Читать книгу Dr. Norden Extra 5 – Arztroman - Patricia Vandenberg - Страница 3

Оглавление

»Endlich«, sagte Dr. Norden aufatmend zu Wendy, als er den letzten Patienten entlassen hatte. Es war sehr spät geworden an diesem Freitag. Fast neunzehn Uhr, aber es war Erkältungszeit, und das Wochenende wollten die Berufstätigen lieber in der Natur als im Bett verbringen. Manche erwarteten Wundermittel von dem beliebten Arzt.

Das Telefon läutete. »Es wird meine Frau sein«, sagte Daniel Norden. »Sie werden mit dem Essen warten.«

Es war aber nicht Fee Norden. Wendy hielt ihrem Chef den Hörer hin.

»Ein Kollege aus Landeck. Es sei wichtig«, sagte sie.

Daniel Norden meldete sich und lauschte. Der andere hatte anscheinend etwas Ernstes zu berichten, denn Wendy sah es Daniel Nordens Gesicht an, daß er sehr bestürzt war.

»Ich werde sehen, daß ich kommen kann«, erklärte er zu Wendys Überraschung. Sie wußte ja, daß Landeck ein ganzes Stück entfernt lag.

»Sehr mysteriös«, sagte er geistesabwesend. »Eine junge Frau ist beim Skifahren verunglückt. Sie liegt im Koma. Sie hat ein Rezept von mir bei sich gehabt, aber ihr Name ist nicht darauf zu entziffern. Niemand konnte sie bisher identifizieren. Aber ich werde mich wohl darum kümmern müssen.«

Das mußte er seiner Frau Fee beibringen, die sich auf ein geruhsames Wochenende gefreut hatte, da die letzten Wochen sehr turbulent gewesen waren.

Als er heimkam, wurde er erst einmal von Fee und den Kindern weidlich bedauert.

So hob er sich die Neuigkeit bis nach dem Essen auf, als er mit Fee allein sprechen konnte.

Sie sah ihn bestürzt an. »Und es gibt keinen Hinweis, wer das sein könnte?« fragte sie.

»Eine Frau zwischen zwanzig und dreißig Jahren, aschblondes Haar, sehr schlank, mittelgroß, blaugraue Augen, keine besonderen Kennzeichen. Und ich habe keine Ahnung, wer von meinen Patientinnen zum Skifahren nach Österreich gefahren ist.«

»Aber dein Gewissen befiehlt dir, dich um sie zu kümmern«, sagte Fee.

»Verstehst du das nicht?«

»Natürlich verstehe ich es. Wie lange liegt sie schon dort?«

»Sechs Tage, aber das Rezept wurde erst jetzt in der Innentasche ihres Anoraks gefunden. Die Polizei ist eingeschaltet, aber es liegt keine Vermißtenmeldung vor.«

»Dann werden wir morgen früh nach Landeck fahren. Für die Kinder ist es ein Ausflug. Die Zwillinge können bei Lenni bleiben.«

»Wenn du meinst«, sagte er erleichtert.

»Ich kenne dich, und ich bin doch auch nicht anders.«

Danny, Felix und Anneka waren begeistert, die Zwillinge maulten gar nicht, daß sie bei Lenni bleiben sollten. Sie wußten, daß es ihnen doppelt gutgehen würde. Auf Lenni war Verlaß. Sie war immer glücklich, wenn sie die Kleinen für sich hatte.

Am nächsten Morgen, in aller Frühe, fuhren sie los. Es war verhältnismäßig ruhig auf den Stra­ßen. Sie kamen auch gut voran.

Um zehn Uhr waren sie bereits am Ziel. Während die Berge schneebedeckt waren, bot die Stadt noch einen trüben Anblick.

»Ich verstehe nicht, daß sie hier beim Skifahren verunglückt sein soll«, sagte Fee.

Sie setzten die Kinder in ein Café, das dicht beim Krankenhaus lag. Dort konnten sie sich am leckeren Gebäck gütlich tun und waren damit auch sehr einverstanden.

»Aber ihr bleibt hier sitzen, bis wir wiederkommen«, wurden sie eindringlich ermahnt.

»Ist doch klar«, sagen Danny, »wo sollten wir denn hingehen?«

»Hoffentlich bleibt ihr nicht zu lange«, sagte Anneka, während Felix bereits begehrlich nach dem Gebäck schielte.

Daniel und Fee betraten das Krankenhaus mit gemischten Gefühlen, wurden von dem Portier forschend gemustert, der aber gleich aufsprang, als Daniel sich vorstellte und nach Dr. Brankow fragte.

Sie wurden zu ihm auf die Station begleitet. Dr. Brankow mochte nicht älter als Mitte Dreißig sein und wirkte sehr ernst und seriös. Er war sichtlich erfreut über das schnelle Erscheinen des deutschen Kollegen.

»Meine Frau ist auch Ärztin«, erklärte Daniel. »Wir haben diesen Besuch mit einem Familienausflug verbunden. Unsere Kinder warten im Café.«

»Es tut mir leid, wenn mein Anliegen Sie beunruhigte«, sagte Dr. Brankow, »aber Ihr Name ist der einzige Hinweis, den wir bezüglich dieser Patientin bekommen haben. Das Rezept war so geknickt, daß wir den Namen nicht entziffern konnten. Das Medikament ist ein Antiallergikum.«

Das verriet Daniel Norden noch gar nichts, denn er hatte eine ganze Anzahl von allergischen Patienten. Außerdem stand ja nicht fest, daß es für diese verunglückte Frau ausgestellt worden war.

»Am besten wird es sein, Sie sehen sich die Patientin erst an, dann können wir weiter sprechen, was ja sinnlos wäre, wenn Sie sie nicht kennen würden.«

Er führte sie zu einem Krankenzimmer, das ziemlich kahl und eng war. Als Daniel die Patientin betrachtete, stieß er ein erschrockenes: »um Gottes willen!« hervor. Fee wurde schreckensbleich.

»Viola von Lüding«, flüsterte sie, »aber jetzt heißt sie ja wohl Corelli.«

»Sie ist Ihnen also bekannt«, sagte Dr. Brankow.

»Seit Jahren, aber sie war schon mehr als ein Jahr nicht mehr bei mir in der Praxis. Ich muß diesen Schock erst verdauen.«

»Ihr Mann müßte sie doch vermissen«, flüsterte Fee. »Sie haben vor zwei Jahren geheiratet, ein Traumpaar, wie man meinte. Nun liegt sie hier und namenlos.«

»Jetzt nicht mehr«, meinte Dr. Brankow aufatmend. »Sie können uns und auch ihr weiterhelfen.«

»Mir ist es unbegreiflich, daß sie ohne Geld und Papiere unterwegs ist. Wo ist sie denn verunglückt?« fragte Fee.

»Nahe der Schweizer Grenze wurde sie gefunden. Sie scheint sich zu Fuß ein Stück durch den Schnee geschleppt zu haben. Ski wurden nicht gefunden, nur ein Stock. Es ist alles sehr mysteriös. Wenn nicht zufällig zwei Skifahrer zu dieser abgelegenen Stelle gekommen wären, wäre sie erfroren. Sie war völlig unterkühlt. Wenn dieses Rezept nicht wä­re…«, er hielt inne. »Aber es muß sie doch jemand vermissen, wenn wir nicht ausschließen wollen, daß der Ehemann auch verunglückt ist.«

»Sie hat eine Tante in München, das weiß ich«, sagte Fee. »Ihre Eltern leben nicht mehr. Die Mutter ist ziemlich früh verstorben, der Vater vor einem Jahr an einem Herzinfarkt, kurz nach der Hochzeit seiner Tochter. Unseres Wissens ist sie sehr vermögend.«

»Wie heißt die Tante?« fragte Dr. Brankow.

»Auch Lüding, an den Vornamen kann ich mich momentan nicht erinnern«, sagte Fee. »Ich bin sehr erschüttert. Sie war ein ganz besonders reizendes Mädchen. Sie muß sehr viel durchgemacht haben, wenn ich ihr Gesicht jetzt betrachte.«

»Meinen Sie, daß sie den Tod suchte?« fragte Dr. Brankow.

»Nein, das will ich nicht glauben«, erwiderte Daniel abwehrend. »Da gibt es andere Möglichkeiten. Was hat sie für Verletzungen?«

»Wie man sie bei einem Sturz davonträgt. Keine Brüche. Blutergüsse und Abschürfungen, die sie sich aber kaum im Schnee zugezogen haben kann. Aber niemand will sie gesehen haben, auch aus dem Grenzbereich der Schweiz gab es negative Auskünfte. Die Polizei hat sich wirklich bemüht. Sie waren meine letzte Rettung und zum Glück eine erfolgreiche.«

»Dann besteht die Möglichkeit, daß wir sie nach München bringen lassen können, wenn sie transportfähig ist? Wir würden uns mit ihrer Tante in Verbindung setzen. Für Ihre Kosten kann ich garantieren.«

»Das ist zweitrangig. Mir liegt daran, daß ein junges Leben gerettet wird. Können Sie genau sagen, wie alt sie ist?«

»Dreiundzwanzig, höchstens, das Geburtsdatum habe ich nicht im Kopf.«

»Sie war zwanzig, als sie geheiratet hat, daran erinnere ich mich. Ihr Mann ist ein Conte Corelli, er muß doch auffindbar sein! Wir müssen uns unbedingt gleich mit ihrer Tante in Verbindung setzen«, sagte Fee. »Sie müßte doch etwas wissen. Kann ich von hier aus telefonieren?«

»Selbstverständlich.«

Über die Telefonauskunft bekam Fee die Nummer von Leonie von Lüding, aber es meldete sich nur der Anrufbeantworter. Die Stimme sagte, daß sie erst am Montag wieder zu erreichen wäre.

»Wie wollen wir verbleiben?« fragte Daniel. »Sollen wir die Verlegung nach München schon veranlassen?«

»Ihr Zustand ist stabil, und im Interesse der Patientin wäre es mir recht, wenn sie in eine Klinik käme, die modern ausgestattet ist. Bei uns sind Sonderbehandlungen ja nicht möglich.«

»Dann werde ich mit Ihrer Zustimmung den Transport veranlassen und Frau Corelli mit einem Sanitätsflugzeug holen lassen, sobald die klinische Unterbringung gesichert ist. Bis Montag wird es allerdings dauern.«

»Das ist schon in Ordnung. Vielleicht erwacht sie bis dahin doch aus dem Koma, wenn es jetzt auch noch nicht danach aussieht. Dann aber könnte sie selbst entscheiden und uns weiterhelfen.«

Fee blickte wieder auf das Gesicht hinab, das ohne Leben schien und doch soviel ausdrückte, soviel Schmerz und – was zeichnete sich da noch ab? Abwehr, Zorn, Widerwillen? Was war geschehen, was hatte man ihr angetan? Wo war ihr Mann? War sie entführt worden, aber warum hatte er dann nichts unternommen? Oder hatte er das, und die Polizei der verschiedenen Ländern arbeitete wieder einmal aneinander vorbei?

Als sie sich von Dr. Brankow verabschiedeten, sagten sie, daß sie morgen anrufen würden. Vielleicht konnten sie in München auch schon etwas in Erfahrung bringen, oder einen oder den anderen Kontakt aufnehmen.

Fee streichelte Violas Hände. »Wir holen dich nach Haus, du armes Geschöpf«, sagte sie leise. »Du bist nicht verlassen.«

*

Die Kinder hatten sich nicht gelangweilt, aber sie hatten auch Unmengen verdrückt. Fee und Daniel tranken noch einen Kaffee und aßen Apfelstrudel. Daniel war in Gedanken. »Bis zur Schweizer Grenze sind es etwa dreißig Kilometer, und da ist auch das Drei­ländereck«, sagte er.

»Was für drei Länder, Papi?« fragte Anneka.

»Österreich, Schweiz und Italien«, erwiderte er. »Die Grenzen sind in den Bergen verwischt.«

»Es nützt nichts, wenn wir Vermutungen anstellen«, meinte Fee. »Wir müssen recherchieren.«

»Mal wieder ein aufregendes Wochenende. Hatten wir nicht gerade erst eins?«

»Diesmal ist es ja was ganz anderes. Sie könnte tot sein, Daniel. Ich bekam einen gewaltigen Schrecken, als ich sie erkannte.«

»Ich aber auch.«

»Von wem redet ihr eigentlich?« fragte Danny.

»Von Viola von Lüding, erinnerst du dich noch an sie?«

»Wo die riesige Hochzeit war, bei der Gucki Blumen gestreut hat? Sie redet immer noch davon.«

Gucki war eine Schulfreundin von ihm. Wie sie richtig hieß, wußte Fee immer noch nicht, aber ihre Eltern gehörten zum Adel. Von Dellbrügg hießen sie.

»Da können wir einhaken«, sagte Fee.

»Wo, meinst du?« fragte Daniel.

»Bei den Dellbrüggs, sie waren mit den Lüdings befreundet. Danke, Danny, daß du mich darauf gebracht hast.«

»Was ist denn mit Viola, sag doch endlich«, drängte der Junge.

»Sie hatte einen Unfall und liegt hier im Koma. Aber wir wollen sie nach München holen.«

»Das finde ich aber schrecklich traurig«, sagte Danny. »Da wird Gucki auch traurig sein.«

»Unfälle passieren jeden Tag«, sagte Felix, »da kann man sich nicht immer aufregen, wenn man die Leute gar nicht kennt.«

»Aber wir kennen Viola«, sagte Fee verweisend.

»Tut mir ja auch leid«, brummte Felix.

Sie traten wieder die Heimfahrt an, wollten unterwegs an einem schönen Ort Pause machen und etwas Kräftiges essen.

Hier konnten sie doch nicht mehr erfahren, als sie nicht schon von Dr. Brankow wußten.

Die Zeit war schnell vergangen, und zu spät wollten sie auch nicht heimkommen.

»Auf dem Heimweg könnten wir eigentlich bei Frau von Lüding anhalten. Vielleicht läßt sie sich nur nicht telefonisch sprechen und ist doch zu Hause«, sagte

Fee.

»Wenn es kein großer Umweg ist«, meinte Daniel.

»Ist es nicht. Du kannst mich ans Steuer lassen, ich kenne mich in der Gegend aus.«

»Wieso denn das?«

»Weil ich während des Studiums dort gewohnt habe.«

»Das ist es? Aber keine besonders vornehme Gegend.«

»Ein Stück Alt-München. Es hat Atmosphäre. Frau von Lüding ist Malerin und Illustratorin.«

Sie wohnte in einem wunderschönen renovierten Altbau aus der Gründerzeit. Das gefiel Daniel auch. Fee versuchte es allein, und siehe da, der Türöffner summte.

»Geh nur schon«, sagte Daniel, »ich bleibe bei den Kindern.«

Die Wohnung lag im zweiten Stock, und es gab keinen Lift. Oben stand ein hübsches junges Mädchen, das Fee verblüfft ansah. »Ich dachte, Tante Lex kommt«, sagte sie. »Wollen Sie denn zu ihr?«

»Mein Name ist Fee Norden, und ich möchte zu Frau von Lüding«, sagte Fee.

»Sie ist aber nicht da, sie ist ein paar Tage in der Schweiz«, erwiderte das Mädchen. »Ich bin Sissi Heyken, eine Schülerin von Tante Lex. Ich wohne auch bei ihr. Leider habe ich Ihren Namen noch nicht gehört.«

»Wir sind Bekannte von Viola, und ich wollte fragen, wann Frau von Lüding zum letzten Mal Nachricht von Viola hatte.«

»Warum fragen Sie? Wegen Viola ist Lex doch in die Schweiz gefahren«

»Um sie zu treffen?«

»Weil sie telefonisch nicht in Klosters zu erreichen war. Viola war krank, deswegen ist Lex besorgt.«

»Ist Violas Mann auch in Klosters?«

»Der ist in Kapstadt, soviel ich weiß. Aber sprechen Sie lieber mit Lex. Sie wollte morgen zurückkommen.«

»Dann sagen Sie ihr bitte, daß ich sie dringend sprechen möchte. Dies ist meine Karte, sie möchte mich doch bitte anrufen, wenn sie zurück ist.«

»Gern, Frau Dr. Norden«, sagte Sissi, nachdem sie einen Blick auf die Karte geworfen hatte. Sie war sichtlich verwirrt, aber Fee war froh, daß sie keine Fragen mehr stellte.

»Hast du was erreicht?« fragte Daniel.

»Eine junge Dame war da. Sissi Heyken heißt sie. Frau von Lüding ist in der Schweiz. Viola scheint in Klosters gewesen zu sein.«

»Dann führt die Spur doch in die Schweiz, aber wieso dann nach Landeck?«

»Mich mußt du nicht fragen, mein Schatz. Ich zerbreche mir schon genug den Kopf.«

»Und ihr Mann?« meinte Daniel düster.

»Der soll in Südafrika sein. Es ist schon sehr merkwürdig.«

»Und vielleicht gibt es eine ganz einfache Lösung.«

»Aber welche?«

»Daß sie sich getrennt haben«, erklärte Daniel.

Fee sah ihn mit großen Augen an. »Du meinst, daß er Viola verlassen hat? Nach dieser kurzen Zeit?« Sie hielt den Atem an. »Und sie könnte verzweifelt gewesen sein?« fuhr sie fort. »Nein, das glaube ich nicht, das kann ich nicht glauben!«

»Haben sie eigentlich schon ein Kind?« setzte Daniel den Dialog nach kurzem Überlegen fort.

»Das hätten wir doch sicher erfahren«, meinte Fee. »Aber wenn ich es mir recht überlege, ist es doch sehr eigenartig, daß sie so lange nichts mehr von sich hören ließ. Hoffentlich kommt sie bald zu Bewußtsein!«

*

Die Kinder waren froh, als sie wieder zu Hause waren, Daniel und Fee allerdings auch. Unterhaltsam war der Ausflug nicht gewesen, das stellten die drei Kinder fest.

Lenni freute sich, daß sie alle wieder versammelt waren. Die Zwillinge beschäftigten jetzt ihre Eltern, während die drei Größeren sich in der Küche über Lennis Nudelsuppe stürzten, als hätten sie überhaupt nichts zu essen bekommen.

Es war schon einundzwanzig Uhr vorbei, und im Haus war Ruhe eingekehrt, da alle Kinder müde gewesen waren. Da läutete das Telefon.

Zu Fees Überraschung meldete sich Frau von Lüding. Sissi hätte sie angerufen und ihr von Fees Besuch erzählt, erklärte sie. Nun wollte sie wissen, was es Dringendes gäbe. Sie wüßte von Viola, daß sie Dr. Norden überaus schätze.

»Es handelt sich um Viola«, erklärte Fee. »Sie befindet sich in einem Hospital in Landeck.«

»Wieso das?« fragte Leonie von Lüding aufgeregt. »Warum wurde ich nicht benachrichtigt? Wieso ist sie in Landeck?«

Vorsichtig erklärte es Fee, wie man darauf gekommen war, ihren Mann zu benachrichtigen.

»Ich verstehe das alles nicht, ich verstehe überhaupt nichts mehr!« stöhnte Leonie. »Ich werde morgen gleich nach Landeck fahren.«

»Wir halten es für sinnvoll, Viola nach München bringen zu lassen, damit sie die richtige medizinische Betreuung bekommt. Damit ist auch Dr. Brankow einverstanden.«

»Ich natürlich auch. Ich will sie in der Nähe haben. Aber ich möchte auch gar zu gern wissen, was eigentlich mit Paolo los ist. Hier war er jedenfalls nicht, und angeblich hat niemand Viola gesehen. Wie lange ist sie denn schon in dem Hospital?«

»Jetzt sind es sechs Tage, und solange liegt sie auch bereits im Koma.«

»Das ist schrecklich! Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Vorerst kann ich mich nur ganz herzlich bei Ihnen bedanken. Ich melde mich sofort, wenn ich in München bin. Ein Trost, daß Viola lebt!«

Was mag da nur geschehen sein? dachte Fee. Irgend etwas ist da faul.

»Oberfaul«, gab Daniel seinen Kommentar dazu. »Aber jetzt wissen wir wenigstens, daß Frau von Lüding sich um Viola kümmern wird.«

Leonie war eine energische Frau, eine starke Persönlichkeit, wie man sie in einer Künstlerin nicht vermutete.

Und sie war eine Malerin von Rang, um deren Bilder man sich riß.

Sie war außerdem eine sehr attraktive Frau, vierzig Jahre und Single aus Überzeugung, was aber nicht besagte, daß sie überhaupt nichts mit Männern zu tun haben wollte. Sie wollte nur ihr ganz privates Leben nicht eingeschränkt wissen und keine Bindung eingehen, die Rücksichtnahme und Anpassung erforderte.

Manchmal brauchte sie aber männlichen Rat, weil ein Mann sich nicht so sehr von Emotionen leiten ließ, wenn es um die Ehe eines anderen Paares ging.

Dr. Clemens Münch hielt sich zur Zeit in Klosters auf, und von ihm hatte Leonie Hilfe erwartet, aber er hatte ihr nicht weiterhelfen können. Er hatte Viola nicht gesehen, und sie hatte sich nicht bei ihm gemeldet. Nun schneite so spät am Abend Leonie bei ihm herein, im wahrsten Sinne des Wortes, denn es fiel dichter Schnee.

Er war überrascht, aber auch erfreut.

»Daß es dich mal zu mir treibt, liebe Lex, ist ein wahres Wunder, und dazu noch bei diesem Wetter.«

»Es ist kein Wunder, es ist blanke Verzweiflung«, sagte sie tonlos. »Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich tun und denken soll, Clem.«

»Komm erst mal rein. Ich mache uns einen Glühwein. Du zitterst ja.«

Und das war er von ihr gar nicht gewöhnt. Aber er ahnte, daß es um Viola ging.

Sie hatte sich am Kamin niedergelassen, und er bereitete inzwischen den Glühwein. Sie sollte sich erst beruhigen.

»Weißt du jetzt, wo Viola steckt?« fragte er dann aber doch, um sie der Lethargie zu entreißen, in die sie verfallen schien.

»Deswegen bin ich hier. Sie liegt in Landeck im Hospital.«

»Wie hast du es erfahren?« fragte er bestürzt.

»Dr. Norden ist verständigt worden, und seine Frau war bei mir.«

»Jetzt mal langsam, Lex, wieso wurde Dr. Norden verständigt und nicht du? Hattest du Differenzen mit Viola?«

»Aber nein, sie liegt im Koma, und sie verständigten Dr. Norden, weil sie ein Rezept von ihm bei ihr fanden. Sie hatte keine Ausweise und kein Geld bei sich.«

»Das ist aber beängstigend«, sagte er entsetzt. »Ist sie überfallen worden?«

»Wir wissen nicht, was passiert ist, auch Dr. Norden weiß es nicht. Er will Viola nach München verlegen lassen, und ich bin selbstverständlich einverstanden. Aber morgen werde ich nach Landeck fahren und mit dem Arzt sprechen.«

Clemens Münch schüttelte den Kopf.

»Das ist sehr mysteriös. Ich werde dich auf jeden Fall begleiten.«

»Das würdest du tun? Ich wär dir ja so dankbar.«

Sie kannten sich schon zehn Jahre, aber noch nie hatte er aus ihrem Munde solche Worte vernommen. Eher solche wie »das brauchst du wirklich nicht, ich schaffe das allein«, oder »ich bin kein unmündiges Kind und komme allein zurecht«.

Alles wollte sie selber machen, und manches Mal hatte er sich über sie geärgert, weil sie gar so ablehnend war.

Jetzt war sie verzweifelt und dankbar, als er beruhigend auf sie einsprach und ihre Hand hielt.

»Du bist ein guter Freund, Clem«, sagte sie leise. »Ich fühle mich einfach schrecklich in dieser Ungewißheit.«

»Ich konnte diesen Paolo nie leiden«, sagte er grimmig, »mich würde es nicht wundern, wenn er ihr etwas angetan hätte.«

»Bitte nicht, sag nicht so was«, murmelte sie. »Das kann nicht sein. Er ist doch weit weg.«

»Das wird sich erst herausstellen. Als ich Viola das letzte Mal sah, hatte ich nicht dein Eindruck, daß sie glücklich ist.«

»Da hatte sie die Fehlgeburt, sie war deprimiert.«

»Und warum hatte sie eine Fehlgeburt?«

»Das passiert eben manchmal. Aber ich muß zugeben, daß Viola auch zu mir nichts sagte. Sie war sehr verschlossen.«

»Wir werden diese ganze Sache systematisch angehen. Wenn sie im Koma liegt, kann sie selbst nichts unternehmen. Wie ist das eigentlich mit den Finanzen? Hat er denn Vollmacht über die Konten?«

»Der größte Teil des Vermögens liegt fest. Soviel ich weiß, wird jedes Jahr eine bestimmte Summe freigegeben. Berthold war ein sehr vorsichtiger Mann, und er war gegen jede Verschwendung.«

»Vielleicht hat das dem Gigolo nicht gepaßt.«

»Clem, du sprichst von Conte Corelli.«

»Ein Titel ist kein Freibrief. Auf mich wirkte er wie ein schmarotzender Nichtstuer, ein Schönling, der sich in der Gunst der Frauen sonnte. Viola war so naiv und leichtgläubig. Ich verstehe nicht, daß ihr Vater der Heirat zustimmte.«

»Was hätte ein Nein genützt? Aber Paolo stammt aus einer angesehenen Familie, und Berthold machte auch Zugeständnisse, weil er noch jung war und gerade erst mit dem Studium fertig. Nein, wir wollen uns nicht verleiten lassen, in unserem Groll Verdächtigungen gegen ihn auszustoßen.«

»Denn er war ja so charmant, so umwerfend schön und faszinierend«, spottete Clemens, »aber die Männer sehen ihn mit anderen Augen.«

»Wenn er Viola etwas angetan hat, wird er mich kennenlernen!« stieß Leonie hervor. »Ich kann es mir nur nicht vorstellen. Er war immer so aufmerksam, so liebenswürdig und sie waren doch wirklich ein Traumpaar.«

»Das ist leicht gesagt, wenn es um Äußerlichkeiten geht. Hinter der Fassade sieht es oft ganz anders aus. Aber wo steckt der Bursche? Warum war Viola nicht in Klosters, und wie ist sie ausgerechnet nach Landeck gekommen? Das wird festgestellt werden müssen.«

Leonie war ganz in sich zusammengesunken. »Ich werde jetzt gehen«, sagte sie tonlos. »Morgen möchte ich früh starten.«

»Du kannst doch hier schlafen. Dann holen wir deine Sachen morgen früh. Ich möchte nicht, daß du jetzt allein bist und noch dazu in Violas Haus.«

Sie sah ihn verwirrt an. »Was hast du für Gedanken, Clem?«

»Keine guten, meine Liebe.«

Sie tranken noch einen Glüh­wein und dann waren sie erschöpft. »Danke, daß du so verständnisvoll bist«, sagte Leonie leise.

»Ich bin sehr froh, daß du zu mir gekommen bist. Und nun schlaf. Wir werden das gemeinsam durchstehen, Lexi. Ich habe Viola doch auch gern.«

*

Sie starteten gleich nach acht Uhr. Es war viel Schnee gefallen in der Nacht, und sie mußten warten, bis die Straßen geräumt waren, sonst wären sie gar nicht vorangekommen. Aber es wurde besser, als sie sich der österreichischen Grenze näherten.

Als Leonie erzählte, daß Viola in der Nähe von Nauders gefunden worden sei, stutzte Clemens.

»Das scheint mir aber so, als wäre sie von der italienischen Seite gekommen. Ist ihr Wagen dort gefunden worden?«

»Nein, sie lag im Schnee, unterkühlt und wie schon gesagt, ohne Hinweis auf ihre Identität. Es sieht mir auch nach einem Überfall aus. Vielleicht wollte sie von Italien aus nach Klosters fahren. Sie könnte Straßenräubern in die Hände gefallen sein, die auch ihr Auto gestohlen haben. Man muß alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.«

»Vielleicht auch die, daß Paolo in ihrer Gewalt ist«, sagte Clemens. »Du siehst, ich will objektiv sein, aber eher glaube ich, daß Viola vor ihm türmen wollte.«

»Du bist herzerfrischend aufrichtig«, stellte sie fest.

»Ich kann nicht heucheln, Lexi.«

Eine Weile schwiegen sie, dann begann Clemens wieder mit seinen Überlegungen. »Wir müssen uns erkundigen, wer Viola gefunden hat. Da müssen wir ansetzen. Ich kenne diese Polizei. Sie legen keinen Wert auf eingehende Ermittlungen. Sie wollen ihre Ruhe haben.«

Sie waren schneller in Landeck als gedacht. Und sie fanden das Hospital auch gleich.

Dr. Brankow war überrascht, daß nun schon wieder Besuch für Viola kam. Leonie zückte gleich ihren Paß.

»Ich wurde von Dr. Norden und seiner Frau informiert. Ich war in Klosters, um nach Viola zu sehen, aber sie war nicht dort. Natürlich habe ich mir Sorgen gemacht und war ein bißchen erleichtert, als ich von Frau Norden erfuhr, daß sie am Leben ist. Wie geht es meiner Nichte? Das ist übrigens ein guter Freund der Familie, Dr. Münch.«

Sie hatte in der Aufregung gar nicht gemerkt, daß Clemens sich schon selbst mit Dr. Brankow bekannt gemacht hatte.

Und Clemens hatte Leonie noch nie so aufgeregt und verwirrt gesehen.

»Der Zustand der Patientin ist unverändert, aber doch stabil. Einer Verlegung nach München steht nichts im Wege. Mein Kollege Norden wollte das von München aus in die Wege leiten.«

»Ja, das ist gut. Ich möchte Viola in der Nähe haben.« Sie sah Dr. Brankow forschend an. »Haben Sie eine Gewalteinwirkung bei Viola feststellen können?«

»Sie hat mehrere Blutergüsse, die aber bei dem Sturz entstanden sein könnten. An der Stirn hatte sie eine Platzwunde, die aber nicht mehr ganz frisch war und gut verheilt ist. Es war ein großes Glück, daß sie so schnell gefunden wurde.«

»Sind die Personalien des Helfers bekannt?« fragte Clemens.

»Die Polizei hat alles aufgenommen. Ich habe mich nicht darum gekümmert. Meine Sorge gilt den Patienten, und um Signora Carelli mußte ich mich sehr kümmern.«

»Genau genommen ist sie eine Contessa Corelli«, sagte Leonie nebenbei, und dann stellte sie mehrere Fragen. Dr. Brankow erklärte ihr, wie das Rezept gefunden worden war. »Nur das und ein Taschentuch befanden sich in dem Parka«, sagte er. »Ich mache mir natürlich auch Gedanken, was da passiert sein könnte.«

»Wir werden es herausfinden«, sagte Clemens.

Dann wurden sie zu Viola geführt.

Nur mühsam konnte Leonie ihre Tränen zurückhalten.

»Du armes Kleines«, flüsterte sie, »wenn du uns doch nur sagen könntest, was dir widerfahren ist«, aber Viola rührte sich nicht.

»Ich möchte bei Viola bleiben, vielleicht wacht sie doch auf«, sagte Leonie nach einem langen Schweigen.

»Dann könntest du mit dem Sanitätsflugzeug mitfliegen, und ich bringe den Wagen nach München«, erklärte Clemens.

»Und was wird mit deinem Wagen in Klosters?« fragte sie.

»Ich habe keinen Wagen dort. Ich wurde mit einem kleinen Flugzeug hergeflogen. Mach du dir um mich keine Gedanken. Wir sollten jetzt erst mal etwas essen gehen. Wir nützen niemand, wenn wir umfallen, und der Doktor muß schon genug rennen.«

Sie fuhren erst zur Gendarmerie. Dort wurden sie mißtrauisch und mit leichtem Unwillen gemustert, wohl in der Überzeugung, daß man mit Fremden immer Ärger hätte.

Aber schließlich waren die doch höflich und schnell bereit, ihnen den Bericht zu zeigen, der aufgenommen war. So erfuhren sie, daß es sich um zwei ehrbare Burschen aus dem Ort handelte, die auch beim Bergrettungsdienst tätig waren und so über jeden Verdacht erhaben. Sie hatten nichts anderes sagen können, als daß sie die bewußtlose Frau gefunden und sofort nach Landeck gebracht hatten, weil rasche Hilfe nötig war.

Das war es also. Nichts, was ihnen weiterhelfen konnte. »Jetzt muß Paolos Familie befragt werden«, sagte Clemens.

»Das soll die Polizei besorgen, ich mag nicht mit ihnen reden. Sie werden sich, was immer auch geschehen sein mag, bestimmt schützend vor Paolo stellen.«

»Waren sie nicht sehr angetan, daß Paolo eine so schöne und dazu reiche Frau heiratete?«

»Sicher waren sie das, aber die Begeisterung könnte umgeschlagen sein, als sie erfuhren, wie schwer man an das gesamte Vermögen herankommen konnte. Aber wir wollen uns nicht in Vermutungen ergehen.«

Sie suchten ein Restaurant auf, das einen soliden Eindruck machte. Sie hatten nun doch Appetit bekommen.

Auch Leonie ging es dann wieder besser, und sie beratschlagten, was sie nun unternehmen wollten. Sie wollten ganz diplomatisch vorgehen.

*

Am Montag vormittag wurde Viola nach München geholt. Leonie beglich die Rechnung und gab noch eine großzügige Spende für das Hospital. Sie flog mit dem Sanitätsflugzeug und konnte sehr zufrieden sein, wie gut Viola von dem noch jungen Arzt Dr. Montey betreut wurde. Er war Leonie sehr sympathisch in seiner zurückhaltenden Art. Mit dem Blick der Künstlerin stellte sie sofort fest, daß er wunderschöne schmale und ausdrucksvolle Hände hatte. Sein Gesicht mußte sie länger studieren, um festzustellen, was es eigentlich so anziehend machte, da er auf den ersten Blick unauffällig wirkte.

Es war ein schmales Gesicht mit hoher Stirn, warmen graublauen Augen, einer leicht gebogenen Nase und einem schön geschwungenen, sensiblen Mund. Bei näherer Betrachtung konnte Leonie jedoch bemerken, daß er ein willenstarkes Kinn hatte. Wenn er sie ansah, hatte sie das Gefühl, daß er bis in ihr Innerstes blicken konnte. Wie es schien, beschäftigte er sich auch sehr intensiv mit Violas Zustand.

»Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen, gnädige Frau?« fragte er mit einer warmen dunklen Stimme, die Leonie sehr gefiel, denn sie reagierte äußerst empfindlich auf harte und schrille Töne.

»Gern, wenn ich sie beantworten kann.«

»Versuchen wir es. Ich möchte gern eine Erklärung finden für dieses Koma, da eine Kopfverletzung, die eine Hirnschädigung hervorgerufen haben könnte, nicht vorliegt. Also könnte ein Schock der Auslöser gewesen sein.«

»Wir vermuten, daß sie überfallen und beraubt wurde, aber fliehen konnte. Beweise dafür haben wir allerdings nicht.«

»Die Patientin ist wohl verheiratet?«

»Ja«, erwiderte Leonie. Sie wunderte sich, daß ihr dieses Ja so schwer über die Lippen kam, denn sie hatte zum ersten Mal bemerkt, daß Viola überhaupt keinen Ring trug. »Ich verstehe das nicht«, murmelte sie.

»Was verstehen Sie nicht?« fragte Dr. Montey.

»Daß sie keine Ringe trägt, ihr Trauring und der Memory fehlen. Die hatte sie immer getragen.«

»Wartet der Ehemann in München?« fragte Dr. Montey weiter.

»Nein, das glaube ich nicht. Wir wissen nicht, wo er sich zur Zeit aufhält. Angeblich soll er in Südafrika sein.«

Aller Groll, den Leonie jetzt fühlte, drückte sich in ihrer Stimme aus.

»Es ist eine indiskrete Frage, aber sie könnte auch bedeutungsvoll werden. Gab es Differenzen zwischen den Eheleuten?«

»Ich weiß es nicht. Ich habe Viola längere Zeit nicht gesprochen. Sie lebte mit ihrem Mann in Italien.«

»Haben sie Kinder?«

»Nein, sie hatte eine Fehlgeburt. Es könnte sein, daß sie darunter gelitten hat. Ich würde es gern besser wissen. Wir wollten uns in Klosters treffen, aber sie war nicht dort. Dann erfuhr ich durch Dr. Norden, daß sie in Landeck im Hospital liegt. Es sind sehr mysteriöse Umstände, die sicher einen Schock bei ihr ausgelöst haben könnten.«

»Ich kenne Dr. Norden und seine Frau, deshalb bat er mich, die Patientin zu holen. Ich bin Arzt und Psychologe. Mich beginnt dieser Fall sehr zu interessieren, da die Gehirnströme als normal bezeichnet werden könnten.«

»Und was schließen Sie daraus?«

»Psychologisch würde ich es so erklären, daß etwas geschehen ist, das sie nicht wahrhaben oder verdrängen wollte. Eine Blockade trat ein, und durch den Kälteschock, den sie erlitt, wurde diese vertieft. So denke ich es mir. Es kann natürlich falsch sein. Es ist auch möglich, daß sie unbewußt in dem Zustand des nicht Erwachenwollens verharren will.«

»Und daß sie nie mehr aus dem Koma aufwacht?« fragte Leonie mit zitternder Stimme.

»Das will ich nicht sagen, aber es könnte durchaus möglich sein, daß das Erinnerungsvermögen ausgeschaltet bleibt. Ich will das nicht mit einem Gedächtnisverlust vergleichen. Eine Amnesie wird meist durch eine schwere Verletzung hervorgerufen. Die Erinnerungsblockade ist psychisch bedingt.«

»Es erschreckt mich«, sagte Leonie leise. »Ich fühle mich so hilflos.«

»Aber wenn Ihre Nichte Ihnen viel bedeutet, sollten Sie nicht aufgeben, ihr zu helfen, in ein neues Leben zu finden, was aber auch bedeuten kann, daß sie das frühere Leben ganz hinter sich lassen müßte.«

Dr. Norden Extra 5 – Arztroman

Подняться наверх