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S. M. S. „Karlsruhe“

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Es schien ein Festtag. Zum Fest der Weltausstellung in San Franzisco und der Kanaleröffnung in Panama geschickt, glitt als schmuckes Schiff der neueste Kreuzer „Karlsruhe“ im Juni vorigen Jahres von Brunsbüttel durch die Hochseeflotte auf die Nordsee. Dreiundsechzig Hurras gab, beneidet und beglückwünscht, die Besatzung aus bald heiseren Kehlen zurück. Lustig spielte die Bordkapelle, und über blanken Instrumenten wippten gar die bunten Haarschweife eines Schellenbaumes. Das blütenweiße Sonnensegel über dem Achterdeck war der Stolz eines Ersten Offiziers, der sein Schiff zu putzen, aber auch einzukaufen, ja, zu handeln verstand. Zehn Pfennig forderte acht Tage früher der Amtsbruder auf „Hohenzollern“ für jeden abgelegten Strohhut der Kaiserjacht, der draußen auf dem Pazifik, wo morgens der Tradewind — frisch wie Quellwasser und würzig wie Wein — pünktlicher als in Berlin der Bollejunge kommt, den Kopf eines Matrosen der „Karlsruhe“ bedachen sollte. Doch nur fünfeinviertel Pfennig gab es für den Hut, als das Geschäftchen richtig war, und der verlorene viertel Pfennig dürfte den ersten Offizier der „Karlsruhe“ noch heute dauern, denn er wollte nicht mehr als einen halben Groschen für den Deckel opfern. Weil über dem Handeln jedoch die Stunde der Ausreise kam, zahlte er unter Protest, den er in einem letzten vor Brunsbüttel ins Postboot geworfenen Brief einlegte. Die Antwort stand bis Aschermittwoch noch aus. Die „Karlsruhe“ kam nie nach Veracruz, ihrer nächsten Poststation. Der Krieg brach aus. Das Schiff lief keinen bewohnten Hafen an. Bis zum Abgehen der Briefe, die es am Tage nach Fastnacht schickte, hatte niemand an Bord von den Seinen gehört. Das wirft ein Schlaglicht auf den Kreuzerkrieg.

Die Sommersonne schien warm. Aus faltenlos glattem Gesicht lachte der Atlantik friedlich wie selten, und schöne Tage kamen auf den Azoren mit Ausflug, Bordfest und Fußballspiel. Bei flinker Fahrt quer über den Ozean nach St. Thomas ging der Ölvorrat auf die Neige. Dort trug während des Kohlens am 16. Juli ein Funkspruch Kunde von der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand ins Schiff. Die Musik brach ab, und: „Bald tut sich was“, rannten die politisch Weisen an Bord. Aber der stille Abend brachte eine kleine Freude mit der Nachricht, in Port au Prince sei Revolution ausgebrochen und das Erscheinen des Kreuzers nötig. „Karlsruhe“ dampfte hin, aber fand auf Haiti Friedhofsruhe. überrascht hat‘s niemand, denn nach Erfahrung vertagen Revolutionäre von Negerstaaten ihre Umwälzungen, wenn ein Kriegsschiff seine Schornsteine zeigt. Immerhin lag allabendlich das Landungskorps klar, und während kurzer Tropennacht fegte der silberne Strahlenbesen des Scheinwerfers — ein Rätsel und Schrecken aller Schwarzen — die flachen Strohdächer von Port au Prince und die hohen Palmenkronen der Nachbarschaft ab. Bei Tage wanderten Matrosen im weißen Päckchen hinter wippendem Schellenbaum und dröhnender Musik singend zu schattigen Wäldern, in denen es einmal gar ein Tänzchen gab. Die Offiziere plauderten auf der Veranda des Konsulats mit dem Konsul und seiner Schwester, saßen im deutschen Klub und waren den Gastgebern namentlich dankbar, weil sie auch der Mannschaft ihre Räume öffneten. Als schließlich Scheinwerfer und Landungskorps ruhen konnten, lief die „Karlsruhe“ Kingston auf Jamaika an. Unweit ankerte der englische Kreuzer „Berwick“, und von Bord zu Bord ging ein reger kameradschaftlicher Verkehr zwischen den Offizieren zweier Schiffe, die bald durch Kanonenmund miteinander sprechen und sich auf hoher See als Feinde begegnen sollten. Unerwartet kürzte den Aufenthalt ein die „Karlsruhe“ nach Mexiko schickender Befehl. Sie traf dort „Dresden“, wechselte die Besatzung aus und fuhr auf neue Weisung nochmals nach Port au Prince, weil die Revolution wieder bei Wege und ein gottlob fehlender Schuss auf die Schwester des Konsuls gefeuert war. Natürlich fand der Kommandant — jetzt Fregattenkapitän Köhler — Haiti wieder im Behagen tiefen Friedens. Bald hätte er die Rückreise nach Mexiko antreten können. Aber die schwüle, heiße Tropenluft der Julitage schien Drohenderes als Sturm zu brüten. Ohne Verbindung mit der Heimat, hörte er doch Gerüchte, die dem Kommandanten eines Stationärs Sorge schaffen mussten. Freilich wäre es ein seltener und eigener Wind, der Kapitän Köhler Sorgen wehte. Der gern und vernehmlich lachende Blonde mit Augen blank und blau wie das glitzernde Meer, in dem die Sonne sich spiegelt, scheint für seinen Posten geboren. Ihm gibt‘s auf weiter Welt und freier See nichts Schöneres als das stolze Herrentum eines Kreuzerkommandanten. Er ist gern auf sich und sein Können allein gestellt. Der unabhängigen Stellung schon im Frieden froh, will er sie auch im Krieg nicht missen, wenn der Feind sein Schiff mit Übermacht jagt. Als Gegner ihn wie Jäger das umstellte Wild hetzten, hätte er Anschluss an andere Schiffe oder gar das Kreuzergeschwader suchen können, und die Geschichte der Seekriege lehrt, dass auf Führern von Kreuzern oder Fregatten in Kampftagen nichts drückender und entmutigender als das Bewusstsein des Alleinseins lastete. Doch der fröhlich Verwegene, der daheim gern Gesellschaft und Freunde guter Tropfen um sich sah, ist in Sturmzeit kühn und selbstbewusst ein Einsamer geblieben. Eine Strippe, die ihn mit der Heimat verbände, hätte er wohl gar durchschnitten. Für Wochen, ja Monate haben seine Oberen von ihm nichts gehört. Immer wieder aber tauchten die Namen Köhler und „Karlsruhe“ in Meldungen von Diplomaten oder Kapitänen auf. Sie erzählten, wie er dem Gegner in die Zähne lachte, durch List und Flinkheit vielen Jägern entschlüpfte und als Schrecken des feindlichen Handels Dampfer auf Dampfer pflückte. Einstweilen spürt er vor Port au Prince Hunger nach Nachrichten über die politische Lage, gibt auf eigene Verantwortung die befohlene Reise nach Mexiko auf und fährt nach Havana, um mit dem Gesandten zusprechen. Der Diplomat muss die Frage, ob Krieg oder Frieden, noch offen lassen, aber Köhler horcht herum und kommt zu Urteil wie Entschluss.

Es ist der 30. Juli, und für den Abend hat S. M. S. „Karlsruhe“ zum Bordfest geladen. Um ihr Vergnügen sollen die Havanesen nicht kommen, denn der Kommandant will Aufsehen vermeiden. Als es dunkelt, lässt er vorn tanzen und achtern kohlen. Der erste Offizier hat drüben wie hüben Pflichten und geht ihnen bald in weißem, bald schwarzem Päckchen nach. Um Mitternacht wird der legte Schwarm lachend plappernder Amerikanerinnen und Havanesinnen von Bord geleitet. Der Kommandant lässt Anker aufgehen und schleicht sich aus dem Hafen, denn draußen stehen englische Panzerkreuzer, und er will bei Eintreffen des Mobilmachungsbefehls auf freiem Meer freier Herr seiner Lage und Entschlüsse sein. In der Stunde, die ihm nahe dünkt, soll namentlich kein Gegner ihn an der Ausführung eines wichtigen Auftrags hindern.

Köhler kreuzt nördlich von Kuba, als der Adjutant mit einer eben in der Funkenbude eingegangenen, in Hast entzifferten Depesche in seine Kajüte tritt: „Krieg mit Frankreich und Russland, Haltung Englands noch zweifelhaft.“ Oben sieht gerade die Mannschaft zur Musterung. Der Kommandant geht auf Deck und schreitet die Reihen entlang: „Nun spuckt mal in die Hände, Leute; wir haben Krieg mit den Russen und Franzosen, und die anderen werden wohl nicht warten lassen“

Ein donnerndes Hurra gibt Antwort, aber der Kommandant winkt kopfschüttelnd ab. Noch ist ja nichts los, und auf dem Schiff bleibt alles beim Alten. Erst als knatternde Funken die Nachricht von der Kriegserklärung Englands bringen, ruft er die Besatzung zu einer Aussprache auf dem Vorderdeck zusammen. Mit der Einleitung: „Ich kann euch nun die erfreuliche Mitteilung machen“ weckt er in drei knappen Sätzen den stürmischen, kaum wieder zu beschwichtigenden Jubel der Seinen, bringt dem Kaiser drei Hurras und lässt nach Verklingen des letzten die Bassstimme dröhnend über das Schiff hallen: „Ran an die Kanonen und losgemacht; was Splitterwirkung hat, fliegt über Bord!“

Da stürzen mit neuen, nicht endenden Hurras die Leute an die befohlene Arbeit und packen zu, dass die Knochen knacken. Vom „Heil dir im Siegerkranz“ geht die Musik zur „Wacht am Rhein“ und spielt dann fröhliche Lieder. Das schweißheischende Hantieren wird zum Fest. Traurig steht nur einer. Er möchte die Hände ringen und blickt aus umflorten Augen seinem Stolz und Augapfel, dem im Wasser versinkenden Sonnensegel mit Bambusstöcken nach. Aber wenigstens die feuergefährlichen Rossschweife am Schellenbaum hat der erste Offizier vor dem Übereifer seiner Matrosen gerettet.

„Dampf aus in allen Kesseln“, heißt‘s, und in fliegender Fahrt saust die „Karlsruhe“ nordwärts, um den aus New York abgefahrenen Lloyddampfer „Kronprinz Wilhelm“ zu treffen und als Hilfskreuzer auszurüsten. Die Rauchfahne, die am Morgen des zweiten Tages den Horizont über glattem Atlantik verdunkelt, scheint fast dem Schornstein eines Kriegsschiffes zu entsteigen. Aber dann zeigt der „Kronprinz“ seine Silhouette, und mit äußerster Kraft hält „Karlsruhe“ auf ihn zu. Das Kriegsglück will, dass die Luft windstill und die See ohne Falte ist. Längsseits gehen beide Schiffe und ihre Matrosen an schwere Arbeit, die Stunden währen wird. Geschütze, Munition, Offiziere und Leute sind auf den Dampfer zu schicken. Von ihm steigen in der Reserve dienende Schiffsoffiziere zur Beförderung in die Heimat um. Auch soll der „Kronprinz“ Proviant und einen kleinen Vorrat an Kohlen abgeben. Leider bekennt er sich zu einer Havarie, die später in See behoben ward, aber vorläufig die Fahrtgeschwindigkeit mindert.

Während hüben und drüben alle Hände zupacken, spähen von beiden Brücken wachsame Augen zum Horizont. Das Werk ist noch lange nicht getan, als der Wachhabende auf „Karlsruhe“ im Süden ein schwelendes Streichholz über dem Wasser zu sehen glaubt. Es wächst zu einem qualmenden Schornstein, und ehe eine halbe Stunde vergangen, meldet der Offizier seinem Kommandanten: „Englischer Panzerkreuzer!“ „Vielleicht unser Freund Berwick, der uns stören will,“ schmunzelt Kapitän Köhler. Doch der Gegner hält Kurs auf die Küste Nordamerikas und sieht nichts von den deutschen Schiffen, deren Leute immer hastiger, in jetzt schier grimmigem Eifer die Hände rühren.

Köhler hat gesunde Nerven. Mit verschränkten Armen sieht er bereit, den Befehl zum Einstellen der Arbeit zu rufen. Bis dahin will er jede Sekunde nützen. Wenn der Brite ihm noch ein zweites halbes Stündchen gönnt, ist sein Auftrag erfüllt. Breiter wird sein Lächeln, denn jetzt ist des nichts ahnenden Gegners Brücke vor seinen Augen und der „Kronprinz“ so gut wie versorgt. Gerade da dreht der Engländer bei. Aber mit frohem Aufatmen kann Köhler Befehle geben. Die deutschen Schiffe gleiten langsam, dann schnell und schneller auseinander. Brausende Hurras fliegen von Bord zu Bord. Dann haben sie sich nicht wiedergesehen, aber wissen, dass eins wie das andere sich sehen lassen kann.

Durch die Havarie an schnellem Fahren gehindert, muss doch der Hilfskreuzer „Kronprinz“, so gut es geht, das Weite suchen. Mit halber Kraft nur lässt darum Kapitän Köhler die Maschinen der „Karlsruhe“ stampfen und sieht bald befriedigt, dass er „Berwick“ nach sich zieht. Erst als „Kronprinz“ aus Sicht geschwunden, schüttelt er den Bekannten aus Kingston ab und macht sich davon.

„Karlsruhe“ ist allein und um sie das Halbdunkel einer mondhellen Nacht auf dem Wasser. Ihre Planken beben unter voller Maschinenkraft. Ihr Bug teilt die Wellen auf der Fahrt zur amerikanischen Küste, wo der Kommandant endlich Öl und Kohlen zu kaufen hofft.

Sein Wachhabender hebt die Hand zur Mütze: „Backbord voraus Kreuzer mit vier Schornsteinen; kommt uns entgegen!“ Hol‘s der Teufel! Die „Lowestoft“ glaubt Köhler nach längerem Hinschauen vor sich. Jedenfalls fahren zwei Gegner — außer dem Schiff mit vier Schornsteinen auch „Berwick“ — zwischen ihm und seinem Ziel. Sie würden „Karlsruhe“ wohl spätestens nach Füllen ihrer Bunker den Weg verlegen. Er dreht ab. Der Brite folgt, wird als „Bristol“ erkannt und unter Feuer genommen. Jeder Mann, der nicht Geschütze bedient, muss Kohlen schippen und der Kreuzer das Letzte an Maschinenkraft hergeben. Zwei Treffer schlagen auf „Bristol“ ein, und ein dritter verlöscht ihre Lichter. Die elektrische Anlage kam also zu Schaden. Der Engländer lässt von der Jagd und gibt Raketensignale, auf die aus weiter Ferne ein zweiter Brite Antwort steigen lässt.

Die „Karlsruhe“ ist in übler, wenn nicht verzweifelter Lage. Der „Kronprinz“ konnte ihr während der flüchtigen Begegnung nur wenig Kohlen geben, und ihre Bunker leeren sich schnell. Köhler geht mit der Fahrt herunter, lässt seinen Adjutanten, den I. O. und den leitenden Ingenieur zum Kriegsrat in die Kajüte rufen und fragt: „Herr Stabsingenieur, wie lange kann ich noch fahren? Komme ich bis St. Thomas?“

„Nein, Herr Kapitän, aber — vielleicht — bis San Juan, wenn wir bei mäßiger Fahrt mit den Kohlen sparen.“

Stunden beginnen, deren Sorgen wohl quälend an den Nerven eines Führers rütteln können. Um so wenig Feuerung als möglich zu verbrauchen, muss Köhler den geraden Weg, den von Engländern überwachten, befahrenen Treck nach Portorico wählen. Die vier Winde tragen das Funkengeknatter von Gegnern, die schon in der geschwätzigen Zuversicht, ihn zu fangen, reden. Begegnet er einem, dann fehlt es an Kohlen zu Angriff wie Flucht. Er kann sich kaum wehren, muss ruhmlos sein stolzes Schiff zu Trümmern schießen lassen. Aber wenn er der Stunden Sorgen spürt, sieht‘s keiner an seinem lächelnden Gesicht. Er hat Zuversicht genug, um anderen davon abzugeben. Er glaubt an seinen Stern und ist ein Sonntagskind. Ungelegen kommt freilich der Sonntag, an dem er mit gefegten Bunkern ohne ein Kohlenstück von der Größe eines Hühnereis in den Hafen von Sau Juan läuft. Wo sind am Sonntag Arbeiter und Kohlen zu finden? Nur einen kleinen Vorrat kann der Hafenkapitän, ein Seeoffizier, endlich schaffen.

Die Mannschaft ist beim Bergen des kostbaren Schatzes, als Meldung kommt: „Draußen stehen zwei feindliche Panzerkreuzer!“ Köhler runzelt die Stirn: „Ich wollte, es gäbe eine dunkle Nacht!“ Sie kommt und fällt tiefschwarz auf die See. „Karlsruhe“ schleicht aus dem Hafen. Innerhalb der Dreimeilengrenze führt der Kommandant sein Schiff längs der Küste bis zur Ostecke von Portorico und von dort auf hohe See durch das Gewirr von Klippen, an denen Schiffe ohne Zahl scheiterten. Mit dem Glauben an seinen Stern vollbringt er ein seemännisches Meisterstück, das Schiffer auf der Karaibischen See seither als verwegene Tat eines Glückspilzes mit Staunen rühmen. Und er ist wirklich ein Sonntagskind, denn als „Karlsruhe“ den gefahrschwangeren Klippen vor der Ostecke von Portorico naht, verdrängt strahlend heller Mondschein das tiefe Dunkel rabenschwarzer Nacht.

Von neuem geht Köhler auf die Suche nach Kohlen. Den Weg nach St. Thomas verlegen Briten. Er will sein Glück in Curacao versuchen. Am 12. August liegt das pflanzenarme, baumlose Inselchen mit weißumrahmten roten Häuschen vor ihm. Aber ein fremdartiges Bild bietet das freundliche Städtchen, das Seeleute einem Spielzeug vergleichen. Die Einfahrt ist durch eine Kette gesperrt. Durch die Luken altfränkischer Forts recken ihren Hals Geschütze, bei denen Artilleristen stehen, und vor der Brandung schaukeln zwei Kanonenboote klar zum Gefecht. Für Kampf gegen wen hat Curacao mobil gemacht? kann Köhler nur fragen, aber heißt einstweilen gelassen die Lotsenflagge und ruft den Kommandanten des einen Kanonenbootes an. Gewohntes Glück will, dass es ein alter Bekannter ist. Er kargt nicht mit Auskunft und gibt den wohlmeinenden Rat, so schnell wie möglich davon zu fahren, da Holland nach einer Überschreitung seiner Grenzen durch deutsche Truppen dem Reich den Krieg erklärt habe. Für einen Augenblick will der Glaube an den Stern fast schwinden. Die Mienen der Offiziere um Köhler harten sich, als er in kurzem Überlegen ernst den Kopf neigt. Da hebt er schon wieder das frei und fröhlich lachende Gesicht mit dem Rahmen des blonden Barts: „Wer hat Ihnen den Bären aufgebunden, alter Freund?“ Wie die Nachricht nach Curacao gekommen sei, fragte er den Holländer. „Über das französische Kabel,“ antwortet der Fremde, und laut lachend kann oder muss Köhler sich für die Unrichtigkeit verbürgen, weil er hier Kohlen finden oder sterben muss.

Nach langem Palaver mit Beamten und Offizieren fällt die Kette von der Einfahrt. „Karlsruhe“ fährt durch die beiden Reihen niedriger Häuser, über deren Dächer vom Deck die Mannschaft blickt, und macht fest. Der Kommandant geht an Land und fest durch, dass er Kohlen kaufen darf. Sie müssen gar schnell an Bord, denn immer wieder belehren sich die Holländer zum Glauben, die nächste Minute könne eine Depesche ihrer Regierung mit dem amtlichen Befehl zur Mobilmachung bringen. Darum trifft sich‘s gut, dass dicht beim Kreuzer ein von Südamerika nach New York unter amerikanischer Flagge fahrender Dampfer zu kurzem Aufenthalt liegt. Fast drei Dutzend zu Erfüllung vaterländischer Pflicht in die Heimat reifende deutsche Reserveoffiziere sind an Bord. Sie hören von den Nöten der „Karlsruhe“, sind mit Hurra von ihrem Schiff herunter, greifen zu Schippen und Körben und Schaufeln im weißen Reisekleid aus Linnen oder Flanell mit den Matrosen um die Wette. Während flott wie niemals die Arbeit vorwärtsschreitet, sieht Kapitän Köhler beim Schiff plaudernd zwischen holländischen Beamten. Sie zweifeln noch immer, ob es nicht ihre Pflicht ist; dem Versorgen des Kreuzers mit Feuerung Einhalt zu gebieten. Immer wieder wollen sie ein „genug“ sprechen. Aber auch solcher Lage wird niemand besser Herr als Köhler, der mit launigem Wort oder Schlag auf die Schulter aus Menschen Einwände, Widerspruch, ja Feindschaft herauszulachen versteht. Während er lustig scherzt, vergeht den Fremden die Zeit wie im Flug, und der fröhliche b1onde Seemann mit den heiteren Augen, blau wie das Meer, gefällt ihnen so gut, dass sie sein Tun nicht hindern mögen. Seine Offiziere aber sehen, dass er in den acht Tagen seit der Mobilmachung Fleisch verlor und älter, ja grauer geworden ist. Er kam nicht aus den Kleidern, hat kaum die Brücke verlassen und trug aus den Schultern als Gewicht von Zentnern die schwerste Sorge von Kommandanten mit dem Bewusstsein, durch viele Feinde aus Mangel an Feuerung gefechtsunfähig zu fahren.

Doch als er hinter dem letzten Korb Kohle das Deck seines Kreuzers betritt, atmet er tief und befreit. Auf schnellem Schiff weiß er sich ein freier Herr des freien Meeres und jeder Aufgabe gewachsen. Jetzt soll der Feind ihn jagen und seinem Handel der Gottseibeiuns helfen! Er schläft in jener Nacht und hat wohl vorher einen guten Trunk genommen. Am nächsten Morgen ist er wieder jung und für die Arbeit fertig. Er sucht sie auf dem Treck, den Kauffahrer für die Reife irdischen Nord- und Südamerika wählen. Südlich von Barbados kommt der erste britische Dampfer in Sicht. Mit dem Signal „Stoppen Sie“ geht Köhler in See, aber noch sind die Engländer auf sein Verfahren nicht eingefuchst. Der Brite zaudert und wird durch einen blinden Schuss zu Gehorsam gemahnt. Dann pflanzt „Karlsruhe“ eine Granate vor seine Nase, doch ist das vorläufig wenig arg gemeint. Weiß doch der deutsche Kommandant, wie schwer solch armer Skipper die rostige Maschine zum Stillstand bringt. Endlich geschieht‘s, und vom Kreuzer weht das Signal: „Drehen Sie bei, ich schicke ein Boot.“ Der Brite heißt das Gegensignal „verstanden“, während sein plötzliches Stoppen noch immer eine dicke Rauchsäule aus dem Schornstein qualmen lässt. Und wir sehen jetzt das Bild, das fortan alle gekaperten Dampfer den Männern auf „Karlsruhe“ bis zum Sinken bieten: Am Mast flattert das beim Aussteigen der Besatzung vergessene Signal „verstanden“ (nämlich verstanden, dass abseits von Britanniens Kreidefelsen auch noch Seefahrer wohnen), und über dem Schornstein weht die hohe dicke Rauchfahne, bis das Schiff in die Tiefe geht.

Von „Karlsruhe“ gleitet an Seiten der Prisenkutter herab. Zehn Mann mit umgeschnallten Seitengewehren führen die Ruder, Gewehre sind unter den Duchten beigefangen. Ein Oberleutnant zur See, sehr lang und schlank, mit der Schärpe um den Leib, führt als Prisenoffizier. Ein Leutnant der Reserve, der im Zivilberuf Schiffsoffizier ist, begleitet ihn als Sachverständiger in Schiffspapieren. Ein Signalmaat, der Prisenschreiber mit der Mappe für die fremden Schiffspapiere und ein Funkenmaat, der drüben sofort die Funkenbude vernageln wird, fahren auch noch mit, während vom Deck des Kreuzers aufmerksame Augen dem Kutter folgen. Bald sehen sie den schlanken Oberleutnant mit Schärpe die Strickleiter des Dampfers erklimmen und auf die Brücke entern. Nach kurzem Gespräch mit den englischen Schiffsoffizieren meldet er seinem Kommandanten durch den Signalmaat: „Schiff und Ladung einwandfrei britisch!“

Auch Kapitän Köhlers Antwort kommt durch Flaggen: „Besatzung zum Aussteigen klar; Dampfer wird versenkt!“ Der erste Offizier hat zugehört, als der Kommandant seinem Adjutanten den Befehl für die Signalgäste gab, und lässt pfeifen: „Sprenggruppe klarmachen!“

Unterdessen rudern vier Matrosen den Prisenkutter zum Kreuzer zurück. Auch der Prisenschreiber sitzt wieder darin und bringt alle an Bord des Fremden gefundenen Zeitungen mit. Wenn er den ersten Fuß auf das Deck der „Karlsruhe“ setzt, steht Kapitän Köhler bereit, ihm die Blätter aus der Hand zu nehmen. Er klemmt sie unter den linken Arm, sagt dem ersten Offizier: „Wursteln Sie einstweilen weiter“ und geht hastigen Schrittes ins Kartenhaus, um die Zeitungen zu studieren, weil Nachrichten für den Kreuzerkommandanten kaum weniger entbehrlich als Munition und Kohlen sind.

In den Prisenkutter klettert jetzt die Sprenggruppe mit einem Ingenieur, einem Maschinistenmaat und einem Torpedomatrosen. Er ist im Nebenamt Weinsteward in der Offiziersmesse, aber soll dort neuerdings seinen Dienst recht lässig tun. Es kommt vor, dass er im Entkorken einer Flasche eine Pause macht, an ein Bullauge tritt und ausspäht, ob es endlich wieder einen Dampfer zu pflücken gibt.

Auf der Prise ist der schlanke Oberleutnant mit Schärpe tätig und macht kurzen Prozess, als die Besatzung den Branntweinvorrat plündern will. Nicht nur Flaschen, sondern auch Wertvolleres aus der Ladung wollen auf allen gekaperten Schiffen die Britanniens Handel dienenden weißen und farbigen Engländer mitgeben heißen. In die Boote geschickt, müssen sie zu einem ans der Ferne dann nahenden Begleitdampfer der „Karlsruhe“ rudern und mit ihrer Habe und dem auf Befehl zusammengerafften Proviant an Bord gehen. Als letzter folgt von jeder Prise der Kapitän und bietet wiederum den Männern auf unserem Kreuzer ein stets gleiches Bild: In beiden Seitentaschen des blauen Jacketts trägt der Aussteigende eine Whiskypulle und unter beiden Armen einen Chronometer, der zwar seinen Reedern gehört, aber in allen Häfen zu Nutzen des Darbieters versilbert werden kann.

Mit den Briten an Bord wird der Begleitdampfer aus Sicht geschickt. Der Zahlmeister und Bottelier des Kreuzers suchen auf der Prise vielleicht nach Proviant. Dann tut die Sprenggruppe ihre Arbeit. Der Dampfer fliegt auf und versinkt. So schickt auf dem Treck zwischen Nord- und Südamerika die „Karlsruhe“ siebzehn englische Dampfer zu den Fischen. Das ist eine Leistung, welche die Namen Köhler und „Karlsruhe“ gleichwertig neben die von Müller und „Emden“ stellt. Das aber darf unsere Zuversicht stärken. Des Einzelnen Tat mag Ruhm schenken und Bewunderung werten. Vertrauen in eine ganze Organisation gewährt die Gewissheit, dass das Können, von dem Glück zur Tat und zum Vollbringen führt, in allen steckt. — Es klingt sehr einfach und scheint fast leicht, dass die „Karlsruhe“ auf dem Dreck siebzehn Dampfer aufbrachte, aber es heischte bei schwerem Dienst viel Nerven, Sorgen und Schweiß. Wäre ein feindliches Kriegsschiff genaht, während der Oberleutnant mit Schärpe auf der Prise war, so ging er mit der Besatzung des Kutters verloren. Für lange Monate, aber keineswegs täglich, befuhr die „Karlsruhe“ den Treck. Oft galt es, feindlichen Kreuzern auszuweichen oder abseits von Begleitdampfern Kohlen zu holen. Lustige Späße ereigneten sich dabei. Unser Kreuzer wird gejagt, muss seine Straße verlassen und bestellt einen der Begleitdampfer nach einem Punkt fünfzehn Meilen östlich des Trecks. Dort wartet schon der Dampfer, als ein britischer Kauffahrer mit der Frage naht: „Wisst ihr, wo die verdammte Karlsruhe“ ist?“ Der deutsche Kapitän nimmt sein bestes Englisch zusammen: „Bleibt ein Weilchen, denn ich erwarte mein Schwesterschiff und vom Skipper Antwort auf eure Frage, die auch mich mit Sorgen bedrückt.“ Dem Briten ist‘s recht. Er wird gesprächig und erzählt dem Deutschen, der gerade wie der Engländer keine Flagge führt und letzterem als Landsmann gilt, dass die britische Admiralität allen Dampfern unter uns feindlicher

Flagge zu dem Weg fünfzehn Meilen östlich des Trecks geraten hat, damit sie nicht in die Hände des deutschen Kreuzers fallen. Über Warten und Plaudern kommt die „Karlsruhe“, pflückt den Engländer und bleibt für Tage auf dem ihr von der britischen Admiralität bestellten Feld, während fünfzehn Meilen westlich feindliche Kreuzer auf sie fahnden.

Der Kommandant, der, ewig gesucht und gejagt, aber niemals gefunden, für ein halbes Jahr Kreuzerkrieg führt, muss neben der Gabe zu sicherem Disponieren viel kühnen Wagemut wie ein starkes Herz haben und seine Leute bei Laune halten können. Im stechenden Sonnenbrand und der schwülen, die Glieder und den Willen lähmenden Hitze jener Breiten hat die Mannschaft bei Tag und Nacht dem Dienst zu leben. Unter ihren Offizieren schläft sie zur Hälfte als Kriegswache bei den Geschützen oder geladenen Torpedos, und Arbeit genug hat auch die wachfreie Hälfte zu tun. Aus den Kleidern kommt für Tage weder Offizier noch Mann, und I. O. wohnt, um immer „auf Deck“ zu sein, in der Dampfpinasse.

Aber Krankheit ist selten auf „Karlsruhe“ und dick und rund von gutem Futter jeder Mann der Besatzung. Weder ihr Frohsinn, noch ihre Freude am Dienst für Kaiser und Reich stirbt in eintönigem Leben und lähmender Tropenhitze. Heitere Stunden bringt namentlich die Musik, an der sich auch die britischen Häftlinge auf den Begleitdampfern ergötzen, und die Mannschaft feiert Fastnacht mit einem Maskenball.

Das saubere und seemännische Aussehen der Matrosen in Weiß mit bronzebrann gebraunten, nackten Armen und von südlicher Sonne geschwärzten Gesichtern unter Strohhüten erregt das Staunen der Passagiere des aufgebrachten „Bandyke“ von der Lampert-Holt-Linie. Einige Ärzte unter den Fremden wollen nicht glauben, dass unsere fröhlichen dicken Jungens seit Monaten kein Land betraten.

Das Schiff wurde morgens bei leichtem Nebel überrascht. Die Fahrtgäste schienen beim Frühstück, als der Kreuzer herandampfte. In sichtlicher Freude eilten sie auf Deck und winkten dem vermeintlichen Landsmann oder angelsächsischen Vetter frohe Grüße. Britannia rulte ja noch the waves, und nur ein englisches Kriegsschiff konnte fern von Europa die hohe See befahren.

Auf hundert Meter Entfernung setzte Kapitän Köhler die Kriegsflagge, und die Männer auf „Karlsruhe“ sahen und fühlten wirklich, wie drüben auf schmunzelnden Lippen das Lächeln starb und die Gestalten in eisigem Schrecken erstarrten. Dass sie gehenkt würden, schienen Briten und Amerikaner noch zu glauben, als der schlanke Oberleutnant mit Schärpe an Bord kam.

Er sprach zunächst mit dem Skipper, dann durch Flaggen mit seinem Kommandanten und trat unter die auf das hinterste Achterdeck flüchtenden Passagiere: „Wir geben Ihnen einen Tag zum Packen der Koffer, meine Herrschaften! Morgen früh um sechs geht Ihr Gepäck von Bord; um neun Uhr folgen die Männer und um zehn die Damen, denn“ — lacht er einer Blondine zu — „Sie wollen doch ausschlafen, meine Dame!“

Dem Oberleutnant folgen andere junge Offiziere an Bord. Kapitän Köhler hat von der Angst der Töchter Amerikas und Englands gehört. Seine Herren sollen sie beruhigen und sich niedlich machen. Auch haben sie Auftrag, zu begutachten, ob der „Bandyke“ in einen Hilfskreuzer verwandelt werden kann.

„Denn das passiert nur heute“, denken die Leutnants von der „Karlsruhe“. Nach Ablauf einer Stunde winken sie um Mützenbänder und melden abends ihrem Kommandanten durch Winkspruch: „Während der Nacht schwere Angstausbrüche vieler Damen zu befürchten.

Können wir bleiben?“ Andern Morgens trennte amerikanische Entrüstung die Yankees von den Briten, weil — wie gemeinhin auf englischen Passagierdampfern — alle Boote des „Bandyke“ leck waren. Die „Karlsruhe“ schickte die ihren. Auf Begleitdampfer zur Fahrt in Sicherheit und einen neutralen Hafen gebracht, schlossen die feindlichen Vettern Frieden, um zusammen ihre Namen unter ein Dankschreiben an Kapitän Köhler zu setzen.

Auch die Männer auf den Begleitdampfern und unseren Handelsschiffen sind manches Wortes wert. Gerufen oder ungerufen kamen alle, alte, um in Stunden von Gefahr und, Not treu und deutsch ihr Leben dem Vaterland zu bieten. Wie jeder unserer Kreuzerkommandanten im Gelben Meer, in der Südsee und längs der Küsten Amerikas sieht bei Ausbruch des Krieges auch der in St. Thomas, Curacao und San Juan an Land gehende Kapitän Köhler sich von Schiffsoffizieren und Matrosen deutscher Kauffahrer umringt. Sie bitten, nein betteln mit nassen Augen um Dienst für die Sache der fernen Heimat. Sie kommen allein oder hinter ihrem Skipper, der Schiff und Besatzung zur Verfügung stellt: Herr Kapitän schicken Sie uns, wohin Sie wollen, schicken Sie uns in den Tod, aber nehmen Sie uns!“

Ein alter, fast weißhaariger Mann, der Steward auf kleinem Kasten, weint nach der Abweisung so beschämt, dass der erste Offizier ihn hinter dem Rücken des Kommandanten für Dienst im Lazarett wirbt. Da ist er glücklich, nein selig. Zwar kann er für das Vaterland nicht kämpfen, aber doch sterben, wenn dem Kreuzer die Stunde schlägt, die — das weiß er — einmal kommen muss. Die Kapitäne von Begleitdampfern ließen sich nicht suchen. Von weither fuhren sie durch Feinde und Gefahren, um ihre Dienste anzubieten. An der Südküste von Portorico hört der Kapitän eines stattlichen Passagierdampfers, dass die „Karlsruhe“ in den Hafen von San Juan lief.

Er blickt auf den Fahrplan. Wenn er jetzt zum Bahnhof rennt, kann er vielleicht noch den Zug erhaschen. Er stülpt den Hut auf, läuft ohne Schlips, wie er da ist, vom Schiff, steht am nächsten Morgen vor Köhler und nennt mit seinem Namen den des Dampfers. „Schiff und Besatzung zu Ihrer Verfügung, Herr Kapitän.

Ich rechne bestimmt auf Verwendung!“ So kamen alle, und so sprachen sie stets. Dann brannte Aug‘ in Auge und brannte Hand in Hand. Zwei Deutsche schlossen einen Pakt, den nur Tod und Sinken brachen, und der Seeoffizier fand im Schiffsoffizier einen Gefolgsmann, verlässlich und treu auf jeder Fahrt, die mit Gewissheit ins Grab und Ende führte.

Auch mit dem Kapitän des stattlichen Dampfers wurde ein Treffpunkt auf hoher See verabredet. Als „Karlsruhe“ eintraf, lag er dort. Der Skipper ließ nicht Hurra rufen. Ein schweigsam stiller Mann kam er ernst an Bord und machte keine Worte.

Er kam zur Erfüllung ganz selbstverständlicher, weil deutscher Pflicht. Er tat sie und tut sie noch, bis für Kaiser und Reich sein Schiff einmal sterben muss.

Dabei kamen die Männer draußen nicht wie wir daheim zu fröhlichem Krieg. Sie konnten ihr Herz nicht an Kunde von Siegen wärmen, Während Neutrale ihnen höhere Löhne boten, hörten sie, dass die deutsche Welt in Trümmer falle. Sie lasen, dass deutsche Soldaten Henker und deutsche Seeleute Piraten seien, und atmeten auf dem Meer wie im Hafen den heißen Hass der ganzen, auch neutralen Welt, die nach Sühne für Schandtaten, nach Rache an allen Deutschen schrie.

Das fraß an der Seele und weckte im einfachen Mann wohl gar Scham mit den Zweifeln, ob die Verleumdung nicht ein Körnchen Wahrheit trage, denn die Welt wusste bis zum August des Jahres 1914 noch nicht, wie Menschen lügen können. Sie hört ja erst jetzt, dass, wie britische Staatsmänner vor ihr Volk, englische Heerführer als Lügner vor die eigenen Truppen treten und die englischen Generale Kitchener und Haig nach dem Ruhme trachten, auf den Tafeln der Kriegsgeschichte mit dem Beinamen Lügner fortzuleiten.

Und doch konnte der deutsche Seemann, ob er goldene Borten und Messingknöpfe oder das schmucklose Blau des Kauffahrers trug, bald den Kopf gar stolz und hoch in froher Zuversicht recken. Das war, wenn er das Tun der Männer auf Britanniens Handelsschiffen sah. Der Skipper, der die Whiskypullen als Teuerstes in Sicherheit und des Reeders Chronometer zum Höker trug, schien noch ihr bester Typ, obwohl er an Wahrung jener Würde, die nationaler Ehrsinn auch in Gefangenschaft bekundet, nicht dachte. Seinen Kahn verließ er wie die Mannschaft in Hass ohne Bedauern oder gar Trauer. Auf dem Pott gab‘s nichts mehr zu verdienen, also mochte er zur Hölle, oder wohin es den Deutschen beliebte, fahren.

Nur die eigenen sieben Sachen, und was von des Reeders Habe zu versilbern war, mussten geborgen sein. Faul, aber froh hockten dann weiße und farbige Briten auf unseren Begleitdampfern. Fast spöttisch glücklich waren sie, weil sie nicht zu arbeiten hatten, und lebten auf, wenn die Jagd auf ihre Landsleute begann. Ein Fang brachte „company“, also neue Gefährten und neue Unterhaltung. Das war der Mühe wert, den Deutschen beim Ausspähen zu helfen! „See that smokestack, Sir“, riefen sie in Erregung den deutschen Schiffsoffizier an. Wenn der Kreuzer dem gefundenen Dampfer folgte, wünschten sie uns ein Schiff ihres eigenen Reeders als Beute und klatschten jubelnd in die Hände, wenn es gefangen wurde.

In lärmender Freude ihren Jig tanzend, begrüßten sie neue Häftlinge mit drei Hurras, oder sagen wir lieber three cheers, um den Kriegsruf anständiger Leute nicht auf unsaubere Lippen zu legen. So war an ihnen nichts von Treue zu Dienst und Vaterland zu spüren. Die Welt müsste ärmer werden und die Schifffahrt mit dem stolzen Beruf des Seemanns verelenden, wenn die Seegewalt ihres Volkes nicht gebrochen wird.

Kreuzerfahrten und U-Bootstaten

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