte, aber langsam alt wurde und keine Aufträge mehr bekam, wurde einmal gefragt: „Welche Seife benutzen Sie eigentlich wirklich?“ Sie erwiderte: „Gar keine. Jede Seife zerstört nämlich die Sanftheit der Haut. Ich reinige meinen Körper nur mit nasser Wolle – darum ist er so schön!
Aber ich habe für alle möglichen Seifen Reklame gemacht – und sie verkaufen sich gut!“
An seinem hundertsten Geburtstag fragte ich Mulla
Nasruddin: „Verrate mir bitte das Geheimnis deines langen Lebens.“
Er erwiderte: „Wart eine Woche, dann wird alles geregelt sein. Dann kann ich’s dir sagen.“
Ich fragte verwundert: „Warum, was gibt es denn da zu regeln?“
Er darauf: „Unzählige Firmen sind hinter mir her, also muss mein Anwalt erst einmal alles regeln: welche Vitamine geholfen haben, was ich gegessen habe. Im Augenblick weiß ich das noch nicht, aber in einer Woche sind die Verträge unterschrieben, dann wissen es alle.“
Ideen sind an sich was Tolles – daran ist nichts auszusetzen. Alles ist gut, wenn es am rechten Platz ist. Wenn es da nicht hingehört, wird alles schlecht; dann passt es nie.
Und genau daran hapert es bei euch: Alles ist am falschen Platz. Wenn ihr euch liebt, funkt der Verstand dazwischen; wenn ihr meditiert, funkt der Sex dazwischen. Wenn ihr esst, mischt sich der Verstand ein. Wenn ihr einschlafen wollt, müsst ihr ans Essen denken. Alle Zentren sind drunter und drüber – ein einziges Durcheinander… chaotisch.
Sorgt dafür, dass jedes Zentrum rein ist, sodass es zur rechten Zeit so funktioniert, wie es soll; jedes einzelne hat seine Zeit und seine Stimmung und kommt irgendwann dran: Achtet darauf, dass sie sich nicht mischen. Und fangt beim Verstand an; denn der ist der große Störenfried, das lärmende Großmaul, das überall seinen Senf dazugeben und alles bestimmen will. Lasst euch nicht unterkriegen! Jeder Sinn muss rein sein und um seiner selbst willen genossen werden; der Verstand braucht seine Nase nicht in alles zu stecken. Dann wird euch auch, wenn ihr euren Verstand genießen wollt, kein anderes Zentrum dazwischenfunken; denn die übrigen Zentren sind naiv.
Nur der Verstand ist gerissen – darum hört ihr ja auf ihn; denn Verstand ist ein mit allen Wassern gewaschener Politiker, und eure Sinne sind dagegen einfache Leute. Auch der Sex ist einfach, doch der Verstand macht ihn immer schlecht. Dann ist das Sexzentrum gezwungen, seine Energie in falsche Kanäle zu lenken. Genießt jeden Sinn um seiner selbst willen – und werdet zu ihm, wenn ihr ihn genießt! Sodass keine überschüssige Energie woanders hingeht und er seine gesamte Energie zur Verfügung hat. Jetzt hat weder Verstand noch sonst jemand etwas hier zu suchen: Werde zur Sexenergie! Wenn du hungrig bist, werde zum Hunger und iss, als hätte jede deiner Körperzellen Heißhunger, und lass sie genießen.
Und wenn du nachdenken willst, setz dich unter einen Baum und schließe die Augen – genieße deine Gedanken. Nichts ist verkehrt an ihnen. Genieße sie als eine Art Aufblühen, als eine herrliche Blütezeit – eine große Poesie ganz eigener Art. Dann klärt sich alles, dann wird dein getrübter Bach kristallklar, dann legt sich der Schlamm und du kannst bis auf den Grund sehen.
Denn nur wer sie restlos akzeptiert,
kann wahrhaft erleuchtet sein.
Wer sich voll und ganz so, wie er ist, akzeptieren kann, ist erleuchtet. Glaubt nicht, dass euch bei der Erleuchtung Lichter und Visionen erscheinen – barer Unsinn. So was kann unterwegs zwar vorkommen, gehört aber noch zum Verstand, nicht zur endgültigen Wahrheit. All eure Lichter und Erlebnisse kommen aus dem Verstand.
Die Energie kreist im Körper; unmerkliche Sinne verbergen sich in ihr. Sie werden aktiv und lassen euch vieles spüren. Nichts ist verkehrt daran, genießt sie, aber verwechselt sie bitte nicht mit Erleuchtung. Zur Erleuchtung kommt es erst dann, wenn es in euch keine Klagen mehr gibt und ihr nirgendwo mehr hinwollt, nichts mehr wünscht, nichts verdammt, nichts verurteilt. Ihr existiert einfach nur und akzeptiert restlos alles. Im selben Moment kommt es zur Erleuchtung.
Erleuchtung ist etwas ganz Gewöhnliches. Sie ist nichts Außergewöhnliches, sie ist nichts Besonderes – denn nur das Ego ist am Besonderen interessiert. Sie ist einfach nur gewöhnlich! Es ist keine Forderung mehr da, keine Sehnsucht nach irgendetwas, kein Klammern. Man ist einfach nur da – und zwar glücklich, grundlos glücklich.
Vergesst das nicht. Dies ist der Unterschied zwischen Glück und Seligkeit. Euer Glück ist verursacht. Wenn ein Freund hereinschaut, seid ihr glücklich. Wie lange währt dieses Glück mit dem Freund? Ein paar Augenblicke – und dann seid ihr froh, wenn er wieder geht. Und das soll Glück sein? Es hat eine Ursache, und die Ursache verschwindet. Früher oder später habt ihr sie satt und die Ursache verschwindet. Seligkeit ist Glück ohne Grund: Man ist einfach glücklich, so wie man ist. Darüber, warum man glücklich ist, lässt sich nichts sagen.
Betrachtet die Sache von allen Seiten. Ihr fragt nie, warum ihr unglücklich seid – ihr seid halt unglücklich. Aber wenn ihr glücklich seid, wollt ihr sofort wissen: „Warum bin ich glücklich?“ Unglück ist offenbar das Natürliche; Glück aber scheint etwas Unnatürliches zu sein, das nur ab und zu vorkommt. Unglück ist für euch das Alltägliche, und das Glück ist das, wonach ihr euch sehnt. Ein Erleuchteter ist einfach glücklich – so wie ihr einfach unglücklich seid. Einfach nur glücklich! Und ist niemals unglücklich. Selbst wenn ihm manchmal der Schuh drückt, behebt er es wieder. Das macht ihn nicht unglücklich, sondern tut ihm nur körperlich weh – eine Unannehmlichkeit, aber kein Unglück. Er lässt einfach seinen Fuß untersuchen – er wechselt die Schuhe oder er geht barfuß. Unannehmlichkeiten sind bei ihm durchaus möglich, aber Unglück niemals – denn was könnte ihn unglücklich machen? Wenn seine Seligkeit keine Ursache hat, ist Unglück ausgeschlossen. Unverursacht, ist sie unzerstörbar. Unverursacht, kann nichts sie entfernen. Unverursacht, hat sie kein Gegenteil. Dies bedeutet Ananda.
Das hinduistische Wort Ananda bedeutet ekstatische Seligkeit, unverursachte Seligkeit, ohne jeden Grund und Sinn. Darum hält man einen, der selig ist, überall für verrückt. Die Leute fragen: „Warum bist du so selig? Worüber lachst du?“ – Als wäre Lachen ein Verbrechen. Und wenn er antwortet: „Ich lache einfach nur so. Es tut mir gut zu lachen“, schütteln sie mit dem Kopf. Sie selbst müssen, um lachen zu können, verspannt sein – und genau darauf beruhen alle Witze.
Warum wird denn über Witze gelacht? Was spielt sich da innerlich ab? Wie funktioniert ein Witz? Erst wird Spannung aufgebaut. Dann geht die Geschichte weiter … man wird immer gespannter und rätselt, wie er wohl enden mag. Dann plötzlich wendet sich das Blatt, und zwar so überraschend, dass man völlig überrumpelt wird.
Wer damit gerechnet hat, kennt den Witz offenbar und verzieht keine Miene. Er wird den Witz abtun, da er für ihn nicht spannend war. Wer den Witz nicht kennt, ist gespannt wie ein Flitzebogen und kann kaum erwarten, wie es wohl enden mag. Und dann, wenn die Pointe kommt, ist er einfach platt! Auf einmal hat sich die Spannung gelöst und er lacht. Sein Lachen beruht auf der Freisetzung von Spannung.
Warum ist Sex ein Vergnügen? – Weil er eine Anspannung ist. Ihr esst, ihr atmet, Energie entsteht; und das Leben gibt euch immer mehr, als ihr braucht. Das Leben ist Überfluss, das Leben ist Luxus, reiner Luxus. Es kümmert sich nicht um das, was ihr braucht, sondern gibt euch immer mehr, als ihr braucht. Diese überschüssige Energie staut sich im Körper an – genau das ist Sexenergie. Je mehr Energie sich anstaut, desto mehr wächst die Spannung im Körper. Irgendwann steigt diese Spannung hoch, und dann müsst ihr sie freisetzen. Sobald sich die Spannung gelöst hat, seid ihr erleichtert, und ihr könnt heiter und entspannt einschlafen. Doch die Spannung gibt den Ausschlag. Bei zu viel Sex entsteht nicht genug Spannung; dann wird alles fade. Sex macht nicht mehr glücklich. Wenn ihr zu viel Sex habt, habt ihr ihn bald satt; denn was fehlt, ist die Liebe, was fehlt, ist die angestaute Spannung. Wenn der Sex alltäglich wird, ist keine überschäumende Energie mehr da. Dann fühlt man sich danach elend und frus-triert, anstatt glücklich. Dann kommt ihr nicht mehr zum Orgasmus, denn zum Orgasmus gehört mehr Energie, als der Körper verbraucht. Er ist ein Überfließen, das den ganzen Körper in Schwingung versetzt.
Bedenkt: In repressiven Gesellschaften haben die Leute den Sex mehr genossen, weil es praktisch unmöglich war, sich mit der eigenen Frau zu treffen – geschweige denn mit der Frau eines anderen. Um zur eigenen Frau zu gelangen, musste man soviele Hindernisse überwinden! In Indien bekam man tagsüber die eigene Frau nie zu sehen. Bei diesen Riesenfamilien… einhundert Leute, die unter einem Dach zusammen wohnten und schliefen! Manch einer musste sich regelrecht mit seiner Frau zum Beischlaf verabreden. Das hatte sogar einen gewissen Reiz, denn das steigerte die Spannung noch, bis sie sich endlich entlud – und danach kam das Tal der Entspannung.
Im Westen ist der Sex völlig verflacht. Inzwischen kann im Westen niemand mehr den Sex genießen – das liegt an der Übersättigung. Noch ehe sich die Energie aufbauen kann, wird sie schon verschleudert. In eurem ganzen Leben besteht die einzigen Möglichkeit, glücklich zu werden, darin, zunächst eine Spannung aufzubauen, die sich danach entlädt. Das gilt aber nicht für die Seligkeit – die ist unverursacht. Seligkeit erfordert weder Verspannung und Entladung, noch hat sie etwas mit Anspannung und Entspannung zu tun, sondern ist einfach nur das Glück, das jeder empfindet, der sich in der Existenz wohlfühlt und dem alles recht ist. Wer alles akzeptiert, fühlt sich plötzlich von der ganzen Existenz akzeptiert. Dann kann er das Ganze segnen, und das Ganze segnet ihn. Sie hat keine Ursache. Niemand kann sie ihm rauben.
Ihr könnt mich nicht unglücklich machen. Ihr könnt es mir höchstens unbequem machen, das ist alles.
Es gibt kein Gegenteil von Seligkeit, Ananda. Sie ist absolut unverursacht. Deswegen kann sie ewig währen. Denn alles Verursachte muss vergehen und kann nicht ewig währen – wenn die Ursache verschwindet, muss auch die Wirkung verschwinden.
Denn nur wer sie restlos akzeptiert,
kann wahrhaft erleuchtet sein.
Der Weise hat keine Ziele,
doch der Törichte fesselt sich selbst.
All eure Ziele werden zu Ketten, werden zu Kerkern, in die ihr eingesperrt seid. Und dann leidet ihr, und dann fragt ihr: „Wie kommen wir frei?“ Macht euch frei von euren Zielen, und ihr seid frei! Das ist alles, was ihr zu tun braucht. Setzt euch kein Ziel, dann seid ihr auch nicht mehr eingesperrt.
Es gibt nur ein Dharma, ein Gesetz, eine Wahrheit –
nicht viele; Unterscheidungen kommen daher,
dass Unwissende nach jedem Strohhalm greifen.
Das Höchste zu suchen, indem man Unterschiede macht,
ist der schlimmste Fehler.
Was geschieht, wenn man sich ein Ziel setzt? Wer bestimmt das Ziel? Der Verstand bestimmt es, und dann sucht der Verstand eine Möglichkeit, es zu erreichen. Dann denkt der Verstand sich Techniken, Methoden, Mittel und Wege aus. Und dann folgt ihr seinen Vorschlägen. Was macht ihr somit? Ihr folgt dem Verstand. So beißt die Katze sich in den Schwanz. Der Verstand bestimmt das Ziel, der Verstand wählt die Mittel und Wege aus, und der Verstand führt euch. Wie gedenkt ihr, mit dem Verstand zum Nichtverstand zu gelangen?
Und der Verstand ist verspannt, da er sich gar nicht entspannen kann. Er ist auf Gegensätze angewiesen. Er muss notgedrungen ständig vom einen Extrem ins andere fallen. Er kann verurteilen, er kann billigen, aber er kann nicht total akzeptieren. Dabei ist Totalität das Ziel – die ist nur durch Akzeptanz herbeizuführen.
Der Verstand kann nicht akzeptieren; er kann leugnen. Und wenn er leugnet, fühlt er sich sehr wohl, dann freut sich das Ego: Du bist der Widersacher! Wenn er akzeptiert, ist das Ego tief enttäuscht – denn wenn es für dich nichts zu leugnen, zu bekämpfen, zu bestreiten gibt, wohin dann mit dir, was sollst du dann anfangen? Als ob es unnütz wäre, nur im Hier und Jetzt zu sein. Die Seligkeit ist woanders zu finden, was also hast du hier zu suchen?
Ich habe gehört …
Zwei Landstreicher ruhen sich unter einem Baum aus.
Ringsum herrscht Friede und Schönheit. Ein Bach plätschert zu ihren Füßen und ein kühlendes Lüftchen weht. Da sagt der eine zum andern: „Wenn mir irgendwer 50 000 Dollar für diesen Moment böte, würde ich nicht mit ihm tauschen.“
Der andere fragt: „Was, wenn er dir 100 000 Dollar bietet?“
Der Erste darauf: „Nicht mal dann.“
Der Zweite setzt noch eins drauf und fragt: „Nehmen wir an, er hat eine Million Dollar?“
Da setzt sich der Erste begeistert auf und sagt: „Warum hast du das nicht gleich gesagt! Du bietest ja richtig Knete!“
So funktioniert der Verstand: Pure Fantasie, Träumerei – und auf einmal wird der Traum zu richtiger Knete! Es ist überhaupt niemand da, aber jetzt glüht er vor Begeisterung. Eine bloße Fantasie genügt schon, und im Nu ist man erregt. Nur das Foto von einer nackten Frau – und schon ist man erregt; daher all die Pornografie auf der Welt. Es ist nur ein Bild – ein paar Linien und Farben auf Papier, weiter nichts.
Es ist niemand da, und das ist dir völlig klar, aber trotzdem darf niemand das Bild sehen, aber wenn du allein bist, wirst du darüber meditieren. Was das ist? – „Richtig Knete!“
Der Verstand ist nur Einbildung, ihr aber werdet erregt. Und sobald ihr erregt seid, hat euch der Verstand etwas verkauft. Und dann nimmt euer Unglück kein Ende; denn der Verstand kann euch nur Vorstellungen verkaufen, kann das Versprochene aber nicht liefern.
Das ist das Problem: Er steht mit leeren Händen da. Er kann euch zwar die Vorstellung verkaufen – als guter Verkäufer; hat aber nichts zu liefern. Und wenn du schließlich nachhakst und das Versprochene von ihm verlangst, speist er dich mit etwas anderem ab.
Ich habe gehört …
Ein Handelsreisender kommt zurück zu seinem Chef und sagt: „Ich steck in der Klemme. Es gibt ein Problem mit dem Grundstück, das wir verkauft haben. Der Typ ruft ständig an und beschwert sich, dass das ganze Gelände zwei Meter tief unter Wasser steht.
Und er sagt: ‚Was soll das für ein Grundstück sein? Darauf kann ich doch gar kein Haus bauen!‘ Und jetzt? Was soll ich denn machen? Ihm etwa das Geld zurückgeben und ihm raten, die ganze Sache zu vergessen?“
Der Chef darauf: „Sie sind mir ein schöner Verkäufer!
Treiben Sie sofort zwei Motorboote auf und bieten die dem Kerl zum Verkauf an!“