Читать книгу Porcus das charakterlose Schwein - Otto W. Bringer - Страница 11

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Portandus besucht sie dann und wann. Er hatte eine Anstellung in einem Lyceum für Mädchen bekommen. Als Kunsterzieher die hübschen jungen Dinger mit den schönen Künsten vertraut zu machen und aufs Leben vorzubereiten. Kunst ist Lebenselixier, sein Motto. Als Architekt hat er nie mehr gearbeitet. Nur ein einziges Haus gebaut für eine Gemüsebäuerin in Düsseldorf-Volmerswerth, direkt am Rhein. 1945 nach Kriegsende ein totales Chaos.

Es gab nichts. Keine Steine, keinen Zement, keine Eisenträger für die Decken. Keine Balken für den Dachstuhl, keine Pfannen zur Deckung. Nur Sand und Kies jede Menge aus dem Rhein. Was also tun? Die Bauherrin bestand darauf, ein neues Haus muss sein, das alte von Bomben zerstört. Sie will weiter Gemüse anbauen, auf den Märkten verkaufen. Hühner halten und ihre Eier verkaufen. Ganze Schweine und halbe. Wurst. Von irgendwas musste sie ja leben. Ihr Mann in Russland gefallen.

Portandus, einfallsreich seit eh und je, empfahl das Gesetz zu umgehen. Mündlich nicht schriftlich. Vorsichtshalber, die englischen Besatzer wollten alles schwarz auf weiß. Gegengeschäft die Lösung. Drei Schweine für zwölf alte Eisenbahnschienen vom Schrottplatz für die Armierung der Decken. Statt Doppel-T-Träger. Balken vom Holzhändler im Westerwald, der sie schwarz verhökerte. Pfannen aus Holland, wo sie stapelweise herumlagen. Kalk, Gips und Zement vom Schwarzmarkt in Gerresheim. Alles gegen Fleisch, Wurst, Gemüse, Äpfel oder Kartoffel. Die Not war groß in Deutschland. Den Mörtel von alten Trümmersteinen hatten sie bereits abgeklopft. Wiederverwendbarkeit das Thema dieser Zeit.

Frohen Mutes machten sich alle ans Werk. Betonierer, Maurer, Verputzer. Die Zimmerer mussten warten. Die Bäuerin kochte ihnen leckeren Eintopf. Dass sie satt wurden und fit für acht Stunden anstrengender Arbeit. Schenkte jedem nach Feierabend ein frisch gelegtes Ei, einen Apfel. Eines späten Vormittags Kontrolle. Plötzlich wie aus heiterem Himmel. Sie kündigten sich nie an. Verlangten die Baugenehmigung zu sehen. „Der Bau wird still gelegt. Sie haben keine Genehmigung der Besatzungsbehörde“. Nicht mal halb fertig das Haus. Nur Fundamente und Außenmauern. Die Giebel ragten wie Ruinen in den sommerheiteren Himmel. Pompeji am Rhein. Pompeji allenthalben.

Die Bäuerin rief Portandus, ihr sofort zu helfen. Die Jahreszeit sei reif für Herbst- und Wintergemüse. Im Haus sollte es geputzt und geschnitten werden. Für die Weiterverarbeitung zu dem, was mehr Geld einbringt. Weißkohl zu Sauerkraut in Fässern z. B. Hühner und Schweine brauchen dringend einen Stall vor dem Winter. Herr Portandus Sie müssen uns helfen.“

Der machte sich auf zur Baubehörde im Düsseldorfer Rathaus. Unübersehbar das Schild an der Tür: Baudezernat. Der Dezernent ein Deutscher. Entnazifiziert. Umgänglicher Typ, wie es schien. Portandus schilderte ihm die kritische Lage seiner Auftraggeberin. Sie lebe von ihrem Hof und sei allein, ohne Mann. In Stalingrad gefallen. Das Söhnlein erst vier Jahre, vaterlos. Das Haus muss fertig werden noch vor dem Winter. Sonst ist ihre ganze Existenz im Eimer.“

Er benutzte bewusst diese drastische Ausdrucksweise. Wusste er doch, sie macht den härtesten Mann weich wie Butter. „Hier das Formular, habe es unterschrieben. Lassen sie es im Büro nebenan noch abstempeln, damit es bei Kontrollen von den Engländern akzeptiert wird.“ „Sankt Bürokratius“ denkt Portandus und reibt sich verstohlen die Hände. Die Bäuerin belohnte ihn mit einem fetten halben Schwein. In Form von Schinken, Würsten und Speck. Und ein ganzes Jahr Gemüse und Obst frei. 1946 mehr wert als sechstausend Reichsmark.

Achtzehn Jahre später hat auch Portandus ein eigenes Haus. Ersteigert einen Bungalow inklusive zweitausend Quadratmeter Wiesengrund. Baute ihn um zu einem französischen Landhaus. Mit einem Wintergarten und drei Terrassen. Sechs Jahre später nimmt sich seine Frau das Leben. Weil sie sich verlassen fühlt. Von den Kindern, die lange schon ihr eigenes Leben lebten. Die älteste in New York. Die jüngste in Hamburg. Die mittlere starb in Afrika an Malaria.

Glaubte, Portandus, ihr Mann, hat eine Freundin. Sie hörte wenn er mit ihr telefonierte. Nannte sie Annegret. Dabei waren und sind es immer harmlose Telefonate zwischen denen, die sich lange schon kannten. Echte Freunde geworden. Ohne sexuelle Bedürfnisse. Glaubten beide. Und wussten nicht, dass es lange schon knisterte. Wenn sie sich sahen, miteinander telefonierten.

Sie beherrschen sich, respektieren den Ehepartner des anderen. Bemühen sich, harmlos auszusehen, wenn sie zusammen Kaffee trinken. Ein Glas Champagner. Ein Bier oder zwei oder drei. Auf seiner Terrasse, auf ihrer Terrasse. Portandus seit drei Wochen allein. In Gedanken bei seiner Maria. ParvumPlumbum aber ausgelassen, als wäre es die normalste Sache der Welt, zusammenzusitzen. Und von unbekannten Göttern, den besuchten Tempeln, Villen, Kathedralen dieser Welt zu reden. Über Rätselhaftes zu spekulieren. Alle weitgereist und welterfahren.

Dass ihnen Porcus wieder einen Streich spielen würde, ahnen sie nicht. Ein dummer Jungenstreich wäre es schon überhaupt nicht. Wenn man frühere Untaten Streiche nennen wollte. Diesmal sollte es sich zum Drama auswachsen.

Porcus das charakterlose Schwein

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