Читать книгу Seelenzucker - Patric Pedrazzoli - Страница 7
ОглавлениеResonanz und Stille
Unser Wesen ist still und hat sich noch nie bewegt. Unser Wesen ist wie die Achse eines Rades, um die sich das Rad des Lebens dreht. Das Leben dreht sich. Die Welt dreht sich. Unser Körper bewegt sich von A nach B. Unsere Geburt ist und unser Tod kommt.
Das alles ist wie ein Rad, doch unser Wesen ist die Achse. Diese hat sich noch nie bewegt. Sie ist immer in der Mitte. Wir identifizieren uns mit dem Rad des Lebens. Mit dem Diesseits und dem Jenseits. Mit der Geburt und mit dem Tod. Doch genau das alles sind wir nicht. Unser Wesen ist still und etwas, das still ist, hat null Resonanz. Es kann nicht sein, dass Stille eine Schwingung oder eine Resonanz hat, ansonsten ist es nicht die Stille, also auch nicht unser Wesen. Das wiederum bedeutet, dass alles, was Resonanz und Schwingung hat, nicht wir sind. Doch die Stille durchtränkt alles, was Resonanz und Schwingung hat. Das bedeutet, dass es nichts ohne Stille gibt, selbst ohne Resonanz gibt es die Stille. Entdecke dein wahres Sein. Die Stille ist immerwährend da. Auch wenn es draußen laut ist, ist die Stille da, denn wenn der Lärm aufhört, ist es still, also war die Stille bereits da, nur haben wir uns auf den Lärm konzentriert und konnten die Stille nicht hören. Woher kommt ein Ton aus einer Flöte? Aus dem Nichts. Es ist still und dann kommt ein Ton raus und wohin geht dieser Ton zurück? In die Stille. Auch wenn du sprichst, achte einmal genau darauf, wenn du ein Wort sagst. Dieses Wort kommt aus der Stille und danach, wenn du das Wort oder den Satz zu Ende gesprochen hast, geht es zurück in die Stille. Aus der Stille also, aus dem Nichts, kommt nicht nichts, sondern alles.
Oft sage ich in meinen Einzelsitzungen oder bei meinen Seminaren, dass NICHTS tun nicht heißt, dass nichts passiert, denn aus dem Nichts kommt alles und auch die Wunder dieser Welt. Und nichts tun heißt nicht, nicht tun. Unser Denken versteht hier immer: »Aha, ich muss nichts mehr tun, also kann ich zu Hause auf dem Sofa liegen und so kann dann alles kommen.« Das ist nicht gemeint. Wenn du an einem Bergsee stehst und ins Wasser schaust, kannst du dich im Wasser spiegeln, jedoch kannst du nicht klar sehen, weil der Bergsee Wellen hat. Nur wenn der See still wird, kannst du dich klar erkennen und dein Spiegelbild sehen. Doch was meinst du, bist du dieses Spiegelbild? Hast du mit diesem Spiegelbild etwas zu tun? Nein, es ist nur ein Spiegelbild, also eine Reflektion deines Körpers und deines Bewusstseins.
Wenn du geduldig und still bist und lange genug dein Spiegelbild auf dem See betrachtest, kannst du plötzlich hindurch sehen. Und du siehst in die Tiefe des Sees hinein. Doch er ist ganz trüb durch unsere vielen Gedanken und durch unser ständiges Wollen und Nichtwollen. Es sind symbolische Steine, die wir permanent ins Wasser werfen. Deshalb ist auch der Seespiegel nicht glatt, weil da die ganze Zeit Wellen schlagen von den vielen Steinen, die wir hineinwerfen. Und alles wird aufgewühlt, wenn sie auf dem Grund des Sees ankommen. Deshalb können wir nicht klar sehen, sondern es ist ganz trüb. Also wenn wir keine Steine mehr hineinwerfen, wird der See still und die Oberfläche glatt. Auch das Aufgewühlte am Boden des Sees senkt sich nach und nach und er wird ganz klar. Nun kannst du den Grund sehen und das ist dein Wesen.
Der Grund des Sees ist still und bewegt sich nicht. Und dieser Grund des Sees und diese Stille sind immerwährend hier, auch wenn du an der Oberfläche die Steine hinein wirfst. Wir spüren jedoch die Stille nicht, weil wir uns mit den Steinen und unserem Spiegelbild beschäftigen und zudem noch das Gefühl haben, das sind wir. Doch genau das sind wir nicht. Mit diesem Beispiel möchte ich dir zeigen, was ich meine mit dem Nichtstun, dass nichts passiert. Wenn ich nichts tue und mich nicht immer in mein Leben einmische, also keine Steine mehr hineinwerfe, kann ich mein Wesen, den Grund meines Lebens und meines Daseins erkennen.
Es geht hier auch nicht darum, nun willentlich keine Steine mehr hineinzuwerfen, das funktioniert nicht. Unser Wille sind die Steine, also können nicht die Steine den Steinen sagen: »Wirf keine mehr hinein!« Auf dieser Ebene funktioniert es nicht. Ich kann dem Ich nicht sagen: »Geh weg!« Denn das Ich will bleiben um jeden Preis. Was du machen kannst, ist dieses Programm, dieses Muster, diese Identifikation, diese Steine alle mit viel Geduld zu beobachten, und so lange zu beobachten, bis du alles durchschaut und alles durchleuchtet hast. Wenn du alles durchschaut hast, löst sich alles auf wie eine Fata Morgana – ohne etwas dafür zu tun. Denn derjenige, der denkt und tut, kann den Denker und das Tuende nicht auflösen.
Also auch hier wieder ganz einfach. Zu einfach? Es gibt also nichts zu üben und auch nichts zu tun, und deshalb auch nichts zu praktizieren, denn wer ist der Praktizierende? Der Praktizierende ist wie die Steine und wie will der mit dem Üben aufhören können? Jegliches Üben und Praktizieren sind verschiedene Steine und verschiedene Konzepte, und daher versuchen wir einfach immer wieder, die Konzepte zu wechseln. Wir praktizieren also ein Konzept, um ein anderes Konzept aufzulösen. Doch das führt nicht zu Freiheit und zum inneren Frieden, denn für die Freiheit, die immerwährend schon da ist, hast du keine Zeit, du musst ja üben und praktizieren, um sie zu erreichen – und genau so geht es nicht. Der Friede und die Freiheit sind schon in dir, du kannst sie höchstens entdecken und dann merken: »Oh ja, sie sind schon immer in mir und jetzt.« Sei wach und achtsam, denn du bist schon die Stille, der Friede, die Freiheit, die Liebe, das Mitgefühl – du bist nichts und alles zugleich, JETZT.
Wo Gott wohnt …
Einmal brachte eine Mutter ihren kleinen Sohn zum Rabbi. Da fragte der Rabbi den Jungen: »Ich gebe dir einen Gulden, wenn du mir sagst, wo Gott wohnt.« Aber der Bub war weiser: »Und ich gebe dir zwei Gulden, wenn du mir sagen kannst, wo er nicht wohnt.«
MARTIN BUBER
Wer bin ich ohne diese Gedanken?
Viele Leute fragen mich: Wie kann ich mein Denken stoppen, dass es aufhört zu denken oder dass es ruhig wird im Kopf. Nun – es ist folgendermaßen. Ich glaube nicht, dass es im Kopf beim Denken einmal still ist. Jedoch überlege mal, wenn du im Bett liegst, schlafen möchtest und im Zimmer ist eine Uhr, die laut tickt. Kennst du das? Dann hört sich dieses Ticken, sobald man es hört, sehr laut und störend an und man kann nicht einschlafen. Nun, es dauert eine Weile, bis man vergisst, dass sie da ist und man sie nicht mehr hört. Was meinst du, hörst du sie nicht mehr, weil die Uhr nicht mehr tickt? Nein, wahrscheinlich tickt sie, nur du achtest nicht mehr darauf. So ist es auch mit dem Denken. Wir identifizieren uns sehr stark über unser Denken und so sind wir fast wie Gefangene unserer eigenen Gedanken. Wenn sich diese Identifikation aber immer mehr auflöst, so werden die Gedanken immer leiser für dich. Obwohl dein Denken noch da ist und auch noch in derselben Lautstärke, ist es nun so, dass sich deine Aufmerksamkeit mehr und mehr auf dein Wesen ausgerichtet hat und deshalb die Gedanken kaum noch hört. Oft bitte ich meine Seminarteilnehmer/innen, dass sie sich das einmal vorstellen sollen oder als Thema mit in eine Meditation nehmen können.
Wer bin ich ohne meine Gedanken? Schaut euch mal an, wie viel Freiheit das gibt, Sorglosigkeit, Friede usw. Mach das immer und immer wieder und so wird es dir immer bewusster, dass du mit dem Denker und dem Gedachten nichts zu tun hast.
Betrachten wir einmal diesen Denker und auch das Gedachte sowie das gesamte Wissen unseres Gehirns. Wir durchleuchten unser Wissen und unser Gedankengut. Zuallererst frage ich dich, was meinst du, bist du noch derselbe Mensch mit denselben Gedanken und demselben Wissen wie vor 5, vor 10 oder vor 20 Jahren? Es werden mir fast alle zur Antwort geben, nein. Es ist seither viel passiert. Es kamen viele neue Erfahrungen hinzu. Ich habe viele Bücher gelesen. Ich habe Ausbildungen und Seminare besucht und daher denke ich nicht mehr wie vor drei oder fünf Jahren. Wenn das so ist, und das ist bei fast allen so, kann man ganz nüchtern betrachtet nun sagen: Wenn wir unser Denken, unser Gedankengut und unseren Gehirnspeicher an Wissen alle paar Jahre komplett überholen und nicht mehr so denken wie damals und alles sehr relativ ist, dann ist dieses Wissen von heute in fünf Jahren wiederum komplett überholt und wir wissen im jetzigen Moment an und für sich nichts. Dann kommt die Erkenntnis und daher wohl auch der Spruch großer Philosophen, »Ich weiß, dass ich nichts weiß«, weil unser Wissen heute und jetzt an und für sich nichts wert ist. Und dann müssen wir erkennen, dass wir uns über unser Denken identifizieren und an etwas glauben, was keine Beständigkeit hat, und an ein Wissen, das nichts wert ist.
So geht es ja auch unserer Wissenschaft, an die wir so stark glauben und an der wir uns festhalten, damit wir einen gewissen Halt in dieser Welt haben. Die Wissenschaft überholt sich alle paar Jahre und sagt, wir haben wieder etwas herausgefunden, so, wie wir bisher dachten, dass dies und das so ist, ist es nicht. Das heißt, auch hier glauben wir an eine Wissenschaft, die alle paar Jahre sagt, das, an das wir uns halten konnten, gibt es nicht mehr, es gibt jetzt etwas anderes, was wir herausgefunden haben, und so ist es ganz sicher. Nun lassen wir das Alte los und halten uns sogleich an der neuen wissenschaftlichen Erkenntnis fest. Doch auch hier zeigt es sich, dass das alles sehr relativ ist und keine Beständigkeit hat, weil auch das, was die Wissenschaft nun hier und heute als Wahrheit der Welt präsentiert, in einigen Jahren oft komplett über den Haufen geworfen wird, und dann kommt wieder etwas Neues.
Das heißt auch, die Wissenschaft ist an und für sich nicht glaubwürdig, oder? Unser Denken und unsere Wissenschaft sind relativ und daher beschäftige dich nicht mit ihnen, sondern entdecke dein Wesen, das unendlich, immerwährend, beständig und ewig ist. Nehmen wir doch einmal das gesamte Wissen unseres Denkens oder den gescheitesten Menschen dieser Welt und projizieren mit einem sehr speziellen Beamer, den man an das Gehirn anknüpfen kann, sein gesamtes Wissen auf eine Leinwand. Und danach verknüpfen wir den Beamer mit unserem Wesen und der universellen Weisheit – ich kann dir sagen, wir würden alle einen immensen Lachkrampf bekommen, darüber, was wir denken, und was wir zu wissen meinen. Wir werden uns fast nicht erholen können vor Lachen.
Also, meine Lieben, was möchtet ihr mehr lernen, dass euer Speicher im Gehirn immer wieder gefüllt und alle paar Jahre ausgemistet wird und sich wieder neues Wissen aneignet, und dies bis ans Ende eures Erdenlebens? Ist doch sehr schade um die Zeit. Stattdessen kehre um und erforsche dein Wesen, entdecke es in dir und du wirst finden, was du nie gedacht hättest: Einen Reichtum, den du mit keinem Geld dieser Welt je kaufen könntest. Eine Freiheit, die du nie erreichen könntest. Eine Liebe, die jenseits ist von dem, was du je gedacht hast, was Liebe sei. Einen inneren Frieden in dir. Im größten Hurrikan wirst du ganz still und ruhig bleiben wie das Auge des Sturms. Nun hast du die Wahl – lernen, Wissen aneignen, Erfahrungen machen usw., oder dich auf die Entdeckungsreise begeben in die Unendlichkeit deines Wesens, JETZT.
Hierbei ist anzumerken, dass diese Reise nirgends hinführen wird, obwohl eine Reise meistens ein Ziel hat, hier ist es eine Reise in die Ewigkeit ohne Anfang und ohne Ende. Denn, wo soll deine Reise hingehen, wenn das, was du suchst, schon da ist und du dein Wesen schon immer warst? Entdecke dein vollkommenes Wesen, jetzt. Solange wir uns jedoch mit unserem Körper, unserem Ich, unseren Gedanken und unserem Wissen und der Welt identifizieren, solange werden wir durch die Täler des Schattens und der Illusionen wandern und Reisen mit immer neuen Zielen haben. Wacht auf, meine Lieben, denn das, was wir denken, was wir sind, genau das sind wir nicht. Unser Wesen ist reine, bedingungslose Liebe, voller Gnade, voller Glückseligkeit – vollkommen, voller Mitgefühl, unendlicher Freiheit, immerwährend im Frieden und still.
Wahrscheinlich denkst du nun, ja das klingt alles sehr schön, doch meine Realität sieht anders aus. Ja klar, weil wir die Realität unseres Denkens als Wahrheit ansehen und uns damit identifizieren. Wir haben ja in diesem Kapitel einiges angeschaut, was unser Denken ist, was der Denker alles weiß, wie relativ und unbeständig das ist. Wir nehmen etwas als wahr an, was sich jederzeit ändert, also kann es sicherlich nicht wahr sein. Bist du bereit, JETZT umzukehren, um dein Wesen vollkommen in dir zu entdecken?
Ich bin bereit und wer möchte, kann immer und jederzeit mich aufsuchen, ich bin da für dich. Ich bin hier für dich, für immer.
Die dünnen Fesseln der Gewohnheit
Einem Dompteur gelingt es, einen Elefanten mit einem ganz einfachen Trick zu beherrschen: Er bindet das Elefantenjunge mit einem Fuß an einen großen Baumstamm. So sehr es sich auch wehrt, es kann sich nicht befreien. Ganz allmählich gewöhnt es sich daran, dass der Baumstamm stärker ist als es selbst.
Wenn der Elefant erwachsen ist und ungeheure Kräfte besitzt, braucht man nur eine Schnur an seinem Bein zu befestigen und ihn an einen Zweig anzubinden, und er wird nicht versuchen, sich zu befreien. Denn er erinnert sich daran, dass er diesen Versuch unzählige Male vergebens unternommen hat.
Wie bei den Elefanten stecken auch unsere Füße nur in einer dünnen Schlinge. Doch da wir von Kindesbeinen an die Macht jenes Baumstammes gewohnt sind, wagen wir nicht, uns zu wehren. Und wir vergessen darüber, dass es nur einer einfachen mutigen Tat bedarf, um unsere Freiheit zu erlangen.
PAULO COELHO
(Aus:Unterwegs. Gesammelte Geschichten,
Zürich, 2007)
Meditation und Erleuchtung
Betrachten wir gemeinsam diese Themen in der Tiefe unseres Seins. Viele meditieren, doch wofür, frage ich mich. Die meisten würden wohl nun sagen, um die Erleuchtung zu erfahren, um die Gedanken kontrollieren zu können oder um positive Gedanken zu kreieren, um Heilung zu erfahren, gedankenlos zu sein oder um die Stille zu erfahren. Doch das ist ein großer Trugschluss, denn hat dir schon einmal ein Erleuchteter gesagt: Meditiere, um Erleuchtung zu erfahren? Nein, wohl eher nicht. Hast du es gelesen? Oder in philosophischen und spirituellen Kreisen in Gesprächen gehört? Wenn ja, glaubst du womöglich an etwas, das es vielleicht gar nicht gibt oder mit dem Willen nicht zu erreichen ist. Seien wir mal ehrlich zu uns und schauen, ob wir womöglich einem Irrglauben aufsitzen und etwas üben – oder praktizieren –, was wir nie erreichen können. Denn das Wort heißt ER-leuchtung und hat mit einer ICH-leuchtung nichts zu tun. Also wer setzt sich hin und meditiert? Jetzt wirst du wohl sagen: »Ja ich, wer denn sonst?« Aber wie wollen wir mit unserem Ich etwas erreichen, das mit dem Ich nichts zu tun hat?
Das Ich, das wohl in unserem Kopf gespeichert ist, aus circa einem Kilogramm Fett besteht und im Wasser schwimmt – also das Gehirn – hat etwas gelesen oder gehört von der Erleuchtung und sagt dir nun, dass du meditieren kannst, um diese sogenannte Erleuchtung zu erlangen. Nun, es mag ja sein, dass wir durch viel Meditieren zu der Erkenntnis kommen werden, dass wir nicht meditieren müssen, um etwas zu erreichen, was wir bereits sind. Doch solange du meditierst und auf das Ziel wartest, wartet die Erleuchtung auf dich. Du selbst bist bereits die Erleuchtung – 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche -, also immerwährend.
Wir sind bereits das Licht der Sonne, also die Erleuchtung selbst, doch unser Fokus liegt auf dem Ich, das wie Wolken vor der Sonne liegt. Nun setzen wir uns auf diese Wolke und meditieren darauf, das Ich zum Leuchten zu bringen. Was meinst du, könnte das gelingen? Sieh dir Kinder an, die voller Energie sind, voller Lebensfreude und Glückseligkeit. Sie sind Meditation pur, immerwährend im JETZT lebend, die haben sich noch nie zum Meditieren hingesetzt oder darüber nachgedacht. Es gibt nichts zu meditieren, denn solange ich meine, meditieren zu müssen, um etwas zu erreichen, was ich längst bin, solange bin ich im Mangel und abgetrennt vom Universum. Wer das Gefühl hat, ein Ziel, die Erleuchtung zu haben, wird immer und jahrhundertelang der Erleuchtung nachrennen, bis zu seiner spirituellen Erschöpfung. An alle Meditierenden oder die, die es noch praktizieren: Ich möchte euch nichts wegnehmen. Meditiert ruhig weiter, doch schaut euch meine Worte mal in der Meditation an und taucht tief in euer Wesen hinein.
Wenn ihr meditiert, dann hoffentlich mit Freude, denn Meditation ist wie ein wunderbares Essen zu zweit am Abend unter dem Sternenhimmel bei Kerzenlicht an einem der schönsten Strände dieser Welt. Also genießt es und strengt euch dabei nicht an, um mit der Meditation ein Ziel zu erreichen, was ihr bereits seid. Die Er-Leuchtung ist immerwährend bei dir. Du bist die ER-Leuchtung gerade jetzt. Also suche sie nicht, denn dort, wo du sie suchst, wirst du sie nie finden. Somit hört hier und jetzt jede Suche auf nach etwas, was du bereits bist. Meditiere ohne einen Meditierenden.
Das perfekte Haus
Ein Einsiedlerkrebs lebte auf dem Meeresboden ganz in der Nähe einer schönen Koralle. Er besaß ein feines Schneckenhaus, in das er sich jederzeit zurückziehen konnte. Doch eines Tages schien ihm sein Schneckenhaus nicht mehr gut genug zu sein: »Ich bin ein angesehener Einsiedlerkrebs und sollte mir ein neues Haus suchen«, sagte er zu sich. »Ich habe einfach etwas Besseres verdient.« Und so verließ er sein Schneckenhaus und machte sich auf die Suche. Dutzende, ja sogar Hunderte von Schneckenhäusern probierte der Krebs aus, aber keines erfüllte seine Erwartungen. Das eine war zu groß, das andere zu klein, wieder ein anderes hatte einen Riss und das nächste nicht die richtigen Farben. Entmutigt setzte er sich in den Sand. Da fiel sein Blick auf ein weiteres Schneckenhaus. Er mobilisierte noch einmal alle Kräfte, kroch zu diesem Schneckenhaus und schlüpfte hinein. Und ja, das war das vollkommene Schneckenhaus! Es passte genau, es sah wunderschön aus und er fühlte sich auf Anhieb ganz zu Hause. Selig schlief er ein.
Als er am nächsten Morgen aufwachte, fiel sein Blick auf die schöne Koralle ganz in seiner Nähe. Darauf besah er sich das Schneckenhaus genauer … und es war exakt das Haus, das er verlassen hatte, um sich ein besseres zu suchen.
TANIA KONNERTH
(Aus: Aus der Schatzkiste des Lebens. Geschichten,
die ein Lächeln schenken, Freiburg, 2008)