Читать книгу Kinderwunsch 3.0. Berichte aus der Tabuzone - Patricia Faas - Страница 5
Maria, Landwirtin, Schweiz Eizellspende nach etlichen erfolglosen IVF-Zyklen
ОглавлениеObwohl ich von jeher auf dem Land lebe, habe ich sehr spät geheiratet. Ich war lange Zeit ziemlich beschäftigt, denn meine Schwester, die alleinerziehend war, ist in jungen Jahren innerhalb kurzer Zeit an einer bösartigen Krankheit verstorben. Ich habe zunächst sie gepflegt, dann ihren Sohn an Kindes statt angenommen.
Einige Zeit danach habe ich meinen jetzigen Ehemann kennengelernt. Er ist Bauer und hat einen grossen Hof mit Viehzucht, Ponys und Pferden, ein wahres Paradies. Zwischen uns hat es sofort wortlos funktioniert. Wir wussten, wir sind füreinander bestimmt. Da war ich gerade vierzig geworden. Ihn hat es auch nicht gestört, dass ich den Jungen mit in die Ehe gebracht habe, im Gegenteil.
Mein Mann ist sechs Jahre jünger als ich. Von Anfang an war klar, dass wir gerne ein gemeinsames Kind hätten. Wegen meines Alters standen die Chancen ziemlich schlecht. Nachdem wir es ein Jahr lang erfolglos probiert hatten, sind wir von meiner Frauenärztin an ein Kinderwunschinstitut überwiesen worden.
Es war ein ziemlich weiter Weg für uns von unserem Hof in die Stadt, aber wir haben das Monat für Monat durchgezogen. Erst wurden die Spermien in meine Gebärmutter gespritzt, irgendwann begannen wir mit künstlicher Befruchtung, IVF. Am Anfang entstanden durch die hormonelle Stimulierung immer noch mehrere Eizellen. Bei den letzten Versuchen entwickelte sich trotz einer Riesendosis an Hormonen, die ich mir täglich spritzen musste, nur noch eine einzige Eizelle. Es ergab gar keinen Unterschied mehr, ob ich Medikamente nahm oder nicht, das Ergebnis war immer das gleiche. Nicht ein einziges Mal hatte ich einen positiven Schwangerschaftstest.
Irgendwann fragte ich meine Kinderwunsch-Ärztin, ob es für uns überhaupt keine Möglichkeit mehr auf ein Baby gäbe. Damals fing ich an, wirklich verzweifelt zu sein. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Kind war bei meinem Mann und mir sehr gross. Ich wollte unbedingt weitermachen, sah aber, dass mir die Felle davonschwammen.
Inzwischen war ich 43 Jahre alt. Die Ärztin zögerte etwas, dann sagte sie: «Doch, es gibt da noch etwas, die Eizellspende.» Ich hatte noch nie davon gehört. Sie erklärte mir, in der Schweiz sei das nicht möglich, aber im Ausland könne man die Eizelle einer jungen Frau kaufen. Die würde dann von den Spermien meines Mannes befruchtet und mir eingesetzt. Aber, sagte sie, das Kind sei dann nicht mit mir verwandt. Das war für mich überhaupt kein Problem. Wir hatten ja schon den Sohn meiner Schwester, mit dem ich auch nur ein bisschen verwandt war und mein Mann gar nicht. Der wuchs bei uns auf als unser Sohn und war inzwischen ein fröhlicher Primarschulbub geworden. Ein eigenes Kind kann man auch nicht mehr lieben.
Zu Hause googelten wir die Eizellspende. Wir stellten schnell fest, dass es verschiedene Möglichkeiten gab. Für uns kam am ehesten eine Behandlung in Tschechien in Frage, auch vom Preis her. Mein Mann und ich überlegten uns, dass wir unser Umfeld vorbereiten müssten, wir würden ja jetzt öfter mal weg sein. Einen Hof kann man nicht plötzlich sich selbst überlassen. Deshalb sagten wir, dass wir uns entschieden hätten, ab jetzt mal etwas von der Welt kennenzulernen. Das akzeptierten alle, und wir konnten so in Ruhe unsere Behandlung vorbereiten.
In diesem Kinderwunschinstitut in Prag durften wir uns zwischen Standard- und Premium-Behandlung entscheiden. Wir wählten die Premium-Variante, die war mit Privatzimmer. Irgendwie glaubten wir, dass wir damit schneller zum Ziel gelangen würden. Das Zentrum machte uns Mut: Mit sechzigprozentiger Wahrscheinlichkeit würde es mit einer Schwangerschaft bereits beim ersten Versuch klappen. Das war schon etwas Anderes als die mickrige zehnprozentige Chance auf eine Schwangerschaft durch künstliche Befruchtung, die wir bisher probiert hatten. Wir konnten mitentscheiden, was für eine Eizelle wir bekommen. Wir durften Augen- und Haarfarbe der Spenderin wählen und ob sie eine Matura hat. Letzteres war für uns nicht wichtig, wir haben beide ja selber keine, aber als Hinderungsgrund für eine Wahl sahen wir das auch nicht.
Als wir zum geplanten Embryonen-Transfer in das Institut kamen, sass im Wartezimmer eine ganz junge Frau mit einem älteren Mann. Das ist sicher eine Spenderin mit ihrem Vater, dachte ich mir damals. Dieses Bild habe ich noch immer vor Augen.
Im ersten Versuch wurde ich nicht schwanger. Wir waren unglaublich traurig, weil der Aufwand für uns doch riesig war. Aber ich dachte mir ok, ich muss jetzt erst einmal an mir selbst arbeiten. Ich hatte während der zahlreichen IVF-Versuche zwanzig Kilo zugenommen. Also speckte ich ab und begann Sport zu treiben.
Erst danach probierten wir es erneut, mein 45. Geburtstag lag gerade hinter mir. Diesmal klappte es. Nach dem Transfer musste ich mich eine halbe Stunde auf den Bauch legen. Ob der Erfolg damit zusammenhängt, weiss ich nicht.
Jedenfalls war der Schwangerschaftstest zwei Wochen später positiv. Die Schwangerschaft verlief gut, ich hatte etwas erhöhten Blutdruck, aber alles lief ohne grössere Probleme. Gegen Ende meiner Schwangerschaft besuchte ich mit meinem grossen Bauch meine Kinderwunsch-Ärztin, um mich zu bedanken, dass sie mich über die Eizellspende informiert hatte. Ich übergab ihr auch die Visitenkarte unseres tschechischen Kinderwunschinstituts, weil man uns dort so segensreich geholfen hatte. Ich mir dachte, dass es doch sicher noch mehr Frauen in einer ähnlichen Situation geben müsste. Diesen Kontakt weiterzugeben war mir ein echtes Bedürfnis.
Unsere Tochter wurde dann durch Kaiserschnitt geboren. Niemand weiss, wie sie entstanden ist, ausser meinem Mann, der Ärztin und mir. Manchmal merken die Leute an, wie ähnlich sie mir sei. Dann muss ich lachen. Man sieht doch immer das, was man sehen will. Ich finde übrigens, sie ist meinem Mann wie aus dem Gesicht geschnitten.
Wir werden ihr auch später nicht sagen, dass wir sie mit Eizellspende gezeugt haben. Wozu? Wir wohnen in einem ganz kleinen Dorf, die Gemeinschaft ist sehr gut, man hilft sich gegenseitig. Aber solche Dinge kann man auf gar keinen Fall miteinander bereden. Ich spreche manchmal mit anderen Frauen, die auch Probleme haben, schwanger zu werden. Ihnen sage ich dann: «Schau, es gibt doch noch andere Möglichkeiten, ich habe da neulich einen Film gesehen …» Aber ich würde niemandem anvertrauen, dass ich das alles am eigenen Leib erfahren habe.
Das Einzige, was mich manchmal beschäftigt, ist mein Alter, dass ich sechzig sein werde, wenn unsere Tochter fünfzehn Jahre alt ist und in die Pubertät kommt. Vielleicht sagen dann die anderen zu ihr «Deine Mutter ist ein Grosi.» oder so etwas. Wenn das so kommt, muss sie eben weghören.
Das Alter war auch der Grund, warum wir zwei Jahre nach der Geburt kein weiteres Kind mehr wollten, obwohl noch befruchtete Eizellen im Institut lagerten. Mein Mann und ich haben darüber gesprochen, was wir jetzt mit ihnen machen sollten. Wir haben uns dann für die Möglichkeit der Embryonenspende entschieden. Vielleicht helfen sie ja einem anderen Paar, seinen Kinderwunsch zu erfüllen.
Ich bin mit mir völlig im Reinen. Dass unsere Tochter mit mir nicht verwandt ist, spüre ich im Alltag gar nicht.
Ich kann allen Paaren mit Kinderwunsch nur empfehlen, alle Möglichkeiten gut zu durchdenken.
Ob die Eizellspende hier nicht erlaubt ist und im Ausland teilweise schon, ist mir egal. Ehrlich gesagt habe ich gar nicht mitbekommen, was die Gesellschaft darüber so denkt. Dafür ist mein Alltag viel zu ausgefüllt.