Читать книгу Deutsche Humoristen - Otto Ernst Schmidt, Böhlau Helene - Страница 3
Otto Ernst:
Die Gemeinschaft der Brüder vom geruhigen Leben
Haare in der Feder
ОглавлениеEs ist verzeihlich, Mensch, daß du meinst, wenn dir ein Haar in der Schreibfeder sitzt, es werde sich beim Schreiben von selbst wieder daraus entfernen. Bedenke aber, daß Haar und Feder, sobald sie diese deine Meinung merken, nur um so zärtlicher zusammenhalten. Aus dem verschmierten Buchstaben wird ein verschmiertes Wort, aus dem verschmierten Wort eine verschmierte Zeile; in der nächsten Zeile geht die Schmiererei rüstig weiter und dauert so lange, bis du die Feder auf den Tisch haust, sie zerbrichst und dir die Hand verstauchst. Daß du die ganze Seite nun noch einmal schreiben mußt, kostet bloß Zeit. Die verstauchte Hand kostet Zeit, Verdienst und ärztliches Honorar: das will alles noch nichts sagen. Aber das Wutgift, das sich in dir angesammelt, während du mit steigendem Ingrimm auf die Vernunft eines Haares hofftest, und nun der tage-, der wochenlange, mindestens der viertelstundenlange Ärger über all die Widerwärtigkeit: die fressen Nerven und Hirn, und das läuft in die Papiere. Sobald du, o Mensch, ein Haar in deiner Feder spürst, spreize die Feder und entferne das Haar, und will dir's nicht gelingen, so wirf die Feder weg oder das fasernde Papier, und nimm neues Material, und lächle dabei als ein Wissender, der in aller Ruhe und Behaglichkeit ein glänzendes Geschäft macht.