Читать книгу Der Traum von Mann und Frau - Osho - Страница 8

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Eine Parabel: Es war einmal ein sehr reicher Zauberer, der eine große Menge Schafe besaß. Doch dieser Zauberer war auch sehr geizig. Weder wollte er Schafhirten einstellen noch einen Zaun um seine Weidegründe ziehen. Daher verirrten die Schafe sich oft im Wald, stürzten in tiefe Schluchten, und vor allem rannten sie davon, denn sie wussten, dass der Zauberer hinter ihrem Fleisch und ihrem Fell her war, und das gefiel ihnen gar nicht.

Schließlich fand der Zauberer ein Hilfsmittel. Er hypnotisierte die Schafe und suggerierte ihnen als Erstes, dass sie unsterblich seien und dass ihnen kein Leid dadurch geschehe, dass ihnen das Fell abgezogen werde, dass es ihnen im Gegenteil sehr gut tun würde, ja, dass es ein Vergnügen sei.

Als Zweites suggerierte er ihnen, dass er, der Zauberer, ein so guter Herr sei, der seine Herde so sehr liebe, dass er bereit sei, alles in der Welt für sie zu tun. Und als Drittes suggerierte er ihnen, falls ihnen je wirklich etwas zustoßen würde, so wäre es auf jeden Fall nicht jetzt, nicht an diesem Tag, und deshalb brauchten sie sich darüber keine Gedanken zu machen.

Weiterhin suggerierte der Zauberer den Schafen, sie seien überhaupt keine Schafe. Einigen suggerierte er, sie wären Löwen, anderen, sie wären Adler, und wieder anderen, sie wären Menschen, und einigen, sie wären Zauberer. Danach brauchte der Zauberer sich keine Sorgen mehr um die Schafe zu machen. Sie liefen nicht mehr weg, sondern warteten geduldig auf den Moment, da er ihnen das Fell abziehen würde.

George Gurdjieff liebte diese Parabel. Seine ganze Philosophie ist in dieser kleinen Parabel enthalten. Sie spiegelt den Menschen in seinem normalen unbewussten Zustand wider. Schöner lässt sich der Mensch – so, wie er ist –, nicht darstellen: Der Mensch ist eine Maschine.

Der Mensch wird nicht dazu geboren, eine Maschine zu sein, aber der Mensch lebt wie eine Maschine und stirbt wie eine Maschine. Der Mensch trägt in sich den Samen, dass sein Bewusstsein sich zu einer großartigen Blüte entfaltet; der Mensch trägt in sich die Möglichkeit, Gott zu werden; aber das geschieht nicht. Es geschieht deshalb nicht, weil der Mensch hypnotisiert worden ist – von der Gesellschaft, vom Staat, von den organisierten Kirchen, vom Establishment. Die Gesellschaft braucht Sklaven und der Mensch wird nur so lange ein Sklave bleiben, wie ihm nicht erlaubt ist, zu seiner äußersten Blüte heranzureifen. Die Gesellschaft braucht euer Fleisch und euer Fell, und das gefällt natürlich keinem. Somit also ist der ganze Prozess der Sozialisation, der Zivilisation nichts als eine sehr tiefe Hypnose.

Der Mensch wird vom Augenblick seiner Geburt an hypnotisiert. Er wird dahingehend hypnotisiert, dass die Gesellschaft zu seinen Gunsten, zu seinem Wohl bestünde. Das ist völlig gelogen. Er wird weiterhin so hypnotisiert, dass er unsterblich sei. Das ist er nicht. Er kann es sein, aber er ist es nicht. Und wenn die Hypnose weiter besteht, wird er niemals unsterblich.

Du lebst nur deshalb als Sterblicher, weil du im Körper lebst: Der Körper wird sterben. Was geboren wird, muss sterben; die Geburt ist der Beginn des Körpers und der Tod sein Ende. Kennst du irgendetwas in dir, das mehr ist als der Körper? Hast du je etwas erfahren, das höher ist als der Körper, tiefer als der Körper? Hast du je etwas in dir gesehen, das bereits da war, bevor du geboren wurdest? Wenn du das gesehen hast, bist du unsterblich. Wenn du dein Gesicht kennst – dein ursprüngliches Gesicht, das Gesicht, das du hattest, bevor du geboren wurdest – dann weißt du, dass du auch nach dem Tod da sein wirst; sonst nicht.

Der Mensch kann ein Unsterblicher sein, aber der Mensch lebt vom Tod, und zwar deshalb, weil er mit seinem Körper identifiziert ist. Die Gesellschaft erlaubt dir nicht, mehr als deinen Körper zu kennen. Die Gesellschaft ist nur an deinem Körper interessiert – er kann ihren Zwecken dienen; deine Seele ist gefährlich. Ein Mensch mit Seele ist immer gefährlich, denn ein Mensch mit Seele ist ein freier Mensch. Er lässt sich nicht zu einem Sklaven reduzieren. Ein Mensch mit einer unsterblichen Seele vertraut sich vor allem der Existenz selbst an, vertraut sich Gott selbst an. Die von Menschen geschaffenen Strukturen der Gesellschaft, der Zivilisation, der Kultur sind ihm völlig egal. Das sind Gefängniszellen für ihn. Er lebt nicht als Christ oder Hindu oder Muslime. Er kann nicht Teil der Masse sein. Er lebt als Individuum.

Der Körper ist Teil der Masse, die Seele nicht. Die Seele ist rein individuell. Ihr Aroma ist eines der Freiheit. Aber auf dem Marktplatz steht die Seele nicht zu Diensten. Die Gesellschaft braucht nur den Körper. Und die Gesellschaft fühlt sich bedroht, wenn jemand anfängt, nach seiner Seele zu streben, denn dann verändert sich sein Interesse. Dann wird man introvertiert, statt extrovertiert; man begibt sich nach innen.

Die Gesellschaft ist außen, sie will, dass du extrovertiert bleibst, dich für Geld, Macht, Prestige und dergleichen interessierst, sodass deine Energie nach außen gerichtet bleibt. Wenn du beginnst, dich nach innen zu wenden, dann heißt das, dass du ein Aussteiger geworden bist, dass du das Spiel, das draußen gespielt wird, nicht mehr mitspielst, dass du nicht dazugehörst. Dann fängst du an, dich tief in dein eigenes Sein zu versenken. Und dort befindet sich die Quelle der Unsterblichkeit. Die Gesellschaft hindert dich daran, nach innen zu gehen. Und am besten geht das dadurch, dass sie dir die falsche Vorstellung gibt, dass du bereits nach innen gingest.

Der Zauberer sagte zu den Schafen, sie seien Löwen, er suggerierte ihnen, sie seien unsterblich, er hypnotisierte sie zu glauben, dass sie nicht nur menschliche Wesen, sondern sogar große Zauberer wären.

Wenn ihr in die Kirche geht, geht ihr nicht nach innen; wenn ihr in den Tempel geht, geht ihr nicht nach innen. Aber die Gesellschaft hat euch hypnotisiert zu glauben, dass ihr, wenn ihr nach innen gehen wollt, in die Kirche gehen müsst. Aber die Kirche ist genau so sehr außen wie alles andere. Die Gesellschaft hat dich dahingehend hypnotisiert, dass du, wenn du nach innen gehen willst, zum Priester gehen musst. Und der Priester ist ein Agent des Staates und der Gesellschaft. Die Priester sind zu allen Zeiten gegen die Mystiker gewesen, denn wenn du zu einem Mystiker gehst, wirst du wirklich anfangen, nach innen zu gehen. Ein Mystiker lebt auf eine völlig andere Art und Weise. Seine Energie hat eine andere Gestalt: Sein Strom fließt nach innen. Wenn man also zu einem Mystiker kommt, sich auf den Mystiker einstimmt, wird man auf eine natürliche, einfache, spontane Art anfangen, nach innen zu fließen. Das ist der ganze Sinn und Zweck, bei einem Meister, bei einem Mystiker zu sein.


Das Geheimnis der Goldenen Blüte ist eine der esoterischsten Abhandlungen der Welt. Es wird dir den Weg weisen, wie du mehr als nur der Körper werden kannst. Es wird dir den Weg weisen, wie du über den Tod hinausgehen kannst. Es wird dir den Weg weisen, wie du zum Erblühen kommst – wie du es schaffst, nicht der Same zu bleiben, sondern zur goldenen Blüte zu werden. Was wir in Indien den „Tausendblättrigen Lotus“ nennen, wird in China die „Goldene Blüte“ genannt. Es ist ein Symbol. Die Blüte steht für Vollendung, Ganzheit. Die Blüte steht für den äußersten Ausdruck, die völlige Verwirklichung des Potenzials. Die Blüte steht für die Schönheit, die Großartigkeit, die Herrlichkeit des Seins. Und solange du noch kein tausendblättriger Lotus oder eine goldene Blüte geworden bist …

Und bedenke, es ist ein weiter Weg! Bedenke, dass du den Fallen entrinnen musst, die die Gesellschaft um dich her aufgestellt hat. Bedenke, dass du bisher die Arbeit, für die du auf diese Erde gekommen bist, noch nicht erledigt hast. Bedenke, du bist erst ein Same und noch keine Seele.

Diese Abhandlung, Das Geheimnis der Goldenen Blüte, ist uralt, vielleicht die älteste der Welt, sicher fünfundzwanzig Jahrhunderte alt, vielleicht sogar älter. Sie vereinigt in sich alles Schöne aus allen Traditionen der Welt. Jahrhundertelang wurde der Inhalt nur mündlich überliefert und das Buch blieb esoterisch. Es war der Öffentlichkeit nicht zugänglich, denn es enthält eine sehr geheime Lehre. Sie war nur den Wahrheitssuchern zugänglich. Erst wenn die Zeit reif war, gab der Meister sie an den Schüler weiter, denn sie gibt einem ein derartig machtvolles Geheimnis, dass zwangsläufig schädliche Wirkungen eintreten müssen, wenn man es nicht richtig versteht, wenn man falsch damit umgeht. Es muss richtig verstanden werden, und es darf nur in der Gegenwart eines Meisters damit gearbeitet werden. Es ist eine machtvolle Technik – so machtvoll wie Atomenergie.

Die Geheimnisse der Atomenergie werden heute vor der Öffentlichkeit geheim gehalten. Wenn sie einmal anfangen, an die Öffentlichkeit durchzusickern, entsteht große Gefahr. Wenn sich die Leute privat Atombomben basteln könnten, würde das zwangsläufig in ein heilloses Chaos ausarten. Deshalb wahrt die Atomforschung höchste Geheimhaltung. Auf ganz genau die gleiche Art und Weise lehrt dieses Buch eine der machtvollsten Methoden der inneren Explosion. Jahrhundertelang wurden die Geheimnisse gehütet – wurden sie den Schülern nur insgeheim, unter vier Augen anvertraut. Und alle, die dieser spezifischen esoterischen Schule folgten, widerstanden jeder Versuchung, das Buch zu schreiben. Jahrhundertelang wurde also Das Geheimnis der Goldenen Blüte nur mündlich weitergegeben.

Warum habe ich mich dazu entschlossen, darüber zu sprechen? – Damit es weiter wachsen kann. Es ist eine so wunderbare Botschaft an die Welt, es sollte nicht sterben. Ich möchte es wiederbeleben. Und jetzt kann ich zu Menschen sprechen, die Wahrheitssucher sind, die zu mir gekommen sind und bereit sind zu sterben, um wiedergeboren zu werden, die bereit sind, für ihr Erblühen zu sterben. Das Samenkorn muss sterben, nur dann kann es wachsen; das Samenkorn muss vergehen, nur dann kann der Baum entstehen. Ich werde zu euch über dieses kleine, aber ungeheuer wertvolle Buch sprechen, sodass das Buch wieder lebendig werden kann. Zwischen mir und euch kann es wieder lebendig werden. Es kann wieder ins Fließen kommen. Es steckt etwas ungeheuer Wichtiges darin; wenn ihr es versteht und es praktiziert, wird es euch bereichern.

Aber als Erstes müsst ihr verstehen, dass ihr hypnotisiert worden seid und dass ihr durch einen Enthypnotisierungsprozess gehen müsst. Bedenkt, dass ihr konditioniert wurdet und dass ihr dekonditioniert werden müsst. Bedenkt, dass der Tod kommt. Und glaubt nicht etwa, dass es heute wohl noch nicht geschehen kann; es kann jederzeit geschehen. In der Tat geschieht alles, was geschieht, immer jetzt.

Der Same stirbt jetzt, die Knospe wird jetzt zur Blüte, der Vogel beginnt jetzt zu rufen. Alles, was je geschieht, geschieht nur in dem Zeitraum, der durch das Jetzt, durch diesen Augenblick ermöglicht wird. Nichts geschieht je in der Vergangenheit, und nichts geschieht je in der Zukunft. Alles, was je geschieht, geschieht in der Gegenwart – nur auf diese Weise kann überhaupt etwas geschehen. Denn es gibt keine andere Zeit als die Gegenwart.

Die Vergangenheit ist nur eure Erinnerung, und die Zukunft ist nur eure Vorstellung. Aber ihr seid dazu hypnotisiert worden, in der Vergangenheit zu leben, und ihr seid dazu hypnotisiert worden, in der Zukunft zu leben. Ihr könnt wählen, entweder die Vergangenheit oder die Zukunft! Aber keine Gesellschaft gestattet euch, in der Gegenwart zu leben.

Die Christen und die Hindus und die Muslime erziehen euch dazu, in der Vergangenheit zu leben. Ihr goldenes Zeitalter liegt in der Vergangenheit. Die Kommunisten, die Sozialisten, die Faschisten erziehen euch dazu, in der Zukunft zu leben. Ihr goldenes Zeitalter liegt in der Zukunft – das Tausendjährige Reich kommt erst noch. Wenn erst mal die Revolution kommt, werdet ihr wirklich leben können, dann kommt das goldene Zeitalter! Entweder führt man euch in die Vergangenheit – und die ist erfunden – oder in die Zukunft, und die ist auch erfunden. Keine Gesellschaft bringt euch bei, in der Gegenwart, im Hierjetzt, zu leben.

Ein Sannyasin zu sein, ein echter Sucher zu sein, bedeutet, hierjetzt zu leben – und es gibt kein anderes Leben. Aber dafür werdet ihr euch de-automatisieren müssen, müsst ihr Mensch werden und keine Maschine. Und ihr müsst ein wenig bewusster werden. Ihr seid nicht bewusst.

Ich saß einmal an der Seite eines Sterbenden – er war an der gleichen Universität Professor wie ich. Er war auf der Höhe seiner erfolgreichen Karriere, da kam der Herzinfarkt – er kommt immer auf dem Höhepunkt der Karriere. Dem Erfolg folgt immer der Herzinfarkt. Was erwartet ihr sonst danach? Er hatte also einen Herzinfarkt und lag im Sterben. Ich ging zu ihm. Er war tieftraurig – wer will schon sterben? – und er war voller Qual und Verzweiflung. Ich sagte zu ihm: „Keine Angst, du wirst nicht sterben!“

Er sagte: „Was redest du da? Die Ärzte … alle Ärzte sagen, dass keine Aussichten mehr bestehen. Wie kommst du also darauf, dass ich nicht sterben werde?“

Ich sagte: „Zunächst einmal kannst du nicht sterben, weil du gar nicht gelebt hast. Du hast die Grundvoraussetzung zum Sterben nicht erfüllt. Diese fünfundfünfzig Jahre bist du geschlafwandelt, hast du geträumt, hast du nicht gelebt. Ich habe dich jahrelang beobachtet.“

Er war geschockt – er wurde ärgerlich, so ärgerlich, dass er einen Moment lang den Tod ganz vergaß. In seinen Augen flackerte der Ärger und er sagte: „Behandelt man so einen Sterbenden? Kannst du nicht ein wenig höflich sein? Warum gehst du so hart mit mir ins Gericht? Ich liege im Sterben, und du hältst mir philosophische Vorträge – ‚Du hast nicht gelebt‘! Ist dies der Augenblick, solche Dinge zu sagen?“

Ich hörte ihm schweigend zu. Ich wurde einfach total still. Da verschwand seine Wut, und Tränen traten ihm in die Augen und er begann zu weinen. Er hielt meine Hand voller Liebe in seiner, und schließlich sagte er: „Vielleicht hast du recht. Ich habe nie gelebt. Vielleicht bist du ja gar nicht grob, sondern einfach nur ehrlich. Ich kenne niemanden anders, der mir das gesagt hätte.“

Und plötzlich große Dankbarkeit! Und einen Moment lang war er so bewusst, dass man das Licht auf seinem Gesicht hätte leuchten sehen können – es war da, er war ganz Aura. Und er dankte mir. In dieser Nacht starb er. Ich blieb bis zum letzten Augenblick bei ihm.

Und er sagte: „Wenn du nicht bei mir gewesen wärest, hätte ich auch meinen Tod verpasst, so wie ich mein Leben verpasst habe. Aber ich sterbe bewusst. Wenigstens über eins bin ich glücklich – ich sterbe nicht unbewusst!“ Und sein Tod war schön. Er starb ganz ohne Bedauern, er starb entspannt. Er starb fast mit einem Willkommen im Herzen, er starb voller Dankbarkeit. Er starb voller Andacht. Sein nächstes Leben wird von einer anderen Qualität sein. Wenn der Tod so schön ist, bringt er dir ein neues Leben. Aber man muss jeden einzelnen Augenblick leben, ganz gleich, ob er von Leben, Liebe, Ärger oder Tod geprägt ist. Ganz gleich, wie er ist, man muss jeden Augenblick so bewusst wie möglich leben.

Der zerstreute Professor ging zum Friseur, um sich die Haare schneiden zu lassen. Er setzte sich in den Frisierstuhl, behielt aber seinen Hut auf.

„Könnten Sie wohl Ihren Hut abnehmen?“, sagte der Friseur.

„Oh, Entschuldigung, ich hatte gar nicht bemerkt, dass Damen anwesend sind.“

Beobachte deine eigene Zerstreutheit! Wenn du sie beobachtest, erzeugt das Aufmerksamkeit in dir. Beobachte, was in dir geschieht: Gedanken ziehen vorbei, Erinnerungen tauchen auf, eine Wolke von Ärger, eine dunkle Nacht voller Traurigkeit oder ein wunderschöner Morgen voller Freude. Beobachte alles, was in dir geschieht. Werde immer aufmerksamer. Langsam und allmählich wirst du zu einer einzigen Wachsamkeit. Und die Methode, die von dem Geheimnis der Goldenen Blüte gelehrt wird, ist genau dies: Wie du eins wirst mit deinem inneren Licht.

Aber bevor wir auf die Verse eingehen, hier kurz die Geschichte dieses Buches. Das Buch entstand in einem esoterischen Kreis in China. Der Begründer des Kreises soll der bekannte taoistische Weise Lu Yen gewesen sein. Wo erhielt Lu Yen seine geheime Schulung? Er selber schreibt die geheime Lehre dem Meister Kuan Yiu-hsi zu, für den Laotse gemäß der Überlieferung sein Tao Te King niederschrieb.

Laotse schrieb sein Leben lang nie eine Zeile. Er lebte sehr lange, aber als er den Tod nahen fühlte, verließ er China auf einem Wasserbüffel. Warum auf einem Wasserbüffel? Seine ganze Lehre war es, wie der Lauf des Wassers zu werden.

Er sagte, man solle wie Wasser sein – strömend, fließend, frisch, sich immer auf den Ozean zubewegend. Man solle wie Wasser sein – sanft, feminin, empfänglich, liebevoll, gewaltlos. Man solle nicht wie ein Felsbrocken sein. Der Felsen scheint sehr stark zu sein, ist es aber nicht; und das Wasser scheint sehr schwach zu sein, ist es aber nicht. Lass dich niemals von äußeren Erscheinungen täuschen. Am Ende siegt das Wasser über den Felsen, wird der Felsen zerstört, wird er zu Sand und ins Meer gespült. Letztendlich vergeht der Felsen – im Gegensatz zum sanften Wasser.

Der Felsen ist maskulin, er ist der männliche Verstand, der aggressive Verstand. Das Wasser ist feminin, sanft, liebevoll, ganz und gar nicht aggressiv. Aber das Nichtaggressive gewinnt. Das Wasser ist immer bereit sich anzupassen, aber durch diese Anpassung erobert es – das ist die Methode der Frau. Die Frau passt sich immer an und erobert dadurch. Und der Mann will erobern, aber schließlich und endlich muss er doch nur die Waffen strecken, sonst nichts. Daher wählte Laotse einen Wasserbüffel, als er das Land verließ. Wohin ging er? Er ging in den Himalaja, um sterbend in dessen ewige Schönheit einzugehen.

Der echte Mensch versteht zu leben und versteht zu sterben. Der echte Mensch lebt total und stirbt total. Der echte Mensch lebt in Segen und stirbt in Segen.

Laotse wollte in das absolute Alleinsein des Himalaja gehen. Aber an der Grenze wurde er abgefangen.

Der Mann, der ihn am letzten Wachtposten der chinesischen Grenze erwischte, war Meister Kuan Yiu-hsi, der Wächter des letzten Grenzpostens. Und Kuan Yiu-hsi überredete Laotse: „Du wirst bald sterben. Jetzt verlässt du das Land für immer, und bald wirst du deinen Körper verlassen. Bitte, schreib nur ein paar Worte auf, sonst erlaube ich dir nicht, das Land zu verlassen. Diesen Preis musst du zahlen.“ Drei Tage musste Laotse in Kuan Yiu-hsis Hütte sitzen, und dort schrieb er das Tao Te King.

Die Überlieferung vom Geheimnis der Goldenen Blüte soll auf Lu Yen zurückgehen. Lu Yen selbst schreibt sie dem Meister Kuan Yiu-hsi zu, für den Laotse sein Tao Te King geschrieben haben soll. Auf diese Weise also ist die Überlieferung von der Goldenen Blüte mit Laotse verbunden.

Dieses Buch vom Geheimnis der Goldenen Blüte ist eine der ewigen Quellen, durch die man wieder lebendig werden kann, durch die man wieder die Pforte zum Ewigen finden kann.

Meister Lu Tsu sagt:

Das durch sich selbst Seiende nennt man das Tao.

Das Wort Tao bedeutet im Grunde „der Weg“. Über das Ziel kann nichts gesagt werden. Das Ziel bleibt ungreifbar, unsagbar, unaussprechbar. Aber über den Weg lässt sich etwas sagen. Daher haben die Taoisten niemals Worte wie „Gott“, „die Wahrheit“, „Nirvana“ benutzt; ihr Wort ist einfach „der Weg“. Buddha sagt: „Die Buddhas können euch nur den Weg weisen. Wenn ihr dem Weg folgt, werdet ihr zur Wahrheit gelangen.“

Die Wahrheit muss deine eigene Erfahrung sein. Niemand kann die Wahrheit definieren, aber den Weg kann man definieren, der Weg dahin kann erhellt werden. Der Meister kann dir die Wahrheit nicht geben, aber der Meister kann dir den Weg zeigen. Und wenn der Weg einmal da ist, dann brauchst du ihn nur noch zu gehen. Das hat vom Schüler aus zu geschehen. Ich kann nicht für euch gehen und ich kann nicht für euch essen. Ich kann nicht für euch leben und ich kann nicht für euch sterben. Das alles muss man schon selber tun. Aber ich kann euch den Weg zeigen. Ich bin den Weg gegangen. Tao bedeutet einfach „der Weg“.

Das durch sich selbst Seiende nennt man das Tao.

Diese Definition ist wunderschön. Lu-Tsu sagt: „Das, was durch sich selbst existiert, das, was von niemandem unterstützt werden muss, das, was schon immer existiert hat, ob du seinem Lauf nun folgst oder nicht …“

Ob jemand seinem Lauf folgt oder nicht, ist völlig belanglos. Tatsächlich folgt die ganze Existenz seinem Lauf, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wenn du ihm bewusst zu folgen vermagst, wird dein Leben ein großer Segen sein. Wenn du ihm unbewusst folgst, dann wirst du immer wieder stolpern, dann kannst du dich nicht so daran erfreuen, wie du es solltest. Zum Beispiel kann man jemanden in einen Garten bringen. Vielleicht ist er betrunken oder im Koma oder unter Chloroform. Man kann ihn in den Garten bringen, er ist bewusstlos. Der Vogelgesang wird von seinen Ohren gehört werden, aber er weiß es nicht. Der Duft der Blumen dringt mit dem Wind an seine Nase, aber er weiß es nicht. Die Sonne wärmt ihn und schickt ihm ihr Licht, aber er merkt es nicht. Die Lüfte streicheln ihn, aber er merkt es nicht. Vielleicht legt man ihn in den kühlen Schatten eines Baumes, aber er weiß nichts davon. Genau so ist der Mensch.

Wir sind im Tao, denn wo könnten wir sonst auch sein? Leben heißt, auf dem Weg sein. Leben heißt, in Gott leben. Atmen heißt, in Gott atmen. Wo sonst könnten wir sein? Aber so wie der Fisch im Ozean lebt und den Ozean total vergisst, so leben wir im Tao und haben das Tao total vergessen. Tatsächlich vergessen wir es nur deshalb, weil es so selbstverständlich ist. Der Fisch kennt den Ozean ganz genau, er wurde in ihm geboren, er hat ihn niemals verlassen. Er nimmt ihn als gegeben hin, deshalb ist der Fisch sich des Ozeans nicht bewusst.

Wir sind auf dem Weg, wir sind in Gott, wir leben im Tao, durch das Tao, aber wir sind uns dessen nicht bewusst. Das Tao existiert, denn ohne das Tao wüchsen die Bäume nicht, zögen die Sterne nicht ihre Bahn, zirkulierte das Blut nicht in unseren Adern, gäbe es kein Ein- und Ausatmen. Das Leben würde vergehen.

Leben ist nur möglich, wenn ein grundlegendes Gesetz es zusammenhält. Leben ist nur möglich, wenn es etwas gibt, das es trägt. Betrachtet die unermessliche Ordnung in der Existenz! Sie ist kein Chaos, sie ist ein Kosmos. Was macht sie zum Kosmos? Warum gibt es so viel Harmonie? Es muss eine Gesetzmäßigkeit geben, die die Harmonie aufrechterhält, in Gang hält, alles miteinander abstimmt. Aber davon wissen wir nichts. Wir wissen nichts von unserem eigenen Sein, und durch unser Sein sind wir mit dem Tao verbunden.

Das Tao hat weder Namen noch Form. Es ist das eine

Wesen, der eine Urgeist.

Es ist der Ozean des Lebens, der uns umgibt. Es ist innen und außen – die pure Essenz. Es ist die Existenz, es ist der Urgeist. Es ist die Existenz, es ist der ursprüngliche Geist. Kein Name kann es enthalten. Alle Namen sind sein Name. Und das Tao hat keine besondere Form, denn alle Formen sind die Form des Tao. Das Tao existiert in Millionen von Formen. Im Baum ist es grün, in seiner Blüte ist es rot. Im Menschen ist es Mensch, im Fisch ist es Fisch. Es ist die gleiche Gesetzmäßigkeit. Man kann das Wort Tao durch Gott ersetzen, und es wäre dasselbe. Was Christen und Muslime Gott nennen, nennen die Taoisten Tao. Die Buddhisten nennen es dharma. Die Griechen pflegten es Logos zu nennen, aber sie meinen dasselbe. Kein Name kann es enthalten; oder: Es kann durch jeden beliebigen Namen ausgedrückt werden.

Die Essenz und das Leben kann man nicht sehen.

Sie sind enthalten im Licht des Himmels.

Das Licht des Himmels kann man nicht sehen,

es ist enthalten in den beiden Augen.

Die Form kann man sehen, den Körper kann man sehen – der Körper ist die Form, die Substanz, die das Wesen, die Essenz umgibt – aber das Wesen kann man nicht sehen. Die Essenz ist nicht mit Augen zu sehen, nicht mit Sinnen zu erfassen. Sie muss unmittelbar gespürt werden, nicht durch ein Mittel. Ihr seht meinen Körper, ich sehe euren Körper – es geschieht durch ein Medium. Meine Augen teilen mir mit, dass ihr hier seid, eure Augen teilen euch mit, dass ich hier bin. Aber wer weiß?

Die Augen können täuschen, und manchmal täuschen sie. In der Dunkelheit der Nacht kannst du ein Seil für eine Schlange halten, und wenn du es für eine Schlange hältst, dann wirkt es auf dich wie eine Schlange: Du kriegst Angst, du läufst davon. Oder du siehst in der Wüste eine Oase, die gar nicht da ist, die nur eine Projektion ist, weil du so durstig bist, dass du dir wünschst, sie wäre da, also schaffst du sie dir. Die Augen täuschen uns auf vielerlei Weise. Also – wer weiß? Wenn die Wahrheit durch ein Medium erfahren wird, wird sie immer suspekt, zweifelhaft bleiben. Dann kann sie keine Gewissheit werden, kann sie keine absolute Gewissheit werden. Und eine Wahrheit, die keine absolute Gewissheit ist, ist überhaupt keine Wahrheit. Die Wahrheit muss absolut gewiss sein, sie kann nicht „in etwa“ gewiss sein. Es gibt also nur eins: Die Wahrheit muss ohne jegliches Hilfsmittel erkannt werden, direkt, unmittelbar. Man muss sie ohne alle Sinne erkennen. Und nur so wird sie auch erkannt: Leben kann man nicht sehen, aber man kann es fühlen. Es ist eine subjektive Erfahrung, kein Objekt.

Die Essenz und das Leben kann man nicht sehen.

Sie sind enthalten im Licht des Himmels.

Das Licht des Himmels kann man nicht sehen.

Es ist enthalten in den beiden Augen.

Ihr habt diese beiden Augen. Für den Taoisten sind diese beiden Augen äußerst bedeutsam. Erst die moderne Wissenschaft war in der Lage, die Wahrheit hierin zu erkennen. Diese beiden Augen sind nicht nur die sichtbaren Augen. Diese beiden Augen stehen für das Männliche und das Weibliche in euch. Heute sagt die moderne Wissenschaft, dass das Gehirn des Menschen in zwei Hemisphären unterteilt ist, und dass die eine Hemisphäre männlich und die andere Hemisphäre weiblich ist.

Die rechte Seite eures Gehirns ist weiblich, und die linke Seite eures Gehirns männlich. Das eine Auge repräsentiert also den Mann in euch und das andere repräsentiert die Frau in euch. Und wenn sich euer innerer Mann und eure innere Frau begegnen, so wird diese Begegnung „Himmel“ genannt – diese innere Kommunion des Männlichen und des Weiblichen in euch.

Jesus sagt: „Wenn deine zwei Augen eins werden, so ist da Licht.“ Er spricht wie ein taoistischer Alchimist. Wenn deine beiden Augen eins werden, dann ist da Licht. Wenn deine beiden Augen eins werden – wenn dein innerer Mann und deine innere Frau ineinander aufgehen –, so ist das die höchste orgasmische Erfahrung. Das, was ihr fühlt, wenn ihr euch mit einem Mann oder einer Frau liebt, ist nur ein schwacher Abglanz davon, ein ganz flüchtiger Abglanz. Es ist so flüchtig, dass es in dem Augenblick, da ihr euch dessen bewusst werdet, bereits vergangen ist. Ihr werdet euch dessen nur im Nachhinein bewusst, so flüchtig ist es. Aber es ist ein flüchtiges Aufleuchten, ein Aufblitzen der Begegnung zwischen dem Mann und der Frau.

Das ist eine äußerliche Begegnung. Es ist ein Wunder, dass sie überhaupt geschieht, wenn auch nur für einen einzigen Augenblick. Aber sie eröffnet eine tiefe Möglichkeit. Und genau darum haben sich Tantra, Tao, Yoga und all die großen Geheimlehren der Welt bemüht: euch zu helfen, euch eures inneren Mannes und eurer inneren Frau bewusst zu werden – dessen, was die Tantriker Shiva und Shakti und die Taoisten yin und yang nennen. Die polaren Gegensätze, das Positive und das Negative in euch, der Tag und die Nacht in euch – die müssen sich dort vereinigen.

Das Licht des Himmels kann man nicht sehen.

Es ist enthalten in den beiden Augen.

Aber solange sie nicht eins werden, wirst du dir dessen nicht bewusst werden.

Es ist enthalten in den beiden Augen.

Du kannst es nicht eher sehen, als bis sie eins werden. Erst dann wird es freigesetzt. Dann gibt es eine große Explosion von Licht. Zarathustra nennt es „die Explosion des Feuers“. Laotse nennt es „die Explosion des Lichts“. Es ist dasselbe. Ihr müsst schon einmal gehört haben, was Johannes der Täufer gesagt hat. Er pflegte zu seinen Jüngern zu sagen: „Ich taufe euch mit Wasser. Nach mir wird einer kommen, der euch mit Feuer taufen wird.“ Genau das hat er damit gemeint: „Nach mir wird einer kommen, der euch mit Feuer taufen wird“, die Wassertaufe ist eine äußere Taufe. Für Johannes den Täufer symbolisiert Wasser das äußere Fließen.

Merkt euch gut, dass das Abwärts- und das Auswärtsgerichtete dasselbe bedeuten, und dass das Aufwärts- und das Einwärtsgerichtete gleichbedeutend sind. Alles, was nach unten geht, geht auch nach außen, und alles, was nach oben geht, geht auch nach innen, und umgekehrt. Wasser fließt immer nach unten, also steht es für den Auswärtsfluss. Es geht von sich selber weg, seine Reise geht nach außen. Feuer geht nach oben, immer nach oben, und das „Nach oben“ ist gleichbedeutend mit „Nach innen“, seine Reise geht immer nach innen.

Was Johannes der Täufer damit sagt, ist dies: „Ich taufe euch mit Wasser, ich gebe euch den äußeren Körper der Religion. Nach mir wird Christus kommen, der euch die innere Taufe, die Feuertaufe geben wird.“ Jesus selber sagt immer wieder: „Bereut, kehrt um!“ Aber die Christen haben dieses Wort falsch gedeutet. Sie haben daraus das Bereuen von Sünden gemacht. Es hat nichts mit Sünden zu tun.

Der Ausdruck: „Bereut!“ bedeutet in Wirklichkeit „Kehrt um, geht nach innen, kommt zurück.“ Es bedeutet umkehren, die Ursprünglichkeit wiederherstellen. Das Wort „bereuen“ bedeutet metanoia, Umkehr – eine Wendung um hundertachtzig Grad. Wenn ihr weiterhin nach außen fließt, bleibt ihr Wasser. Wenn ihr euch nach innen wendet, werdet ihr zu Feuer. Und wenn diese zwei Augen, wenn diese zwei Flammen, wenn diese zwei Hemisphären deines Bewusstseins sich miteinander vereinigen, wenn sie absolut verbunden sind und du zu der einen Flamme wirst, dann ist diese Flamme das, was Plotinus den „Flug des Alleinen zum All-Einen“ nennt.

Das Große Eine wird das genannt, was nichts mehr über sich hat.

Und wenn du dieses Eine werden kannst, bist du das Große Eine geworden. Das ist die Art der Taoisten, etwas über Gott auszusagen, ohne dabei das Wort „Gott“ zu benutzen. Wenn du eins wirst, bist du Gott geworden.

Das Geheimnis des Lebenszaubers besteht darin, sein Handeln so einzusetzen, dass daraus Nichthandeln wird.

Das sind bedeutungsschwangere Worte. Was ist das Geheimnis, wie man aus diesen zwei Augen eins macht? Wie man das Männliche und das Weibliche in sich vereint? Wie man den Mann und die Frau sich ineinander auflösen lässt, sodass man keine Dualität mehr ist, sodass man nicht mehr ein in sich gespaltenes Haus ist, sodass Konflikte und Spannungen aufhören, sodass alles eins wird? In diesem Einssein ist Seligkeit, denn da vergeht alle Spannung, verschwindet aller Konflikt, lösen sich alle Ängste auf. Aber wie wird man zu diesem Einen?

Das Geheimnis des Lebenszaubers besteht darin, sein Handeln so einzusetzen, dass daraus Nichthandeln wird.

Der Mann steht für Handeln, die Frau steht für Nichthandeln. Man muss Handeln benutzen, um zum Nichthandeln zu gelangen, man muss sich bemühen, um mühelos zu werden. Man muss hingehen und all seine Energien daransetzen, man muss so aktiv werden, dass nichts übrig bleibt. Alle Energien werden in diesen Schaffensakt einbezogen, und dann – plötzlich –, wenn alle Energien in Anspruch genommen sind, geschieht die Transformation. Genau wie Wasser bei hundert Grad verdampft, so verdampft alles Handeln, wenn es total wird, und Nichthandeln bleibt zurück.

Zuerst müsst ihr lernen, wie man tanzt, und ihr müsst all eure Energien ins Tanzen stecken. Und eines Tages macht ihr dann diese seltsame Erfahrung, dass der Tänzer plötzlich im Tanz verschwunden ist und der Tanz völlig mühelos geschieht. Dann ist es Nichthandeln.

Um zum Nichthandeln zu gelangen, muss man zuerst das Handeln lernen. Eben darum geht es bei unseren Meditationen. Das ist die einzige Methode, um zum Nichthandeln zu finden: Tanzt bis zum Äußersten, tanzt bis zur Raserei, tanzt wie wahnsinnig! Und wenn eure ganze Energie darin aufgeht, kommt der Augenblick, wenn ihr plötzlich feststellt, dass der Tanz ganz von selbst passiert – es ist keinerlei Anstrengung dabei. Es ist Handeln, ohne zu handeln.

Die Goldene Blüte ist das Licht.

Man benutzt die Goldene Blüte als Symbol.

Der Satz: „Das Blei der Wassergegend hat nur einen Geschmack“ weist darauf hin.

Die Goldene Blüte ist ein Symbol – das Symbol für den Augenblick, da deine Energien nicht mehr zwiegespalten, sondern eins geworden sind. Großes Licht wird dann freigesetzt, und das Licht ist golden. Es ist, als hätte sich in dir eine Blüte aus goldenem Licht geöffnet. Und es ist nicht einfach nur ein Symbol. Wohl auch ein Symbol, aber es ist fast wirklich und buchstäblich so. Ganz genau so geschieht es. So wie du jetzt bist, existierst du als Dunkelheit, als dunkle Nacht. Dann existierst du als Sonnenaufgang. Die Sonne ist zwar nirgendwo zu sehen, aber das Licht ist da. Es gibt keinerlei Lichtquelle – es ist ein Licht ohne Quelle. Aber wenn du das goldene Licht in dir erst einmal kennst, bist du ein Unsterblicher geworden. Dann gibt es keinen Tod mehr, denn das Licht stirbt niemals. Das ganze Leben, die gesamte Existenz besteht aus nichts anderem als Licht. Alles ist eine Form von Licht. Das bestätigt auch die moderne Physik, und die moderne Physik stimmt völlig mit dem Tao darin überein, dass alles Licht ist. Die Formen ändern sich ständig, doch das Licht bleibt. Das Licht ist ewig.

Viele Schriften der Welt beginnen mit dem Wort „Licht“. „Am Anfang sagte Gott: Es werde Licht!“ Das ist der Anfang. Falls es je einen Anfang gegeben hat, muss es so gewesen sein, muss es mit Licht angefangen haben. Aber es hat nie einen Anfang gegeben, das hier ist nur ein Gleichnis. Das Licht hat schon immer existiert. Der Koran sagt: „Gott ist Licht.“ Einer der Namen der Sufis für Gott ist „Nur“. „Nur“ bedeutet „Licht“. Der Geschmack ist der gleiche. Ob es nun mir geschieht oder dir, der Geschmack ist der gleiche. Der Geschmack des Buddhaseins ist der gleiche. Buddha hat gesagt: „Der Geschmack des Buddhaseins ist wie der Ozean. Man kann im Norden oder im Süden, an der Küste oder auf hoher See, hier oder dort davon kosten, aber der Geschmack des Ozeans ist immer gleich. Genauso ist es auch mit dem Geschmack des Buddhaseins.“ In dem Augenblick, da ein Mensch dieses ewige Licht erfährt, hat sein Leben nur noch ein einziges Aroma. Dieses Aroma ist die Begleiterscheinung absoluter Bewusstheit. Das Unbewusste dieser Person ist nicht mehr. Es gibt nichts Dunkles mehr in ihrem Dasein.

Wenn nun ein Freudianer in so einen Menschen hineinschaut, findet er nur noch Bewusstsein, nichts als Bewusstsein; er wird kein Unbewusstes vorfinden.

Wenn ein Freudianer in dich hineinschaut, ist nur ein Teil bewusst, im Gegensatz zu neun Teilen, die unbewusst sind – nur ein Zehntel von dir ist bewusst. Ein Buddha ist hundert Prozent Bewusstsein.

Die Arbeit am Kreislauf des Lichtes beruht ganz auf

der rückläufigen Bewegung, sodass die Gedanken

eingesammelt werden. Das himmlische Herz liegt

zwischen Sonne und Mond.

Erinnert euch noch einmal: Die Sonne steht für die männliche Energie, der Mond steht für die weibliche Energie. Und das Herz liegt zwischen den beiden. Das Herz ist weder männlich noch weiblich, und gerade das macht die Schönheit des Herzens aus: Das Herz ist göttlich, weder männlich noch weiblich. Und es liegt genau zwischen beiden. Wenn du zu sehr zur männlichen Energie hinneigst, dann bist du zu aktiv und verstehst nicht, passiv zu sein.

Genau das ist im Westen geschehen. Der Westen ist sonnenorientiert – zu viel Aktivität. Die Leute machen sich verrückt mit ihrer Geschäftigkeit. Zu viel Eile – alles muss sofort passieren – keine Geduld, kein Warten. Sie haben vergessen, wie man passiv ist, wie man geduldig ist, wie man auf Dinge wartet. Sie haben die Fähigkeit, nichthandelnd zu sein, vollkommen verloren. Sie wissen nicht, wie man Ferien macht. Und wenn sie mal in Ferien gehen, sind sie sogar noch aktiver als sonst. Im Westen passieren am Sonntag mehr Herzinfarkte als an jedem andern Tag, denn der Sonntag ist ein freier Tag und die Leute sind zu beschäftigt. Während der ganzen Arbeitswoche haben sie vor, sich auszuruhen, wenn der freie Tag kommt. Aber wenn er dann da ist, haben sie tausenderlei Dinge zu tun. Nicht, dass sie sie wirklich tun müssten, dass das wirklich wichtig wäre – nein, ganz und gar nicht! Aber sie können nicht in Ruhe leben. Sie können nicht einfach auf dem Rasen liegen und mit der Erde sein. Sie können nicht einfach still unter einem Baum sitzen und nichts tun. Nein, sie fangen an, dies und das zu tun, im Haus etwas zu reparieren oder kaputtzumachen, die Motorhaube ihres Autos hochzuklappen und sich am Motor zu schaffen zu machen. Irgendetwas werden sie tun, irgendwie bleiben sie aktiv. Ihr ganzes Leben lang träumen die Menschen davon, wie sie ihren Ruhestand genießen werden. Aber sie können ihn nicht genießen, sie können nicht zur Ruhe kommen. Sie sterben sehr bald, nachdem sie sich zur Ruhe gesetzt haben. Die Psychologen sagen, sie sterben zehn Jahre früher, weil sie nicht wissen, was sie sonst tun sollen. Der Tod scheint der einzige Ausweg aus einem Leben zu sein, das bedeutungslos geworden ist, das tatsächlich schon immer bedeutungslos war, immerzu nur eine Hetze.

Die Menschen hetzen hierhin und dahin, ohne zu wissen, wohin sie eigentlich gehen. Sie wissen nur eins: Es muss immer schneller und schneller gehen. Sie fragen sich nie: Wohin rennen wir eigentlich? Vielleicht laufen wir ja im Kreis. Genau das ist es, was geschieht: Die Menschen laufen im Kreis herum.

Der Westen ist sonnenorientiert. Der Osten ist mondorientiert. Der Osten ist zu passiv, zu fatalistisch geworden. „Es gibt doch gar nichts zu tun – wartet einfach! Gott wird schon für alles sorgen.“ Das ist eine andere Art von Narrheit und Dummheit.

Der Osten ist arm, faul, lausig, und den Menschen ist alles egal. All das Elend um sie herum, die Armut, die Bettler, die Krankheiten – niemanden kümmert das, alles wird hingenommen. „Was kann man da schon machen. Es ist Gottes Wille. Wir müssen es hinnehmen. Wir müssen einfach nur warten. Wenn es zu viel wird, wird Gott schon kommen. Was sonst könnten wir tun?“ Das ist die weibliche Einstellung. Das Geheimnis der Goldenen Blüte besagt, dass man genau in der Mitte sein muss – weder männlich noch weiblich, sich keinem Extrem zuneigend – dann herrscht Gleichgewicht. Dann ist man aktiv und bleibt tief im Innern dennoch inaktiv; dann ist man inaktiv und bleibt dennoch im Äußeren aktiv. Seid an der Oberfläche sonnenorientiert und im Innern mondorientiert. Lasst Sonne und Mond sich in euch begegnen und seid selber einfach genau in der Mitte. In der Mitte liegt die Transzendenz.

Die Arbeit am Kreislauf des Lichtes beruht ganz auf

der rückläufigen Bewegung, sodass die Gedanken

eingesammelt werden.

Der Mensch ist ein Zentrum und auch eine Oberfläche. Wenn du dich der Oberfläche näherst, wirst du viele Gedanken haben. Die Oberfläche besteht aus dem Vielen, das Zentrum ist eins. Wenn du dich dem Zentrum näherst, beginnen die Gedanken aufzuhören. Ganz im Mittelpunkt verschwinden alle Gedanken, ist nur noch Bewusstheit da. Das ist es, was diese geheime Abhandlung sagt:

… sodass die Gedanken eingesammelt werden.

Das Licht muss sich nach innen bewegen. Wenn ihr einen Baum anschaut, dann werfen eure Augen ihr Licht auf den Baum – das Licht bewegt sich nach außen. Wenn ihr die Augen schließt, bewegt sich das Licht nach innen – metanoia, Umkehr, Rückkehr. Wenn das Licht auf dein eigenes Sein fällt, kommt es zu Selbsterkenntnis, Selbstwissen. Und dieses Selbstwissen bringt dir Freiheit – Freiheit von allen Verstrickungen, Freiheit von allen Bindungen, Freiheit vom Tod, Freiheit vom Körper. Es erschafft die Seele in dir. Genau das hat Gurdjieff immer zu seinen Schülern gesagt: dass man nicht mit einer Seele geboren wird, sondern dass man sie durch metanoia erschaffen muss.

Das Buch vom Gelben Schloss sagt: „Auf dem zollgroßen Feld des fußgroßen Hauses lässt sich das Leben ordnen.“

In diesem kleinen Tempel deines Körpers kann das Leben geordnet werden.

Inmitten des Geviertzolls wohnt die Herrlichkeit.

Im Purpur-Saal der Stadt von Jade wohnt der Gott der äußersten Leere und Lebendigkeit.

Beachtet den Widerspruch: Leere und Lebendigkeit. Lebendigkeit ist männlich, Leere ist weiblich. Lebendigkeit und Leere – die beiden Aspekte des inneren Gottes. Wenn du das eine dem andern nicht vorgezogen hast, wenn du keine Wahl getroffen hast – du bist einfach nur Beobachter geblieben –, wirst du zu jenem Gott, dessen einer Aspekt Leben und dessen anderer Aspekt Tod ist, dessen einer Aspekt die Vollendung und dessen anderer Aspekt das Nichts ist.

Darum stellen sich, sobald das Licht im Kreis läuft,

die Kräfte des ganzen Körpers vor seinem Thron ein…

Und wenn das Licht nach innen geht und in deinem Dasein zirkuliert, weil es keinen Weg nach außen mehr gibt – nichts anderes: Das ist Meditation.

Das ist es, was Buddha unter dem Bodhibaum macht. Du sitzt still da, du schließt alle Türen und Tore, und das Licht zirkuliert in deinem Innern. Dann nimmst du zum ersten Mal deinen Körper und alles, was der Körper enthält, bewusst wahr – all seine Mysterien. Dieser kleine Körper enthält alle Mysterien des Universums. Er ist ein Kosmos im Kleinen.

Darum stellen sich, sobald das Licht im Kreis läuft, die Kräfte des ganzen Körpers vor seinem Thron ein, ebenso wie, wenn ein heiliger König die Hauptstadt festgesetzt und die Grundordnung geschaffen hat, alle Staaten mit Tributgaben nahen; oder wie wenn der Herr ruhig und klar ist, die Knechte und Mägde von selbst seinen Befehlen gehorchen und jedes seine Arbeit tut.

Und wenn dieses Licht da ist und in deinem Innern kreist, wird der Körper zum Diener, werden die Sinne zu gehorsamen Dienern. Es bedarf keiner Mühe, sie zu kontrollieren – sie folgen dir aus freien Stücken. Das ist das Schöne am Tao: Es zwingt dir nie etwas auf, es will keinen Charakter kultivieren. Es sagt: Werde einfach voller Licht, und alles andere wird folgen.

Darum braucht ihr nur das Licht in Kreislauf zu bringen, das ist das höchste und wunderbarste Geheimnis. Das Licht ist leicht zu bewegen, aber schwer zu fixieren. Wenn man es lange genug zirkulieren macht, dann kristallisiert es sich. Das ist der Zustand, von dem es heißt: „Schweigend fliegst du des Morgens empor.“

Etwas sehr Bedeutsames wird in diesem Sutra gesagt: Das Licht ist zwar leicht zu bewegen, aber schwer zu fixieren. Also versucht gar nicht erst, es zu fixieren. An dieser Stelle versucht Yoga etwas zu tun, was nicht so leicht ist. Daher die Schwierigkeit, die Härte von Yoga – Yoga versucht, das Licht zu fixieren. Es versucht auch, das Licht zwischen den beiden Augen zu fixieren; ganz genau zwischen den beiden Augenbrauen, im Zentrum des Dritten Auges, versucht Yoga es zu fixieren.

Das ist der Unterschied zwischen Tao und Yoga: Yoga will es festnageln: Konzentriere dich auf das Dritte Auge! Das ist in einer Nussschale die ganze Philosophie des Yoga: Wenn du dein gesamtes Bewusstsein auf das Dritte Auge konzentrieren kannst, wirst du transformiert werden, werden deine zwei Augen eins und du wirst voller Licht sein.

Und genau über dem Dritten Auge – das Dritte Auge ist das sechste Zentrum auf dem Yoga-Atlas des Bewusstseins – genau über dem sechsten ist das siebte. Das siebte wird der „Tausendblättrige Lotus“ genannt. Wenn das Licht sich im Dritten Auge konzentriert, wenn es zu stark wird, wird es dem siebten Zentrum einen Schub geben, wird es wie Wasser in einem Stausee ansteigen. Und der Schub zum siebten Zentrum hin wird die Knospe öffnen – die Knospe, die jahrhundertelang geschlossen, die Millionen von Leben lang Knospe geblieben war.

Tao nimmt da einen ganz anderen Weg. Tao sagt: Das Licht zu fixieren ist sehr schwierig. Gib dich gar nicht erst damit ab, das zu versuchen. Die leichte Methode ist, es zirkulieren zu lassen. Dem Verstand leuchtet ein Kreislauf immer ein: Bewegung ist die Natur des Verstandes. Der Verstand findet es immer schwierig, sich zu konzentrieren. Warum also nicht die natürliche Kapazität des Verstandes ausnutzen? Warum nicht der Strömung folgen?

Tao ist eine spontane Wissenschaft. Kultiviere nichts, zwinge dich zu nichts, bereite dir keine unnötigen Schwierigkeiten; nutze die natürliche Fähigkeit des Verstandes – dass er sich bewegt, dass er Bewegung liebt, dass er ein Wanderer ist. Mache es dir zunutze, lasse das Licht kreisen! Später werden wir erfahren, wie es gemacht werden muss – wie man Wege findet und es in Umlauf bringt. Wir werden die eigentliche Methode, wie man das Licht in Kreislauf bringt, noch kennenlernen. Hier geht es vorerst um den Hintergrund, sodass ihr den Ansatz der Taoisten genau versteht. Sie sagen, dass das Licht, wenn ihr es kreisen lasst und es immer weiter kreisen lasst, sich dann an einem bestimmten Punkt ganz von selbst kristallisiert, ohne dass ihr euch Gedanken darüber zu machen hättet, wie ihr es fixieren sollt. Lasst es zirkulieren, zirkulieren, zirkulieren, und irgendwann – plötzlich – seht ihr, wie alles stillsteht, und dass alles, worum Yoga sich so sehr bemüht, geschehen ist. Im Tao ist es ein Geschehenlassen, im Yoga ist es ein langer harter Treck der Anstrengung. Yoga orientiert sich am Männlichen.

Tao orientiert sich nicht allein am Weiblichen, Tao ist beides – eine Synthese. Zirkulieren ist männliche Energie, Fixieren ist weibliche Energie. Gelange zum Nichthandeln, gelange zum Passiven durch Handeln; gelange durch Mühe zur Mühelosigkeit.

Bei der Durchführung dieses Grundsatzes braucht ihr nach keinen anderen Methoden zu suchen, sondern müsst einfach die Gedanken darauf sammeln.

Durch das Sammeln der Gedanken kann man fliegen und wird im Himmel geboren.

Die Goldene Blüte ist das Lebenselixier …

Dies ist das Geheimnis aller Unsterblichkeit. Dies ist es, was die westlichen Alchimisten des Abendlandes den „Stein der Weisen“ nannten, was wir in Indien amrit – Elixier, Nektar – nennen. Das hier ist eine alchimistische Abhandlung; sie verrät euch die Geheimnisse, wie ihr eure Chemie in Alchimie verwandeln könnt, wie ihr niederes Metall in Gold verwandeln könnt. So wie ihr jetzt seid, seid ihr nur das niedere Metall, aber die Geheimnisse stecken in euch. Wer diese Geheimnisse ausfindig gemacht hat, wird in Gold verwandelt – das Gold der Unsterblichkeit.

Die Goldene Blüte ist das Lebenselixier.

Obwohl es sehr präzise funktioniert, ist es dennoch so fließend, dass es äußerste Intelligenz und Klarheit und äußerste Vertiefung und Stille erfordert.

Menschen ohne diesen höchsten Grad an Intelligenz und Einsicht finden den Weg nicht; Menschen ohne diese äußerste Aufnahmefähigkeit und Stille können es nicht festhalten.

Zwei Voraussetzungen … Als Erstes braucht man Intelligenz und Klarheit. Seid unbesorgt! Fangt nicht an zu überlegen, was ist, wenn ihr nun nicht intelligent seid. Jeder wird intelligent geboren. Intelligenz ist eine angeborene Eigenschaft – genau wie jeder atmend geboren wird, so wird jeder auch intelligent geboren. Die Vorstellung, dass ein paar Menschen intelligent seien und andere nicht, ist absolut falsch und hat schon viele, viele Menschen entwürdigt; sie ist äußerst beleidigend, degradierend. Alle werden intelligent geboren, obwohl ihre Intelligenz sich im Ausdruck unterscheiden mag. Der eine ist intelligent in Musik, ein anderer ist intelligent in Mathematik, aber wenn ihr hergeht und die Mathematik zum Kriterium macht, wirkt der Musiker unintelligent. Wenn ihr sie beide einem Examen unterzieht, in dem es auf Mathematik ankommt, fällt der Musiker durch. Ändert den Bewertungsmaßstab, macht die Musik zum Kriterium und lasst beide ein Examen ablegen, bei dem es auf die Musik ankommt. Dann steht der Mathematiker dumm da.

Nur weil wir gewisse Kriterien festgesetzt haben, sind so viele Menschen als dumm abgetan worden – sie sind es nicht! Mir ist noch kein einziger Mensch begegnet, der dumm gewesen wäre – so etwas gibt es nicht! Aber seine Intelligenz mag von anderer Art sein. Poesie erfordert eine andere Art Intelligenz als Business. Ein Dichter kann kein Geschäftsmann sein, und der Geschäftsmann wird es sehr schwer finden, ein Dichter zu sein. Ein Politiker braucht die eine Art von Intelligenz, ein Maler braucht eine andere Art von Intelligenz. Und es gibt Millionen von Möglichkeiten.

Vergesst nicht: Jeder wird intelligent geboren, niemand ist also davon ausgeschlossen. Finde deine Intelligenz einfach nur dort, wo sie ist. Und wenn du deine Intelligenz einmal gefunden hast, wirst du klar.

Die Menschen leben in Unklarheit, weil sie mit falschen Vorstellungen von sich selbst leben. Irgendwer hat dir mal gesagt, dass du nicht intelligent bist – ein Schulmeister, ein Rektor einer Universität. Aber ihr Kriterium ist einfach nur ein beliebiges Kriterium, es lässt sich nicht auf alle anwenden. Die „Universitäten“ sind noch lange nicht „universal“. Sie lassen nicht jede Art von Intelligenz zu, sie lassen nicht alle Erscheinungsformen von Intelligenz zu. Wenn du deine Intelligenz erst einmal akzeptiert hast und anfängst ihr mit Respekt zu begegnen, dann wirst du klar werden, dann wird es kein Problem mehr geben.

Der Dichter kommt sich dumm vor, weil er kein guter Geschäftsmann sein kann. Das schafft nun Verwirrung. In seinen eigenen Augen wird er minderwertig, er verliert seine Selbstachtung, verurteilt sich. Er versucht im Geschäftsleben erfolgreich zu sein, aber es gelingt ihm nicht. Damit tappt er im Dunkeln. Würde er doch einfach nur verstehen, dass er ein Dichter ist und nicht dazu bestimmt, Geschäftsmann zu sein, und dass Erfolg im Geschäftsleben Selbstmord für ihn bedeuten würde! Dass er als Dichter Erfolg haben muss! Das ist die ihm eigene Intelligenz, und diese Intelligenz muss auf seine eigene Art und Weise zum Blühen kommen. Er darf niemand anderen nachahmen. Vielleicht zahlt es sich in der Gesellschaft nicht aus, denn es besteht kein so großer Bedarf an Dichtkunst wie an Bomben.

Liebe wird nicht so viel gebraucht wie Hass. Deshalb ist Mord im Kino, im Radio, im Fernsehen erlaubt, er wird nicht als obszön bezeichnet. Aber Liebemachen ist nicht erlaubt, es wird als obszön verschrien. Diese Gesellschaft lebt durch Hass, nicht durch Liebe. Wenn jemand mordet, ist das total in Ordnung. Wenn dir jemand einen Dolch ins Herz stößt und das Blut wie ein Springbrunnen hervorsprudelt, so ist das völlig in Ordnung. Aber wenn jemand dich umarmt, dich küsst, dich liebt, dann bekommt es die Gesellschaft mit der Angst zu tun. Es ist merkwürdig, dass die Liebe obszön ist, Mord aber nicht, dass Liebende verdammt und Soldaten belohnt werden, dass Krieg richtig ist und Liebe falsch.

Wenn du deine Intelligenz akzeptierst, wenn du dich selbst akzeptierst, wirst du klar, vollkommen klar, werden alle Wolken verschwinden.

Und das Zweite: Du brauchst Aufnahmefähigkeit und Stille. Intelligenz und Klarheit sind Züge des männlichen Verstandes. Aufnahmefähigkeit und Stille sind Züge des weiblichen Verstandes. Nur eine Frau kann in sich aufnehmen, darum wird sie schwanger – sie hat den Schoß. Diese beiden Dinge müssen zusammengehen. Wenn du nicht intelligent bist, wirst du nicht in der Lage sein zu verstehen, was dir gesagt wird, wirst du nicht verstehen, was der Meister dir übermittelt. Und wenn du nicht weiblich bist, wirst du nicht fähig sein, es in dich aufzunehmen, wirst du nicht fähig sein, damit schwanger zu gehen. Und man braucht beides: Ihr müsst intelligent sein, äußerst intelligent, um zu verstehen, und ihr müsst äußerst aufnahmefähig sein, um es in euch zu halten, sodass es ein Teil von euch werden kann.


Jedes Mal wenn ich mich wieder einmal vom Geheimnis des Lebens überwältigt fühle, spüre ich plötzlich, wie alles, was außerhalb von mir ist, bis ins Innere meiner Augen dringt. Dann habe ich das Gefühl, eine eindimensionale Leinwand zu betrachten: Es scheint nichts anderes da zu sein als ich – und ich bin so allein! Selbst du scheinst nur ein Teil des äußeren Gemäldes zu sein. Auch wenn es nur einige Sekunden dauert, versetzt es mich in Angst und Schrecken.

Ist das mein Verstand, der mir einen Streich spielt? Bin ich wirklich so allein?

Man ist allein. Alleinsein ist Endstation – aber Alleinsein ist nicht Einsamkeit. Du bist nicht einsam. Und genau da liegt das ganze Missverständnis, das ist es, was dich in Angst und Schrecken versetzt. Einsam sein heißt, den andern vermissen. Einsamkeit ist ein negativer Zustand.

Einsam sein heißt, du fühlst dich leer, du suchst nach dem andern: Du glaubst an den andern, du bist abhängig vom andern – und da ist kein anderer. Und weil da kein anderer ist, ist da ein großes Nichts, aber dieses Nichts ist eine Art negatives Nichts. Du tastest nach dem andern, und du kannst ihn nicht finden, und alles beginnt sich aufzulösen. Und wenn alles sich aufzulösen beginnt, ist das wahre Problem, dass du nicht du bleiben kannst. Wenn alles andere verschwunden ist, wirst auch du verschwinden müssen, denn du bist abhängig von den andern, du bist nur ein Widerschein der andern. Du hast dein Gesicht in den Augen der andern gesehen; sie sind deine Spiegel. Jetzt gibt es keine Spiegel mehr – wer bist du? Alles ist verschwunden, wie kannst du also in dieser Einsamkeit bleiben? Auch du beginnst dich aufzulösen, und das ruft große Angst hervor – Todesangst. Das Ego beginnt zu sterben und das Ego beginnt überall nach jemandem zu suchen, an dem es sich festhalten kann. Und deshalb beginnst du sofort, mit Leuten zu verkehren. Aus deiner Todesangst heraus beginnst du dich wieder mit andern zu beschäftigen. Und dann muss es große Verwirrung geben, denn dein natürliches Sein war dabei, sich in ein tiefes Nichts zu begeben, aber du bekamst Angst und hast dich da herausgezogen. Jetzt hast du einen Widerspruch in deiner Energie erzeugt: Die Energie ging nach innen, und du sprangst heraus, daher die Verwirrung.

Aber Alleinsein ist Endstation. Und wenn ich sage, Alleinsein ist Endstation, meine ich damit, dass es nur „eins“ gibt, dass es nicht „viele“ gibt. Du bist nicht von der Existenz getrennt. Niemand ist von irgendwem getrennt, die Existenz ist absolut eins. Die bloße Vorstellung des Getrenntseins erzeugt unser Unglück, die bloße Vorstellung, dass ich eine Insel bin, schafft die Hölle. Niemand ist eine Insel, wir gehören alle zum Kontinent; wir sind alle Teil dieser ozeanischen Existenz – Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. In alle Richtungen und in allen Dimensionen ist alles eins. In der Tat bedeutet das Wort „allein“, „All-eins-sein“; das heißt Alleinsein. All-eins ist allein.

Aber dazu muss man ein wenig tiefer in dieses Nichts hineingehen. Zuerst ist das Nichts negativ, seine äußerste Schicht, seine Schale ist negativ. Wenn man ein wenig tiefer geht, wird man die positive Negativität finden. Diese positive Negativität ist es, was Buddha nirvana, Erleuchtung, shunya nennt. Wenn man tiefer hineingeht und über die äußere Schale, den harten, negativen Teil, den dunklen Teil, hinausgegangen ist, dann ist da plötzlich Licht, ist die Nacht vorüber. Und dann fühlt man eine völlig neue Art von Alleinsein, die man noch nie zuvor gefühlt hat, und dann kennt man den Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein. In der Einsamkeit suchte man den andern; im Alleinsein ist der andere verschwunden und damit ist auch das Ego verschwunden. Jetzt ist niemand im Innern da, und niemand im Äußeren da, und alles ist eins. Diese Einheit, dieses absolute Einssein bringt Segen. Dann gibt es keine Angst mehr, unmöglich, denn jetzt kann es keinen Tod mehr geben – wo sollte die Angst herkommen? Der Tod ist schon eingetreten; das, was sterben konnte, ist schon gestorben. Jetzt bist du in der Welt der Unsterblichkeit, hast du das Elixier gefunden.

Dies ist der Nektar, von dem wir in diesen Sutras vom Geheimnis der Goldenen Blüte immer wieder sprechen werden. Dies ist der Nektar, amrit. Dies ist das Elixier, der „Stein der Weisen.“ Wenn du einmal davon gekostet hast, ist aller Tod vergangen, ist alle Zeit vergangen, sind alle Unterschiede vergangen. Jetzt siehst du den Baum als eine Erweiterung von dir, die Wolke als eine Erweiterung von dir, oder dich als eine Erweiterung des Baumes. Jetzt ist das Zentrum überall und nirgends. Das „Ich“ gibt es nirgendwo mehr. Schon das Wort ist jetzt völlig unpassend.

Ein christlicher Missionar fragte einmal einen Zen-Meister: „Ist der Endpunkt der Reise des Menschen nicht die Vereinigung mit Gott?“

Der Zen-Meister antwortete: „Der Endpunkt der Reise des Menschen ist nicht die Vereinigung mit Gott, denn es hat niemals eine Trennung gegeben. Alles, was man braucht, ist die blitzartige Einsicht, die einen das erkennen lässt.“

Tao, Zen, Tantra – deren Einsicht ist viel tiefer als die sogenannten Religionen des Marktplatzes. Das Christentum denkt in Begriffen wie „zu Gott kommen“, „Einswerden mit Gott“. Aber die Einsicht des Zen-Meisters ist viel einschneidender und tiefer. Er sagt: „Aber wo hat es da denn eine Trennung gegeben? Und wann? Es hat sie nie gegeben, du hast geträumt, dass es da eine Trennung gegeben habe. Hör auf zu träumen! Es gibt keine Vereinigung, du bist schon immer eins mit der Existenz gewesen. Keinen einzigen Moment hat es eine Trennung gegeben, es besteht gar nicht die Möglichkeit einer Trennung.“

Du kommst gerade zu einer sehr, sehr wichtigen, bedeutsamen Einsicht. Wenn du keine Angst bekommst und nicht vor dieser Erfahrung davonläufst, kannst du zu der blitzartigen Einsicht gelangen, die einen sehen lässt, dass alles eins ist.

Aber die Angst kommt immer. Das ist nicht neu. Jeder Sucher muss da hindurch. Und sie ist wirklich so groß, dass du, bevor du darüber nachgedacht hast, schon davor weggelaufen bist. Sie ist so furchterregend, dass sie dir weder Raum noch Zeit lässt, darüber nachzudenken, was du tun sollst. Es ist, als stünde das Haus in Flammen. Du denkst nicht mehr: „Soll ich raus laufen oder nicht?“ Es gibt keine Wahl mehr; ohne zu denken, läufst du einfach aus dem Haus. Zum Denken hast du keine Zeit, später kannst du dann denken. Wenn du außerhalb des Hauses bist, unter einem Baum sitzt, kannst du darüber nachdenken und in aller Muße grübeln. Aber wie kannst du nachdenken, wenn das Haus in Flammen steht? Unmittelbares Handeln ist nötig, und Denken ist niemals unmittelbar. Das ist das Problem.

Wenn du in dein Alleinsein hineingehst, dann ist es zuerst sehr einsam, denn du hast immer mit der Vorstellung vom andern gelebt. Es war eine Traumvorstellung; es gibt keinen andern. „Ich“ und „Du“ – beides sind Täuschungen. Martin Buber sagt, die höchste Qualität des Betens sei ein Dialog zwischen dem „Ich“ und dem „Du“. An dieser Stelle ist der Judaismus stecken geblieben. Die höchste Form des Betens ist überhaupt kein Dialog, die höchste Form des Betens ist ein Monolog, denn es ist kein anderer da.

Ein Zen-Meister pflegte sich jeden Morgen bei seinem eigenen Namen zu rufen. Laut rief er seinen eigenen Namen und fragte: „Wie geht’s?“

Und dann antwortete er: „Danke, gut, mein Herr!“

Vielleicht kommt er euch verrückt vor – aber das heißt Beten. Es gibt kein „Ich“, es gibt kein „Du“, ihr müsst beide Rollen übernehmen. Es ist ein Spiel, ein Rollenspiel. Beten ist ein Rollenspiel: Du spielst mit deinem eigenen Selbst. Da gibt es keinen „andern“.

Aber der Judaismus ist genau da stecken geblieben – bei der Vorstellung von „Ich“ und „Du“. Deshalb waren sie so sehr gegen Jesus, denn Jesus erklärte – wenn auch nicht auf eine so drastische Art, wie das ein Zen-Meister tut … In seiner Situation hätte Jesus nicht drastischer sein können. Aber immerhin sagte er: „Ich und mein Vater sind eins.“ Aber das war genug, um die Leute gegen ihn aufzubringen. Die Leute ereiferten sich: „Was sagt er da? Er erklärt sich selber zu Gott?“

Und dabei sagt er gar nichts, erklärt er sich nicht zu Gott. Er sagt damit einfach nur, dass es keinen Gott und keinen Anbetenden gibt, dass es nur eines gibt. Dies „Eine“ kann man in einer bestimmten Situation „den Anbetenden“ nennen, in einer anderen Situation kann man es „Gott“ nennen. Deshalb sagt er: „Ich und mein Vater sind eins. Wenn ihr auf meinen Körper schaut, bin ich der Sohn, wenn ihr auf meine Seele schaut, bin ich der Vater. Wenn ihr auf meine Form schaut, bin ich ein Mensch, der Menschensohn, wenn ihr auf meine Essenz schaut, bin ich Gottessohn.“ Deshalb wiederholt er das immer und immer wieder. Manchmal sagt er: „Ich bin der Menschensohn“ und manchmal sagt er: „Ich bin der Gottessohn“. Es klingt widersprüchlich, ist es aber nicht.

Du sagst: Jedes Mal wenn ich mich wieder einmal vom Geheimnis des Lebens überwältigt fühle, spüre ich plötzlich, wie alles, was außerhalb von mir ist, bis ins Innere meiner Augen dringt.

Alles, was du siehst, ist eine Projektion deiner Augen. Die Welt, so wie sie ist, hast du noch nicht gesehen. Was du gesehen hast, ist nur eine Projektion. Wenn du also beginnst, nach innen zu gehen, so wird alles, was du auf die Welt projiziert hast, deinen Augen immer näher und näher und näherrücken und in deinen Augen verschwinden. Diese Welt ist eine Projektion deiner Augen. Du siehst nicht das, was ist, du projizierst einen Traum auf sie.

Da gibt es zum Beispiel einen großen Diamanten, den Kohinoor. Nun, er ist genau so ein Stein wie jeder andere Stein, aber was für einen großen Wert haben wir auf ihn projiziert! Viele Menschen sind schon wegen des Kohinoors gestorben, jeder, der ihn besaß, wurde getötet. Nun seht euch nur den ganzen Unsinn an: Aufgrund der Projektionen der Menschen hat sich ausgerechnet dieser Stein als tödlich erwiesen. Er ist einer der kostbarsten Gegenstände der Welt, der teuerste Gegenstand der Welt. Aber wenn der Mensch von dieser Erde verschwindet, wird er dann etwas Besseres sein als jeder beliebige Kieselstein? Dann wird er einfach mit all den andern Kieselsteinen herumliegen. Dann gibt es keine Unterscheidung, keinen Unterschied. Woher kommt der Unterschied? Unsere Augen projizieren, wir machen ihn zu etwas Besonderem. Wir überschütten ihn mit unseren Wünschen, unserer Habgier.

So wird er sehr wertvoll und zugleich sehr gefährlich. Wenn du über den Kohinoor meditierst, wenn du ihn schweigend anschaust, immerzu anschaust, dann kommt ein Augenblick, da du siehst, wie sich etwas von dem Kohinoor löst und deinen Augen immer näher und näherkommt und dann in deinen Augen verschwindet. Dann öffnest du die Augen – der Kohinoor ist verschwunden. Da ist zwar etwas, aber du kanntest es vorher nicht, und das, was du vorher gekannt hast, ist verschwunden. Eine wunderschöne Erfahrung, ungeheuer bedeutsam!

Geh tief hinein, immer tiefer und tiefer hinein. Lass die ganze Welt verschwinden. Auch ich werde darin verschwinden; denn das, was ich bin, hast du noch nicht gesehen, und das, was du siehst, ist deine Projektion. Deine Projektion wird verschwinden, und wenn alle deine Projektionen verschwunden sind, dann kommt die Welt in ihrer Nacktheit, so wie sie ist. Und dann, was für ein Erstaunen! Kleine Dinge sind dann so wunderbar. Gewöhnliche Kieselsteine sind dann so wundervoll. Wegen des Kohinoors können sie nicht wundervoll sein; ihr habt alles auf den Kohinoor projiziert. Da ist keine Liebe zu etwas anderem in euch übrig geblieben.

Wenn die Projektion einmal verschwunden ist und du die Augen öffnest – leere Augen, die überhaupt nichts projizieren, die einfach nur sehen, was ist, ohne Vorstellungen davon, was es ist, ohne Namen, ohne Bezeichnungen, ohne Deutungen, einfach nur wahrnehmend, entleert, passiv – dann bekommt die Welt eine ganz andere Bedeutung, Bedeutsamkeit.

… spüre ich plötzlich, wie alles, was außerhalb von mir ist, bis ins Innere meiner Augen dringt. Dann habe ich das Gefühl, eine eindimensionale Leinwand zu betrachten, die sich direkt vor meinen Augen befindet.

Sehr gut und absolut richtig. Auf diese Art geht man tiefer in Meditation.

Es scheint nichts anderes da zu sein als ich – und ich bin so allein!

Das einzige Problem ist, dass du noch da bist! Deshalb fühlst du dich so allein, meinst aber „einsam“. Das „Ich“ bleibt allein, das „Du“ ist verschwunden, und ohne das „Du“ ist das „Ich“ einsam. Das „Ich“ existiert nur in Beziehungen; das „Ich“ ist keine Person, sondern eine Beziehung – ohne ein „Du“ kann es nicht existieren, es braucht das „Du“.

Wie kann der Liebende ohne die Geliebte existieren? Wenn es die Geliebte nicht mehr gibt, fängt auch der Liebende an zu verschwinden. Du brauchst den Geliebten. Liebe ist eine Beziehung, und genauso ist auch das „Ich“ eine Beziehung. Und da du das „Ich“ immer noch irgendwie beschützt, hast du noch nicht genug Mut aufgebracht, es ebenfalls loszulassen. Genau wie die ganze Welt verschwunden ist, so lass auch dieses „Ich“ verschwinden. Am Anfang wird es dir Angst machen, es wird ein Sterbeprozess sein – es ist ein Sterbeprozess. Es wird dir vorkommen, als würdest du Selbstmord begehen, es wird dir so vorkommen …

Wer weiß, wohin du gehen wirst und ob du zurückkommen wirst oder nicht? Es wird dir so vorkommen, als ob der Wahnsinn in dir explodiere, und es wird eine große Furcht in dir aufsteigen, und durch diese Furcht wirst du immer wieder hinausgeworfen. Das wird viele Male geschehen. Langsam, ganz langsam wirst du lernen müssen, nicht so furchtsam zu sein; es gibt nichts zu fürchten. Du bist dem Schatz sehr nahe.

Das sind die Momente, in denen du die Hilfe des Meisters brauchst, jemand, der dir Mut macht, der deine Hand hält, der zu dir sagt: „Alles ist völlig in Ordnung. Geh nach innen!“

Ich musste auch da hindurch und auch ich hatte genauso große Angst wie du. Und viele Male bin ich wieder ausgestiegen, genau wie du aussteigst. Und du hast mehr Glück als ich, denn ich hatte keinen Meister – niemanden, der mir Mut machte, niemanden, der mir die Hand hielt. Ich kämpfte einfach mit mir. Es gab niemanden, der mir hätte sagen können, was noch vor mir lag. Ich musste einfach im Dunkeln tappen und da hineingehen – und es war gefährlich, es machte mich verrückt. Und die Menschen, die in jenen Tagen um mich herum waren, hatten schon angefangen zu glauben, dass ich verrückt geworden wäre. Alle, die mich liebten, machten sich Sorgen. Meine Freunde machten sich Sorgen, meine Lehrer, meine Professoren an der Universität machten sich Sorgen, meine Eltern machten sich Sorgen, alle machten sich Sorgen. Aber ich musste da durch. Viele Male stieg ich aus, die Furcht war zu groß. Ich bin mit dieser Furcht bestens vertraut.

Aber eines Tages muss man sich ihr stellen und durch sie hindurchgehen, denn immer wieder stolperst du über sie und stürzt dann wieder nach draußen. Und das Draußen wird irgendwann bedeutungslos. Das Draußen ist völlig leer. Also gehst du nach innen … und die Angst! Du musst zwischen beidem wählen. Das Draußen ist nicht mehr relevant. Du kannst weiterhin leere Gesten machen, aber wie lange kannst du dir selbst etwas vormachen? Du weißt, der Bildschirm ist leer und all deine Projektionen sind gestorben. Und du gehst nach innen – und die Angst, ein großer Angststurm bricht los. Aber es ist unausweichlich – man muss da hindurch, um ganz genau zu wissen, was nach diesem Tod geschieht. Je mehr du dir ein Herz fasst, desto besser!

Und ich sage es noch einmal: Du hast mehr Glück, denn ich bin dir ein Stück voraus in dieser äußersten Leere und rufe dir immer und immer wieder zu: „Komm doch nur! Komm, kommt doch nur alle! Komm, kommt!“ Und immer und immer wieder rufe ich euch das zu, so wie Christus den Lazarus aus dem Grab herausrief: „Lazarus, komm heraus!“

Tatsächlich ist dieses Gleichnis keine historische Tatsache. Es ist eine Parabel. Es ist eine Parabel dafür, dass der Weg von außen nach innen führt. Das Außen wird zum Grab, wenn es seine Bedeutung verloren hat. Das Außen wird zu bloßer Vergeblichkeit, zu Ödland, zu einem Grab. Nichts wächst dort mehr, nichts blüht dort mehr – kein Tanz, kein Lied ist mehr möglich – und du lebst nur noch in leeren Gebärden, leeren Gesten. Aber der Meister steht dort, wohin zu gehen du Angst hast, und ruft dich von dort aus. Ich stehe nicht nur außerhalb von dir. Du wirst mich in diesem innersten Nichts antreffen – nicht als „Ich“ natürlich, nicht als Person, sondern als Präsenz. Nicht getrennt von dir, sondern eins mit dir.

Lasst auch dieses „Mein“, dieses „Ich“ verschwinden. Und wenn dieses „Ich“ einmal verschwunden ist, gibt es keine Einsamkeit mehr, dann gibt es Alleinsein. Und Alleinsein ist sehr schön, Alleinsein ist Freiheit, es ist ein positives Gefühl des Wohlbefindens, ein positives Gefühl von großer Freude. Das ist ein ganz großer festlicher Augenblick. Ein Feiertag.

Es scheint nichts anderes da zu sein als ich – und ich bin so allein!

Ja, wenn das „Ich“ dableibt, bleibst du einsam.

Selbst du scheinst nur ein Teil des äußeren Gemäldes zu sein.

Lass mich ruhig Teil des äußeren Gemäldes werden, nur so kann ich anfangen, von innen her zu arbeiten. Lass mich aus dem Äußeren verschwinden, sodass du mich in deinem Innern sehen kannst. Und das wird meine Wahrheit sein. Und das ist die Wahrheit von Christus, und das ist die Wahrheit von Buddha und Krishna. Das ist die Wahrheit aller Meister, all derer, die erwacht sind.

Auch wenn es nur einige Sekunden dauert, versetzt es mich in Angst und Schrecken.

Das ist natürlich, aber fasse Mut. Gehe nach innen.

Ist das mein Verstand, der mir einen Streich spielt?

Nein, ganz und gar nicht! Der Verstand ist es, der die Angst kreiert, nicht diese Erfahrung. Der Verstand spielt dir einen Streich, wenn er die Angst kreiert. Es ist nicht der Verstand, wenn du siehst, wie dir all deine Projektionen näher und näherrücken und in deinen Augen verschwinden. Es ist nicht der Verstand, wenn alles eine weiße leere Leinwand wird. Es ist nicht der Verstand, sondern Meditation: Du bewegst dich auf den Nichtverstand zu.

Der Verstand erschafft die Furcht. Wenn er dem Nichtverstand sehr nahekommt, kriegt er einen solchen Todesschreck, dass er Furcht erschafft. Und in dieser Furcht stürzt du wieder nach draußen. Wenn es das nächste Mal passiert, geh nach innen, trotz aller Furcht. Sei wie der Elefant, der weitergeht, auch wenn die Hunde bellen.

Lass die Hunde des Verstandes bellen. Geh immer weiter wie ein Elefant. Kümmere dich überhaupt nicht um den Verstand – um das, was er sagt.

Der Traum von Mann und Frau

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